BlackRock-Kapitalismus
Emanzipiert sich die EU gegenüber der Supermacht USA?
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Seit der Finanzkrise haben Investoren, Konzerne, Berater und Geheimdienste aus den USA in der europäischen Wirtschaft noch größeren Einfluss. Die EU spielt aufkommende Konflikte herunter und unterwirft sich US-amerikanischen Interessen. Mit Donald Trump als neuem Präsidenten der Vereinigten Staaten wird sich daran wohl kaum etwas ändern.
Einseitige Bankenregulierung
„Die Finanzkrise kommt aus den USA“, erklärte im Jahr 2008 der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Allerdings unterschlug er dabei, dass deutsche und westeuropäische Banken dort kräftig mitgemacht und sich mit in den Bankrott manövriert hatten.
Dennoch griff die Bundesregierung auf Hilfe aus den USA zurück, um die Krise zu meistern. Steinbrück beauftragte die US-Wirtschaftskanzlei Freshfields mit dem Entwurf der beiden Bankenrettungsgesetze. Bundeskanzlerin Angela Merkel lamentierte zwar einige Male, sie wolle nie mehr in eine Situation kommen, in der sie sich von „den Finanzmärkten“ erpressen lasse. Aber die Beratung in Sachen Finanzkrise holten sich Kanzleramt und Finanzministerium auch weiterhin bei „den Finanzmärkten“, bei wesentlichen Verursachern der Finanzkrise: Goldman Sachs, Barclays oder Deutsche Bank. Die Bundesregierung engagierte überwiegend US-Akteure – Goldman Sachs, Morgan Stanley, KPMG, Freshfields, White & Case, Mayer Brown und Rothschild – als Berater der Bankenrettungsbehörde Soffin.
Für die Haushaltskürzungen und Privatisierungen in EU-Mitgliedsstaaten zog die Europäische Kommission auch den Internationalen Währungsfonds IWF hinzu, der von US-Banken dominiert wird. Weder ein Parlament noch der Europäische Rat hatte das beschlossen, aber besonders die Bundeskanzlerin setzte sich dafür ein. Die Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF beauftragte ihrerseits den größten Kapitalorganisator der Welt und US-Regierungsberater, BlackRock, damit, die Risikoanalysen für die Bankenrettungen in Irland, Griechenland, Großbritannien und Zypern zu erstellen. Gleichzeitig war die BlackRock-Truppe getarnt als „Projekt Solar“ in Athen und unter dem Decknamen „Claire“ in Zypern aktiv.
In der EU wurde nach der Finanzkrise zunächst heftige Kritik an den Mitverursachern, den drei marktbeherrschenden US-Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch, laut. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet bezeichnete sie als „Brandbeschleuniger“ der Krise, und EU-Kommissarin Viviane Reding forderte die „Zerschlagung der amerikanischen Ratingagenturen“. Das EU-Parlament beschloss die Gründung einer europäischen Agentur. Aber die US-Lobby in Brüssel und die Europäische Kommission brachten das Projekt zum Scheitern. Die Kreditkonditionen der EU-Staaten hängen weiter allein von den Bewertungen der US-Agenturen ab.
Nach der Finanzkrise verordnete die US-Regierung den ausländischen Banken strengere Auflagen zu Eigenkapital und Transparenz, verweigerte aber eine Absprache mit der EU. Die zieht seitdem hilflos nach und möchte den Niederlassungen von US-Banken in der Europäischen Union ebenso Auflagen machen – bisher erfolglos. „Wir spiegeln faktisch nur das wider, was die USA bereits getan haben“, war Ende 2016 kleinlaut aus der Europäischen Kommission zu vernehmen.
Diese komplizenhafte Unterwürfigkeit der EU-Verantwortlichen wurde auch deutlich, als der langjährige Präsident der Europäischen Kommission, Manuel Barroso, nach seiner Amtszeit 2016 als Berater für EU-Angelegenheiten zu Goldman Sachs wechselte: Da wächst auch bei dieser Personalie zusammen, was schon länger zusammengehört.
Lukratives Beuteschema
Nach der Finanzkrise haben sich neue USFinanzakteure unterschiedlichen Typs immer mehr privatkapitalistisches Eigentum in den USA wie auch in der EU angeeignet – auch schon ohne die geplanten Freihandels- und Investitionsabkommen wie TTIP.
Während die politisch und medial gelenkte Aufmerksamkeit den Banken und ihrer Regulierung gilt, wurden mit und nach der Finanzkrise neue Kapitalorganisatoren viel mächtiger, die nicht der Bankenregulierung unterliegen: Nach der Finanzkrise haben an erster Stelle BlackRock, Vanguard, State Street, Fidelity, Capital Group & Co ihre Funktion als wichtigste Miteigentümer der großen Aktiengesellschaften in den USA und in der EU ausgeweitet. Nach dem Vorbild der US-Regierung unter Barack Obama ließ auch die EU diese neuen Kapitalorganisatoren unreguliert.
Sie drängen auf Fusionen (zum Beispiel Bayer-Monsanto, Deutsche Bank-Commerzbank), schränken den Wettbewerb ein, erhöhen Preise, quetschen die industrielle Substanz aus, nutzen systemisch Finanzoasen und wirken beim Abbau von Arbeitsplätzen mit. Sie betreiben neben den Börsen in sogenannten „Dark Pools“ den wachsenden Bereich nicht regulierter, anonymer Finanzgeschäfte – Finanzwetten, Kreditvergabe, Beratung von Privatunternehmen und Staaten.
Ähnlich dominieren US-Private-Equity- Unternehmen wie Blackstone, Carlyle, KKR, TPG, Atlantic Partners & Co den Aufkauf und die Umstrukturierung lukrativer, nicht börsennotierter Mittelstandsunternehmen. Diese Investoren bürden den erworbenen Unternehmen die Kaufkredite auf, bauen Arbeitsplätze ab, verlagern Betriebsteile ins Ausland oder schließen sie ganz. Das rief zu Beginn kurzzeitig heftige Kritik hervor. Der damalige Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) etwa, der im Jahr 2004 die Bezeichnung „Heuschrecken“ populär gemacht hatte, zog seine Kritik jedoch schnell wieder zurück.
Selbst wenn es um Tausende Arbeitsplätze und erpresserische Methoden der neuen Eigentümer geht, erscheinen – wie jetzt im Falle von DURA Automotive Systems – die entsprechenden Berichte nur in lokalen und kleinen Medien. Diesem „lukrativen Beuteschema“, wie es im Handelsblatt heißt, wurden allein in Deutschland in den letzten Jahren still und leise 5 900 Mittelstandsfirmen unterworfen.´
Die neuen Kapitalorganisatoren organisieren exzessiv die Steuerflucht. BlackRock selbst hat seinen juristischen Sitz in der größten Unternehmens-Finanzoase der Welt, im USBundesstaat Delaware (der bisher nie skandalisiert worden ist). Im Jahr 2016 beschloss die EU-Kommission, dass der Apple-Konzern, der im Wesentlichen solchen Investoren gehört, 13 Milliarden Euro an Gewinnsteuern in der EU nachzahlen muss, die er durch die Nutzung der Finanzoase Dublin hinterzogen hatte. Allerdings klagt die irische Regierung dagegen, weil die Entscheidung ihr Geschäftsmodell infrage stellt, das zudem mithilfe der EU eingerichtet worden war. Es ist deshalb unklar, ob Apple jemals zahlen wird.
Die EU geht mit ihrer hilflosen Symbolpolitik zudem weder gegen die Luxemburger Steuerbehörde noch gegen den USWirtschaftsprüfkonzern Price Waterhouse Coopers vor, die gemeinsam von 2002 bis 2010 die Gewinnsteuern für 343 multinationale Konzerne, darunter viele US-Konzerne, unter 1 Prozent drückten und im Jahr 2015 aufflogen. Verurteilt aber wurden durch die Luxemburger Justiz die beiden Whistleblower, die die kriminellen Machenschaften ans Licht gebracht hatten.
Amazon nutzt nicht nur selbst Steuervermeidungsstrategien in der EU, sondern leistet hier auch anderen Unternehmen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Über seinen Marketplace „Fulfillment by Amazon“ (FBA) wickeln gegenwärtig 64 000 Händler aus aller Welt Verkäufe ab, für die Amazon gegen Gebühr Werbung, Lagerung, Lieferung und Bezahlung übernimmt. Dabei wird keine Umsatzsteuer fällig, FBA operiert als konzerninterne Finanzoase, was auch den Wettbewerb schädigt. Der deutschen Steuerfahndung verweigerte Amazon jahrelang jede Auskunft mit Hinweis auf die europäische Muttergesellschaft in der Finanzoase Luxemburg, wonach alle Kundendaten geheim zu halten seien.
Der Bundesfinanzhof urteilte schließlich im Jahr 2016, dass Amazon die Daten herausgeben muss, allerdings nur für den ursprünglich geforderten Zeitraum 2007 bis 2009. Die Steuerfahndung muss diese Daten nun erst prüfen, zum Beispiel auf Vollständigkeit. Und für die Folgejahre stehen neue langwierige Verfahren an. 13
Die neue Internetökonomie
Im Laufe des letzten Jahrzehnts haben ein Dutzend US-Konzerne die Führung der weltweiten Internetökonomie übernommen. An der Spitze der digitalen Plattformen stehen Apple, Google/Alphabet, Microsoft, Facebook und Amazon. Sie betreiben und kontrollieren die zentralen Knotenpunkte des Internets und dringen in immer mehr Geschäftsfelder ein. In der EU wird daran herumgemäkelt. So mahnen Roland Berger und die Internet Economy Foundation des Ex-Staatssekretärs Friedbert Pflüger zaghaft „mehr Fairplay in der Industrie 4.0“ an.
Ebenso befinden sich die neuen, internetbasierten Unternehmen der „Share Economy“ wie Uber (weltgrößter Taxi-Vermittlungsdienst), Airbnb (Vermittlung von Privatwohnungen und Hotelzimmern), Parship/ElitePartner (Vermittlung von sexuellen Beziehungen) und Flixbus (Vermittlung von Busdiensten) mehrheitlich in der Hand von US-Investoren wie Goldman Sachs und Atlantic Partners. Vielfach verstoßen sie gegen in Europa geltende Regulationen, etwa bei Arbeitsverhältnissen, Gewerbegenehmigungen und Steuerpflichten. Vereinzelt leisten etwa Taxifahrer in europäischen Großstädten Widerstand; Stadtverwaltungen wie in Barcelona, Amsterdam und Berlin sind bemüht, die Zweckentfremdung von Wohnraum einzuschränken. Die Europäische Kommission und die Regierungen der EU-Staaten schauen dem Treiben komplizenhaft zu.
In Einzelfällen versucht die EU-Kommission immerhin, die Marktmacht von US-Giganten zumindest einzudämmen: Seit 2010 hat sie drei Antikartellverfahren gegen Google eingeleitet, weil der Konzern seine 90-Prozent-Marktstellung bei Suchdiensten missbraucht. Ein Ergebnis ist nicht abzusehen. Im Jahr 2009 verhängte die Kommission gegen den Chiphersteller Intel ein Bußgeld in Höhe von 1,06 Milliarden Euro wegen Kartellverstößen während der Jahre 2002 bis 2007; das Widerspruchsverfahren hängt immer noch beim Europäischen Gerichtshof.
Je größer und vielfältiger der Bedarf an Speicherchips für das „Internet der Dinge“ wird, desto schneller schrumpft die Chipproduktion in der EU. Im Jahr 2016 hat der US-Hersteller Qualcomm den größten Chipproduzenten in der Europäischen Union, die niederländische Firma NXP, aufgekauft – „ein schwerer Schlag für die europäische Halbleiterindustrie“.
Die Social-Media-Ökonomie, hier mit Facebook an der Spitze, fördert ein menschliches Verhalten, das von individualistischen Sofortreaktionen auf extrem verkürzte Emotionsimpulse geprägt ist. Die massenhafte Verhaltenssteuerung ist hochgradig automatisiert und unterhöhlt demokratische Haltungen und Verfahren. Anders als China, wo Facebook seit 2009 verboten ist und nur mit Auflagen wieder zugelassen wird, reagierte etwa Bundeskanzlerin Merkel gewohnt inhaltsleer und scheinbar neutral, als sie den Bundestag aufforderte, sich mit den neuen digitalen Möglichkeiten der politischen und Verhaltensmanipulation auseinanderzusetzen.
Google nimmt seit 2015 verstärkt Einfluss auch auf traditionelle Medien in der EU und schüttete im Jahr 2016 aus seinem „Innovationsfonds“ 24 Millionen Euro an 124 Medien aus. Mit der Auswahl – in Deutschland etwa Spiegel online, Berliner Morgenpost, Deutsche Welle und taz – zeigt Google, dass der Konzern nicht einfach, wie es auch Facebook von sich behauptet, ein inhaltsneutraler Technologieanbieter ist, sondern zum westlichen Mainstream der Kriegshetzerei gegen Russland gehört.
Geheimdienstzusammenarbeit
Bekanntlich hat sich Angela Merkel nicht darüber beschwert, dass ihr Telefon und die ihrer Regierungsmitglieder durch US-Geheimdienste abgehört werden. Aus der mitregierenden SPD tönte zunächst Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, man werde nicht weiter über TTIP verhandeln, wenn sich der Geheimdienst NSA nicht an deutsche Gesetze halte. Doch hielt Gabriel schnell wieder seine ansonsten große Klappe, um verbissen für TTIP zu kämpfen. Auch keine EU-Institution hat die Ausspähung europäischer Regierungen kritisiert oder gar zu verhindern versucht.
Als der NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages den ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden als Zeugen berufen wollte, suchte die Bundesregierung Argumentationshilfe nicht in Deutschland oder in der EU, sondern ließ sich von der US-Kanzlei Rubin Winston Diercks Harris & Cooke bescheinigen: Der Versuch, Snowden zu holen, sei eine „kriminelle Verabredung“, stelle eine „Hilfe beim Diebstahl“ von US-Eigentum sowie eine „Verschwörung“ gegen die USA dar.
Das Bundesverfassungsgericht urteilte gegenüber dem NSA-Ausschuss: Die Selektorenliste des deutschen Geheimdienstes BND, Datenlieferant der NSA, darf geheim bleiben. Dabei ging es nicht nur um Daten von vermuteten Terroristen, sondern auch von Bürgern und Unternehmen.
Die Bundesregierung baut den BND aus, etwa durch eigene Satelliten und mithilfe der Bundeswehr und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Das dient jedoch nicht der Loslösung von den USA – im Gegenteil: Wie die Bundeskanzlerin zum 60. Jahrestag des BND betonte, soll die Zusammenarbeit mit den befreundeten Geheimdiensten weiter vertieft werden. Mit „befreundet“ meint sie die, von denen wir ausgespäht werden.
Am weltweiten Foltern von Menschen, die von der CIA als Terroristen berachtet wurden, beteiligten sich mindestens die drei EU-Mitgliedstaaten Polen, Rumänien und Litauen. Man stelle sich einmal vor, ein Folterlager wie Guantanamo mit siebenhundert nicht verurteilten Gefangenen würde von Russland zum Beispiel in Syrien betrieben! Doch zu den von der EU und Bundeskanzlerin Merkel verteidigten „Werten“ gehört es, sich in Vasallenund Unrechtstreue zu üben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verdonnerte 2014 die polnische Regierung dazu, zwei in Polen von der CIA gefolterten Menschen jeweils 100 000 Euro Entschädigung zu zahlen. Kein Gericht verurteilte die Folterer: Sie blieben anonym, und ihre Auslieferung wurde nicht gefordert. So verurteilen sich die Europäer gegenseitig selbst. Das Recht scheut vor der Supermacht zurück.
Im Jahr 2015 annullierte der Europäische Gerichtshof das Safe Harbour Agreement zwischen der EU und den USA: Das Datenschutzgefälle zulasten von EU-Bürgern sei zu groß. Das Nachfolgeabkommen Privacy Shield vom Juli 2016 erlaubt US-Geheimdiensten aber weiter einen praktisch unbegrenzten Zugriff auf Daten, „wenn sie terroristische Gefahren wittern“, so der ehemalige Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Peter Schaar.
US-Berater als Mitregenten
Berater aus den USA haben seit der Finanzkrise ihre Aktivitäten in der EU verstärkt, insbesondere in Deutschland. Die Kanzlei Freshfields, die seit 2002 Bundesregierungen berät, zum Beispiel beim größten Public-Private-Partnership-Projekt Toll Collect (Lkw-Maut auf Autobahnen), war von Finanzminister Steinbrück mit dem Entwurf der beiden Bankenrettungsgesetze beauftragt worden. Als die enge Beziehung zwischen Steinbrück und Freshfields bekannt wurde – die Kanzlei zahlte ihm Honorare für Vorträge –, schaltete der Sozialdemokrat die US-Wirtschaftsprüfer Ernst & Young ein, um sich ein tadelloses Verhalten bescheinigen zu lassen.
Freshfields berät traditionell Unternehmen und Banken – auch bei dubiosen Finanzprodukten wie etwa Cum-Ex-Geschäften, in deren Rahmen ein doppeltes wirtschaftliches Eigentum fingiert wird. Die Kanzlei hatte schon Ende der 1990er Jahre diese Praktiken des Cross Border Leasing gedeckt (fingierter Verkauf von öffentlicher Infrastruktur europäischer Städte an US-Banken). Freshfields wird zur glättenden Aufklärung bei sogenannten Skandalen herangezogen, so beim Allgemeinen Deutschen Automobilclub ADAC, beim Deutschen Fußballbund DFB wie auch bei der HSH Nordbank.
Die Berater von Accenture gestalten im Dauerauftrag die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter um. Ernst & Young durchleuchten den Deutschen Olympischen Sportbund DOSB, um ihn im Auftrag des Innenministeriums zu reformieren – deutsche Olympia-Medaillen sollen zahlreicher werden. McKinsey berät das Innenministerium und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu der Frage, wie Flüchtlinge noch schneller aus Deutschland abgeschoben werden können.
Wirtschaftsminister Gabriel beauftragte Price Waterhouse Coopers im Rahmen der Föderalismusreform, der Bundesregierung Tipps zu geben, wie sie den Kommunen direkt private Investoren aufdrücken kann. Auch ihre arbeitsrechtliche Vertretung vertrauen Konzerne in Deutschland zunehmend den deutschen Niederlassungen von US-Wirtschaftskanzleien wie Squire Patton Boggs, DLA Piper und Littler an.
Während SPD-Verteidigungsminister Rudolf Scharping die Bundeswehr seinerzeit wenigstens noch vom deutschen US-Imitat Roland Berger Consulting beraten ließ, beauftragte Ursula von der Leyen (CDU) das Original: Sie holte im Jahr 2014 die McKinsey- Mitarbeiterin Katrin Suder als Staatssekretärin ins Ministerium, ebenso wie den McKinsey-Mitarbeiter Gundbert Scherf als Berater für nationale und internationale Rüstungskäufe. Scherf konnte zwei Jahre später übergangslos zu McKinsey zurückkehren und in dessen Hierarchie aufsteigen. 33 Seit 2007 erhöhte sich der jährliche Honorarbetrag für solche Berater – sie sind auch in Landesregierungen und Kommunen tätig – von 1,5 Milliarden Euro auf 2,5 Milliarden Euro im Jahr 2015.
Diese Mitregenten haben eine einzigartige Insiderposition: Sie kennen nicht nur die Verhältnisse in Ministerien und öffentlichen Verwaltungen, sondern sind gleichzeitig oligopolistische Dauerberater der Privatwirtschaft. Ratingagenturen, Unternehmensberater, Wirtschaftskanzleien und Wirtschaftsprüfer durchleuchten und strukturieren Staaten und gleichzeitig auch die großen Privatunternehmen. McKinsey-Partner sind zudem gleichzeitig Mitglieder in Aufsichtsräten von Unternehmen. Das Bilanzprüfungs- und Testiergeschäft etwa der dreißig DAX-Konzerne haben Price Waterhouse Coopers, KPMG, Ernst & Young und Deloitte unter sich aufgeteilt. Zudem agieren sie in der Doppelfunktion als Steuerberater, also als Vermittler der für jede Steuer-, Haftungs- und Öffentlichkeitsflucht günstigsten Finanzoasen-Produkte und als Steuerlobbyisten gegenüber den Finanzbehörden.
Diese Berater sind nach US-Vorbild einseitig an den Interessen von Privatkonzernen orientiert und für diese auch als Lobbyisten und Rechtsgestalter tätig. In seiner zurückhaltenden Art hat jetzt der Bundesrechnungshof Alarm geschlagen: Die ressortübergreifende Beratung durch McKinsey & Co – und dann auch noch unter Ausschluss des Wettbewerbs – erhöhe das „Risiko der Fremdsteuerung“ und führe zum Verlust „der Gestaltungskompetenz“ des staatlichen Personals.
US-Geheimdienste in europäischen Unternehmen
Spätestens seit 2007 greifen US-Geheimdienste auf Software und Datenflüsse von Industrieunternehmen und zivilen Infrastrukturanlagen in EU-Staaten zu. Das gilt etwa für Krankenhäuser, Elektrizitätswerke und Energienetze. Bekannt wurde dies auch im Fall des Stromkonzerns Belgacom in Belgien und des österreichischen Stromnetzes – in beiden Staaten residieren wichtige internationale Institutionen.
Gegen Daimler ermittelte die New Yorker Staatsanwaltschaft jahrelang wegen Bestechung in Russland, China, Nigeria, Bosnien, Ungarn und Kroatien. Der Konzern entging 2010 durch die Strafzahlung von 180 Millionen US-Dollar einer Verurteilung – unter der Bedingung, dass Daimler seine 280 000 Mitarbeiter auf allen Kontinenten und sämtliche Lieferanten den US-Anti-Terror-Auflagen unterwirft, vorbei an den Gesetzen der EU und Deutschlands. Drei Jahre lang setzte die US-Heimatschutzbehörde den Ex-FBI-Direktor Louis Freeh als Aufsicht in der Compliance-Abteilung des Konzerns ein. Daimler ist auch weiter berichtspflichtig, etwa was die Gehaltszahlungen und Kontobewegungen seiner Mitarbeiter betrifft.
Nachdem das US-Finanzministerium ordentlich Druck gemacht hatte, entließ die Commerzbank im Oktober 2015 vier Angestellte. Sie hatten Finanzgeschäfte für die staatliche Reederei Irans abgewickelt, die nach deutschem und europäischem Recht legal waren. Die Commerzbank legte der New Yorker Staatsanwaltschaft und dem FBI die interne Firmenkommunikation und Tausende E-Mails des Mitarbeiters Lars Christiansen offen. Die US-Behörden drohten der Bank, sie werde ihre Lizenz in den USA verlieren, wenn Christiansen und drei weitere Mitarbeiter nicht entlassen werden. Das Geldhaus akzeptierte wie Daimler einen Vergleich: Es kündigte den vier Mitarbeitern, beendete die Geschäfte, zahlte 1,3 Milliarden US-Dollar Strafe und bekommt – ebenso wie Daimler – bis 2018 einen Aufpasser in Gestalt eines US-Wirtschaftsprüfers an die Seite gestellt, der an die US-Behörden berichtet. Die Bundesregierung wird so indirekt mitausgespäht: Der deutsche Staat ist Haupteigentümer der Commerzbank.
Ein chinesisches Unternehmen wollte die deutsche Technologiefirma Aixtron kaufen – Wirtschaftsminister Gabriel widerrief die schon erteilte Genehmigung, nachdem US-Geheimdienste auf das nationale Sicherheitsinteresse der USA hingewiesen hatten. Die FAZ deutete an, dass es den USA unter dem „noblen Ziel“ der Terrorismusbekämpfung um einen „verdeckten Wirtschaftskrieg“ gehe.
Tausende europäische Konzerne, die in den USA tätig sind, und Tausende US-Investoren, Unternehmen, Agenturen und Berater, die in der EU tätig sind, unterliegen dem US-Patriot Act und anderen Ausführungsgesetzen, die US-Recht über jedes andere nationale Recht stellen.
Die EU als neue emanzipierte Großmacht?
US-Konzerne und US-Finanzakteure machen spätestens seit dem Ersten Weltkrieg weitgehend ihre eigene Außenpolitik. Sie sind in Europa und der EU länger und stärker präsent als in jeder anderen großen Region.
Ein Präsident Trump würde mit seinem Motto „America first“ die bisherige wirtschaftliche US-Dominanz über die EU gewiss nicht einschränken. Das signalisiert er auch mit der Benennung des Goldman-Sachs-Bankers und Hedgefonds-Managers Steven Mnuchin zum Finanzminister. Europäische Konzerne wie Deutsche Bank, Bayer, BASF, Fresenius, Heidelberg Cement, Sanofi und BAE Systems haben dem Wahlkämpfer Trump mehr als Clinton gespendet, sie setzen weiter auf günstige Bedingungen in den USA: niedrige Löhne, hohe Staatssubventionen, Steuerfluchten.
Die EU-Eliten haben nach Trumps Wahlsieg deshalb vor allem die Frage aufgeworfen, ob die USA ihren militärischen Schutzschild aus Europa zurückziehen werden. Für die EU-Eliten waren Trumps Andeutungen ein erlösendes Signal, um schon länger gehegte Aufrüstungswünsche sowohl der US- wie auch der eigenen Seite offener als bisher zu propagieren. Die US-Führung in der NATO wird ebenso wenig infrage gestellt wie die Existenz von US-Militärstützpunkten in der Europäischen Union. Die EU-Regierungen wollen und sollen lediglich die gewachsenen globalen Interessen der hier angesiedelten Unternehmen, in denen mehr denn je auch US-Investoren und Berater sitzen, stärker als bisher schützen. EU und NATO vereinbarten nach Trumps Wahlsieg im Dezember 2016 eine engere Zusammenarbeit.
Trump will – wie schon seine Vorgänger, auch Obama –, dass die USA weiterhin die stärkste Militärmacht der Welt bleiben. Unter US-Führung sollen und wollen vor allem die wichtigsten Vasallen Saudi-Arabien, Südkorea, Deutschland, Japan und Großbritannien mehr zur Finanzierung des westlichen Militärs beitragen. Noch besteht allerdings die Hoffnung, dass Trump die wirtschaftliche und militärische Aggression gegen Russland zurückfahren wird – das wäre auch im wirtschaftlichen Interesse ganz Europas.
„Noch nie haben so viele Menschen in der EU nicht von ihrer Arbeit leben können“, gab der französische Ministerpräsident Manuel Valls öffentlich zu. Wenn zudem die Militäretats erhöht werden, kämen weitere Kürzungen auf die Bürger zu.
Wolfgang Büchele, Vorsitzender des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, rechnet außerdem vor, dass die Sanktionen gegen Russland seit 2014 und im Folgejahr 2015 Europa in dreistelliger Milliardenhöhe geschädigt haben. Für Deutschland bedeutet das einen Produktionsverlust in Höhe von 13,5 Milliarden Euro – das entspricht einem Verlust von 60 000 Arbeitsplätzen. Zugleich tragen Staaten in der Nähe von Russland erhebliche Schäden davon, vor allem die durch ihre EU-Mitgliedschaft ohnehin schon verarmten baltischen Staaten. Gerade die Ukraine, der angeblich durch die EU-Integration geholfen werden soll, wird durch die Sanktionen in ihrer wirtschaftlichen Erholung behindert. Büchele fordert: „Inzwischen ist die Zeit reif, das zu hinterfragen.“
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