Waldbrand im Hinterland
Flächenbrände in Moor und Tropenwald
Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.
In Indonesien brennen jährlich riesige Flächen Moore und Tropenwald ab, um Platz für Palmölplantagen zu schaffen. Angeheizt wird die Umweltkatastrophe durch die Lebensmittelindustrie, kurzsichtige Energievorschriften und bilaterale Freihandelsabkommen
Mit dramatischer Regelmäßigkeit brennen in Indonesien jedes Jahr weite Flächen der dort noch verbliebenen Regenwälder und Torfmoore ab. Wochenlang liegen dann die großen Inseln Sumatra und Borneo und auch Malaysia unter einer dichten Smogschicht. Die Feuer setzen in einem Monat mehr klimaschädliches Kohlendioxid und Methan frei als Deutschland in einem ganzen Jahr. Schuld an der Umweltkatastrophe sind in erster Linie illegale Brandrodungen für neue Palmölplantagen, gegen die der Staat nur halbherzig bis gar nicht vorgeht. Zu groß ist der dabei zu erwartende Profit, zu stark der Einfluss der Ölmafia: Der Wert der Palmölexporte Indonesiens liegt bei umgerechnet etwa 16 Milliarden Euro. Mit weltweit 66 Millionen Tonnen pro Jahr ist Palmöl das meist produzierte Pflanzenöl überhaupt. Allein in Indonesien und Malaysia sprießen die Ölpalmen in Monokulturen auf einer Fläche fast fünfmal so groß wie die Schweiz. Geht es nach der Regierung, soll sich die Fläche bis 2025 noch verdoppeln. Um Platz für immer neue Plantagen zu schaffen, werden die Wälder abgeholzt und die indigene Bevölkerung brutal vertrieben. Mit den Bäumen verschwinden aber auch seltene Tierarten wie Orang-Utan, Tiger und Zwergelefant.
Dreimal so klimaschädlich wie Erdöl
Palmöl ist billig. Der niedrige Weltmarktpreis und die einfache Verarbeitung haben dazu geführt, dass es inzwischen in jedem zweiten Supermarktprodukt steckt: in Keksen, Margarine und Tiefkühlpizza ebenso wie in Seifen, Körpercremes und Waschmitteln. Ein erheblicher Teil findet sich außerdem in den Tanks unserer Autos. Nach einer aktuellen Studie im Auftrag des Naturschutzbundes Deutschland landet der größte Teil europäischer Palmölimporte im Sprit – mehr als in Lebensmitteln und Kosmetik. Möglich macht dies der gesetzliche Beimischungszwang an Kraftstoff auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Dieser sogenannte „Biosprit“ ist aber tatsächlich genau das Gegenteil: Aus Palmöl produzierter Sprit ist dreimal so klimaschädlich wie Treibstoff aus Erdöl. Das liegt in erster Linie an den fatalen Landnutzungsänderungen. Ein Viertel aller indonesischen Palmölplantagen ist auf Torfböden angelegt; von den neu geplanten Flächen soll sogar mehr als die Hälfte in Sumpf- und Torfregenwaldgebieten liegen. Torf ist ein fossiler Kohlenstoffspeicher, der bei seiner Verbrennung das gebundene Klimagas wieder freisetzt – jeder abgebrannte Hektar Regenwald setzt 702 Tonnen Kohlendioxid frei, bei Wald mit Torfmooren sind es sogar 1 652 Tonnen. Hinzu kommen noch 55 Tonnen pro Jahr durch Oxidation des ausgetrockneten Torfbodens. Das führt die angeblich neutrale Klimabilanz von Energie aus Palmöl ad absurdum.
Freihandel zerstört Regenwald
Doch das Riesengeschäft mit Palmöl ist nicht zu bremsen. Indonesien und Malaysia wollen nun mit der Schweiz ein Freihandelsabkommen abschließen, welches eine Zollfreiheit für das Pflanzenöl beinhalten soll. Das ist nach Angaben des Bundesrates zum jetzigen Stand „der sensibelste Verhandlungspunkt“. Das Abkommen könnte dazu führen, dass billiges Palmöl den schweizerischen Markt flutet und – neben den beschriebenen Auswirkungen der Regenwaldzerstörung – auch die heimische Rapsölproduktion gefährdet. Der Durst einiger Schweizer Unternehmen nach dem Pflanzenfett lässt sich jedoch schwer stillen. Allein der Nestlé-Konzern verbraucht jährlich 445 000 Tonnen Palmöl. Dabei wird davon geredet, dass ja nur nachhaltig produziertes Palmöl gewünscht sei, was auch immer das sein mag. Seit mehreren Jahren gibt es zwar den sogenannten Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl (RSPO), der von Firmen wie Unilever und der Umweltorganisation WWF ins Leben gerufen wurde. Die Initiative vergibt ein Gütesiegel, das aber sehr umstritten ist. Faktisch haben die Regenwaldrodung für Ölpalmplantagen und daraus resultierende Landkonflikte mit der lokalen Bevölkerung nicht ab-, sondern in den letzten Jahren weiter zugenommen. Wälder von angeblich schlechter Qualität dürfen mit dem Segen des Siegels abgeholzt werden. Dieses Land wird von der Regierung als Ödland bezeichnet, obwohl es von der lokalen Bevölkerung traditionell für die Viehhaltung und das Sammeln von Naturprodukten genutzt wird. Nur sogenannte Gebiete mit „hohem Schutzwert“ bleiben vom Kahlschlag verschont. Insgesamt 256 Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus aller Welt lehnen daher das RSPO-Gütesiegel als Etikettenschwindel und „Greenwashing“ ab, berichtet die Hamburger Umweltorganisation „Rettet den Regenwald“, die auch eine Petition gegen das Schweizer Freihandelsabkommen gestartet hat.
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Herkunft des Palmöls muss klar sein
Ist eine Palmölproduktion ohne Regenwaldzerstörung aber vielleicht in Zukunft möglich? Zumindest einige Initiativen und Selbstverpflichtungen der Konzerne lassen hoffen: Im Jahr 2011 verpflichtete sich beispielsweise der Palmölerzeuger Golden Agri Resources, keine weiteren Regenwälder in Ölpalmplantagen umzuwandeln. Zwei Jahre später zog der weltgrößte Palmölhändler und bis dahin schrillste Umweltsünder Wilmar International nach und verkündete, künftig kein Palmöl mehr zu produzieren und zu handeln, das mit Regenwald- und Torfmoorzerstörung sowie Menschenrechtsverletzungen in Verbindung steht. Mehrere Firmen, darunter Nestlé, Ferrero, Unilever und Colgate-Palmolive, erklärten sich ebenfalls bereit, ihre Einkaufspolitik und Lieferketten entsprechend anzupassen. Im Jahr 2014 schloss sich dem dann auch Procter & Gamble als Reaktion auf öffentlichen Druck, insbesondere von Greenpeace, an. Die Umweltschützer untersuchen und bewerten die Angaben von 14 internationalen Firmen nach grundlegenden Kriterien: Kann das Palmöl zur Plantage rückverfolgt werden? Halten sich die Zulieferer an die Vorgaben zum Waldschutz? Und wie verfahren sie mit denen, die weiterhin Wälder zerstören? Pepsi, Colgate-Palmolive und Johnson & Johnson schnitten im Vergleich am schlechtesten ab. Mit Ferrero konnte nur ein einziger der überprüften Hersteller den Weg bis zur Plantage vollständig zurückverfolgen. Der Konzern setze sich „engagiert für den Wandel der gesamten Industrie ein“, lobte Greenpeace. Aber auch dem Giganten Nestlé bescheinigt die Kampagne „Forests Not Fires“ mittlerweile hohe Standards und gute Fortschritte bei der Rückverfolgbarkeit des Palmöls. Es besteht also berechtigte Hoffnung auf einen Wandel.