Finanzmetropole im Ausnahmezustand
Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.
Blockupy gegen die EZB: Tausende wollen morgen in Frankfurt am Main gegen das europäische Krisenregime demonstrieren –
Von THOMAS EIPELDAUER, 17. März 2015 –
Das Thema könnte aktueller nicht sein. „Aus meiner Sicht verfolgt die EZB eine Politik gegenüber unserer Regierung, die ihr die Luft zum Atmen nimmt“, bekundete kürzlich der neue griechische Finanzminister Yanis Varoufakis. (1) „Luft zum Atmen“ im von Euro-Krise und Austeritätspolitik geschundenen Griechenland zu gewinnen, ist seit ihrer Wahl Ende Januar erklärtes Ziel der von der Linkspartei Syriza geführten Regierung in Athen. Das Ringen mit den konservativen Kräften Europas, die Griechenland zu einer Fortsetzung der desaströsen Sparpolitik zwingen wollen, kann aber nicht zu Gunsten der Griechen entschieden werden, solange es keinen Druck in den Kernländern der EU gibt. „Griechenland mit seiner neuen Regierung hat gegen die geballte Macht des Kapitals in Europa anzukämpfen und kann diesen Kampf nicht alleine bestehen. Ich meine, dass dies eine gute Gelegenheit für Linke in Europa bietet, sich zu reorganisieren“, sagt Syriza-Ökonom Theodoros Paraskevopoulos gegenüber Hintergrund. (2)
Den Ruf aus Athen erhört haben offenbar jene, die unter dem Label „Blockupy“ für den morgigen Mittwoch nach Frankfurt einladen. Die Eröffnung des neuen EZB-Gebäudes ist der äußere Anlass, eigentlich aber geht es um die Gesamtheit des „europäischen Krisenregimes“, wie das Bündnis aus dutzenden linken Organisationen verlautbart. „Blockupy kämpft für die Überwindung des Krisenkapitalismus und stellt sich der ständig propagierten, angeblichen Alternativlosigkeit des Bestehenden entgegen“, erklärt Hannah, eine Sprecherin von Blockupy. (3) Warum da die EZB in den Fokus gerät? „Die Europäische Zentralbank ist nicht demokratisch legitimiert, tritt aber als Teil der Troika politisch auf. Kaum wurde in Griechenland die Troika krachend abgewählt, forderte die EZB die Fortsetzung der Verelendungsprogramme. Gemeinsam mit der deutschen Regierung steht sie für eine brutale Durchsetzung des Kapitalismus. Und damit nimmt sie billigend in Kauf, dass Menschen hungern und sterben“, erklärt Hannah.
Diese Position zu artikulieren, dürfte indes nicht einfach werden. Das Polizeiaufgebot klingt nach Bürgerkrieg: Zwischen 8 000 und 10 000 Beamte sollen im Einsatz sein, ausgerüstet mit Dutzenden Wasserwerfern, Hubschraubern und Pferden. Absperrungen werden mit NATO-Draht gesichert, sogar die Sondereinheit GSG-9 wird vor Ort sein, wenn es morgen darum geht, das neue Gebäude der Europäischen Zentralbank vor Protesten des „Blockupy“-Bündnisses zu schützen. Man muss kein Experte für Polizeitaktik sein, um zu bemerken, dass ein immenses Ungleichgewicht zwischen zu erwartenden Ausschreitungen und den Massen an Polizisten und Material, die in die Finanzmetropole am Main geschafft wurden, besteht. Die Vermutung liegt nahe, dass das Ziel dieser militärischen Abriegelung der Stadt „offensichtlich mehr als der Schutz ihrer Euro-Bank“ ist, wie es in einer Pressemitteilung des Bockupy-Bündnisses heißt. „Ihr Ziel ist offensichtlich mehr als der Schutz ihrer Euro-Bank. Das politische Signal geht tiefer und weiter: Geht nach Hause, kommt nicht, jeder Widerstand ist zwecklos. Von einer polizeilichen Übermacht sollen wir eingeschüchtert und um unser Recht auf Widerspruch und Protest gebracht werden.“ (4)
In der Tat zeigt der Rückblick auf vergangene Demonstrationsversuche von „Blockupy“ in Frankfurt, dass diese jedes Mal mit massiven Versuchen seitens der Behörden verbunden waren, jedwede öffentliche Protestkundgebung zu unterbinden. Schon 2012 waren alle Veranstaltungen außer einer zentralen Großdemonstration von der Stadt verboten worden, Frankfurt fand sich in einer Art Belagerungszustand wieder. Einigen Demonstranten wurde gleich ganz der Zugang zur Stadt verwehrt, nach Personalienaufnahme mussten sie wieder umkehren. Ein Demonstrationsrecht gab es zumindest für sie nicht. Von einer „ungeahnten Härte“ der Behörden, schrieb der Soziologe Peter Ullrich. (5)
2013 wiederholte sich das Spektakel während der Blockupy-Aktionstage Ende Mai, 275 Menschen wurden während der Schlagstock- und Pfefferspray-Orgien der Polizei verletzt. Es gab einen medialen Aufschrei, das oft grundlos brutale Vorgehen der Beamten wurde von zahlreichen Politikern, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten verurteilt. Da auch Pressevertreter in ihrer Arbeit behindert und von Beamten körperlich angegriffen worden waren, meldete sich sogar die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu Wort und kritisierte das Vorgehen der Polizei. (6)
Gleichwohl scheint man in Frankfurt eben jenen Weg der Demonstrationsverhinderung und Eskalation weiter beschreiten zu wollen. Der politische Grund für diese repressive Vorgehensweise dürfte in einer einfachen Maxime zu suchen sein: Zum bestehenden Krisenregime mit seiner ungleichen Akkumulation von Reichtum und seinen zerstörerischen Austeritätsdiktaten für die sogenannten Peripheriestaaten darf keine Alternative formuliert werden. Die Unausweichlichkeit des Bestehenden ist aber gerade gegenwärtig, wo es um die Auseinandersetzung mit der neu gewählten griechischen Linksregierung geht, zu einer Art deutscher Staatsdoktrin geworden, die verteidigt werden muss – zur Not mit Gewalt.
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Anmerkungen
(1) http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/griechenland/varoufakis-ezb-nimmt-uns-die-luft-zum-atmen-13478371.html
(2) Interview in der kommenden Printausgabe: Zu bestellen hier.
(3) http://lowerclassmag.com/2015/03/die-ezb-hat-eine-waffe-in-der-hand-und-zielt-auf-griechenland/
(4) http://blockupy.org/5845/eindruecke-aus-dem-gefahrengebiet-1-krawatten-koennten-autonome-provozieren-faz/
(5) http://www.wzb.eu/sites/default/files/publikationen/wzb_mitteilungen/35-37.pdf
(6) http://www.sueddeutsche.de/politik/blockupy-demo-in-frankfurt-osze-kritisiert-polizeigewalt-gegen-journalisten-1.1690723