Die Rettung des Euro: „Was immer es kosten mag“
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Von REDAKTION, 11. Mai 2010 –
Der Kauf von Anleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) birgt nach Ansicht von Bundesbankchef Axel Weber erhebliche stabilitätspolitische Risiken. „Daher sehe ich diesen Teil des Beschlusses des EZB-Rats auch in dieser außerordentlichen Situation kritisch“, sagte Weber der Börsen-Zeitung. Es komme jetzt entscheidend darauf an, diese Risiken so gering wie möglich zu halten. Die Ankäufe seien daher eng begrenzt und zielten allein darauf ab, die Funktionsfähigkeit der Anleihemärkte wiederherzustellen.
„Wir sind entschlossen, die derzeitige Ausrichtung der Geldpolitik durch den Anleihekauf nicht zu unterlaufen“, sagte Weber. „Die deutsche Bevölkerung kann sich darauf verlassen, dass wir hier besonders wachsam sein werden.“
Europäische Union (EU) und Internationaler Währungsfonds (IWF) hatten in den Nacht zum Montag einen beispiellosen Rettungsschirm für finanzschwache Euro-Länder gespannt. Das Gesamtvolumen beläuft sich auf 750 Milliarden Euro. Die EZB begleitet diesen Kurs, indem sie staatliche und private Anleihen kauft. Dies hatte die Notenbank lange Zeit abgelehnt, schließlich bedeutet es einen Bruch mit der festgelegten Unabhängigkeit der EZB, die von nun an den Direktiven der EU-Kommissare unterliegt.
Die EZB-Beschlüsse seien allerdings nur in Verbindung mit den Entscheidungen seitens EU und IWF sowie den staatlichen Konsolidierungsverpflichtungen geeignet, die extreme Unsicherheit an den Finanzmärkten zu verringern und die Stabilität des Euro zu schützen, sagte Weber.
Dass mit dem Rettungsschirm nicht die strukturellen wirtschaftlichen Probleme innerhalb der EU angegangen werden, kritisierte heute die französische Zeitung Libération: „Dieser in der Not zusammen gestrickte Plan gegen eine ansteckende Krise löst nicht die grundlegenden Probleme der Euro-Zone. Wie sollen gravierende strukturelle Differenzen zwischen so unterschiedlichen Wirtschaftssystemen wie denjenigen Deutschlands und Griechenlands überbrückt werden? Sind die 27 EU-Länder bereit, auf Bereiche ihrer Souveränität zu verzichten, um die Märkte und die Banken zu regulieren und um ihre Haushalts- und Finanzpolitik zu koordinieren? Wenn sie es nicht sind, dann ist dieser Plan nur eine Morphiumspritze, wie es der Internationale Währungsfonds zugegeben hat.“
Wenn die EZB künftig Staatsanleihen der Defizitländer kauft, so spült sie damit zusätzliche neue Euros auf den Markt – und erhöht so die Inflationsgefahr. Das Ratsmitglied der EZB, Ewald Nowotny, sieht dennoch keine Inflationsgefahr für die Eurozone durch den Ankauf von Staatsanleihen durch die Notenbank. Er sehe „auf keinen Fall“ die Gefahr, dass die Teuerung in der Eurozone außer Kontrolle geraten könne, sagte Österreichs Notenbankchef am Dienstag. Der Kauf der Anleihen führe nicht unmittelbar zu höheren Ausgaben. „Die Inflation würde nur steigen, wenn wir die Geldmenge nicht unter Kontrolle hätten“.
Die EZB habe weiterhin alle Instrumente, um eine Inflationsrate um durchschnittlich 1,9 Prozent zu gewährleisten. Den Tabubruch der EZB, nun Staatsanleihen notleidender Euro- Staaten zu kaufen, sieht Nowotny daher gelassen. Er zeigte sich vielmehr besorgt über die geringe Nachfrage in Europa. Die schwache Konjunktur und der drohende weitere Anstieg der bereits hohen Arbeitslosigkeit seien viel gefährlicher.
Außerdem sah das Notenbankmitglied im aktuellen Kursrückgang des Euro keinen Grund zur Besorgnis. Die deutlichen Kursgewinne auf den Aktienmärkten und der deutliche Rückgang der Risikoaufschläge bei Anleihen der PIGS-Staaten (Portugal, Irland, Griechenland und Spanien) sind für Nowotny vielmehr „der Beweis dafür, dass es gelungen ist, die Spekulation massiv einzubremsen“.
Doch zumindest was die deutlichen Kursgewinne an den Aktienmärkten angeht, ist es um die Beweiskraft schlecht bestellt. Nach dem Kursfeuerwerk zum Wochenauftakt hat der deutsche Aktienmarkt am Dienstag zunächst den Rückwärtsgang eingelegt. Der Leitindex Dax fiel in den ersten Handelsminuten um 1,17 Prozent auf 5948 Punkte. Der MDax gab um 0,44 Prozent auf 8134 Punkte nach und für den TecDax ging es um 0,86 Prozent auf 773 Punkte abwärts. Die Erleichterung nach dem Rettungsschirm für die schwächelnden Länder der Eurozone scheint zumindest teilweise wieder verflogen zu sein, hieß es am Markt.
Dabei hatten EU-Politiker den Rettungsschirm für die Euro-Zone am Wochenende mit zum Teil martialischen Tönen untermauert. „Wir werden den Euro verteidigen, was immer es kosten mag“, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nach Abschluss des Sondergipfels. Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sakrozy sprachen davon, dass gezielt gegen den Euro spekuliert werde. Es gehe um eine „weltweit organisierte Attacke gegen den Euro“, so auch Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker. Auf die Frage, wer hinter der Attacke stehe, sagte Juncker: „Wenn ich das wüsste, bräuchte ich keine Interviews zu geben, sondern würde viel Geld verdienen.“
Diese Aussage erscheint aber nur wenig glaubwürdig, vielmehr will man wohl der Öffentlichkeit vorenthalten, dass die Angriffe auf den Euro über die Finanzplätze der Wall Street in New York und der City of London laufen. Auch die Rating-Agenturen, die durch die Abstufung Griechenlands für Wasser auf den Mühlen derer gesorgt haben, die gegen das Land spekulieren, sitzen nicht in Russland oder China, sondern in den USA.
Angesichts der Euro- und Griechenlandkrise werden erste Stimmen nach einem Untersuchungsausschuss des Bundestags laut. Doch dieser soll nicht der Frage nachgehen, wer denn hinter den Angriffen steckt und wie diesen zukünftig begegnet werden kann, sondern er scheint eher dazu dienen zu sollen, sich in parteipolitischen Schuldzuweisungen betätigen zu können.
„Die Aufnahme Griechenlands in die Eurozone wurde ganz offensichtlich mit falschen Daten erschlichen“, sagte der CDU-Wirtschaftsexperte Kai Wegner der Bild-Zeitung. „Deswegen muss jetzt geklärt werden, wie es dazu kommen konnte, warum das nicht bemerkt wurde und wer die Verantwortung dafür trägt.“
Auch der FDP-Abgeordnete Marco Buschmann forderte einen Untersuchungsausschuss. „Man sollte untersuchen, wie es soweit kommen konnte.“ Ein Instrument könne ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss sein. Sein Fraktionskollege Oliver Luksic sagte: „Das Versagen von Rot-Grün bei der Aufnahme Griechenlands in den Euro soll auch untersucht und aufgearbeitet werden.“
Die Bundesregierung will heute den deutschen Anteil an dem 750-Milliarden-Rettungsschirm für den Euro auf den Weg bringen. Bei einer Sondersitzung des Kabinetts soll ein entsprechender Gesetzentwurf verabschiedet werden.
Die genaue Höhe des deutschen Garantierahmens für Kredithilfen war bisher offen. Die Opposition befürchtet Kreditbürgschaften von bis zu 150 Milliarden Euro. Zuvor hatten Bundestag und Bundesrat in der vergangenen Woche bereits Kredithilfen von bis zu 22,4 Milliarden Euro für das von der Pleite bedrohte Griechenland abgesegnet.
Im Vergleich dazu: für das Jahr 2010 sind für das Arbeitslosengeld II, besser bekannt als Hartz IV, 24,3 Milliarden Euro im Bundeshaushalt vorgesehen. Das sind rund 15 Milliarden Euro weniger, als der Bund 2010 allein zur Bedienung der Zinsen seiner Schulden aufbringen muss. Auch der deutsche Anteil am Rettungsschirm kommt in erster Linie den Banken zugute, schließlich sind sie es, bei denen die Defizitländer in der Kreide stehen. Alleine deutsche Banken halten Ansprüche gegenüber Griechenland in Höhe von ca. 40 Milliarden Euro. Der Rettungsschirm ist also in erster Linie ein Umverteilungsprogramm zugunsten der Banken und Finanzinstitute und zulasten der Allgemeinheit. Und wenn es um die „Sozialhilfe“ für notleidende Banken geht, dann ist man in der EU auch bereit, gegen eigens gemachte Vereinbarungen zu verstoßen. Die FAZ kommentierte: „Mit der praktischen Einführung einer Transferunion im Euro-Raum und der politischen Führung der Zentralbank sind das Schicksal des Euro als Weichwährung und das Scheitern der Währungsunion vorgezeichnet. Wer Spar- und Rentenverträge geschlossen hat, sollte sich langfristig auf Entwertung einstellen.“
Die Sicherheit der Spar- und Rentenverträge der einfachen Bevölkerung zu gewährleisten, war offenbar nicht die Handlungsmaxime der EU-Regierungen. Dort zählen in erster Linie die Interessen der „systemischen“ Großbanken – alles andere sind „Peanuts“.
Dass die Finanzwirtschaft beim Rettungsschirm nicht in Mitverantwortung genommen wurde, kritisiert der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Er fordert einen sogenannten Haircut, also eine Teilabschreibung der Forderungen der Banken. Auch Michael Schlecht von der Bundestagsfraktion der Linken pflichtet ihm bei: „Statt Profiteure der Finanzkrise zur Kasse zu bitten, haben sich die EU-Staaten mit Bankenrettungen und Konjunkturprogrammen massiv verschuldet“, so Schlecht. „Diese Verschuldung muss zurückgeführt werden. Wir brauchen einen EU-weiten Haircut bei den Staatsanleihen, eine Besteuerung großer Vermögen und die Entwaffnung der Spekulanten“, sagte Schlecht.
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Schon bei der Griechenland-Hilfe kritisierte die Linkspartei, dass die Finanzwirtschaft nicht mit in die Verantwortung genommen wurde und stimmte gegen das Milliarden-Paket. Von der Macht, es zu verhindern, wollte man bei den Linken allerdings keinen Gebrauch machen – nicht einmal als Option stand es zur Debatte. Die Griechenland-Hilfe ist im Rahmen des beschleunigten Gesetzgebungsverfahren zu Stande gekommen, welches nur angewandt werden kann, wenn keine Fraktion ein Veto einlegt. Die Linke verzichtete auf ihr Vetorecht und trägt somit Mitverantwortung für die Art und Weise der Griechenland-Hilfe, die sie so vehement kritisiert. Wirkliche Opposition gegenüber den massiven Umverteilungsmaßnahmen von unten nach oben sieht anders aus.
Quelle u.a. dpa