Weltpolitik

Terrorstaat gründet Anti-Terror-Bündnis

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Mit dem verstärkten Einsatz militärischer Mittel will Saudi-Arabien seine Interessen in der Region durchsetzen –

Von REDAKTION, 16. Dezember 2015 –

Saudi-Arabien gab am Dienstag die Gründung eines neuen Militärbündnisses bekannt, mit dem das islamistische Königreich nach eigenen Angaben den Terror bekämpfen will. An der „islamischen Koalition“ mit Sitz in Riad beteiligten sich 34 Länder, erklärte der saudische Verteidigungsminister und Vize-Kronprinz Mohammed Bin Salman am Dienstag. In der Hauptstadt Riad werde ein gemeinsames Zentrum zur Koordinierung und Unterstützung von Militäreinsätzen eingerichtet. Dem Bündnis gehören unter anderem Katar, Jordanien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Tunesien, Ägypten, Pakistan und die Türkei an. (1)

Die saudische Initiative deckt sich mit der zu Monatsbeginn veröffentlichten Analyse des Bundesnachrichtendienstes, wonach Riad bestrebt sei, seine außenpolitische Agenda „mit einer starken militärischen Komponente sowie neuen regionalen Allianzen zu erweitern“, um sich als „Anführer der arabischen Welt“ zu profilieren.  Der BND warnte in diesem Zusammenhang vor der destabilisierenden Politik des saudischen Königshauses und seiner „impulsiven Interventionspolitik“.

Die Bundesregierung hatte sich umgehend von der Einschätzung des Geheimdienstes distanziert, der nur allzu bekannte Wahrheiten aussprach. Auf positive Resonanz Berlins stößt hingegen die Gründung der saudischen „Anti-Terror-Allianz“.

„Im Grundsatz finde ich es richtig, wenn sich die Gegner des IS organisieren“, sagte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. Die Koalition müsse sich aber „einbringen in den Wiener Prozess“, der sich um eine diplomatische Lösung der Krise in Syrien bemüht. „Dann ist das eine Hilfe für uns“, so die CDU-Politikerin. Sie begrüße es, wenn sich die Gegner des IS organisierten. „Denn wenn man ehrlich ist: Der IS hat zum Teil auch seine Stärke daraus gezogen, dass diejenigen, die gegen ihn sind, sich nicht einig waren, wie man ihn bekämpft.“

Mit der Ehrlichkeit wollte die Ministerin es aber nicht übertreiben. Denn sonst hätte sie darauf hinweisen müssen, dass an dem Bündnis mit Saudi-Arabien und Katar „die größten Sponsoren der nihilistischen Mörderbande IS“ beteiligt sind, wie die Welt vor zwei Wochen schrieb, die den IS als die „konsequente Fortsetzung des saudischen Wahhabismus“ bezeichnet. (2)

Mit der Türkei nimmt ein weiterer Hauptförderer des islamistischen Terrors in der Region an der Allianz teil. Nicht beteiligt sind mit Syrien und dem Irak jene Länder, in denen der IS vor allem mordet. Mit Iran ist ein weiterer wichtiger regionaler Akteur im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ nicht an der Koalition beteiligt.

Riad spricht von einer „islamischen Koalition“, tatsächlich handelt es sich um eine sunnitische Koalition, die vor allem deshalb ins Leben gerufen wurde, um den Einfluss der dem saudischen Königshaus verhassten schiitischen Kräfte in der Region entgegenzuwirken.

Mit der Betonung, der Kampf richte sich gegen „alle terroristischen Organisationen“, nicht nur gegen den „Islamischen Staat“, liefern die Saudis den Hinweis, worum es der Allianz wirklich geht. Deren Mitglieder sollten „vom Übel aller terroristischen Gruppen und Organisationen ohne Rücksicht auf deren Religion und Ziele“ beschützt werden, heißt es in einer offiziellen Erklärung.

Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass sich die Aktivitäten der Koalition auch gegen „Terroristen“ richten werden, die den IS bekämpfen. Für Ankara sind das vor allem die kurdischen Kämpfer der PKK und ihres syrischen Ablegers, der YPG. Auf Riads Wunschliste der zu bekämpfenden Gegner stehen die jemenitischen Huthi-Rebellen sowie die libanesische Hisbollah ganz oben – beide gelten dem Königshaus als Stellvertreterkräfte Teherans.

Der Kampf gegen den „Islamischen Staat“ dient der neu gegründeten Allianz offenkundig als Vorwand. Hätten deren Mitglieder ein ernsthaftes Interesse daran, der Terrormiliz das Wasser abzugraben, würden sie den Geldfluss an den IS sowie den Nachschub an Kämpfern und Waffen unterbinden, bevor sie gemeinsame militärische Aktionen erwägen.

Terroristen mit am Tisch: Einigungskonferenz in Riad

Die Gründung der „Anti-Terror-Allianz“ ist die zweite größere diplomatische Initiative innerhalb kurzer Zeit, mit der der „größte Brandstifter in Nahost“ (Welt) seine Vormachtstellung in der Region zementieren will.

Vor einer Woche trafen sich in Riad Vertreter der syrischen Opposition zu einer Einigungskonferenz, um eine gemeinsame Haltung für Verhandlungen mit Damaskus zu finden. Neben zwei Dachverbänden – die Syrische Nationale Koalition und das  Nationale Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel – nahmen über einhundert Vertreter einzelner Gruppen an der Konferenz teil.

In einer gemeinsamen Erklärung formulierten sie den Aufbau eines demokratischen und pluralistischen Rechtsstaates als Ziel. Zudem bekannten sie sich zur Wahrung der Menschenrechte und zur Bekämpfung des Terrorismus.

Ein 33-köpfiges Komitee wurde ins Leben gerufen, darunter elf Repräsentanten von bewaffnet kämpfenden Gruppen, das die Delegierten benennen soll, die künftig die Verhandlungen mit der syrischen Regierung führen sollen. Die Mitglieder des Komitees wurden nicht gewählt. Mehrere davon seien der Opposition von „Bruderstaaten“ – gemeint ist vor allem Saudi-Arabien – aufgezwungen worden, kritisierte anschließend Ahmed Ramadan, führendes Mitglied der Nationalen Syrischen Koalition.

Auch Vertreter Washingtons und Berlins nahmen an der Konferenz teil. Während US-Außenminister John Kerry insbesondere die Einigung „auf Prinzipien für ein demokratisches und pluralistisches Syrien“ begrüßte, sprach Außenminister Frank-Walter Steinmeier von einem überraschend weitgehenden Fortschritt bei dem zweitägigen Treffen. Mit der Einigung, ein Gremium zur Bildung einer Verhandlungsdelegation zu konstituieren und dem gemeinsamen Bekenntnis zu einem politischen Übergangsprozess sei mehr erreicht worden als erwartet, erklärte Steinmeier.

Die Konferenz gilt als Teil eines politischen Fahrplans, auf den sich die internationale Gemeinschaft im November in Wien geeinigt hatte. Er soll den fast fünfjährigen Bürgerkrieg in Syrien beenden. Der Fahrplan sieht neue Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition, die Bildung einer Übergangsregierung sowie Wahlen in achtzehn Monaten vor.

Die in der gemeinsamen Abschlusserklärung der Teilnehmer formulierte Bedingung, Syriens Präsident Baschar al-Assad müsse „mit Beginn der Übergangsphase“ abtreten, und erst dann könne mit der Regierung in Damaskus unter UN-Vermittlung verhandelt werden, steht jedoch in eklatantem Widerspruch zu der Wiener Vereinbarung.

Auf diesen Umstand wies der Kreml hin, der die Einberufung der Konferenz zunächst begrüßt hatte. „Alle Mitglieder der Internationalen Unterstützungsgruppe für Syrien (ISSG) haben sich auf ein wesentliches Prinzip geeinigt: Nur das syrische Volk kann über das Schicksal Syriens entscheiden“, heißt es in einer Stellungahme des russischen Außenministeriums. „Vereinbarungen sollten respektiert werden.“ (3)

Die angemahnte Einhaltung der Wiener Vereinbarung betrachtet das saudische Königshaus lediglich als frommen Wunsch. Mit seiner Erklärung, Assad werde auf jeden Fall abtreten, „entweder durch eine politische Lösung oder militärisch“, ließ der saudische Außenminister Adel al-Dschubair durchscheinen, dass Riad die Konferenz in erster Linie als Mittel betrachtet, seine geopolitischen Interessen in Syrien mit allen Mitteln durchzusetzen.

Schlagworte wie „Pluralismus“ und „Rechtsstaatlichkeit“ sind vor allem für die westliche Öffentlichkeit gedacht und spiegeln nicht die wirklichen Ziele vieler Konferenzteilnehmer wider.

Die einzige Fraktion der bewaffnet kämpfenden Opposition, die säkulare Prinzipien verfolgt und bestrebt ist, in ihrem Herrschaftsbereich demokratische Strukturen zu etablieren, war gar nicht erst zur Einigungskonferenz eingeladen. Die kurdische PYD (Partei der Demokratischen Union), stärkste Kraft in dem von den USA unterstützten Bündnis SDF (Syrische Demokratische Kräfte), organisierte daher zeitgleich eine eigene Konferenz in der syrisch-kurdischen Stadt Derik.

In Damaskus trafen sich währenddessen Vertreter der Inlandsopposition, die sie sich gegen einen gewaltsamen Umsturz und ausländische Einmischung ausspricht. Sie wird von der Regierung geduldet – Damaskus und auch Moskau sprechen von der „patriotischen Opposition“ – und daher vom Westen aufgrund ihrer angeblichen „Regimenähe“ als irrelevant betrachtet.

Die drei Konferenzen verdeutlichen, wie zersplittert die Kräfte nach wie vor sind, die weder auf Seiten der Regierung noch auf Seiten des „Islamischen Staates“ kämpfen, auch wenn es Überschneidungen zwischen deren Teilnehmern gab.  

Vertreter des Koordinationskomitees für Demokratischen Wandel, das zur Inlandsopposition zählt, nahmen an den Konferenzen in Damaskus und Riad teil. Sie sind ernsthaft an einem säkularen und demokratischen Syrien interessiert, verfügen jedoch über keinerlei Einfluss auf die bewaffnet kämpfenden Gruppen.

Begrenzt ist auch der Einfluss der von westlichen Ländern und den Golfstaaten als „legitime Vertretung des syrischen Volkes“ anerkannten Syrischen Nationalen Koalition. Die ihr nahestehende „Freie Syrische Armee“ ist in hunderte Gruppen zersplittert, von denen der Großteil an der Seite islamistischer Extremisten kämpft. Mit ihnen ist ein demokratisch-säkularer Staat kaum zu machen.

Das gilt umso mehr für jene beiden Teilnehmer der Riad-Konferenz, die wirklich relevant für die weitere Entwicklung auf dem Schlachtfeld und somit für Friedensverhandlungen sind: Zum einen die eng mit Saudi-Arabien kooperierende und in den Vororten von Damaskus aktive „Armee des Islam“, die über rund fünfzehntausend Kämpfer verfügt. Sie machte jüngst Schlagzeilen, nachdem sie alawitische Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbrauchte. Eingesperrt in Käfigen, die auf Straßen und Dächern platziert worden waren, sollte ihre Anwesenheit die syrische Armee von Bombardierungen abhalten. (4)

Die Frage, wie mit solchen Kräften ein Rechtsstaat aufgebaut werden soll, stellt sich ebenso im Fall der Ahrar al-Sham, die auch an der Konferenz teilnahm. Sie kooperiert eng mit dem syrischen al-Qaida-Ableger, der Nusra-Front. In der Führungsebene der vor allem von der Türkei unterstützten Gruppe sind selbst al-Qaida-Mitglieder aktiv. Gegenwärtig wird vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart vier Männern wegen Unterstützung einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ der Prozess gemacht. Sie sollen Ahrar al-Sham mit militärischer Bekleidung und Funkscannern versorgt haben. (5)

Für beide Terrorgruppen ist ein Sitz in dem 33-köpfigen Komitee reserviert, das die Verhandlungen mit der syrischen Regierung führen soll. Damaskus und auch Moskau haben jedoch bereits signalisiert, dass sie nicht bereit sind, sich mit diesen Kräften an einen Tisch zu setzen.

Anders als es die Aussagen des deutschen und US-amerikanischen Außenministers vermuten lassen, ist die Riad-Konferenz daher als ein Stolperstein auf dem Weg zu einem friedlichen Übergang in Syrien zu betrachten. Hilfreich war sie hingegen für die Bemühungen des saudischen Königshauses, die Entwicklung in Syrien in seinem Sinne zu beeinflussen.

Mit der Gründung der „Anti-Terror-Allianz“ erweitert Riad nun seinen Handlungsspielraum, die eigenen Interessen in der Region – wie derzeit im Jemen – militärisch durchzusetzen. Die damit einhergehende Destabilisierung kann das saudische Königshaus für sich nutzbar machen, um sich als – wie es die Bundesregierung seit Jahren formuliert – „Stabilitätsanker“ in dem selbst gestifteten Chaos zu präsentieren.

(mit dpa)


 

Anmerkungen

(1) Die Liste aller Koalitionsmitglieder: Saudi-Arabien, Bahrain, Katar, Jordanien, Kuwait, Vereinigte Arabische Emirate, der Jemen, Libanon, Libyen, Tunesien, Ägypten, Marokko, Mauretanien, Palästina, Türkei, Pakistan, Bangladesch, Benin, Tschad, Togo, Dschibuti, Senegal, Sudan, Sierra Leone, Somalia, Gabun, Guinea, die Komoren, Elfenbeinküste, Malediven, Mali, Malaysia, Niger und Nigeria.

(2) http://www.welt.de/debatte/kommentare/article149537626/Die-groessten-Brandstifter-in-Nahost-kommen-aus-Riad.html

(3) http://news.yahoo.com/russia-slams-syria-opposition-meet-riyadh-131432177.html

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(4) http://www.sueddeutsche.de/politik/buergerkrieg-in-syrien-menschliche-schutzschilde-oeffentlich-ausgestellt-1.2720575

(5) http://www.olg-stuttgart.de/pb/,Lde/Startseite/PRESSE/OLG+Stuttgart+verhandelt+gegen+vier+mutmassliche+Unterstuetzer+der/?LISTPAGE=1178164

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