BlackRock – die unbekannte Weltmacht
BlackRock – ab und zu geistert dieser Begriff durch die Medien. So richtig etwas damit anfangen können aber nur die wenigsten. Dabei nimmt der weltgrößte Vermögensverwalter enormen Einfluss auf Finanzen, Politik und auch auf das tägliche Leben der Bürger in Deutschland.
Der „Schwarze Fels“ steht vor allem für eines: sehr viel Geld. 2022 umfasst das Vermögen, das BlackRock verwaltet, über 10 Billionen US-Dollar. Das ist etwa das Dreifache der Jahresleistung der deutschen Volkswirtschaft. Das Kapital kommt von den Superreichen, den Multimillionären und Multimilliardären dieser Welt, ihre Identitäten sind jedoch nicht öffentlich bekannt. Durch Investitionen versucht BlackRock, das Vermögen seiner Kunden zu vermehren. Dabei scheint es vollkommen gleich zu sein, mit welchen Mitteln – Hauptsache, die Kohle stimmt. Etwa so ließe sich das Geschäftsmodell des Vermögensverwalters zusammenfassen. Tatsächlich ist das Geflecht um BlackRock aber sehr viel komplexer.
Nachdem man bereits im Herbst 2020 mit einem sogenannten BlackRock Tribunal gestartet war, hat der Publizist und Philosoph Dr. Werner Rügemer zusammen mit seinen Mitstreitern erneut zu einer BlackRock Konferenz geladen. Mitte September trafen sich Experten und ein interessiertes Publikum an der Universität Potsdam, um über den weltgrößten Vermögensverwalter zu diskutieren. In seinem 2021 erschienenen Buch „BlackRock & Co. enteignen!“ hatte Rügemer bereits dargelegt, wie skrupellos das US-Unternehmen agiert und wie tiefgreifend unsere Lebens- und Arbeitswelt dadurch beeinflusst wird. Damit sich etwas ändert, braucht das Thema jedoch weit mehr Aufmerksamkeit – davon ist der Publizist überzeugt.
Maximaler Gewinn
Das von BlackRock verwaltete Vermögen in Deutschland beläuft sich auf 300 Milliarden Euro. Der US-Vermögensverwalter ist als Aktionär in allen etwa 40 DAX-Unternehmen vertreten, darunter auch Banken. Beim skandalumwitterten Finanzdienstleister Wirecard war BlackRock mit 5,34 Prozent bis vor kurzem der drittgrößte Investor. Interessanterweise war der US-Vermögensverwalter zugleich führender Aktionär bei den kreditgebenden Banken. Größter Aktionär ist BlackRock darüber hinaus bei E.ON, Bayer, BASF, Allianz und Merck (Abb. 1, 2). Weltweit beteiligt sich die Investmentgesellschaft als Großaktionär an ca. 18.000 Unternehmen und Banken. Dabei stellt sich BlackRock sehr breit auf. Ob Tech-Giganten wie Google und Microsoft, die Rüstungsindustrie oder Energiekonzerne – der Finanzriese investiert in alles, was Gewinn bringt. Ideologischen Richtlinien scheint der Dienstleister bei alledem nicht zu folgen. So investiert er gleichzeitig in fossile und in erneuerbare Energie, in Medienhäuser von liberal bis rechtsradikal oder in Bayer und Monsanto, deren Fusion BlackRock förderte (Abb. 3). Auch die nächstgrößeren Vermögensverwalter wie die Vanguard Group agieren auf diese Weise und sind oft in den gleichen Unternehmen als Großaktionäre beteiligt wie BlackRock.
Zugleich ist BlackRock der weltweit größte Anbieter von Exchange Traded Funds (ETF), also börsengehandelten Investmentfonds. Diese werden über die Risiko- und Investmentplattform Aladdin roboterisiert verwaltet. Trotz der großen Geldsummen, mit denen BlackRock & Co. hantieren, gelten sie regulatorisch nicht als Banken, sondern als sogenannte Schattenbanken. Seinen Kapitalgebern verspricht BlackRock saftige Gewinne: Bei Aktien sind es jährlich zwischen vier und acht Prozent, 9,3 Prozent für die Beteiligung an direkter Kreditvergabe, zwischen 5,7 und 7,6 Prozent bei Immobilien und Infrastruktur und ganze 19,5 Prozent im Bereich Private Equity (Abb. 4). Dabei handelt es sich um Anlagen außerbörslichem Eigenkapitals oder privatem Beteiligungskapitals.
Seinen superreichen Kunden verhilft BlackRock auch dazu, lästige Steuern zu umgehen. Seinen operativen Sitz hat der Vermögensverwalter in der US-Finanzoase Delaware, für seine Tochterfirmen und Kunden unterhält er zudem hunderte Briefkastenfirmen in anderen Finanzoasen wie den Cayman Islands, Luxemburg, Irland, Hongkong und der Schweiz (Abb. 5, 6). Auf diese Weise haben Facebook, Apple, Amazon, Netflix, Google und Microsoft in der EU in den Jahren 2011 bis 2020 Steuern in Höhe von 149 Milliarden Dollar gespart. Dass diese Länder nicht in der schwarzen Liste der Steueroasen der EU auftauchen, hat möglicherweise mit dem Einfluss zu tun, den BlackRock zusätzlich durch seine Beratungstätigkeit ausübt. Beratungsaufträge hat das Unternehmen unter anderem von der US-Regierung, der EU und auch von der Weltbank, der Federal Reserve Bank und der EZB.
BlackRock – ganz persönlich
Dass BlackRocks Geschäftspraktiken auch in das Leben der Bürger in Deutschland eingreifen, lässt sich an den Beispielen Wohnen und Arbeit gut nachvollziehen. Als größter Wohnungsaktionär in Europa gehört BlackRock auch zu den führenden Anteilseignern bei den sechs größten Wohnungskonzernen hierzulande: Vonovia, Deutsche Wohnen, LEG, Vivawest, TAG und Grand City Properties. 2021 hatte Vonovia den Konkurrenten Deutsche Wohnen aufgekauft und ist nach dem Kauf von 49.000 Wohnungen in Österreich auch dort Marktführer auf dem privaten Wohnungsmarkt geworden. Das Gleiche machte Vonovia in Schweden (Abb. 7). Seit seiner Gründung 2015 hatte der Immobilienkonzern die Gewinnausschüttung jährlich gesteigert, von 2020 zu 2021 sogar um satte 20 Prozent. Dass die Mieten in Berlin und anderswo zuletzt deutlich gestiegen sind, haben die Mieter am eigenen Geldbeutel gemerkt. In Berlin haben sie sich in den letzten zehn Jahren sogar verdoppelt – auch und vor allem durch Mieterhöhungen seitens der großen Wohnungskonzerne wie Vonovia und Deutsche Wohnen. Klar, die Aktionäre wollen Gewinne sehen. Interessant ist, auf welchen anderen Wegen die Gewinnmaximierung zustande kommt. Wie Werner Rügemer in seinem Vortrag ausführte, hat Vonovia bisherige Dienstleistungsfirmen gekündigt und eigene Tochterfirmen gegründet, deren Dienstleistungen über die Nebenkosten teurer abgerechnet wurden. Zugleich wurde bei Personal und Löhnen gespart. Das heißt: Ein Hausmeister kümmert sich um fünf Häuser statt um bisher eines und verdient dabei schlechter, die Mieter müssen aber höhere Nebenkosten berappen. Dass das viele Berliner betrifft und empört, hat sich an der großen Beteiligung an der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ gezeigt. Nach mehr als drei Jahren seit dem Start der öffentlichen Kampagne und zahlreichen Hürden, die dafür genommen werden mussten, hatte es am 26. September 2021 einen Volksentscheid gegeben, bei dem knapp 60 Prozent der Berliner für die Vergesellschaftung der Immobilienkonzerne gestimmt hatten. 1 Ein Jahr später ist kein einziges Unternehmen enteignet worden. Eine Expertenkommission soll bis Ende April 2023 entscheiden, ob und wie die Vergesellschaftung umgesetzt werden kann. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat jedoch bereits deutlich gemacht, dass sie gegen Enteignungen ist. 2
Wie das Beispiel der Wohnungsdienstleister zeigt, greift die auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Geschäftspraxis von BlackRock & Co. auch in das Arbeitsleben ein. Niedriglöhne, schlechte Arbeitsbedingungen und kaum Mitbestimmungsrechte für die Beschäftigten sind nicht nur in asiatischen Ländern, wohin große Konzerne wie Apple die Arbeit auslagern, Realität. Auch in Deutschland sind sie in Unternehmen, zu deren führenden Aktionären BlackRock gehört, Gang und Gäbe. Ein Beispiel ist Amazon, wo die Beschäftigten seit Mai 2013 wiederholt streiken. Sie beklagen unter anderem Totalüberwachung, Druck, Missachtung des Datenschutzes und schlechte Bezahlung.
Hand in Hand mit der Politik
Die Frage ist, warum niemand aufbegehrt und den Einfluss von BlackRock & Co. begrenzt. Ein Faktor ist laut Werner Rügemer, dass über die Machenschaften der großen Vermögensverwalter einerseits selten berichtet wird und das Thema so komplex ist, dass es sich nicht ohne weiteres erschließt. Auf der anderen Seite fehle es aber auch an dem politischen Willen, BlackRock & Co. das Handwerk zu legen. Das verwundert wenig, wenn man sich ansieht, wie stark das Unternehmen inzwischen mit der Politik im In- und Ausland verflochten ist. Der erste große Coup gelang dem Vermögensverwalter, als die US-Regierung unter Barack Obama BlackRock beauftragte, die Finanzkrise zu lösen. Damit wurde BlackRock zum größten Aktionär der Banken und Unternehmen in den USA. Auch personell liegen die Verflechtungen auf der Hand. So war Brian Deese zunächst Haushaltsdirektor unter Obama, dann Leiter für nachhaltiges Investment bei BlackRock und ist jetzt Chef des Nationalen Wirtschaftsrates unter Joe Biden. Adewale Adeyemo ist ein weiterer Hochkaräter: Kanzleichef von BlackRock-Chef Larry Fink, Berater von Barack Obama, Chef der Obama-Stiftung und jetzt Vizefinanzminister unter Joe Biden. Ähnliches gilt für Michael Pyle, der unter Obama für Internationale Finanzen zuständig war, später in die Chefetage bei BlackRock wechselte und nun eine Position als Chefökonom bei US-Vizepräsidentin Kamala Harris bekleidet (Abb. 8).
Der weltgrößte Vermögensverwalter hat seinen Einfluss aber auch diesseits des Atlantik etabliert. Seine Lobbyisten gehen in Brüssel ein und aus. Zwölf registrierte Mitarbeiter sind Mitglied in Arbeitsgruppen der Europäischen Kommission und halten regelmäßig Treffen mit Kommissionsmitgliedern und Abgeordneten ab. Für BlackRock fallen dabei lukrative Beratungsaufträge ab, wie etwa der umstrittene Beratungsauftrag zum Green Deal. Für 280.000 Euro soll BlackRock eine Studie zu grünen Investments vorlegen. Dass die EU sich ausgerechnet von BlackRock dabei beraten lässt, klingt wie Hohn. Das Unternehmen ist nicht nur Aktionär bei Klimasündern wie RWE, sondern umgeht Nachhaltigkeitsauflagen, wo es nur geht. Andere Beratungstätigkeiten aus den vergangenen Jahren waren das Consulting der EU-Institutionen zum EU-Stresstest für Banken oder die Beratung der Europäischen Kommission über die individuelle Altersvorsorge PEPP. 3 Zudem ist BlackRock Berater der Europäischen Zentralbank (EZB), etwa für die Umsetzung von Investitionen und für die Kredite und Zuschüsse aus dem 750 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbauprogramm der EU (Abb. 9).
Ein prominentes Beispiel der Verflechtung der deutschen Politik mit BlackRock ist CDU-Chef Friedrich Merz. Von 2016 bis 2020 saß er bei einer Tochterfirma des US-Vermögensverwalters im Aufsichtsrat. Erst seine zweite Bewerbung um den CDU-Vorsitz und die Überlegung, seine Tätigkeit bei BlackRock könnte seinen politischen Ambitionen im Wege stehen, veranlassten Merz im März 2020, den lukrativen Posten aufzugeben. Finanziell hat sich das Engagement bei dem Finanzgiganten für Merz allemal gelohnt. Aus den Jahresberichten des Unternehmens geht hervor, dass die Vergütung für die Aufsichtsratsmitglieder kontinuierlich gestiegen ist. Wie der Stern im Zusammenhang mit Merz’ Rückzug als Aufsichtsratschef der BlackRock Asset Management Deutschland AG Anfang 2020 berichtete, schlug die Summe für alle Aufsichtsratsmitglieder 2014 und 2015 mit lediglich 35.000 Euro jährlich zu Buche, ist in Merz’ Zeit als Mitglied des dreiköpfigen Gremiums aber zuerst auf 268.000 Euro, im Folgejahr auf 377.000 Euro und 2018 schließlich auf satte 494.000 Euro angehoben worden. Auf diese Weise könnte der CDU-Politiker allein in diesen drei Jahren – sofern er stets mit einem Drittel der Gesamtsumme bedacht worden wäre – etwa 600.000 Euro kassiert haben. So das Rechenexempel des Stern. 4 Ein anderes Beispiel ist Lars-Hendrik Röller, der von 2011 bis 2021 im Bundeskanzleramt der oberste Wirtschafts- und Finanzberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel war und 2022 eine Anschlussbeschäftigung als Leiter des Transition Investing Advisory Council fand. In dieser Funktion kann er für BlackRock auf den Green Deal Fonds der EU zugreifen.
Sich gegen die Großen wehren
Mit seinem Kapital, globalem Einfluss und der Rückendeckung seitens der Politik erscheint BlackRock als ein übermächtiger Gegner, den zu Fall zu bringen unmöglich ist. Aber gibt es denn gar nichts, das man tun kann, um seine Macht zu mindern? Doch, sagt Werner Rügemer. Die Initiative „Deutsche Wohnen Enteignen“ sei bereits ein guter und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Auch die Gesetze für die Niedriglöhnerei könnte man neu fassen, sodass BlackRock & Co. nicht mehr von der gesetzlich geförderten Ausbeutung profitieren könnten. Die EU könnte außerdem eine schwarze Liste der von BlackRock tatsächlich genutzten Steueroasen erstellen. Auch die Kartellrechte in den einzelnen Mitgliedsstaaten, die noch auf dem Stand der Zeit vor dem immensen Einfluss des US-Finanzjongleurs seien, könnten angepasst werden.
Regulierung und Entflechtung fordert auch der Finanzwende e.V., zu dessen Gründungsmitgliedern Wissenschaftler aus verschiedenen Fachbereichen, Journalisten, Anwälte, Aktivisten und Politiker gehören, darunter der 2020 verstorbene ehemalige Bundesminister für Arbeit und Soziales Norbert Blüm (CDU) und die SPD-Politikerin Gesine Schwan. Wie die Macht von BlackRock & Co. eingehegt werden kann, fasste der Verein in einem Papier im April 2021 zusammen. 5
Unter den Forderungen finden sich Punkte wie eine Obergrenze für Anteile, die Vermögensverwalter an Unternehmen halten dürfen. Ferner sollten nach Ansicht des Vereins Schattenbanken unter die laufende Direktaufsicht der EZB gestellt und Geldmarktfonds und Kreditfonds verboten werden. Intransparente, aktiv gemanagte ETFs sollten vor ihrer Zulassung in Deutschland streng geprüft werden. Aladdin müsse von BlackRock abgespalten und überwacht werden, heißt es in dem Papier weiter. Darüber hinaus sollten Interessenkonflikte und Insiderhandel verhindert werden. Etwa dadurch, dass große Vermögensverwalter, die sich in unterschiedlichen Geschäftsbereichen betätigen, welche Interessenkonflikte hervorrufen, aufgespalten werden und auch nicht aktiv Aktien und Anleihen jener Unternehmen handeln dürften, die sie selbst beraten. „Als demokratische Alternative für Bürger, die unabhängig von BlackRock & Co. breit gestreut investieren wollen, sollte ein Bürgerfonds, ähnlich dem schwedischen Modell der Vorsorge, eingeführt werden“, schlagen die Verfasser abschließend vor.
Endnoten
1 https://www.dwenteignen.de/etappen-des-volksentscheids/
2https://www.wiwo.de/finanzen/immobilien/deutsche-wohnen-und-co-enteignen-zieht-jetzt-der-sozialismus-auf-dem-berliner-wohnungsmarkt-ein/28694602.html
3 https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/504728/Blackrock-behaelt-umstrittenen-Beratungsauftrag-der-EU-Kommission
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4 https://www.stern.de/politik/deutschland/friedrich-merz–die-raetsel-um-die-blackrock-bilanz-9146744.html
5 https://www.finanzwende-recherche.de/unsere-themen/handlungsbedarf-bei-blackrock-und-co/