Die USA am wirtschaftlichen Abgrund – China etabliert den Yuan als potente Alternative zum US-Dollar
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China vergibt schon heute mehr Kredite an arme Länder als die Weltbank –
Von REDAKTION, 18. Januar 2011 –
China hat die Weltbank als größtem Kreditgeber der Entwicklungsländer abgelöst. Allein die beiden Staatsbanken China Development Bank und die Export-Import- Bank haben laut der Financial Times in den vergangenen zwei Jahren Regierungen und Unternehmen in Entwicklungsländern mindestens 110 Milliarden Dollar geliehen. Die Weltbank hat dagegen zwischen Mitte 2008 und 2010 nur 100 Milliarden Dollar vergeben. Die Finanzspritzen demonstrieren Chinas wachsenden Einfluss in der Weltwirtschaft.
Bei den beiden chinesischen Finanzinstituten handelt es sich um sogenannte politische Banken, die keine Auflistungen veröffentlichen. Die Zeitung stützte sich daher nur auf Veröffentlichungen über Projekte. Das wahre Ausmaß der Kreditvergabe könnte also noch größer sein.
Die Weltbank suche mehr Zusammenarbeit mit den Chinesen, um einen Wettbewerb um Kredite zu vermeiden, berichtete das Blatt.
Dass Entwicklungsländer zunehmend China als Kreditgeber favorisieren, liegt vor allem an den Auflagen, die mit Krediten der Weltbank verbunden sind. Diese verpflichten die Kreditnehmer zu „strukturellen Anpassungen“, womit meist rigorose Sparprogramme und eine Liberalisierung und Deregulierung des Waren- und Kapitalverkehrs verbunden sind. Folge solcher Anpassungen ist oftmals eine zunehmende Verarmung der Bevölkerung mit einhergehenden sozialen Spannungen. China hingegen verbindet mit den Krediten keine Einmischung in die inneren wirtschaftlichen Angelegenheiten der Kreditnehmer, will sich aber durch sie einen gesicherten Zugang zu Rohstoffen sichern.
Vor seinem mit Spannung erwarteten heutigen Staatsbesuch in den USA hatte Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao in Interviews mit US-Zeitungen selbstbewusst erklärt, dass er die Dominanz des US-Dollar im internationalen Währungssystem als „Produkt der Vergangenheit“ sehe.
China hatte bereits angesichts der Weltfinanzkrise vorgeschlagen, den US-Dollar durch einen Korb verschiedener Währungen als Leitwährung zu ersetzen. Nun verstärkt China seine Anstrengungen, den Yuan (auch Renminbi genannt) neben dem Dollar als Weltwährung zu etablieren.
Bedarf am Yuan gibt es vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern, mit denen China heute 55 Prozent seines Handels betreibt. In drei bis fünf Jahren könnte mindestens die Hälfte dieses Handels in chinesischer Währung abgewickelt werden, sagt eine Studie der HSBC-Bank voraus. Während 2010 erst drei Prozent dieses Handels in Yuan abgewickelt wurden, könnten bereits in drei bis fünf Jahr die Hälfte des Handels in der chinesischen Währung getätigt werden. Wenn es soweit ist, werden Handelsströme im Wert von fast zwei Billionen Dollar jährlich in Yuan fließen.
Chinas Bemühungen, den Yuan als Weltwährung zu etablieren, wurden vor eineinhalb Jahren eingeleitet, als die Abwicklung von Handelsgeschäften mit dem Yuan in begrenztem Ausmaß erlaubt wurde. Im vergangenen Sommer wurde das Pilotprojekt auf alle Länder und einige hundert chinesische Unternehmen ausgeweitet – im Dezember dann auf fast 70.000. Die Ersparnisse bei Devisentransaktionen, der Wegfall von Wechselkursrisiken und die erwartete Aufwertung machen es attraktiv, vom Dollar zum Yuan zu wechseln.
In der vergangenen Woche erlaubte die Zentralbank chinesischen Unternehmen erstmals, Investitionen im Ausland in Yuan zu tätigen. „Die laufenden Pilotprogramme zur Abwicklung von Transaktionen bei grenzüberschreitenden Handelsgeschäften und Investitionen in Yuan sind konkrete Schritte, die China als Antwort auf die internationale Finanzkrise ergriffen hat, um Handel und Investitionen zu erleichtern“, so Hu Jintao. Es sei ein „ziemlich langer Prozess“, den Yuan zur globalen Währung zu machen. Wie groß die Nachfrage am Markt sei, zeige die rasante Entwicklung neu zugelassener Yuan-Transaktionen
Chinas Devisenreserven, also die Vorräte an ausländischen Währungen, sind 2010 um 18,7 Prozent auf 2,85 Billionen Dollar geklettert. China verfügt damit über ein gewaltiges finanzielles Polster, von dem es allerdings befürchten muss, dass es zu einem nicht geringen Teil aus heißer Luft besteht. Denn schließlich macht der US-Dollar einen Großteil der Devisen aus. Da aber in den letzten Jahren im Rahmen der Finanzkrise historisch beispiellose Mengen an frischen US-Dollars durch die Federal Reserve in den Wirtschaftskreislauf gepumpt wurden, die nicht einmal annähernd einer realen Wirtschaftsleitung entsprechen, befürchten viele Finanzexperten eine Dollar-Inflation. Dass es soweit noch nicht gekommen ist, liegt daran, dass die wichtigste Handelsware, das Erdöl, nach wie vor in US-Dollar fakturiert wird. Sobald dies nicht mehr der Fall ist, wird die Nachfrage nach dem Dollar abrupt abnehmen, was wiederum eine Wertsenkung des „Greenbacks“ zur Folge hätte.
Doch China kann daran kein Interesse haben, bedeutet dies doch gleichzeitig Wertverlust für einen Großteil der eigenen Devisenreserven. Chinas Interesse gilt also einer Ablösung des US-Dollar als Weltwährung, ohne dass dieser dramatisch einbricht. Dazu dient auch die Ausweitung der Geschäfte, die in Yuan abgewickelt werden. Je mehr Geschäfte in der chinesischen Währung getätigt werden, umso geringer ist das Wachstum der Devisenreserven und damit ein mögliches Risiko, von einem Wertverlust des US-Dollar getroffen zu werden.
Neuerdings wird chinesischen Exporteuren erlaubt, ihre Deviseneinnahmen auch außerhalb des Landes zu lassen, statt sie sofort umtauschen zu müssen. Die Bank of China bietet seit diesem Monat auch Yuan-Konten in ihren Filialen in New York und Los Angeles an. Westliche Banken wie die HSBC in Hongkong haben solche Dienste bereits im Angebot, aber jetzt will sich erstmals eine chinesische Staatsbank in den USA als Hauptumschlagplatz für einen internationalen Yuan etablieren.
Auch Anleihen auf den Yuan erfahren eine wachsende Nachfrage. Die Fast-Food-Kette McDonalds, der US-Baumaschinenhersteller Caterpillar oder der Ölmulti BP haben schon Yuan-Anleihen ausgegeben. Ihr Umfang verdoppelte sich 2010 auf mehr als fünf Milliarden Dollar. Selbst die Weltbank gab in diesem Monat erstmals Yuan-Anleihen aus.
Nach Einschätzung der HSBC wird ein Siegeszug des Yuan in wenigen Jahren die Weltmärkte umkrempeln: „Die Internationalisierung wird langfristig bedeutende Auswirkungen auf China und die Weltwirtschaft haben.“
Schon im nächsten Jahr könnte China die USA als größte Wirtschaftsmacht abgelöst haben. Bezogen auf das Pro-Kopf-Einkommen liegt China zwar noch deutlich hinter den entwickelten Industriestaaten zurück, so dass es selbst noch zu den Schwellenländern zu zählen ist. Aber Chinas Aufstieg basiert auf einem starken industriellen Wachstum. Die USA hingegen durchlaufen seit Jahrzehnten einen umgekehrten Prozess. Die industrielle Basis des Landes, welche de USA nach dem Zweiten Weltkrieg zur unangefochtenen Wirtschaftsmacht machte, wurde durch eine gezielte Politik geschwächt, die Finanzprodukte gegenüber Industrieprodukten vorzog.
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Die Beherrschung der Finanzmärkte mittels zwielichtiger Rating-Agenturen und von den USA dominierter Institutionen wie der Weltbank und dem IWF brachte höhere Renditen ein, als die an konkrete Gebrauchswerte geknüpfte industrielle Produktion, die zudem kontinuierlich Investitionen erfordert, um auf dem modernsten Stand und somit auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben. Die Weltfinanzkrise hat die USA darin geschwächt, über Finanzprodukte die von anderen real erwirtschafteten Gewinne abschöpfen zu können. Verliert der US-Dollar aufgrund sinkender Nachfrage seine Rolle als Leitwährung und somit an Wert, wird sich die Praxis nicht länger aufrecht erhalten lassen, mittels Anschmeißen der Druckerpresse Werte aus dem „nichts“ zu schöpfen – sogenanntes Fiat-Money – und gegen real produzierte Werte, wie etwa chinesische Waren, einzutauschen. Eine Schwächung des US-Dollar gegenüber dem Yuan, bzw. die von US-Politikern geforderte Aufwertung des Yuan im Verhältnis zum Dollar würde zwar die chinesischen Exporte teurer machen und umgekehrt die Exporte der US-Industrie verbilligen. Doch an der seit Jahrzehnten fortwährenden strukturellen Schwäche der US-Industrie würde dies nichts ändern – und somit auch nichts an Chinas Aufstieg zur größten Wirtschaftsmacht.
Die USA stehen am Scheideweg, oder besser gesagt, am Abgrund. Nur ein radikaler Kurswechsel, der der Vorherrschaft der Wall-Street über die US-Ökonomie ein Ende bereitet, kann einen wirtschaftlichen Absturz der USA verhindern, von dem sich das Land über Jahrzehnte nicht wird erholen können. Bedingung für einen solchen Kurswechsel wäre auch der Verzicht auf einen Alleinherrschaftsanspruch und die Aufgabe des Ziels, die Dominanz der USA, wie sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorherrschte, mit allen Mitteln künstlich zu verlängern. Offenbar gibt es aber innerhalb der herrschenden US-Politik keine Kräfte, die diesen Wechsel durchsetzen könnten. Daher ist auf lange Sicht eine Konfrontation mit dem chinesischen Herausforderer geradezu vorprogrammiert.