Spaniens Banken und die Bürde der Franco-Diktatur
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Von ROLF NETZMANN, 18. Juni 2012 –
Wenn nun auch Spanien Schutz unter dem Euro-Rettungsschirm sucht, liegt der Grund in den horrenden Schulden der Kreditinstitute. Sie haben den Staat zum Handeln gezwungen, um einen Zusammenbruch großer Banken abzuwenden. Dennoch sagen Experten, die Bonität Spaniens sei deutlich besser ist als die anderer europäischer Staaten und es seien auch politische Gründe, die Spanien unter Auflagen zwingen, die seine nationale Souveränität einschränken. Die Märkte beruhigen, dieses Dogma bestimmt seit Monaten das Agieren europäischer Staaten, ohne dass sie ihre politische Handlungsfähigkeit zurückgewinnen. Getrieben von international agierenden Ratingagenturen werden sie immer mehr zu deren Marionetten.
Doch warum sind die spanischen Banken überhaupt in eine solche Schieflage geraten, wo doch die internationale Finanzkrise angeblich überwunden ist?
“Zu verkaufen” – Täglich verlieren in Spanien etwa 200 Eigentümer ihre Wohnungen an die Banken, weil sie ihre Kredite nicht mehr bedienen können. |
Die Probleme von Bankia, dem inzwischen verstaatlichten Kreditinstitut, sowie anderen Geldhäusern sind hausgemacht und begannen schon in den 1950er Jahren. Anders als in Deutschland bedeutet sozialer Wohnungsbau in Spanien nicht mieten, sondern kaufen. Die entstandenen Wohnungen wurden kreditfinanziert erworben und abbezahlt. Heute besitzen die älteren Spanier ihre Wohnungen und nehmen ihre Kinder wieder zu Hause auf, weil diese ihre eigenen Kredite nicht mehr bezahlen können.
Bei einer offiziellen Arbeitslosenrate von 25 Prozent, bei einer hochqualifizierten jungen Generation ohne Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt funktioniert das System des Wohneigentums nicht mehr. Die äußeren Rahmenbedingungen haben sich geändert.
Bereits im Jahr 1957, zur Zeit der Franco-Diktatur, sprach der damalige Wohnungsbauminister davon, er wolle keine „proletarios“, sondern „propietarios“ sehen, keine Proletarier, sondern Wohnungsbesitzer. Und so vergaben die Banken Kredite und Spanien wurde innerhalb der EU mit 86 Prozent das Land mit dem höchsten Anteil an Hauseigentümern. Viele von ihnen haben auf Pump gekauft und heute ist der Markt eingebrochen.
El País, die angesehene spanische Zeitung, berichtete vor kurzem davon, dass die spanischen Finanzinstitute das Jahr 2011 mit toxischen Aktiva von 180 Milliarden Euro abgeschlossen haben. Etwa 50 Prozent davon sollen zweifelhafte Immobilienkredite sein, der Rest sind Wohnungen, Häuser und Bürogebäude, die die Banken gar nicht annehmen wollten. Weil die Gläubiger zahlungsunfähig waren, fielen diese Immobilien jedoch an die Banken zurück.
Das Kreditvolumen für Baufirmen und Immobilienagenturen lag 2007 in Spanien bei 310 Milliarden Euro, hinzu kommen 630 Milliarden Euro für Privatkunden. Fast eine Billion Euro, bei denen eine Wertberichtigung, also eine Korrektur nach unten, in den Büchern noch nicht erfolgt ist. Spätestens wenn weitere Kredite platzen, wird dies aber passieren. „Das Ganze ist außerordentlich gefährlich“, diese Aussage traf José Calderon, Direktor der Deutschen Hypothekenbank in Madrid, bereits vor einigen Wochen.
Wer heute auf Teneriffa unterwegs ist, wird überall Immobilien entdecken, die entweder „se vende“, zu verkaufen, oder „se alquila“, zu vermieten, sind. Angeboten werden diese auf Spanisch, Englisch, Deutsch und auch auf Russisch. Er wird aber auch halbfertig gebaute Häuser und sogar nur Baugruben sehen: Projekte, für die den Bauherren frühzeitig das Geld ausgegangen ist. Und das nicht nur auf Teneriffa.
Wohnkomplexe, die in den letzten Jahren auf der spanischen Ferieninsel errichtet wurden, konnten teilweise nur zu 1-2 Prozent vermietet werden. Jeden Tag verlieren in Spanien etwa 200 Eigentümer ihre Wohnungen an die Banken, weil sie ihre Kredite nicht mehr bedienen können.
Eine Industrie, die gerade noch wie besinnungslos produzierte, liegt nun am Boden. Milliarden Euro wurden investiert, ohne dass sie sich amortisieren können. Was dies in der Praxis bedeutet, ist in der etwa 70 Kilometer von Madrid entfernten Stadt Valdeluz zu erleben. Für 30.000 Einwohner geplant und errichtet, lebten hier 2011 nur 1300 Bewohner.
Noch einmal José Calderon von der Deutschen Hypo: „Wer soll all den Wohnraum kaufen? Die Arbeitslosen, die immer mehr werden? Allein in Andalusien sind es 33 Prozent. Die Menschen, die Spanien verlassen, um einen Job im Ausland zu finden?“
Und der renommierte spanische Immobilienexperte Borja Mateo meint, dass die Immobilienpreise noch mehrere Jahre fallen müssen, um in der Realität des Landes anzukommen. „Was wir jetzt erleben, ist die fällige Korrektur und darum positiv“, so Mateo weiter.
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Wenn der Bundesfinanzminister Schäuble also von 100 Milliarden Euro Hilfe zur Restrukturierung der spanischen Banken spricht, heißt das, Europa übernimmt die Schulden, die Bankia und andere Geldhäuser aufgrund ihrer verfehlten und die Realität negierenden Geschäftspolitik angehäuft haben. Parallelen zur deutschen Hypo Real Estate drängen sich nicht nur wegen der Summe von 100 Milliarden Euro auf.
Den vielen Spaniern, die ihren Wohnraum schon verloren haben und noch verlieren werden, helfen aber weder Euromilliarden noch Rettungsfonds aus ihrer desaströsen Lage.