Weltpolitik

US-Army patrouilliert ab 01. Oktober im Inland

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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29. September 2008: 

Amerikanische Sondereinheiten sollen bei zivilen Unruhen und zur Kontrolle von Menschenansammlungen eingesetzt werden. Möglich macht das ein Gesetz, das der ehemalige Verteidigungsminister Rumsfeld in der Folge des 11. September als „Militärreform" durchsetzte. Damit wird das fast 130 Jahre geltende „Posse Comitatus" – ein amerikanisches Bundesgesetz von 1878 – praktisch außer Kraft gesetzt. Dort war bis 2002 geregelt, dass das Militär nicht wie die Polizei im Inland eingesetzt werden durfte. Eine Ausnahme bildete die Nationalgarde, sofern sie auf Befehl eines Gouverneurs handelte.

Am 08. September 2008 wurde in der Online-Ausgabe der „armytimes.com " ein recht sorgloser Artikel von Gina Cavallaro, Reporterin des Army Times, veröffentlicht.  Brisanz erhält der Bericht allerdings  durch die sich darin abzeichnende, mögliche innenpolitische Zukunft der USA. Im Internet – insbesondere im englischsprachigen Raum – verbreitete sich der Artikel schnell auf kritischen Websites.

Die 1. Kampfbrigade der 3. Infanteriedivision der US-Army trainiert für eine neue Mission, für die sie zu Hause in den USA eingesetzt werden sollen. „Den Leuten daheim helfen“ könnte eine permanente Aufgabe aktiver Army-Einheiten werden.

Von den vergangenen 60 Monaten hat die 1. Kampfbrigade der 3. Infanteriedivision 35 Monate im Irak verbracht, wo sie in voller Kampfmontur patrouillierte und dabei half, wichtige Dienste wieder in Gang zu bringen und Nachschubkonvois zu eskortieren.

Jetzt trainieren sie für dieselbe Mission – diesmal allerdings daheim.

Ab 1. Oktober wird die 1. Kampfbrigade für 12 Monate auf Abruf unter der Kontrolle der U.S. Army North stehen, der Army-Unterabteilung des Northern Command (NorthCom, d.Ü.). Sie sollen als bundesweit jederzeit abrufbare Spezialeinheit zur Bewältigung von natürlichen oder menschenverursachten Notfällen und Unglücksfällen einschließlich Terrorattacken eingesetzt werden.

Es ist nicht das erste Mal, dass eine aktive Einheit der Army zur Hilfe daheim abkommandiert wurde. Im August 2005 z.B., als der Hurrikan Katrina in Mississippi und Louisiana die Hölle losbrechen ließ, wurden verschiedene aktive Einheiten von diversen Posten abgezogen und in diesen Gebieten mobilisiert.

Mit dieser neuen Mission erhält jedoch erstmals eine aktive Einheit einen fest zugeordneten Auftrag seitens der NorthCom. NorthCom wurde 2002 als Gemeinschaftskommando gegründet, um bei den Verteidigungsbemühungen des auf Bundesebene organisierten Heimatschutzes Befehls- und Kontrollstrukturen zu stellen und die zivilen Behörden bei ihren Verteidigungsaufgaben zu unterstützen.

Es wird erwartet, dass mit Ende der Heimatmission der 1. Kampfbrigade eine andere, noch nicht genannte aktive Einheit diese Aufgaben übernehmen wird und die Mission damit eine ständige würde.

„Momentan gilt diese Spezialeinheit als dauerhafte Mission. Wie das Verteidigungsministerium das personell organisieren will und ob diese Einheit auch in Zukunft der NorthCom unterstellt bleibt, das kann sich alles noch ändern,” so Army-Oberst  Louis Vogler, Chef der zukünftigen NorthCom-Operationen. „Derzeit ist geplant, die Spezialeinheit jedes Jahr auszuwechseln.”

Das Kommando befindet sich auf dem Peterson Air Force-Stützpunkt in Colorado Springs im Bundesstaat Colorado. Die Soldaten der 1. Kampfbrigade jedoch, die im April nach 15 Monaten Irak zurückgekehrt waren, werden von ihrem Heimatstützpunkt in Fort Stewart, Georgia, aus operieren. Dort wird es ihnen möglich sein, sich weiterzubilden, Zeit mit ihren Angehörigen zu verbringen und sich für ihre neue Heimatmission sowie für die Niederschlagung von Aufständen in Kriegsgebieten ausbilden zu lassen.

Die Soldaten werden auch die Möglichkeit haben, die Armee zu verlassen oder während der Mission neue Aufgaben zu übernehmen. Außerdem wird auch die Zeitspanne des Einsatzes variabel sein.

Es braucht jedoch niemand von Extra-Urlaub zu träumen. Die Heimatmission ersetzt nicht die geplanten Einsätze in Kampfgebieten, sondern findet während der „dwell-time“ statt, also während jener Zeit, in der eine Einheit die Möglichkeit bekommt, nach einem Kampfeinsatz wieder zu sich zu kommen und sich zu erholen.

Die 1. Kampfbrigade der 3. Infanteriedivision soll nach wie vor Anfang 2010 entweder im Irak oder in Afghanistan eingesetzt werden. Das bedeutet, die Soldaten werden bis dahin mindestens 20 Monate zu Hause gewesen sein.

In der Zwischenzeit lernen sie neue Techniken und nutzen einige andere, die sie sich im Kriegsgebiet angeeignet haben – mit dem Unterschied, dass sie beim Anwenden diesmal höchst wahrscheinlich nicht unter Beschuss stehen werden.

Sie könnten gerufen werden, um bei zivilen Unruhen und zur Kontrolle von Menschenansammlungen oder bei potentiell schrecklichen Szenarien wie z.B. Massenvergiftungen und Chaos nach der Explosion von chemischen, biologischen, radiologischen, nuklearen oder Sprengbomben zu helfen. (Diese Aufzählung wird auch abgekürzt als CBRNE für „chemical, biological, radiological, nuclear or high-yield explosive“.)

Die Ausbildung für solcherart Vorfälle daheim hat in Fort Stewart bereits begonnen und umfasst spezielle Aufgaben wie das Befreien einer Person aus einem zerdrückten Fahrzeug mit Hilfe von hydraulischen Werkzeugen, die Versorgung von Verletzten nach einem CBRNE-Vorfall und das Arbeiten mit Experten der US-Forstbehörden, von denen sie lernen, wie man mit Kettensägen umgeht und eine Straße oder eine Fläche von Bäumen befreit.

Die Soldaten der 1. Kampfbrigade werden auch lernen, wie man mit dem neuen „Paket nichttödlicher Waffen“ umgeht, das nun „zum ersten Mal von der Army in realen Situationen“ eingesetzt werden soll, so der Kommandant der 1. Kampfbrigade, Oberst Roger Cloutier. Er bezieht sich damit auf Ausrüstungen zur Steuerung von Verkehr und zur Kontrolle von Menschenansammlungen sowie auf nichttödliche Waffen, die zur Unterwerfung Widerstand leistender oder gefährlicher Individuen entwickelt wurden, aber nicht tödlich wirken.

„Es ist ein modular aufgebautes Paket von nichttödlichen Maßnahmen, das im Feldeinsatz angewendet werden soll. Einige dieser Geräte wurden schon im Irak eingesetzt. Jetzt werden diese Module jedoch zum ersten Mal miteinander kombiniert und dieser Form unter realen Bedingungen eingesetzt. Wegen der Mission, die wir in Angriff nehmen, sind wir die ersten, die diese Ausrüstung bekommen.“

Das Paket enthält Material zur schnellen Errichtung einer Straßenblockade, Spike Strips (Nagelbänder) zum Verlangsamen, Anhalten und Leiten von Verkehr, Schilde, Schlagstöcke und Beanbag Bullets (mit Geschossen aus Kunststoff oder Gummi gefüllte Textilbehälter, die eine ähnliche Wirkung wie Gummigeschosse haben, d. Ü.).

„Ich war der Erste aus unserer Brigade, der getasert* wurde”, sagt Cloutier und beschreibt die Erfahrung als „der schlimmste Muskelkrampf, den du je hattest, aber noch zehnmal schlimmer und im ganzen Körper. Ich bin wirklich kein leichtgebauter Typ. Ich wiege über hundert Kilo … und es hat mich innerhalb von Sekunden auf die Knie gezwungen.“

Die Brigade wird ihren Namen nicht ändern, aber für das kommende Jahr als eine CBRNE Consequence Management Response Force, oder CCMRF (auf Englisch ausgesprochen: „sea-smurf”, etwa: „Eingreiftruppe für Katastrophenfolgenmanagement“) bezeichnet werden.

„Ich kann mir keine edlere Mission als diese vorstellen”, so Cloutier, der im Juli das Kommando der Brigade übernommen hat. „Wir waren überall auf der Welt im Einsatz, doch nun besteht unsere Mission darin, uns um die Bürger zu Hause zu kümmern … und je nachdem, wo ein Ereignis stattfindet, gehst du nach Hause, um dich um deine Heimatstadt zu kümmern, um die Menschen, die du liebst.”

Zwar werden laut Cloutier auch einige Kampftechniken eingesetzt, aber nur in bestimmtem Umfang.

„Am Einsatzort werden wir amerikanischen Bürgern auf amerikanischem Grund und Boden helfen, wir werden Leben retten, wichtige lebenserhaltende Maßnahmen vornehmen, Trümmer wegräumen, Normalität wiederherstellen und den örtlichen Behörden zur Seite stehen –  es ist also eine andere Rolle als sonst”, erklärt Cloutier, der von der Heimatmission vor einigen Monaten erfuhr. Das war während seines letzten Kampfeinsatzes als Divisions-Einsatzoffizier, als die Brigade noch im Irak stationiert war.

Teile der Brigade werden rund um die Uhr auf Abruf bereitstehen und während dieser Zeit ihre regulären Ziel- und Schießübungen und andere Trainingsarten absolvieren. Denn selbst während die Einheit als CCMRF dient, muss sie sich auf ihren nächsten Einsatz in Kriegsgebieten vorbereiten.

Sollte zum Beispiel bei einem Erdbeben in Kalifornien Personal benötigt werden, könnten alle oder auch nur einige Mitglieder der Brigade sich dorthin begeben, je nach Notwendigkeit und speziellen Erfordernissen.

Zusammenarbeit mit anderen US-Streitkräften

Die neue Dwell-Time-Mission der Army ist Bestandteil eines gemeinsamen Einsatzplans von NorthCom und Verteidigungsministerium.

Aktive Soldaten werden Teil einer Truppe sein, die auch Elemente aus anderen militärischen Einheiten und Spezialteams der Nationalgarde umfasst. Letztere sind für die Unterstützung der Zivilbevölkerung nach dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen ausgebildet (National Guard Weapons of Mass Destruction-Civil Support Teams).

Eine abschließende Übung mit Teilnehmern der verschiedenen Streitkräfte ist für Mitte September in Fort Stewart vorgesehen und wird von der Joint Task Force Civil Support geführt, einer in Fort Monroe, Virginia, stationierten Einheit, die das Ereignis koordinieren und auswerten wird.

Zusätzlich zur 1. Kampfbrigade werden auch andere Einheiten der Army an dem zweiwöchigen Training teilnehmen, darunter auch Teile der 1. Sanitäterbrigade von Fort Hood, Texas, und der 82. Kampffliegerbrigade von Fort Bragg, North Carolina.

Es werden auch Ingenieur- und Sanitätereinheiten der Air Force teilnehmen sowie das Marinecorps für den Ersteinsatz bei chemischen und biologischen Angriffen (Marine Corps Chemical, Biological Initial Reaction Force), ein Wetterteam der Navy und Mitglieder der Behörden für Verteidigungslogistik (Defense Logistics Agency )und für Bedrohungsminimierung (Defense Threat Reduction Agency).

Vogler sagte, es würde unter anderem untersucht, wie gut die Kommunikation zwischen den Teilnehmern der verschiedenen Streitkräfte klappt.

„Das macht uns Sorge, und wir versuchen das zu testen, z.B. mit diesen Übungen. Zuerst wird geprobt und die Kommunikationssysteme werden aufeinander abgestimmt, um sicherzustellen, dass die Fähigkeit zur Zusammenarbeit besteht”, sagte er.

„Ich weiß nicht, was der Gesamtplan für Amerika ist. Ich weiß nur, dass Soldaten, Matrosen, Flieger und Marines jeden Tag der Woche 24 Stunden bereitstehen, um zu Hilfe zu kommen, wenn sie gerufen werden,” sagt Cloutier. „Für mich als Amerikaner fühlt es sich gut an zu wissen, dass mein Land so eine Truppe bereithält, die den Leuten zu Hause hilft.“

*Elektroschock-Pistole (http://de.wikipedia.org/wiki/Elektroschockpistole#T.C3.B6dliche_Wirkung )

 

Übersetzung und Bearbeitung für HINTERGUND: Berna Kühne-Spicer

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Die Army Times ist eine unabhängige Wochenzeitung für aktive, passive und pensionierte Angehörige der US-Army und der US-Nationalgarde. Sie wird von der Military Times Media Group herausgegeben, die zur Army Times Publishing Company gehört. Diese ist seit 1997 im Besitz der Gannett Company. Der 1923 von Frank Gannett gegründete Verlag ist der größte Herausgeber regionaler Tageszeitungen in den USA.

Im Editorial der Army Times wurde 2006 der Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld gefordert. (http://de.wikipedia.org/wiki/Army_Times)

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