Weltwirtschaft

Bundesregierung will 200 Panzerfahrer-Arbeitsplätze in Saudi-Arabien sichern

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von SEBASTIAN RANGE, 5. Juli 2011 –

Die Pläne zur Lieferung von 200 deutschen Leopard-II-Panzern nach Saudi-Arabien sorgen weiterhin für starke Kritik, nun auch aus den Reihen der Koalition.

Offiziell gibt es weiterhin keine Bestätigung für das Milliardengeschäft. Nach Informationen des Magazins Der Spiegel gab der Bundessicherheitsrat vergangene Woche aber bereits grünes Licht für den Export. Die Regierung übt sich weiter in Geheimniskrämerei. Regierungssprecher Seibert verwies am Montag auf die Geheimhaltungspflicht in Bezug auf Entscheidungen des Bundessicherheitsrates. Es sei das übliche Prozedere, die Öffentlichkeit über Rüstungsexporte erst im jährlichen Rüstungsexportbericht zu informieren. Auch am heutigen Dienstag zeigten sich Regierungsvertreter verschwiegen: „Der Bundessicherheitsrat tagt geheim, und dabei bleibt es“, sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière.

Ob sich die Bundesregierung aber weiterhin um die Beantwortung kritischer Fragen herumdrücken kann, erscheint ungewiss, da es nun auch wachsende Kritik aus den eigenen Reihen gibt. Der Fraktionsgeschäftsführer der CDU/CSU im Bundestag, Peter Altmaier, bestätigte, dass es auch in seiner Partei „verschiedene Auffassungen“ zu dem Geschäft gebe. Er sprach von einem „sehr sensiblen Thema“. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters habe sich eine Mehrheit in der Fraktionsführung gegen eine Lieferung ausgesprochen. Die Bundesregierung hat vermutlich aber bereits Fakten geschaffen. Laut Reuters seien bereits 44 Panzer an den Golf-Staat geliefert worden. Offiziell bestätigt wurde dies jedoch nicht. Experten schätzen den Wert des Geschäfts auf mindestens 1,7 Milliarden Euro.

Auf Antrag der Opposition soll sich der Bundestag in den kommenden Tagen mit dem Thema befassen. In der Aktuellen Stunde soll dann auch die Regierung Auskunft geben. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler sagte im Deutschlandfunk: „Es ist das Recht des Parlaments, Auskunft zu verlangen von der Bundesregierung.“

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf der schwarz-gelben Regierungskoalition vor, gegen einen parteiübergreifenden Konsens zu verstoßen. Bislang habe gegolten, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern, sagte Trittin im ARD-Morgenmagazin. „Das ist hier missachtet worden“.

Die Empörung aus den rot-grünen Oppositionsreihen nimmt sich allerdings ziemlich selbstgerecht aus. Dass die Bundesregierung nun Munition in das Kriegsgebiet Libyen verschickt, stieß bei Bekanntwerden weder bei SPD noch bei Grünen auf Kritik. Wie viele Zivilisten der Einsatz der NATO-Munition bislang das Leben kostete, davon will man auch bei Rot-Grün nichts wissen. Ginge es nach ihnen, wären deutsche Soldaten an der Libyen-Front auch direkt im Einsatz. Dass die deutschen Rüstungsexporte während der rot-grünen Regierungszeit Spitzenwerte erreichten und sich im Verhältnis zur Kohl-Regierung verdoppelten und verdreifachten, ließ Trittin unerwähnt. Hauptabnehmer der Rüstungsgüter im Jahre 1999, dem ersten durchgängigen Regierungsjahr unter Kanzler Schröder, war die Türkei, die als Staat vor allem in der kurdischen Krisenregion für ihre nicht besonders ausgeprägte Achtung der Menschenrechte bekannt ist.

Fraglich bleibt, wie die Lieferung von Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien mit den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen“ aus dem Jahr 2000 vereinbar ist, welche die Grundlage für Genehmigungen von Rüstungsexporten durch das Bundeswirtschaftsministerium bilden. Darin heißt es: „Lieferungen an Länder, die sich in bewaffneten äußeren Konflikten befinden oder bei denen eine Gefahr für den Ausbruch solcher Konflikte besteht, scheiden (…) grundsätzlich aus“. Auch bei dem „hinreichenden Verdacht“, dass deutsche Waffen zur Unterdrückung der Bevölkerung oder „sonstigen fortdauernden (…) Menschenrechtsverletzungen“ im Empfängerland missbraucht werden, gibt es grundsätzlich keine Exportgenehmigung.

Die ohnehin schon „düstere Menschenrechtslage“ habe sich in Saudi-Arabien im Rahmen des Anti-Terror-Kampfes noch verschlimmert, fasste Amnesty International (AI) die Situation in ihrem Jahresbericht 2009 zusammen. Folter an Inhaftierten sei an der Tagesordnung. Für das Jahr 2010 zählte die Menschenrechtsorganisation insgesamt 69 Hinrichtungen. Die Todesurteile beruhen auf „überaus unfairen Verfahren, inklusive der Verweigerung rechtlichen Beistands und Verurteilungen alleine auf der Basis von ‚Geständnissen’“, die durch die Anwendung von Folter zustande kamen. Neben den Todesurteilen kritisiert Amnesty auch die Verhängung von Strafen wie öffentliches Auspeitschen oder die Amputation von Händen verurteilter Diebe. Frauen seien noch immer einer schweren Diskriminierung ausgesetzt. AI verweist auf den Fall einer 23-Jährigen, die von fünf Männern vergewaltigt wurde. Wegen „Unzucht außerhalb der Ehe“ und dem Versuch der Abtreibung des bei der Vergewaltigung entstandenen Fötus’ wurde sie von einem Gericht zu einem Jahr Gefängnis und 100 Peitschenhieben verurteilt. (1)

Abgesehen von der Lage der Menschenrechte ist es insbesondere die Rolle der saudischen Öl-Monarchie bei der Niederschlagung von Protesten im Golf-Staat Bahrain, die im Mittelpunkt der Kritik der Opposition steht. Linke-Vorsitzender Klaus Ernst wies darauf hin, dass Saudi-Arabien zu den schlimmsten Menschenrechtsverletzern der Region gehöre: „Es waren saudi-arabische Truppen, die den Aufstand in Bahrain niedergeschlagen haben, und zwar mit aller Brutalität.“ Nun gebe es „die tödlichsten Panzer für die schlimmsten Unterdrücker“.

Die Unterstützung von Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle für die arabische Demokratiebewegung sei als „reines Lippenbekenntniss“ entlarvt, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler.

Die Unterstützung von Protesten auf der einen und deren Niederschlagung auf der anderen Seite ist keineswegs ein Widerspruch, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Die unterschiedliche Vorgehensweise gegenüber den arabischen Protestbewegungen entspricht den „sicherheitspolitischen Interessen“. Aufstände in Staaten wie Bahrain oder Saudi-Arabien, in denen die USA Militärstützpunkte unterhalten, gefährden diese Interessen. Proteste in Ländern die der Verwirklichung der eigenen geopolitischen Interessen hinderlich sind, wie etwa Libyen, Syrien oder Iran, werden hingegen unterstützt. Im Fall Ägypten wurde ein Mittelweg gewählt, da eine blutige Niederschlagung der Proteste das Land mit unabsehbaren Folgen zu sehr destabilisiert hätte. Die Protestbewegung wurde öffentlich mit Worten unterstützt und man ließ Präsident Mubarak über die Klinge springen, die alten Machtstrukturen aber wurden erhalten. Stärker noch als zuvor liegt das Geschick des Landes in den Händen des Militärs, auf welches die USA großen Einfluss ausüben.

Der regierende Militärrat stellte Tausende Teilnehmer der Proteste vor ein Militärgericht. Ein ägyptischer Anwalt schätzte die Zahl auf über 50.000 verurteilte Zivilisten. Die Repression sei schlimmer als unter der Herrschaft Mubaraks: „Selbst unter Mubaraks Regierung gab es im Jahr kaum mehr als drei Militärprozesse“, so der Anwalt. (2)

In der Vergangenheit wurden Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien auch unter dem Verweis auf Israels Sicherheitsinteressen abgelehnt. Äußerungen von Regierungssprecher Seibert lassen vermuten, dass der Export der Leopard-II-Panzer mit Israel abgesprochen wurde. Seibert betonte, bei Gesprächen der Bundesregierung mit Vertretern Israels gehe es „immer auch um die Frage der Bedrohung Israels“. Es sei sicher, „dass die Bundesregierung nicht gegen die Interessen und das Existenzrecht und die Existenzmöglichkeit Israels handelt. Dies ist ein Grundpfeiler unserer Politik, der sich in allem widerspiegelt.“

Zum genannten Grundpfeiler der Politik, der sich in allem widerspiegelt, gehört auch, dass Fragen der Menschenrechte grundsätzlich gegenüber Wirtschaftsinteressen nachrangig sind. Neben zahlreichen Zulieferern kommt der milliardenschwere Auftrag zum Panzerbau vor allem den deutschen Konzernen Kraus-Maffei Wegmann und Rheinmetall zugute. Das Bekanntwerden des Exportvorhabens sorgte für einen kräftigen Auftrieb der Rheinmetall-Aktie um knapp drei Prozent, womit diese zu den Gewinnern des gestrigen Börsentages gehörte. Je mehr saudi-arabische Panzer gegen Freiheitsbestrebungen in der Golfregion zum Einsatz kommen, desto sicherer sind die Arbeitsplätze der Angestellten bei Rheinmetall und Co. In Zeiten wirtschaftlicher Krisen und einem vom Kollaps bedrohtem Finanzsystem ist das zur Abwechslung doch auch mal eine gute Nachricht.


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(1) http://www.amnesty.org/en/region/saudi-arabia/report-2010

(2) http://www.jungewelt.de/2011/05-17/030.php

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