Privatisierung

Austerität gegen Menschenrecht

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Eine neue Studie zeigt, wie die europäische Sparpolitik gegen die Menschenrechte verstößt –

Von THOMAS EIPELDAUER, 08. Januar 2014 –

Am 13. Januar werden die Experten der Europäischen Zentralbank (EZB), der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds (IWF) nach Athen zurückkehren. Die Troika soll ein weiteres Mal kontrollieren, ob sich Hellas an die ihm auferlegten Programme hält, ob die Einschnitte und Kürzungen ausreichen, oder ob nachjustiert werden muss. Um ein Budgetloch von 1,4 Milliarden Euro wird es diesmal gehen, um die aus Sicht der Brüsseler zu langsamen Fortschritte bei den Privatisierungen des griechischen Staatseigentums und um die Beamtenschaft, genauer deren Um- und Abbau.

Gab es noch vor wenigen Jahren bei jedem Besuch des Dreigespanns in Athen massive Proteste und europaweit ein großes Medienecho, sind die Visiten mittlerweile zur Normalität geworden. Eine Tickermeldung, vielleicht eine kleine Demo, mehr nicht. Eigentlich aber stellt das Troika-Regime einen der massivsten Eingriffe in nationalstaatliche Souveränität und einen Abbau bürgerlich-demokratischer Errungenschaften dar, wie er in der jüngeren Geschichte Europas seines gleichen sucht.

Die „erste Kolonie der Euro-Zone“ nannte der Kolumnist Wolfgang Münchau Griechenland im Februar 2012. Und tatsächlich konnte der Eindruck entstehen, dass Hellas nicht mehr selbst das Heft in der Hand hatte, seitdem Athen sich nicht mehr auf den Finanzmärkten refinanzieren konnte und daher auf die sogenannten „Hilfszahlungen“ aus der Euro-Zone angewiesen war. Ein Mechanismus institutioneller Erpressung fing an zu greifen, in dessen Konsequenz die herrschenden Parteien in Athen zusammen mit den Eliten in Brüssel die griechische Wirtschaft nachhaltig zerstörten: Jahre lange Rezension, horrende Arbeitslosigkeit, Lohnkürzungen, Verscherbelung von Staatseigentum, Ruin des Sozialsystems.  

Andreas Fischer-Lescano vom Zentrum für Europäische Rechtspolitik der Universität Bremen hat diesen Mechanismus nun genauer unter die Lupe genommen. Unter dem Titel „Austeritätspolitik und Menschenrechte. Rechtspflichten der Unionsorgane beim Abschluss von Memoranda of Understanding“ hat er für die Wiener Arbeiterkammer, den Österreichischen und den Europäischen Gewerkschaftsbund ein Gutachten zu den rechtlichen Grundlagen der Troika-Politik erstellt. (1)

Er kommt zu dem Schluss, dass Europäische Kommission und Europäische Zentralbank sich durch ihre Beteiligung an den sogenannten MoU (Memorandum of Understanding), in denen den Peripherieländern die Austeritätsmaßnahmen vorgegeben werden, gegen europäisches Recht verstoßen.

Kommission und EZB „sind an Grundrechte gebunden. (…) Durch ihre Beteiligung am Abschluss der MoU beeinträchtigen EZB und KOM zahlreiche der nach diesen Normen geschützten Rechte.“ Verstoßen werde unter anderem gegen Artikel der Europäischen Grundrechtscharta (GRCh), der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und die Europäische Sozialcharta.

Im Interview mit der taz konkretisiert Fischer-Lescano, um welche Bereiche es geht: „Die ‘Memoranden of Understanding‘, die Vereinbarungen über die Kreditauflagen, greifen in eine ganze Reihe von Grund- und Menschenrechten ein. (…) Gesundheitsrechte etwa, wenn ganz konkrete Zuzahlungserhöhungen für Medikamente verlangt werden, oder das Recht auf Bildung. Vor allem aber ist der Bereich Arbeit und soziale Sicherheit betroffen: Sanktionen gegen Arbeitssuchende werden eingeführt, soziale Sicherungssysteme fallen weg. Das ist, um es zuzuspitzen, Hartz IV für Europa. Dies verletzt die Tarifautonomie, das Recht auf Berufsfreiheit und auf faire Entlohnung.“ (2)

Der Rechtswissenschafter glaubt auch, dass man unter bestimmten Umständen gegen die MoU klagen könnte, beispielsweise vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Ob das allerdings tatsächlich die tauglichste Waffe gegen die Europäisierung von Hartz IV ist, bleibt zu bezweifeln. Zurecht wirft der Journalist Peter Nowak ein: „Dabei wird bei der Diskussion um den Rechtsweg nicht einmal die Frage gestellt, warum denn die Auftraggeber nicht koordinierte europäische Streiks als Konsequenz dieser Studie vorbereiten. Schließlich handelt es um die österreichische Arbeiterkammer und europäische Gewerkschaften, deren schärfstes Kampfmittel nun mal nicht der Gang vor das Gericht sein sollte.“ (3)

Die Auftraggeber der Studie zeichneten sich jedenfalls in den vergangenen Jahren seit dem Beginn des Austeritätsdiktats nicht durch allzu große Kampfbereitschaft aus. Jenseits symbolischer Aktionstage blieb der Europäische Gewerkschaftsbund passiv, der Österreichische Gewerkschaftsbund zählt zu den streikfaulsten weltweit. So interessant Fischer-Lescanos Studie ist – sollten sich die Kräfteverhältnisse zwischen Kapital und Arbeit nicht ändern, wird die Durchsetzung des europäischen Austeritätsregimes nicht aufzuhalten sein.  


Anmerkungen

(1) eine vorläufige Fassung findet sich hier: http://media.arbeiterkammer.at/PDF/Austeritaetspolitik_und_Menschenrechte.pdf

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(2) http://www.taz.de/Voelkerrechtler-ueber-Sparauflagen/!130212/

(3) http://www.heise.de/tp/blogs/8/155609

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