Tödliches Investment in geächtete Waffen. Auch wer riestert, ist mit dabei
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Von THOMAS WAGNER, 10. Dezember 2010 –
Deutsche Banken und Versicherer investieren in einem bisher kaum bekannten Ausmaß in die Hersteller von Waffen, die durch die sogenannte Oslo-Konvention geächtet sind. Das belegen die am Freitag in Berlin im Beisein des früheren Sozial- und Arbeitsministers Walter Riester (SPD) vorgestellten Recherchen von „Facing Finance“, einem Bündnis von Nichtregierungsorganisationen. (1)
Die Oslo-Konvention ist ein am 1. August 2010 in Kraft getretener völkerrechtlicher Vertrag, der den Einsatz, die Herstellung und die Weitergabe von bestimmten Typen konventioneller Streumunition verbietet. Artikel 1c der Konvention untersagt jegliche Unterstützung der Herstellung bzw. der Hersteller.
„Macht man Geschäfte mit diesen Unternehmen, profitieren diese auch davon, was zumindest indirekt auch die Herstellung von Streumunition begünstigen kann und damit verboten ist”, betont Thomas Küchenmeister, Koordinator von Facing Finance in einer Presseerklärung.
Deutsche Banken und Versicherungsunternehmen sind laut Recherchen des Bündnisses in einem Umfang von mindestens 1,3 Mrd. Euro an diesen Unternehmen beteiligt. Dabei ist die Deutsche Bank Group mit einem Investment von 975 Mio. Euro (1,29 Mrd. US Dollar) der unangefochtene Spitzenreiter, was Anleihen, Kredite und andere Finanzdienstleistungen einschließt. An zweiter Stelle folgt die UniCredit Group/HypoVereinsbank mit nahezu 225 Mio. Euro (298 Mio. US Dollar). Auch die private Altersvorsorge ist mit dabei. Mindestens 21 Anbieter der öffentlich geförderten „Riesterfonds” haben mindestens ca. 500 Mio. Euro in die Hersteller geächteter Waffen investiert.
Nach wie vor aber unterstützt die Bundesregierung die Investments in geächtete Waffen im Rahmen der Riesterförderung mit Steuergeldern und bezeichnet diese als grundsätzlich legal. Während mittlerweile die Oslo-Vertragsstaaten Belgien, Irland, Luxemburg und Neuseeland die Produktion von Streumunition per Gesetz verboten haben, antwortete die deutsche Regierung auf eine Anfrage von Bündnis90/Die Grünen: „Das Übereinkommen enthält kein ausdrückliches Verbot der Investition in Unternehmen, die Streumunition herstellen“.
Unbeeindruckt zeigte sie sich nach Angaben von Facing Finance (2) zudem von einem Rechtsgutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, in dem es heißt: „Das Förderungsverbot des Art. 1 Abs. 1 lit. c) CCM ist nach seinem Wortlauf nicht auf bestimmte Formen der Unterstützungsleistung beschränkt. Dies lässt sich für die Annahme anführen, dass auch die Finanzierung von Streumunition im Prinzip verboten wird.“
Die Bundesregierung gebe überdies offen zu, die Verwendung staatlicher Fördergelder bei der Riester-Rente nicht zu kontrollieren und setze, in ihren Worten, „auf den mündigen Anleger und auf die Selbstverpflichtung der Branche“. Das habe zur Folge, dass nach Expertenschätzungen derzeit nur ein Prozent der Riester-Produkte an ethischen und nachhaltigen Standards orientiert sind.
Das Beispiel Norwegens zeige dagegen, dass es auch anders gehe. In dem skandinavischen Land würden regelmäßig mehr als 8.000 Unternehmen des staatlichen Pensionsfonds in Bezug auf die Herstellung völkerrechtswidriger Waffen, Menschenrechtsverletzungen und Korruption überprüft. Die Regierung Merkel plane hingegen nichts dergleichen.
„Die erschreckenden Rechercheergebnisse lassen nur einen Schluss zu: Die Zertifizierung von Riesterprodukten muss sich an ethischen und nachhaltigen Kriterien orientieren und somit auch ein Investment in völkerrechtswidrige Waffen ausschließen”, erklärte Dr. Barbara Happe von der Nichtregierungsorganisation urgewald.
Sie sieht dringenden gesetzlichen Handlungsbedarf. „Die Deutsche Bank behauptet gegenüber ihren Kunden und der Öffentlichkeit immer wieder in keinerlei Transaktionen im Zusammenhang mit völkerrechtswidrigen Waffen verstrickt sein zu wollen. Die nun vorgelegten Rechercheergebnisse zeigen jedoch, dass Behauptungen und auch Selbstverpflichtungen der Branche in diesem Bereich kaum das Papier wert sind, auf dem sie stehen”, so Happe.
Thomas Küchenmeister ergänzt in der gemeinsamen Presseerklärung: „Im Interesse potentieller Opfer muss jedwedes Investment in völkerrechtswidrige Waffen umgehend per Gesetz verboten werden. Es darf nicht sein, dass politischen Entscheidungsträgern die Interessen von Banken und Finanzdienstleistern näher sind als die der Opfer völkerrechtswidriger Waffen”.
Auch Walter Riester sprach sich auf der Presskonferenz deutlich gegen diese Form des Investments aus. Er wies darauf hin, dass die Kunden in der Regel nicht darüber informiert würden. Dies sei aber dringend erforderlich.
So begrüßenswert die Unterstützung Walter Riesters für die Kampagne auch sein mag. Einen schalen Beigeschmack hinterließ die Art und Weise, wie der ehemalige Arbeitsminister auf der Pressekonferenz für eigene Projekte die Werbetrommel rührte.
Zum einen erschien es ihm wichtig, ausführlich zu erläutern, dass die Union Investment, deren Aufsichtsrat er angehört, keine Investitionen in geächtete Waffen mehr vornehme. Zum anderen kritisierte er einen Beitrag des ARD-Magazins Monitor zum Thema. (3)
Die Fernsehsendung hatte eine breite Öffentlichkeit überhaupt erst auf das brisante Thema aufmerksam gemacht. Riester störte sich jedoch daran, dass die Moderatorin Sonia Mikich das tödliche Investment skandalisiert habe. Seinen Wortbeitrag verband Riester mit einem Plädoyer für die „Riesterrente“.
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(1) http://www.facing-finance.org/
(2) vgl. http://www.urgewald.de/_media/_docs/Todsicher%20Final%203b%20%28klein%29.pdf
(3) http://www.wdr.de/tv/monitor//sendungen/2010/0729/riester.php5