Weltwirtschaft

Verbales Säbelrasseln gegen Chinas Wirtschaftsmacht

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von REDAKTION, 17. August 2010 –

China hat Japan als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt verdrängt. Das japanische Wirtschaftswachstum lag im zweiten Quartal deutlich unter den Erwartungen, wie die Regierung in Tokio gestern mitteilte. Nach vier Jahrzehnten verlor Japan damit seinen Stammplatz als zweitgrößte Wirtschaftsnation hinter den USA. 1968 hatte Japan Deutschland vom zweiten Platz verdrängt.

Vor zwei Jahren hatte dann auch China Deutschland überholt und auf den vierten Platz verwiesen. Frankreich, Großbritannien und Italien dürften in diesem Jahr die weiteren Plätze belegen – gefolgt von Brasilien als weiteres aufstrebendes Schwellenland voraussichtlich auf dem achten Rang.

Laut vorläufigen Berechnungen belief sich Japans Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal auf 1,28 Billionen Dollar, während China auf 1,33 Billionen Dollar kam. Zwar sind die Zahlen noch nicht um saisonale Faktoren bereinigt, dennoch gilt es als wahrscheinlich, dass der mit zehn Prozent stark wachsende chinesische Nachbar aufs ganze Jahr gesehen die neue Nummer Zwei bleibt.

Dass Chinas Wirtschaft größer als die japanische ist, solle nicht überbewertet werden, meinte der Ökonom von Chinas Industrial Bank, Lu Zhengwei. China sei groß und mit 1,3 Milliarden Menschen das bevölkerungsreichste Land der Erde. „Wichtiger sind das Pro-Kopf-Einkommen, das soziale Netz für einfache Bürger und die Infrastruktur – hier hinken wir noch weit hinterher“, sagte Lu der Nachrichtenagentur dpa in Peking.

China ist zwar nun zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, aber dennoch in weiten Teilen ein Entwicklungsland. Das Pro-Kopf-Einkommen ist in Japan mit 37.800 Dollar über zehn mal so hoch wie das in China mit 3.600 Dollar.

„Mehr als zuvor spielt China eine wichtige Rolle auf den Weltmärkten, besonders bei Rohstoffen“, sagte die China-Spezialistin der Standard Chartered Bank, Jinny Yan. Der wirtschaftliche Aufstieg des Milliardenvolkes verschärfe das Rennen um Rohstoffe, so dpa heute in einer Mitteilung. Die Nachfrage aus China habe nach Angaben von Experten schon heute großen Einfluss auf den Preis aller wichtigen Rohstoffe.

„Natürlich kommt mit dem Titel der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt auch Verantwortung“, sagte Yan. Daher rücke die Energieeffizienz in den Mittelpunkt der Politik. China hat die USA als größter Energieverbraucher überholt. Zu den Superlativen gehört aber auch, dass kein Land mehr Treibhausgase ausstößt als China.

Es ist bemerkenswert, dass China von Experten aus den westlichen Staaten immer wieder aufgrund seines Wachstums zum „Buhmann“ erklärt wird, sei es, wenn Rohstoffpreise steigen oder sich der Treibhausgasausstoß erhöht. Dabei liegt China relativ zu den westlichen Ländern und Japan weit zurück, sowohl was den Pro-Kopf-Ausstoß an Treibhausgasen betrifft, als auch den Pro-Kopf-Verbrauch an Rohstoffen. Zwar stieg Chinas Gesamtanteil am weltweiten Co2-Ausstoß von 5,7 Prozent im Jahr 1971 auf 21 Prozent im Jahr 2007. Dennoch liegt der chinesische Pro-Kopf-Verbrauch mit 4,6 Tonnen deutlich unter dem etwa Deutschlands mit 9,7 Tonnen. Am höchsten ist er mit 19,9 Prozent in den Vereinigten Staaten, die knapp 5 Prozent der Weltbevölkerung stellen, aber einen 20-prozentigen Anteil am CO2-Ausstoß haben. Dass China den Klimagipfel in Kopenhagen platzen ließ, dürfte auch daran liegen, dass man dort die Rede von „Verantwortung“ in Sachen Umweltschutz auch als Rhetorik betrachtet, hinter der sich tatsächlich das Interesse der etablierten Wirtschaftsmächte verbirgt, Chinas nachholender Industrialisierung Steine in den Weg zu legen. Denn wenn europäische Staaten energieeffizienter als China wirtschaften, also weniger Energie im Verhältnis zum erwirtschafteten Inlandsprodukt verbrauchen, dann liegt das daran, dass diese die „schmutzige“ Phase der Industrialisierung weitgehend hinter sich gebracht haben und ihre Wirtschaft insgesamt produktiver ist. Hier an China die gleichen Maßstäbe anzusetzen wie an die derzeitig hochentwickelten Länder stellt im historischen Kontext tatsächlich eine Ungleichbehandlung dar. Was für die europäischen Staaten oder die USA in der Vergangenheit nur recht und billig war, nämlich dem eigenen wirtschaftlichen Wachstum den Vorrang gegenüber Umweltschutzmaßnahmen einzuräumen, soll China verwehrt werden. Ob Klimawandel oder steigende Lebensmittelpreise, China wird schnell als Sündenbock ausgemacht und soll so zur Ablenkung von den eigentlichen Ursachen dienen. So kann in den USA manch ein Politiker im Wahlkampf damit punkten, wenn beispielsweise die Tatsache der Vernichtung von Arbeitsplätzen im Industriesektor China angelastet wird. Dass der industrielle Niedergang in den USA aber in erster Linie einer gezielten Politik  geschuldet ist, die Dominanz der Weltmacht nicht mehr durch eine industrielle sondern durch eine finanzielle Vorherrschaft abzusichern, wird dabei gerne außer Acht gelassen.

Noch stehen die USA nicht nur in Sachen Treibhausgase, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht nach wir vor unangefochten an Nummer Eins. Ihr Bruttoinlandsprodukt ist mit 14.256 Milliarden Dollar größer als das der drei nachfolgenden Staaten Japan, China und Deutschland zusammengenommen. Für steigende Rohstoffpreise werden die USA aber selten verantwortlich gemacht, obwohl die Vereinigten Staaten „über ihre Verhältnisse leben“, da ein Großteil des US-amerikanischen Konsums über Kredite finanziert wird, von denen ein nicht unbeträchtlicher Teil als „faul“ betrachtet werden kann.

Diese merkwürdige Schieflage in der Wahrnehmung der „Experten“ ist der Furcht vor einem Ende der westlichen Dominanz geschuldet. Denn auf lange Sicht scheint die Tendenz eindeutig zu sein: China wird eines Tages die USA als Wirtschaftsmacht Nummer Eins ablösen und eine dominante Rolle auf dem Weltmarkt spielen.

Kennzeichnend für diesen Prozess ist auch, dass „Chinas Wirtschaft heute 90 mal größer als 1978 ist, wobei dieses Wachstum mindestens 300 Millionen Menschen aus der Armut gezogen hat“, kommentierte heute die britische Times Chinas Aufstieg auf den zweiten Rang der Wirtschaftsmächte. In den USA hingegen ist die Anzahl derjenigen, die Lebensmittelmarken beziehen müssen, um täglich essen zu können, im März auf über 40 Millionen Menschen gestiegen. Das sind 7 Millionen mehr als im Vorjahresmonat – eine Trendwende ist nicht in Sicht. Nur in einer Hinsicht weisen die sozialen Verhältnisse in China und den USA eine Parallele auf: die ungleiche Einkommensverteilung. Beide haben einen hohen Gini-Koeffizienten (2), mit dem die Einkommensverteilung gemessen wird. Während die USA Rang 91 in der Liste der Länder nach Einkommensverteilung belegen, folgt China gleich auf Platz 92. In Japan ist der Gini-Koeffizient zum Vergleich nur ca. halb so hoch, und das Land belegt gleich nach Dänemark den zweiten Platz.

Doch im Gegensatz zu Japan ist China langfristig betrachtet der größte Rivale der USA, daher werden von Vertretern der USA auch Chinas  Militärausgaben gerne überdramatisiert. Damit soll die Furcht vor einem starken China geschürt werden, mit der auch die militärische Präsenz der USA in Asien gerechtfertigt werden soll.

So heißt es im gestern veröffentlichten jährlichen Pentagonbericht, Peking habe das wirtschaftliche Wachstum im Land genutzt, um mehr Geld in die Volksbefreiungsarmee zu stecken.

Demnach hat sich China die Stationierung von Lang- und Mittelstreckenraketen einiges kosten lassen und auch kräftig in hoch entwickelte Angriffs-U-Boote investiert. Die Modernisierung der chinesischen Streitkräfte ziele teilweise darauf ab, Taiwan davon abzuschrecken, seine Unabhängigkeit zu erklären oder es dazu zu bewegen, den Konflikt um seinen Status zugunsten Chinas beizulegen.

Peking strebe bei seinen Militäranstrengungen auch größere Reichweiten über die Region hinaus an, heißt es in dem Report, aber diese Kapazitäten blieben „begrenzt“. Weiter warnt das US- Verteidigungsministerium, dass die Ziele des militärischen Aufbaus undurchsichtig seien und dieser Mangel an Transparenz „die Möglichkeit von Missverständnissen und Fehlkalkulation vergrößert“.

Abgesehen davon, dass die USA Taiwan als Faustpfand gegen China missbrauchen und gegenwärtig im südchinesischen Meer mit dem Säbel rasseln, indem sie wiederholt umfangreiche Manöver mit der südkoreanischen Armee durchführen, ist die Dramatisierung seitens des Pentagon auch deshalb falsch, weil die Relation außer acht gelassen wird. Chinas Militärhaushalt stieg 2010 nur um 7,5 Prozent auf 57 Milliarden Euro, während die Steigerungsrate in den Jahren zuvor ungefähr doppelt so hoch lag. Das entspricht einen Anteil des BIP von 1,4 Prozent, während dieser in Großbritannien, Frankreich und Russland 2 Prozent und in den USA sogar 4 Prozent beträgt. China zeigt mit der Drosselung der Steigerung der Militärausgaben, dass es bei einem Wettrüsten nicht mitmachen wird. Nach  Angaben des Stockholmer Instituts für internationale Friedensforschung (SIPRI) stieg der US-Militärhaushalt unter Barack Obama auf 661 Milliarden US-Dollar im Jahr 2009. Damit ist der Haushalt größer als der der nachfolgenden 15 Staaten zusammengenommen. Allein 54 Prozent der zusätzlichen Rüstungsausgaben im letzten Jahr entfielen auf die Vereinigten Staaten. Für 2010 werden im US-Militärhaushalt ohne Ergänzungskosten allein für die Krieg in Afghanistan und im Irak 534 Milliarden US-Dollar eingeplant

Anhand dieser Zahlen klingen warnende Worte aus den USA wie Hohn. Für das Pentagon und die US-amerikanische Öffentlichkeit gilt es allerdings als selbstverständlich, beispielsweise vor Chinas Küste gemeinsam mit Südkorea umfangreiche Militärmanöver abzuhalten. Würde China dergleichen tun und etwa gemeinsam mit Kuba solche Manöver vor der amerikanischen Küste abhalten, würde das mit Sicherheit als ein „Akt der Aggression“ verurteilt werden und zu öffentlicher Empörung führen. Doch soweit wird es nicht kommen, denn China hat gar kein Interesse daran, mit den USA militärisch zu konkurrieren. Dazu fehlen China nicht nur die nötigen Mittel, sondern auch der Willen. China verfolge den Pfad einer „friedlichen Entwicklung“, seine Verteidigungspolitik sei „defensiv“ verkündete der Sprecher der Jahrestagung des Volkskongresses, Li Zhaoxing, im März anlässlich der Veröffentlichung der Zahlen über den neuen Militärhaushalt. Hierbei handelt es sich nicht um leere Friedens-Rhetorik, wie man sie von US-Präsidenten gewohnt ist. Um die Vorherrschaft der USA zu brechen verlässt sich China auf seine wachsende wirtschaftliche Kraft und seine Verlässlichkeit als Handelspartner. Anstatt mittels militärischer Interventionen die Rohstoffdeckung zu gewährleisten, setzt man lieber auf einen für beide Seiten vorteilhaften Handel.(3) Mit dieser Vorgehensweise hat sich China in afrikanischen Ländern wie Sudan, Angola oder Nigeria Zugang zu Erdöl-Reserven gesichert und damit die strategischen Interessen der USA auf dem afrikanischen Kontinent ernsthaft herausgefordert.

„Diese Dampfwalze wird im Ausland vielfach als Schreckgespenst gebrandmarkt. Doch es ist China, das zur Zeit fast allein das Wachstum in der Welt bewirkt und die Defizite des Westens finanziert“, schreibt Le Figaro im Hinblick auf den chinesischen Aufstieg.

Mehr noch, China half, die spekulativen Angriffe gegen den Euro, wie er vor allem von US-amerikanischen Finanzplätzen ausgehend geführt wurde, abzuwehren.

Angesichts des unaufhaltsam scheinenden Aufstiegs Chinas schwimmen den USA die Felle davon. Es ist daher davon auszugehen, dass Konflikte in den nächsten Jahren in den Ländern und Regionen, die für Chinas Rohstoffversorgung strategisch wichtig sind, von den USA initiiert bzw. zur Eskalation gebracht werden. Der neuste Pentagonbericht mit seiner Warnung, dass China Taiwan immer stärker militärisch überlegen werde, weist in diese Richtung und kann als Aufforderung an den Kongress betrachtet werden, Taiwan weiterhin verstärkt mit US-Hilfe gegen China aufzurüsten. Erst im Januar lieferten die USA Waffen im Wert von 6,4, Milliarden Dollar nach Taiwan.


(1) Siehe dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_LProzentC3ProzentA4nder_nach_Einkommensverteilung

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(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Gini-Koeffizient

(3) Zur Rivalität der etablierten imperialen Macht USA und der aufstrebenden Macht China siehe auch den Artikel „Der Konflikt zwischen China und den USA vertieft sich“ von James Petras in der aktuellen Ausgabe von Hintergrund – Das Nachrichtenmagazin.

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