Schmutzige Gelder

Panama Papers: Vor der eigenen Haustür kehren

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Die hiesige Empörung über Briefkastenfirmen in Panama ist groß – dabei ist Deutschland ein wichtigerer Hafen für schmutzige Gelder als das lateinamerikanische Land –

Nach der Veröffentlichung der sogenannten Panama Papers schlagen die Wellen hoch. Auf die Enthüllungen über Geschäfte mit Briefkastenfirmen in Steueroasen will Bundesjustizminister Heiko Maas mit einem „Transparenzregister“ reagieren. „Die Heimlichtuerei muss ein Ende haben“, sagte der SPD-Politiker.

Die Generalsekretärin seiner Partei sprach von Steuerhinterziehung und Geldwäsche „in nie dagewesenem Ausmaß“. Es handele sich um „asoziales Verhalten“, so Katarina Barley, das nicht straflos bleiben dürfe. „Wir müssen Briefkastenfirmen und Stiftungen, deren wirtschaftlich Berechtigte anonym bleiben, weltweit verbieten“, fordert Vizekanzler Sigmar Gabriel.

Es sei „eine Schande, dass wir im Kampf gegen die elendige Steuerflucht auf solche Datenlecks angewiesen sind“, kommentierte der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold die Medienenthüllungen. „Wir brauchen öffentliche Unternehmensregister, aus denen die wirtschaftlich Begünstigten von Briefkastenfirmen eindeutig hervorgehen“, so der Finanzexperte und Mitbegründer von Attac-Deutschland.

„Die EU sollte Banken mit einer Strafabgabe belegen, die Geschäfte mit intransparenten Firmen machen.“ Dies sei in den USA Praxis. „Auch die Bundesregierung muss mit aller Härte gegen Steuerflucht vorgehen und die Daten des geplanten Firmenregisters in vollem Umfang transparent machen“, fordert der Grünen-Politiker.

Im Rahmen des Internationalen Konsortiums investigativer Journalisten (ICIJ) hatten die Süddeutsche Zeitung (SZ), NDR und WDR sowie zahlreiche internationale Zeitungen weltweit am Sonntag gleichzeitig über zehntausende Briefkastenfirmen berichtet, in denen Politiker und andere Prominente ihr Vermögen geparkt haben sollen. Das gehe aus einem Datenleck bei der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca (Mossfon) hervor.

Dadurch seien die Tätigkeiten von insgesamt 215 000 Briefkastenfirmen aus 78 Staaten offengelegt worden. Zu den Profiteuren der Offshore-Dienste sollen zwölf Staatsoberhäupter und 128 weitere Politiker zählen. In den Unterlagen tauchten aber auch Namen von Spionen, Drogenhändlern und anderen Kriminellen auf. Zudem hätten zahlreiche Prominente und Sportstars Offshore-Firmen genutzt. In welchem Umfang es sich bei den Panama-Briefkastenfirmen um strafbare Geschäfte handelt, ist jedoch noch unklar.

Die Daten waren der Süddeutschen Zeitung vor über einem Jahr von einem unbekannten Informanten zugespielt worden, die diese dann mit dem ICIJ teilte. Mit 11,5 Millionen Dokumenten, was einer Datenmenge von 2,6 Terrabyte entspricht, soll es sich um den größten Datenleak der Geschichte handeln, an dessen Auswertung rund vierhundert Journalisten aus aus über achtzig Ländern beteiligt waren. (1) Die Originaldokumente sind nicht öffentlich zugänglich.

Schattenfinanzplatz Deutschland

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wirft Panama schwere Versäumnisse vor. Das mittelamerikanische Land sei „der letzte große Verweigerer, der es weiterhin erlaubt, dass Offshore-Fonds vor Steuer-und Strafverfolgungsbehörden versteckt werden“, äußerte sich OECD-Generalsekretär Angel Gurría am Dienstag in Berlin. Panama habe sich nicht an Zusagen gehalten, internationale Standards für Steuer-Transparenz einzuhalten.

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Dabei muss es sich wohl um eine ganz neue Erkenntnis handeln. Noch im Februar strich der OECD-Arbeitskreis für Maßnahmen zur Geldwäschebekämpfung (Gafi) Panama von der grauen Liste. Dort werden Staaten geführt, die beim internationalen Austausch von Finanz- und Steuerinformationen hinterherhinken.

Anstatt weltweite Verbote zu fordern und den erhobenen Zeigefinger gen Panama zu richten, stünde es hiesigen Politikern gut zu Gesicht, endlich gründlich vor der eigenen Haustür den Besen zu schwingen.

Denn intransparente Finanzgeschäfte sind kein Alleinstellungsmerkmal Panamas. Im aktuellen Schattenfinanzindex des Tax Justice Network („Netzwerk Steuergerechtigkeit“) steht Deutschland an achter Stelle – fünf Plätze vor Panama. Seit Jahren rangiert die Bundesrepublik in den Top Ten.

Die „traditionellen Stereotype über Steueroasen“ seien falsch, so das Netzwerk. Die wichtigsten Häfen für illegale Gelder seien nicht die „kleinen, palmenbewachsenen Inseln“, sondern die wirtschaftsmächtigsten Nationen. „Reiche OECD-Mitgliedstaaten (…) sind die wichtigsten Empfänger beziehungsweise Kanäle illegaler Geldflüsse.“ (2)

Deutschland sei ein „sicherer Hafen für die Beute von Diktatoren, für Einlagen krimineller Netzwerke und Einnahmen aus Steuervergehen sowie anderen illegalen Geldflüssen aus der ganzen Welt“. (3)

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Auch wenn das Netzwerk Deutschland jüngst „einige Fortschritte“ in der Bekämpfung der Geldwäsche bescheinigt, gebe es hierzulande diesbezüglich noch immer „große Schlupflöcher“. Deutschland zeige sich „nachlässig“ bei der Durchsetzung von Anti-Geldwäsche-Regeln, immer noch seien Instrumente zur Verschleierung von Geldflüssen in Kraft, die in den „klassischen“ Steueroasen schon längst verboten worden seien.

Vor ihrem Aus hatte die Financial Times Deutschland noch ein vernichtendes Urteil gefällt: In „kaum einem Industrieland lassen sich Mafia-Einnahmen so einfach reinwaschen wie in Deutschland“. (4)

Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wirft der Bundesregierung unterdessen vor, Reformen im Finanzsektor zu blockieren. „Wenn Finanzdienstleister mit Unternehmen Geschäfte machen, deren wirtschaftlich Berechtigte nicht bekannt sind, müssen sie empfindliche Strafen fürchten – doch bislang droht ihnen vonseiten der Bundesregierung kein Ungemach“, sagte Göring-Eckardt am Dienstag. „Vielmehr hat die Bundesregierung ein härteres Durchgreifen in Europa blockiert.“

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Da passt es ins Bild, dass im EU-Parlament am 14. April über eine Gesetzesvorlage zum „Schutz von Handelsgeheimnissen“ abgestimmt werden soll, die es nach Ansicht des Tax Justice Network zukünftig Whistleblowern erheblich schwerer macht, illegale Steuerpraktiken ans Licht zu bringen. (5)

Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble bleibt nicht von Kritik aus den Reihen der Opposition verschont. Er habe die Rolle deutscher Banken bei der Verschleierung von Geldströmen seit Langem ignoriert. Briefkastenfirmen seien eine Dienstleistung für Terroristen, Menschenhändler, Drogendealer, Waffenschmuggler und Diktatoren, sagte Grünen-Experte Gerhard Schick.

Die Einlassungen der Deutschen Bank oder der Berenberg Bank zu den Panama-Verstrickungen hält Schick für peinlich: „Sie tun so, als wüssten sie nicht, welche Strukturen sie da unterstützen. Natürlich wissen sie das, sie tun es aber wegen der Gewinne trotzdem.“ Die beiden Geldhäuser hatten zuvor Geschäfte im Zusammenhang mit Briefkastenfirmen in Panama bestätigt, aber zugleich deren Rechtmäßigkeit betont.

Tausende Deutsche – darunter „Bundesverdienstkreuzträger, Bordellkönige und Spitzenmanager“ (SZ) – sollen vermittels deutscher Banken Briefkastenfirmen der panamaischen Anwaltskanzlei genutzt haben.

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„Es gibt kaum ein namhaftes Kreditinstitut, das nicht in den Panama Papers auftaucht“, berichtete die Süddeutsche Zeitung in ihrer Dienstagsausgabe. (6) Der deutsche Einfluss bei Mossack Fonseca sei „bedeutend“ – auch weil deren Gründer Jürgen Mossack selbst Deutscher ist. „Seine Firma hat etliche Büros mit deutschsprachigen Mitarbeitern, vor allem in der Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg.“ Mit zwei ehemaligen Mitarbeitern der Deutschen Bank sei auch die Private-Banking-Abteilung von Mossfon in deutscher Hand.

Die hiesige Politik dürfte vor allem ein Aspekt in besondere Erklärungsnöte bringen: „Auch die Namen fast aller Landesbanken finden sich in den Dokumenten“, so die SZ. Also mit dem Staat verbundene Institute, „die eigentlich den Auftrag haben, dem jeweiligen Bundesland zu dienen und die alljährlich einen Teil ihrer Gewinne an die jeweilige Landesregierung ausschütten; zugleich haben diese öffentlich-rechtlichen Banken in der Vergangenheit das Steueraufkommen des deutschen Fiskus untergraben, indem sie das Geld deutscher Steuerzahler in Offshore-Firmen lenkten, deren Ziel vor allem eines ist: dem Finanzamt eben kein Geld zu zahlen.“

Da agiert der Bock als Gärtner: „In den Aufsichtsgremien dieser Landesbanken sitzen oder saßen oft auch die Finanzminister aus den jeweiligen Bundesländern, die eigentlich die obersten Steuereintreiber sein sollten.“

Es ließe sich allerdings nicht klären, ob die in den geleakten Dokumenten erwähnten Deutschen „wirklich das Finanzamt betrogen haben oder ob sie die Einkünfte deklariert haben“ – die Einrichtung und Nutzung einer Briefkastenfirma ist schließlich als solches nicht strafbar.

Vor diesem Hintergrund warnte der Vize-Chef der Unionsfraktion im Bundestag dann auch vor einer voreiligen „Skandalisierung“. „Es ist nicht illegal, Firmen im Ausland zu gründen oder Geld ins Ausland zu transferieren“, sagte Michael Fuchs gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger.

Ist die Einrichtung einer Briefkastenfirma an sich nicht strafbar, so ist diese Praxis nach Ansicht der Deutschen Steuergewerkschaft jedoch in den meisten Fällen mit Betrugsabsichten verbunden. „Es gibt aus meiner Sicht keinen vernünftigen wirtschaftlichen Grund, mit einer Briefkastenfirma in eine Steueroase zu gehen, es sei denn, man möchte insbesondere den Fiskus täuschen und Steuern hinterziehen“, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Thomas Eigenthaler am Dienstag. „Zu 99,9 Prozent dient ein solches Konstrukt der Steuerhinterziehung, der Geldwäsche und der Betrügerei.“

Die Steuergewerkschaft schlägt eine Beweislastumkehr im deutschen Steuerrecht vor. „Nicht der Fiskus muss nachweisen, dass etwas in der Steueroase nicht stimmt, sondern der Betroffene muss vernünftige Motive für sein Handeln nachweisen“, so Eigenthaler. Ansonsten dürfe es keine steuermindernden Abschläge von entsprechenden Ausgaben mehr geben.

Die Angst vor dem Fiskus dürfte sich unter den betroffenen Briefkasteninhabern gegenwärtig in Grenzen halten, auch wenn Steuerbehörden verschiedener Länder auf den Erhalt der Originaldokumente drängen.

Deren Übergabe an die Behörden könne er sich „nicht vorstellen“, so Georg Mascolo gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. (7) Die Begründung des Leiters des Rechercheverbunds von SZ, WDR und NDR fällt zweifelhaft aus: Schließlich habe sich der Informant entschieden, die Dokumente nicht den Behörden, sondern ausgewählten Medien zur Verfügung zu stellen. Und dabei soll es bleiben.

(mit dpa)

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Anmerkungen

(1) Siehe dazu: http://panamapapers.sueddeutsche.de/articles/56ff9a28a1bb8d3c3495ae13/
(2) http://www.financialsecrecyindex.com/
(3) http://www.financialsecrecyindex.com/PDF/Germany.pdf
(4) https://web.archive.org/web/20120209194323/http
(5) http://www.taxjustice.net/2016/04/01/the-european-trade-secrets-directive-how-to-silence-tax-whistleblowers/
(6) http://www.sueddeutsche.de/politik/deutschland-verloren-im-paradies-1.2933833-2
(7) Podcast der Sendung: http://cdn-storage.br.de/iLCpbHJGNL9zu6i6NL97bmWH_-by/_-9S/9-xH9AFg/160404_1803_radioWelt_PanamaPapers-Brenner-Plastiktuete.mp3

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