Sozialabbau

Studie: Leiharbeit nutzt den Unternehmen, nicht den Beschäftigten

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Von ELISABETH ZIMMERMANN,  13. Juli 2010 –

Leih- und Zeitarbeit verhilft nur in Ausnahmefällen zu einer regulären Beschäftigung. Dies zeigt eine Ende Juni 2010 in Berlin vorgestellte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Nur jeder 20. Leiharbeiter findet demnach über Leih- und Zeitarbeit eine dauerhafte Stelle, wenn er vorher arbeitslos war.

Wenn jemand vor einer Tätigkeit als Leiharbeiter zumindest teilweise berufstätig war, erhöht sich seine Chance auf eine reguläre Beschäftigung auf neun Prozent, so das IAB der Bundesagentur für Arbeit (BA). Das heißt, durchschnittlich haben nur sieben Prozent der vorher Arbeitslosen durch die Leiharbeit wieder eine feste Beschäftigung gefunden.

Diese Zahlen widerlegen die Propaganda, dass zeitlich befristete Arbeit über Leiharbeit den vorher Arbeitslosen den Weg in eine feste Beschäftigung bahnen würde.

So begründete die damalige rot-grüne Regierung von Gerhard Schröder und Joschka Fischer die Aufhebung der zeitlichen Beschränkungen und anderer Einschränkungen für den Einsatz von Leih- und Zeitarbeitern noch vor der Durchsetzung der Hartz IV-Gesetze im Jahr 2004. Mit der Einführung von Hartz IV – und der damit verbundenen Drohung, innerhalb eines Jahres in tiefe Armut zu stürzen – hat der Zuwachs von unsicheren und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen einen enormen Schub bekommen.

Im letzten Jahr arbeiteten in Deutschland 6,5 Millionen Menschen im Niedriglohnsektor. Wie niedrig die Löhne häufig sind, lässt sich daran ablesen, dass der Anteil der Beschäftigten, die trotz Job auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, seit 2005 kontinuierlich wächst.

Nach Berechnungen der BA erhielten vergangenes Jahr im Jahresdurchschnitt über 1,3 Millionen Menschen Arbeitslosengeld II (Hartz-IV), obwohl sie einer Beschäftigung nachgingen. Das bedeutet, dass die niedrigen Löhne, die die Unternehmen ihren Beschäftigten zahlen, direkt vom Staat und aus der Arbeitslosenversicherung subventioniert werden. Die Bundesagentur für Arbeit zahlte im vergangenen Jahr 10,9 Milliarden Euro staatliche Zuschüsse. 300.000 dieser so genannten „Aufstocker“ waren sogar in Vollzeit beschäftigt. Mit anderen Worten, sie erhielten einen Bruttolohn von maximal 800 Euro.

Viele von ihnen sind Leiharbeiter. Mehr als zwei Drittel aller Leiharbeiter erhalten einen Niedriglohn. Sie verdienen laut der IAB-Studie in der Regel 20 bis 25 Prozent weniger als regulär Beschäftigte. Viele Arbeitsverhältnisse in Entleihfirmen dauern nur drei Monate, so dass man sich ständig auf neue Gegebenheiten einstellen muss, wenn man über das Zeitarbeitsunternehmen überhaupt weiter beschäftigt wird.

Wer von der Deregulierung und Hartz IV hingegen profitiert, sind die Unternehmen. Sie gleichen über Leiharbeitsverhältnisse nicht nur vorübergehende Auftragsschwankungen aus, sondern nutzen Leih- und Zeitarbeiter, um ihre Lohnkosten zu senken. Gleichzeitig setzen die Billiglohnarbeiter im Betrieb auch diejenigen stark unter Druck, die sich noch in regulären Arbeitsverhältnissen befinden. In Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften konnten die Unternehmen daher ihre Lohnkosten auch durch miserable Tarifabschlüsse unter Kontrolle halten.

Die Zahl der Leiharbeiter stieg seit 2004 rasant an und erreichte ihren Höchststand im Juli 2008 mit 823.000 Beschäftigten. Mit dem Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise im September 2008 waren die Beschäftigten in Leih- und Zeitarbeit am stärksten von Arbeitsplatzabbau und Entlassungen betroffen. Sie verloren als erste ihre Arbeitsstellen. Ihre Zahl sank bis auf 582.000 im April 2009. Inzwischen ist die Anzahl der Leiharbeiter in den Betrieben wieder auf 750.000 gestiegen.

Laut der IAB-Studie nutzen einige wenige Branchen die Leiharbeit intensiv aus, darunter die Metall- und Elektroindustrie. In jedem zehnten Betrieb, der Leiharbeiter einsetzt, machen sie bereits mehr als 20 Prozent der Belegschaft aus. In der Metall- und Elektroindustrie sind bereits fast 25 Prozent der Leiharbeiter länger als zwölf Monate in einem Unternehmen beschäftigt. Einen so hohen Anteil von Leiharbeitern gibt es sonst nirgendwo in Europa.

Es unterstreicht, dass Leih- und Zeitarbeit nicht vorrangig dazu dient, auf kurzfristige Schwankungen bei der Auftragslage zu reagieren, sondern vor allem dazu, den Kündigungsschutz von fest angestellten Arbeitern und Angestellten zu umgehen, die Arbeitsbedingungen insgesamt zu verschlechtern und die Löhne zu senken.

Der Chef des Unternehmerverbands Gesamtmetall, der die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie vertritt, Martin Kannegiesser, bestätigte in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau vom 10./11. Juli 2010, dass im vergangenen Jahr die Zahl der Stammbelegschaften in diesem Bereich um 200.000 gesunken ist. Für dieses Jahr rechnet er mit dem Abbau von weiteren 10.000 bis 20.000 Arbeitsplätzen in der Metall- und Elektroindustrie – alles unter der Voraussetzung, dass es zu keinem erneuten Einbruch der Finanzmärkte oder bei Exportmärkten kommt. Er verteidigte vehement den Einsatz von Leiharbeitern und deren geringere Bezahlung.

Auch reguläre Arbeitsstellen sind zunehmend zeitlich befristet. Fast die Hälfte aller Neueinstellungen im letzten Jahr war befristet.

Einen hohen Anteil an Zeit- und Leiharbeitern ist im Bereich öffentlicher Dienstleistungen beschäftigt. Laut der IAB-Studie sind 40 Prozent aller befristet Beschäftigten in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Sozialwesen, in öffentlichen oder gemeinnützigen Einrichtungen tätig.

In diesen Bereichen wird verstärkt nur befristet eingestellt, weil Projekt- und Haushaltsmittel oft nur für einen kurzen Zeitraum vergeben werden. Zudem spielen Vertretungen für Festangestellte und die zu niedrige Personaldecke im sozialen Bereich eine Rolle.

Eine Untersuchung des Instituts Arbeit und Technik (IAT) der Fachhochschule Gelsenkirchen weist darauf hin, dass auch Krankenhäuser, Altenheime und mobile Pflegedienste verstärkt auf Leiharbeiter setzen. Ihre Zahl in diesem Bereich hat sich seit 2004 etwa verfünffacht.

Insgesamt arbeiten in Deutschland etwa 1,3 Millionen Menschen in der Kranken- und Altenpflege. Gemessen daran ist der Anteil von 19.000 Leiharbeitskräften noch gering, aber ihr Anteil wird in der nächsten Zeit steigen.

Der Hauptgrund dafür ist der Abbau von festen Arbeitsplätzen in den Krankenhäusern in den letzten Jahren. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung kommt zu dem Schluss: „Manchmal werden Leiharbeitnehmer eingesetzt, damit das Stammpersonal überhaupt dazu kommt, Urlaub zu nehmen oder Überstunden abzubauen.“„

Dies ist ein Symptom dafür, dass es in dieser Branche viel zu wenige Planstellen gibt. Allein bei den Allgemein-Krankenhäusern wurden zwischen 1996 und 2006 etwa 46.000 Pflege-Vollzeitstellen gestrichen.

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Die Gewerkschaften beklagen in Sonntagsreden und wie jetzt bei der Veröffentlichung der IAB-Studie zum Ausmaß von Leih- und Zeitarbeit zwar regelmäßig die prekäre Situation der darin Beschäftigten. Aber sie rührten keinen Finger für ihren Schutz, als sie im Zuge der Wirtschaftskrise massenweise ihre Arbeit verloren. Das ist es, was die Gewerkschaften meinen, wenn sie auf ihren „verantwortlichen Umgang mit der Wirtschaftskrise“„ verweisen.

Quelle: wsws.org

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