Sozialabbau

Sieben Bundesländer wollen die Künstlersozialkasse abschaffen.

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von HELMUT LORSCHEID, 10. September 2008:

Versteckt im Entwurf eines „Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft“ fordern sieben Bundesländer die Abschaffung der Künstlersozialkasse.(1) Eine entsprechende Vorlage für die Bundesratssitzung am 19. September 2008 wurde gleich in vier Bundesratsausschüssen von den Vertretern der Bundesländer Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein gegen die Stimmen der Länder Hamburg, NRW, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Thüringen und bei Enthaltung von Bayern, Berlin und dem Saarland beschlossen.(2)

Eine Abschaffung der Künstlersozialkasse würde bedeuten, dass den rund 160.000 in ihr Versicherten die Möglichkeit genommen würde, zum halben Beitragssatz kranken- und rentenversichert zu sein Die KSK stockt die Beträge auf und erhält dafür einen Zuschuss des Bundes (20 %) und Sozialabgaben von Kunst und Publizistik verwertenden Unternehmen (30 %)  (3) Die KSK zahlt also praktisch den Teil der Sozialversicherung, den in anderen Arbeitsverhältnissen der jeweilige Arbeitgeber zahlt.

Gegen den Bundesratsbeschluss protestierten der Deutsche Kulturrat, die Gewerkschaft ver.di und die kulturpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, Dr. Lukrezia Jochimsen,  MdB. (4)

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, schimpfte: „Die von (den genannten Bundesländern) betriebene Abschaffung der Künstlersozialversicherung ist an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten. Weil vor einem Jahr der Deutsche Bundestag die Künstlersozialkasse erfolgreich reformiert hat und jetzt endlich alle schon seit 20 Jahren abgabepflichtigen Unternehmen und auch öffentlichen Körperschaften zur Zahlung herangezogen werden, wird von einem zu großen bürokratischen Aufwand gesprochen. In Wirklichkeit geht es den sieben Bundesländern darum, die abgabepflichtigen Unternehmen und öffentlichen Körperschaften auf Kosten der Künstler von ihren Sozialversicherungspflichten zu befreien. Die Künstler sollten sich das nicht gefallen lassen!(2)  Lukrezia Jochimsen nannte den Bundesratsbeschluss einenSkandal für die Kulturnation Deutschland." (4) Für die Gewerkschaft ver.di, in der auch zahlreiche KünstlerInnen und JournalistInnen organisiert sind, protestierte der stellvertretende Vorsitzende, Frank Werneke, gegen den Bundesratsantrag. Er sei „ ein Schlag ins Gesicht aller freiberuflichen Kultur- und Medienschaffenden in diesem Land“. Werneke erinnerte daran, dass das Künstlersozialversicherungsgesetz, nach dem rund 160.000 Kultur- und Medienschaffende sozial abgesichert sind, erst im vergangenen Jahr reformiert wurde. Ein Schritt, der auch im politischen Raum als „Stärkung“ und „Absicherung“ begrüßt wurde.(5) Ein Kern der Reform: Unternehmen werden regelmäßigen Prüfungen unterzogen, um sicherzustellen, dass alle den seit 1983 gesetzlich vorgeschriebenen Beitrag zur sozialen Sicherung der von ihnen beauftragten Künstler und Medienschaffenden leisten.

Auch das Bundesarbeits- und Sozialministerium reagierte erbost auf die Bundesratsinitiative. Ein Ministeriumssprecher erklärte gegenüber HINTERGRUND, Minister Olaf Scholz habe das Ansinnen der sieben Länder als „unverantwortlich“ und „abwegig“ bezeichnet. Wer eine Abschaffung der KSJK forderte „versündige sich an den 160.000 Kulturschaffenden“ und „schade  dem Kulturstandort Deutschland“. Die Künstlersozialkasse, so der Ministeriumssprecher, stehe auf keinen Fall zur Disposition.(6) Die Bundesratsinitiative fand Unterstützung und Ablehnung quer durch die politischen Lager, so stimmten beispielsweise das von SPD und Grünen regierte Bremen für die Abschaffung der KSK, während Bayern (CSU) sich der Stimme enthielt und Saarland (CDU) und Rheinland-Pfalz (SPD) sie ablehnten. Dass das rot/rote Berlin sich ebenfalls in dieser Frage lediglich  der Stimme enthielt, veranlasste die Linke Lukrezia Jochimsen zu einer kritischen Nachfrage bei ihren GenossInnen im Berliner Abgeordnetenhaus.(7)

(1) Bundesrat, Empfehlungen der Ausschüsse, Bundesrats-Drucksache 558/1/08

(2) http://www.kulturrat.de/detail.php?detail=1387&rubrik=2

(3) http://www.kuenstlersozialkasse.de/wDeutsch/Kuenstlersozialkasse-Kurzcharakteristik.pdf

(4)http://www.linksfraktion.de/pressemitteilung.php?artikel=1227073397

(5) http://presse.verdi.de/pressemitteilungen/showNews?id=542c096e-7e6e-11dd-4ffa-0019b9e321e1

(6) Telefonat mit der Pressestelle des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, 9.9.2008

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(7) Telefonat mit dem MdB-Büro Lukrezia Jochimsen 9.9.2008

 

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