Finanzwelt

Bundesregierung unternimmt erste Maßnahmen gegen Finanzmärkte

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Von REDAKTION, 20. Mai 2010 –

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die führenden Wirtschaftsnationen anlässlich des für Ende Juni in Kanada angesetzten G20-Gipfels aufgefordert, bei der Bankenabgabe an einem Strang zu ziehen. Sie appellierte an Staaten wie Kanada, ihren bisherigen Widerstand aufzugeben.

Auch wenn Banken in einigen Ländern von der Krise nicht so betroffen seien, müsse der Prozess vorangebracht werden, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin bei einer Konferenz zur Regulierung der Finanzmärkte. Es sei „extrem frustrierend“, wenn einige Länder nicht mitzögen. „Lassen Sie uns ein gemeinsames Signal geben,“ sagte Merkel.

An der Konferenz in Berlin nahmen außer Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble EU- Binnenmarktkommissar Michel Barnier und OECD-Generalsekretär Angel Gurría teil. Frankreichs Wirtschaftsministerin Christine Lagarde sollte per Videobotschaft zugeschaltet werden. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank sowie Südkorea und Kanada waren vertreten. Südkorea hat den Vorsitz der G20-Gruppe, Kanada leitet die G8-Gruppe der führenden Industrienationen und Russlands.

Die Bundeskanzlerin forderte die wichtigsten Wirtschaftsnationen auf, später abgestimmt wieder aus den massiven staatlichen Hilfsprogrammen gegen die Krise auszusteigen. Sie habe „einige Sorgen“, ob es bei diesen Ausstiegsstrategien ein ähnlich koordiniertes Vorgehen gebe wie bei der Vereinbarung über die Milliarden-Hilfspakete der Staaten.

Auch Bundesfinanzminister Schäuble mahnte eine umfassende Reform der weltweiten Finanzmärkte an. Dabei gehe es auch um neue Regeln für das Verhalten von Finanzakteuren sowie um eine kritische Überprüfung von Finanzinstrumenten.

Je weiter die Erholung der Weltwirtschaft vorankomme, desto schwächer werde der gefühlte Reformdruck,  warnte Schäuble. „Wir dürfen das Momentum nicht verlieren.“ Die Krise in Griechenland und in der Euro-Zone habe deutlich gemacht, dass bei den Bemühungen nicht nachgelassen werden dürfe. „Die internationale Gemeinschaft muss bei den Reformbemühungen wieder Fahrt aufnehmen.“

Nach Darstellung von Kanada werde man sich wohl nicht auf eine gemeinsame Linie zu Bankenabgaben verständigen. Es gebe in der G20 dazu keinen Konsens. „Es scheint sich abzuzeichnen, dass es keine Einheitslösung geben wird, die für alle passt“, begegnete der kanadische Finanzstaatssekretär Tiff Macklem Merkels Aufforderung an Kanada. „Das wird es nicht geben,“ sagte Macklem.

„Das kanadische Finanzsystem hat die Krise besser überstanden als andere.“ Kanada habe keine Steuergelder in die Hand nehmen müssen, um seine Finanzinstitute zu stützen. „Wir mussten nicht die Banken mit öffentlichen Geldern retten.“ Das kanadische Bankensystem sei in den vergangenen zwei Jahren von Experten als das stabilste der Welt eingestuft worden. Kanada will seine Banken daher nicht belasten und diesen Wettbewerbsvorteil nicht abgeben.

Am Dienstagabend hatte die dem Finanzministerium unterstellte Aufsichtsbehörde BaFin überraschend ungedeckte Leerverkäufe bei Staatsanleihen von Euro-Ländern und den Aktien von zehn deutschen Finanzkonzernen bis zum 31.März 2001 verboten. Dabei handelt es sich um Geschäfte, bei denen ein Investor Wertpapiere verkauft, ohne sie vorher besessen zu haben. Ebenfalls untersagt wurde der Kauf von Kreditausfallversicherungen (CDS), wenn der Anleger die damit versicherte Anleihe nicht ebenfalls hält. Mit solche Transaktionen wurde der Wertverfall griechischer Staatsanleihen beschleunigt.

Mit den längst überfälligen Maßnahmen zur Eindämmung der Spekulation erntete Berlin heftige Kritik. Die EU-Kommission und andere europäische Regierungen beschwerten sich über das eigenmächtige und offenbar nicht abgestimmte Verhalten der Bundesregierung.

Das Verbot von Leerverkäufen war nach Angaben aus Diplomatenkreisen Thema bei den Diskussionen der nationalen Aufsichtsbehörden. Sie hatten aber verabredet, eine „konzertierte Aktion“ durchzuführen. „Der deutsche Alleingang war schon eine gewisse Überraschung“, hieß es von einem hohen EU-Diplomaten. Zumal Wolfgang Schäuble das Thema beim Treffen der EU-Finanzminister am Dienstag nicht angesprochen haben soll. „Wir wussten nichts davon bis gestern Abend“, bestätigte die Sprecherin von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier.

Schäuble hingegen hatte in einem Interview mit dem ZDF am Dienstagabend erklärt, er habe darüber mit seinen europäischen Kollegen gesprochen. Es sei vereinbart worden, dass Deutschland vorangehe. EU-Binnenkommissar Michel Barnier warnte dagegen „vor regulativer Willkür und Fragmentierung“. Die deutschen Maßnahmen wären effektiver, wenn sie koordiniert auf EU-Ebene getroffen würden, fügte Barnier hinzu.

Der Berichterstatter für den Binnenmarkt im EU-Parlament, Louis Grech, kritisierte die deutsche Entscheidung scharf. „Wenn ein Mitgliedsland mit solch protektionistischen Maßnahmen beginnt, wird das den gemeinsamen Markt unterminieren und zu seiner Zerschlagung führen“, sagte Grech.

Dass dieser „Protektionismus“ sich aber nicht gegen andere Länder richtet, sondern gegen die Potentiale spekulativer Erpressung durch das Finanzkapital gerichtet ist, verschwieg Grech. Offenbar gibt es in der EU starke Vorbehalte gegen die Eindämmung der Finanzmärkte. Begleitet wurde die Kritik am Verbot der Leerkäufe durch mediale Panikmache, wie sie mittlerweile üblich ist, wenn die Vormachtstellung der Finanzwirtschaft eingegrenzt werden soll. Das auf die Ankündigung des Verbots von Leerkäufen erfolgte Nachgeben der Aktienbörsen in Deutschland und Europa und das Fallen des Euro gegenüber dem Dollar auf ein Vier-Jahres-Tief wurde als „Panik“ an den Kapitalmärkten bezeichnet, die die Maßnahmen als „Alarmsignal“ werten würden.

Doch schon einen Tag später legte sich an den Börsen die Aufregung über das deutsche Verbot hoch spekulativer Wetten mit Finanzaktien und Euro-Staatsanleihen. Der Leitindex Dax erholte sich und lag leicht über 6000 Punkten. Der Euro notierte zuletzt bei etwa 1,24 Dollar.

Unterstützung bekam Deutschlands Vorstoß von der spanischen EU-Ratspräsidentschaft . „Wir stehen voll und ganz hinter den Entscheidungen von Bundeskanzlerin Merkel“, sagte der spanische Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero.

In Berlin hat man offenbar erkannt, dass sich Maßnahmen zur Einschränkung der Finanzmärkte auf internationaler Ebene nicht durchsetzen lassen und hat nun erste, zaghafte Schritte unternommen, der Spekulation gegen Staaten Einhalt zu gebieten. So begrüßenswert das auch ist, doch die Bundesregierung will diese Maßnahmen von einer Verschärfung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes begleitet sehen. „Wir brauchen strengere Regeln.“ Die Probleme müssten an der Wurzel angepackt werden, sagte Merkel mit Blick auf die hohen Staatsdefizite.

Doch genau diese Wurzel wird nicht angepackt, sondern nur tiefer vergraben. Denn die hohen Staatsdefizite der sogenannten PIGS-Länder basieren auf dem grundlegenden Problem der Eurozone, Länder mit deutlich unterschiedlichen Produktivitätsständen unter dem Euro zusammenzufassen. Verschärft wird das insbesondere durch die Tatsache, dass mit Deutschland das produktivste Land der Eurozone an einer einseitigen Ausrichtung auf den Export festhält. Das Sinken der Reallöhne in Deutschland über die vergangenen Jahre, während es in den südlichen Euroländern teilweise deutliche Lohnerhöhungen gab, ist nur ein Beispiel einer grundsätzlich verkehrten Politik. Anstatt einer Politik des Ausgleichs der Handelsbilanzen zwischen den Euroländern zu folgen, verschärft Berlin das Grundproblem durch die Forderung nach strengeren Kriterien für den Stabilitätspakt. Defizitären Staaten einen noch härteren Sparkurs aufzuerlegen bedeutet, diesen die Möglichkeit antizyklischer Interventionen zu nehmen. Impulse zur Belebung der Wirtschaft durch staatliche Investitionen sind somit nicht mehr möglich. Verharrt die Wirtschaft aber in einer Rezession, dann werden sich auch die staatlichen Einnahmen nicht erhöhen. Die Staatsschulden lassen sich nicht abbauen, eher werden sie sich trotz rigoroser Sparmaßnahmen noch vergrößern.  

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Offenbar will man in der Bundesregierung dem Ungleichgewicht der Euroländer nicht dadurch begegnen, dass man die stark vernachlässigte Binnenwirtschaft Deutschlands ankurbelt, wozu etwa deutliche Lohnerhöhungen nötig wären, sondern dadurch, dass auch die defizitären Staaten „wettbewerbsfähig“, also verstärkt auf den Export ausgerichtet, werden sollen. Dies ginge nur, wenn man dem deutschen Modell folgt, das darin besteht, den Lebensstandard weiter Teile der Bevölkerung abzusenken. Einige elitäre Kreise Europas scheinen gewillt zu sein, die Verhältnisse so zu ordnen, dass die eigene arbeitende Bevölkerung zunehmend der direkten Konkurrenz von Billiglohnländern wie China ausgesetzt ist. Je niedriger das Lebensniveau der europäischen Bevölkerung ist, desto größer die Profite des Kapitals, dass sie beschäftigt. Dass würde angesichts dann verbesserter Verwertungsbedingungen immerhin bedeuten, dass wieder mehr Kapital produktiv eingesetzt wird anstatt auf den Finanzmärkten nach Verwertungsmöglichkeiten  zu suchen. So kann man die Dominanz des Finanzkapitals auch schwächen. Nach dem Motto: (Fast) Alle sind arm – aber dafür gibt’s Arbeit.

Quelle: dpa

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