Griechenland: Das Ende der Demokratie „alternativlos“?
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Von SEBASTIAN RANGE, 16. Februar 2012 –
Aufatmen im Euro-Establishment: Die griechische Regierung hat sich als willfähriger Diener der sogenannten „Troika“ aus EU-Kontrolleuren, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) erwiesen und mit der Verabschiedung des Sparprogramms seine Missachtung gegenüber dem Volkswillen zum Ausdruck gebracht. Im Schutze schwer bewaffneter Polizeieinheiten setzte es in der Nacht zu Montag ein massives Verarmungsprogramm durch, während draußen vor dem Parlament die Bevölkerung Sturm lief.
Zwischenbilanz: Insgesamt wurden in Athen 45 Gebäude laut Mitteilung der Behörden komplett oder zum Teil durch Brände zerstört, darunter auch das altehrwürdige Attikon-Kino. Bei Dutzenden Häusern waren die Fenster eingeschlagen, die Auslagen von Geschäften leer geräumt.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden 54 Menschen bei den Auseinandersetzungen am Sonntag verletzt, die Polizei gab die Verletztenzahl in den eigenen Reihen mit 68 an. Zu den zivilen Verletzten zählt auch der 84-jährige Manolis Glezos, der von Tränengasschwaden eingehüllt wurde. Bereits im vergangenen Sommer wurde er bei Protesten gegen Sparmaßnahmen von der Polizei verprügelt. Manolis Glezos in in Griechenland kein Unbekannter: Im Mai 1941 er hatte zusammen mit Apostolos Sandas während der nationalsozialistischen Besatzung Griechenlands den ersten öffentlichen Widerstand geleistet und gilt seitdem als Volksheld. Damals rissen die beiden Männer die Hakenkreuzfahne von der Akropolis und hissten stattdessen die griechische Nationalflagge. Damit setzten sie ein Fanal für den Widerstand. Glezos und Sandas wurden für diese Tat in Abwesenheit zum Tode verurteilt.
Nun hat Glezos zusammen mit dem berühmten griechischen Komponisten Mikis Theodorakis eine Erklärung mit der „Forderung nach einer europäischen Einheitsfront“ verfasst. Darin klagen sie die den sozialen Notstand an:
„Krankenhäusern in Griechenland gehen lebenswichtige Medikamente aus, fast die Hälfte aller Jugendlichen ist arbeitslos, Arbeitnehmer einiger Branchen sind seit Monaten nicht bezahlt worden und viele sind auf Suppenküchen angewiesen oder müssen im Müll nach Lebensmitteln suchen.
Nun fordert die Troika eine Kürzung des Mindestlohns um 23 Prozent, die Entlassung von Zehntausenden von Beschäftigten des öffentlichen Sektors und die Dezimierung der Renten, die bereits jetzt fast 50 Prozent ihres Wertes verloren haben. Das internationale Kapital frisst ein ganzes Land auf und zerreißt sein soziales Gefüge.
Griechenland steht exemplarisch für die Sparmaßnahmen, die europaweit eingeführt werden sollen.“ (1)
Das Los der „Alternativlosigkeit“
Finanzminister Wolfgang Schäuble nannte das beschlossene Verarmungsprogramm „alternativlos“. Gerne reden Politiker von der „Alternativlosigkeit“ ihrer Entscheidungen, wenn sie wissen, dass diese unpopulär sind, weil sie nur einer kleinen Minderheit nutzen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte selbst im Zusammenhang mit der Griechenland-Hilfe immer wieder deren „Alternativlosigkeit“ beschworen – und damit das „Unwort des Jahres“ 2010 kreiert. „Das Wort suggeriert sachlich unangemessen, dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und damit auch keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation gebe“, sagte Horst Dieter Schlosser, der die Jury leitete, die jährlich das „Unwort des Jahres“ bestimmt. (2)
Es gibt aber eine Alternative zu diesem Szenario, das mit wachsender Staatsverschuldung und der Verarmung breiter Bevölkerungsteile einhergeht. Sie bestünde in einem geordneten staatlichen Insolvenzverfahren, bei dem die privaten Gläubiger auf ihre Forderungen, zumindest teilweise bzw. über einen bestimmten Zeitraum, verzichten.
Eine Staatspleite ist nicht gleichbedeutend mit dem Ende einer Nation, wie von den Euro-Befürwortern gerne behauptet wird. An Griechenlands eigener Geschichte lässt sich das belegen. Im Jahr 1893 erklärte das Land schon einmal den Staatsbankrott. Auch die USA haben in ihrer Geschichte schon mehrere Insolvenzen erlebt. 1933 ließ Präsident Franklin D. Roosevelt private Goldvermögen beschlagnahmen, um die Zahlungsfähigkeit des Staates wieder herzustellen. Als Präsident Richard Nixon 1971 die Gold-Dollar-Konvertibilität aufhob, wurde dies von vielen Experten als de facto Staatsbankrott betrachtet. Jüngere Beispiele für die Unfähigkeit eines Staates, seine Schulden zu bedienen ist Russland, welches 1998 faktisch Pleite war.
Ebenso befand sich Argentinien zwischen 1998 und 2002 in einer schweren Wirtschaftskrise. Ähnlich wie gegenwärtig in Griechenland, nutzte damals der IWF die klammen Kassen des südamerikanischen Staates aus, um das Land nach seinen Vorstellungen zu ordnen.
Als Argentiniens Präsident Domingo Cavallo im November 2001 erklärte, das vom IWF verordnete Haushaltsziel könne nicht erreicht werden, weigerte sich der Währungsfond, die vorgesehene Tranche in Höhe von 1,25 Milliarden US-Dollar zu überweisen. Die Folge war ein drastischer Vertrauensverlust in den Staat, verbunden mit einer starken Kapitalflucht.
Mit diesem Szenario erpresst die „Troika“ gegenwärtig Griechenland. Weigert sich die griechische Regierung, die Ansprüche der Gläubiger auf Kosten der Allgemeinheit zu bedienen, droht ihr die Zahlungsunfähigkeit. Und damit die Regierungsunfähigkeit.
Auch eine Umschuldung bedeutet eine Einstellung der Zahlungen, „aber wenigstens eine ausgehandelte“, wie Carl Weinberg vom US-amerikanischen Wirtschaftsinstitut High Frequency Economics feststellte. „Das ist besser als ein sonst unvermeidlicher Staatsbankrott Griechenlands und eine Zwangslösung für alle Gläubiger.“ Er wies bereits vor knapp zwei Jahren darauf hin, dass die Hilfen der Euroländer nur ein „Tropfen auf dem heißen Stein“ seien, da Griechenland bis zum Jahr 2015 alleine 90 Milliarden Euro an Zinsen auf die damals bestehenden Schulden zahlen müsse. Er schlug vor, alle bis 2019 fälligen griechischen Staatsanleihen in eine 25-jährige Anleihe mit einem Zinssatz von 4,5 Prozent umzuwandeln. (3)
Doch solche Vorschläge zur Umschuldung scheiterten vor allem an dem Widerstand Frankreichs und Deutschlands, schließlich sind französische und deutsche Banken die größten Gläubiger Griechenlands.
Schäuble schloss die frühzeitig von Experten favorisierte Umschuldung mit folgender Begründung aus: „Wenn wir uns darauf einlassen, müssen wir weitere Milliarden etwa in die Hypo Real Estate pumpen.“ (4) Die Hypo Real Estate hält griechische Staatsanleihen in Höhe von rund zehn Milliarden Euro.
Warum aber der deutsche Staat für die spekulativen Verluste einer Bank aufkommen „muss“, ließ der Wirtschaftsminister offen. Marktwirtschaftlichen Prinzipien würde es entsprechen, wenn Banken, die sich verspekuliert haben und somit Pleite gehen, vom Markt verschwinden. Die Außerkraftsetzung marktwirtschaftlicher Regeln und die Rettung von Banken auf Kosten der Steuerzahler wurde mit der „systemischen“ Position der entsprechenden Finanzinstitute begründet. Letztere können das nur als Freifahrtschein für ihre spekulative Geschäftspolitik begreifen, die immer größere Teile der Bevölkerung in die Armut treibt. Das Wohlergehen der Bevölkerung ist im Kapitalismus hingegen keine „systemische“ Angelegenheit.
Angesichts der griechischen Schuldenkrise sprach der ehemalige IWF-Chef Horst Köhler als Bundespräsident davon, dass „Undenkbare zu denken“: „Wir brauchen geordnete Insolvenzverfahren nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Staaten.“
Die Pläne des IWF zur Regelung staatlicher Insolvenzen scheiterten ihm zufolge am Widerstand der Finanzindustrie. „Wir haben schon damals erlebt, wie stark die Lobby der Banken und privaten Finanzinstitute sein kann. Dieselben Akteure haben uns jetzt eine Krise eingebrockt, die den Staaten gewaltige neue Schulden aufbürdet.“ (5)
Zynische Heuchelei
„Wir machen das, um Griechenland zu helfen und zu keinem anderen Zweck,“ behauptete Schäuble zu Wochenbeginn. Für die Griechen muss das wie blanker Zynismus klingen. Insbesondere weil der deutsche Minister zum wiederholten Mal die Mär von den ‚über ihre Verhältnisse lebenden Griechen’ bemüht.
So merkte Schäuble an, der Mindestlohn in Griechenland habe bislang über dem Durchschnitt der Euro-Staaten gelegen. Damit sind für die Misere nicht die Bilanzfälschungen der griechischen Regierung unter Mithilfe von Goldman Sachs, nicht die immer höher ausfallenden Zinstilgungen für die Gläubigeransprüche der Banken und auch nicht die milliardenschweren Waffenkäufe (in Deutschland) trotz faktischer Pleite ursächlich, sondern der Mindestlohn. Letztlich also die arbeitende Bevölkerung mit ihren überzogenen Ansprüchen, von ihrer Arbeit auch ein erträgliches Leben führen zu können. So meint es Schäuble, aber er verklausuliert es und versteckt seine Missachtung gegenüber den Ansprüchen der arbeitenden Bevölkerung hinter dem Verweis auf den europäischen Durchschnitt. Um das Land wettbewerbsfähig zu machen, dürfe der Mindestlohn nicht über dem Mittelmaß liegen, so der Minister.
Eine eigentümliche Logik: Wird der Mindestlohn überall dort gesenkt, wo er über dem Durchschnitt liegt, dann senkt sich infolge der Durchschnitt. Womit wieder an anderer Stelle Löhne darüber lägen und abgesenkt werden müssten. Es ist eine Abwärtsspirale hin zu immer niedrigeren Löhnen.
Durch Lohndumping kann zwar die Wirtschaft nicht in Schwung kommen, aber darum geht es auch nicht. Es geht darum, wer die Zeche für die spekulativen Verluste des Finanzkapitals trägt. Um diese der Allgemeinheit aufbürden zu können, ist die Politik bemüht, die Bevölkerungen der jeweiligen Länder gegeneinander auszuspielen.
Dazu zählt auch das Gerede von zu hohen Mindestlöhnen. Es ist eine Botschaft an die arbeitende Bevölkerung in Deutschland, damit sie sich nicht in Solidarität mit ihrem griechischen Pendant übt. Sie lautet: Ihr arbeitet genauso wie die Griechen, aber die bekommen einen höheren Lohn. Das sei ungerecht, also sollte der Mindestlohn in Griechenland gesenkt werden. Damit wird die Frage, ob es nicht eher gerecht wäre, wenn die Deutschen mehr verdienten, gar nicht erst erörtert. Vielmehr wird die „Alternativlosigkeit“ zum Sparen beschworen, die sich aus der Schuldenlast ergebe.
Durch die Rettung „systemischer“ Banken auf Kosten der Allgemeinheit wurde eine private Schuldenkrise in eine staatliche verwandelt. Mit jedem neuen Rettungspaket steigt die Staatsverschuldung, auch die deutsche. Es braucht nicht viel Fantasie um sich auszumalen, welches Lied die Vertreter der Finanzoligarchie und deren Interessenverwalter angesichts der gestiegenen Verschuldung singen werden: Die deutsche Bevölkerung habe über ihre Verhältnisse gelebt. Einschnitte im Sozialsystem seien daher „alternativlos“.
„Die EU steht an der Seite des griechischen Volkes“, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn vor Tagen. Doch das griechische Volk wurde nie gefragt, was es von der EU-„Hilfe“ hält. Als der aus dem Amt getriebene Ministerpräsident Papandreou eine Volksabstimmung durchführen lassen wollte, sorgte er für Entsetzen bei den Euro-Finanzarchitekten und wurde für verrückt erklärt.
Die Solidaritätsbekundungen muten daher wie Heuchelei an. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert macht da keine Ausnahme. „Wir wollen Griechenland innerhalb der Euro-Zone helfen“, sagte er am Montag auf der Bundespressekonferenz. Er hat seine Worte bewusst gewählt. Er hätte auch einfach sagen können, „wir wollen Griechenland helfen“. Der Zusatz „innerhalb der Euro-Zone“ verdeutlicht, dass es sich hier nicht um ein Hilfsangebot handelt, sondern um eine Drohung. „Hilfe“ gibt es nur, wenn Griechenland weiterhin am Euro – und damit an seinem eigenen wirtschaftlichen Untergang – festhält.
Mit der Antwort auf die zaghaft-kritische Nachfrage einer Journalistin, ob – um die Wirtschaft voranzubringen – Investitionen nicht besser geeignet seien als Sparmaßnahmen, offenbarte Seibert, wie sehr die Regierung, für die er spricht, neoliberalen Dogmen verhaftet ist.
„Sie sprechen von Investitionen – keiner investiere in Griechenland. Ich will nur mal zu bedenken geben, dass das Problem mangelnder Investitionen in Griechenland auch mit der Geschlossenheit der Wirtschaft, mit den starren Strukturen zu tun hat, gegen die jetzt Schritt für Schritt auch vorgegangen wird. Wenn Privatisierungen in stärkerem Maße als bisher schon erreicht voran kämen, gäbe es da auch mehr Investitionen. Es ist wahrscheinlich schwierig in Bereiche zu investieren, in denen durch einen zu hohen Mindestlohn die Beschäftigung überwiegend im illegalen Bereich stattfindet.“
Zu wenig Privatisierung – zu hohe Mindestlöhne. Damit beschwört er das alt-„bewährte“ Krisenerklärungsmodell der neoliberalen Denkrichtung.
Die Botschaft zwischen den Zeilen lautet: Solange es in Griechenland noch Straßen und Schienen gibt, die nicht im (ausländischen) Privatbesitz sind, solange wird das Land nicht aus der Krise entlassen. Und mittels der Drohung, keine weiteren Kredite zu gewähren, wird der Druck auf die griechische Regierung stetig erhöht, sämtliches Tafelsilber zu verramschen beziehungsweise dem internationalen Kapital frei verfügbar zu machen.
Im Gegensatz zur Kanzlerin schließt deren Vize, Wirtschaftsminister Philipp Rösler, eine Staatspleite und einen Ausschluss des Landes aus der Eurozone nicht aus. „Der Tag X verliert zunehmend an Schrecken“, sagte Rösler. Regierungssprecher Seibert sagte dazu lediglich: „Die Bundeskanzlerin denkt nicht in solchen Kategorien.“
Merkel denkt in anderen Kategorien: „Die Märkte und Spekulanten haben ihren Schnitt gemacht. Weitere Milliarden der Steuerzahler fließen in den Kreislauf der Finanzmärkte. Angela Merkel ist zufrieden, die Banken sind es auch. Und in Griechenland explodiert die Gewalt“, schrieb die Welt in erstaunlicher Offenheit im vergangenen Sommer, nachdem es zu einer Welle von Angriffen auf griechische „Volksvertreter“ gekommen war, die zuvor ein erstes drastisches Sparprogramm beschlossen hatten. (6)
Griechenlands neue Herren
Trotz massiver Proteste in Griechenland erteilte Angela Merkel Forderungen nach einer Abschwächung des Spar- und Reformprogramms eine Absage. „Eine Veränderung dieses Programms kann und wird es nicht geben“, sagte die Bundeskanzlerin. Offenbar meint sie, der Wählerauftrag habe sie legitimiert, auch über das Schicksal Griechenlands zu bestimmen.
Ihr Ausspruch steht sinnbildlich für den Abbau der Demokratie im hellenischen Staat. Mit dem Verlust der Haushaltssouveränität und deren Übertragung auf die demokratisch nicht legitimierte „Troika“ wurde die nationale Souveränität Griechenlands, die die Grundlage einer Demokratie darstellt, de facto abgeschafft. Mit der Absetzung von Papandreou durch die Achse Berlin-Paris-Brüssel und der Einsetzung einer Marionette des Finanzkapitals als Ministerpräsident hat die Finanzelite deutlich zu verstehen gegeben, dass Demokratie mit ihr in Griechenland nicht zu machen ist und nur noch gegen sie durchgesetzt werden kann.
Das Euro-Projekt erweist sich somit nicht nur als zweckmäßig bei der Umverteilung der Einkommen von unten nach oben, sondern auch bei der Zerschlagung der Demokratie durch die Aufhebung nationaler Souveränität.
Vorläufiger Höhepunkt des demokratischen Offenbarungseids ist die Forderung der Euro-Finanzminister an die Vorsitzenden der beiden großen Parteien Griechenlands, der Sozialisten und der Konservativen, Giorgos Papandreou und Antonis Samaras, sie müssten versichern, dass sie auch nach den Neuwahlen im April 2012 das Sparprogramm einhalten werden.
Und wenn sie nicht wieder gewählt werden, erklären die Euro-Finanzminister die Wahl dann für ungültig? Zuzutrauen wäre es ihnen in ihrer Arroganz allemal.
Die Wahlen im April könnten den Plänen der Finanzelite einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen. Die Kommunisten und andere linke Parteien werden stärker. Sammeln sich zudem die 45 von ihren Parteien aus dem Parlament ausgeschlossenen „Nein“-Sager, die sowohl aus den Reihen der Konservativen als auch der Sozialisten kommen, zu einer neuen Partei, könnten die Eurogegner im Parlament eine Mehrheit erlangen.
Das gilt es zu verhindern. Die EU werde der griechischen Regierung „jede Form von Unterstützung“ anbieten, sagte Schäuble. Die Regierung in Athen hält dem jedoch entgegen, sie wolle keine Vormundschaft.
„Das respektieren wir“, sagte der deutsche Wirtschaftsminister, um sogleich mit einem „aber“ fortzufahren: „Aber wenn sie es allein nicht schaffen, weil die politische Klasse vielleicht Schwierigkeiten hat, als fair anerkannt zu werden, dann wäre es besser, sie würden mehr Unterstützung durch die europäische Union akzeptieren“, betonte der Wirtschaftsminister.
„Jede Form von Unterstützung“ – ist mit dieser Formulierung vielleicht schon der Einsatz von nicht-griechischen Polizeieinheiten gemeint, um der Lage Herr zu werden? Im Rahmen des Lissabon-Vertrages ist der Einsatz ausländischer Einheiten zur Aufstandsbekämpfung möglich. Und vielleicht nötig, da nun auch die größte griechische Polizeigewerkschaft POESY selbst den Aufstand probt.
Nach Ansicht der Gewerkschaft versucht die „Troika“ mit den harten Sparmaßnahmen die demokratische Ordnung umzuwerfen. Zudem verletze sie die „nationale Souveränität“ und wolle dem griechischen Volk wichtige Güter rauben.
„Wir warnen Sie, dass wir die sofortige Ausgabe von Haftbefehlen fordern werden“, heißt es in einer schriftlichen Erklärung, die vergangene Woche an die Troika-Vertreter geschickt wurde. (7)
Außerdem verteilte die Polizeigewerkschaft ein Flugblatt mit der Aufschrift „Wanted“ (gesucht), in dem eine Belohnung für die Festnahme von Vertretern der „Troika“ in Aussicht gestellt wird. Die Belohnung fällt schmal aus: Gerade mal ein Euro.
Der Betrag steht sinnbildlich für Griechenlands Pleite, aber auch dafür, was die Politik der „Troika“ den Griechen Wert ist.
Anmerkungen
(1) Deutsche Übersetzung der Erklärung:
http://www.berlin-gegen-krieg.de/ex/griechenland/index.html
(2) http://www.tagesschau.de/inland/unwortdesjahres110.html
(3) http://www.welt.de/finanzen/article7321031/Eine-Umschuldung-waere-Griechenlands-Rettung.html
(4) ebd.
(5) http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Interviews/2010/20100322_Rede.html
(6) http://www.welt.de/debatte/article13462179/Die-Demokratie-ertrinkt-in-Schulden-und-Luegen.html
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(7) http://www.tagesspiegel.de/politik/finanzkrise-griechische-rechte-sperrt-sich-gegen-sparpaket/6192790.html
andere Quellen: dpa