Säbelrasseln in Korea
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Von SEBASTIAN RANGE, 3. April 2013 –
Nach der Drohung mit der Schließung eines innerkoreanischen Industrieparks an der Grenze untersagt die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) südkoreanischen Pendlern nun die Einreise. Das Vereinigungsministerium in Seoul forderte eine unverzügliche Aufhebung des Einreiseverbotes. Mit der Einreiseverweigerung verschärfen sich die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel. Südkorea werde militärische Schritte anwenden, wenn die Sicherheit der in Nordkorea verbliebenen Südkoreaner gefährdet sei, wurde Verteidigungsminister Kim Kwan-jin von einem Abgeordneten der regierenden Saenuri-Partei zitiert.
Den Südkoreanern, die sich bereits diese Woche in Kaesong aufgehalten hatten, war es jedoch möglich, auf eigenen Wunsch über die Grenze zurückzukehren. Ende März hatte Pjöngjang als Reaktion auf Übungsflüge amerikanischer B-52-Langstreckenbomber in Südkorea alle Feldartillerieverbände in „Gefechtsbereitschaft“ versetzt. Es gebe allerdings keinen Hinweis dafür, dass Nordkoreas Führung die Truppen mobilisiere oder aufmarschieren lasse, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, am Montag. „Es gibt hier ein Schema und wir sind vertraut mit diesem Schema“, spielt Carney auf die sich alljährlich verschärfende Rhetorik Pjöngjangs anlässlich der regelmäßig im Frühjahr durchgeführten gemeinsamen Übungen des südkoreanischen und US-amerikanischen Militärs an.
Die Antwort der USA fällt allerdings nicht (nur) rhetorisch aus. Am Montag und Dienstag wurde jeweils ein mit Raketen bestückter Zerstörer in den Westpazifik verlegt. Die beiden Kriegsschiffe sollen laut Pentagon-Sprecher George Little „die Raketenabwehr in der Region stärken“. Die US-Luftwaffe hatte bereits am vergangenen Donnerstag zwei atomwaffenfähige Tarnkappenbomber vom Typ B-2 Spirit nach Südkorea entsendet. Am Sonntag folgten zwei F22-Jagdflieger, die ebenfalls über Tarnkappentechnologie verfügen und zum modernsten und teuersten Kriegsgerät gehören, über das die US-Luftwaffe verfügt. Donald Gregg, ehemaliger US-Botschafter in Südkorea, der gleichzeitig die dortige CIA-Abteilung leitete, ist der Ansicht, die Verlegung der Atombomber werde Pjöngjangs Auffassung bekräftigen, dass nur der Besitz von Atomwaffen das Land vor einem Angriff der Vereinigten Staaten bewahren könne. Er forderte eine Wiederaufnahme direkter Gespräche, die Absage an die Diplomatie nannte er „extrem gefährlich“. (1)
„Feindselige Politik“
Als Reaktion auf die „feindselige Politik der USA“ hat die Oberste Volksversammlung der DVRK am Montag ein Gesetz „zur Festigung der Position des Landes als Atomwaffenstaat zur Selbstverteidigung“ verabschiedet. In diesem Rahmen wurde auch die Wiederinbetriebnahme eines vor fünf Jahren stillgelegten Plutoniumreaktors verkündet. Die US-Regierung bezeichnete die Ankündigung als „extrem alarmierend“. Bislang gebe es aber keine Anzeichen, dass die Anlage im Nuklearzentrum Yongbyon bald wieder funktionstüchtig sein werde, sagte US-Außenamtssprecherin Victoria Nuland am Dienstag in Washington. Laut Joseph DeTrani, Vorsitzender der Intelligence and National Security Alliance (INSA), werde es mindestens zwei Jahre dauern, bis der Reaktor wieder seinen Betrieb aufnehmen kann. (2)
US-Außenminister John Kerry betonte erneut die „Verteidigungsbereitschaft“ der USA. Die Vereinigten Staaten würden sich und die Verbündeten Südkorea und Japan zu schützen wissen. Die „Verteidigungsbereitschaft“ Washingtons lastet noch immer wie ein Alptraum auf der nordkoreanischen Gesellschaft. Während des Koreakrieges Anfang der 1950er-Jahre entfesselte die U.S. Air Force einen regelrechten Vernichtungskrieg. Ballungszentren wurden mit Millionen Litern Napalm übergossen, die größten nordkoreanischen Städte weitestgehend dem Erdboden gleichgemacht. Millionen Zivilisten fanden den Tod. Der Krieg endete 1953 mit der Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens – ein Friedensvertrag wurde aber nicht abgeschlossen und somit befinden sich Süd- und Nordkorea seit sechzig Jahren offiziell noch immer im Kriegszustand.
Ende der 1990er-Jahre entspannte sich der Konflikt zwischen den verfeindeten Nachbarn. Im Oktober 2000 wurde ein gemeinsames Kommuniqué zwischen Nordkorea und den USA verfasst, in dem eine „fundamentale Verbesserung“ der gegenseitigen Beziehungen und ein „formales Ende des Koreakrieges (…) durch einen permanenten Friedensvertrag“ angestrebt wurde, so Spencer H. Kim, Mitglied des Think Tanks Council on Foreign Relations. Doch der ehemalige US-Präsident George W. Bush bereitete diesen Entspannungsbemühungen eine Ende, als er Nordkorea neben dem Irak und dem Iran nach dem 11. September 2001 zur „Achse des Bösen“ zählte. (3)
Spätestens seitdem die US-Regierung im März 2003 in einem „Präventivschlag“ den Irak überfallen und hunderttausende seiner Einwohner umgebracht hat, ist auch der nordkoreanischen Führung bewusst, dass die Vereinigten Staaten den Begriff der „Verteidigung“ sehr weitläufig auslegen – bis hin zur Verkehrung in dessen Gegenteil, einem Angriffskrieg. Vor dem Hintergrund, dass in der Berichterstattung der großen Medien beinah einhellig stets davon die Rede ist, die Vereinigten Staaten würden nur „reagieren“, würden sich nur „verteidigen“, und die Verlegung von US-Kriegsgerät immerzu als „Antwort“ deklariert wird, sollte nicht vergessen werden, dass es nicht eine von Pjöngjang befehligte und über Atomwaffen verfügende Kriegsflotte ist, die vor den Küsten der Vereinigten Staaten ihre „Verteidigungsbereitschaft“ demonstriert. In seinem Anspruch auf den Status der führenden Weltmacht betrachtet Washington den gesamten Pazifik als sein Hoheitsgebiet – und „verteidigt“ dieses dementsprechend. So nimmt sich auch die am Dienstag verkündete Androhung von US-Außenminister John Kerry wenig defensiv aus, die Vereinigten Staaten würden Nordkorea als Atomstaat „nicht akzeptieren“. (4)
Zugleich rief Kerry Nordkorea auf, im Streit um sein Atomprogramm an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Nur so könne sich das Regime aus seiner internationalen Isolation befreien. Auf den zweischneidigen Charakter dieser Isolation weist ein ehemaliger westlicher Geheimdienstmitarbeiter hin, der die DVRK dutzendfach besucht hat und unter dem Pseudonym James Church seine Expertise über das Land zum Besten gibt: „Wenn Nordkorea das am stärksten isolierte Land der Welt ist, dann ist es genauso wahr, dass wir von ihm isoliert sind. Isolation ist keine Einbahnstraße.“ In diesem Verhältnis herrsche jedoch keine Symmetrie vor. Die nordkoreanische Seite könne westliche Sender einschalten, Bücher und Zeitungen des Westens studieren, wohingegen die Einschätzungen des Westens über Nordkorea eher dem Reich des Hörensagens zuzuordnen seien. (5)
Church sieht im Säbelrasseln Pjöngjangs und seinen verkündeten nuklearen Ambitionen weniger eine reale militärische Bedrohung, als vielmehr eine zweckdienliche Provokation, um die Position des Landes bei künftigen Verhandlungen zu verbessern. Auch Ostasien-Experte Rüdiger Frank attestiert dem Vorgehen des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un ein rationales Kalkül. Er wolle „dem Ausland Stärke demonstrieren und deutlich machen, dass Pjöngjang nur dann dialogbereit ist, wenn dies auf Augenhöhe geschieht“, erklärte Frank in einem Gespräch mit Spiegel Online. (6)
Strategische Rohstoffe
„Es geht um das strategische Spiel zwischen China und den USA um die Vorherrschaft in der Region. China will in Nordkorea keine Situation schaffen, die zu einer Konfrontation der beiden Großmächte führen würde. Peking tut deshalb alles, um Nordkorea zu stabilisieren“, so Frank. Was im Umkehrschluss nicht heißen muss, dass Washington alles tut, um Nordkorea zu destabilisieren. Doch die Vereinigten Staaten lassen sich keine Gelegenheit entgehen, um das Land international zu isolieren und vor allem dessen Beziehung zu China auf die Belastungsprobe zu stellen. Erinnert sei an den Untergang des südkoreanischen Kriegsschiffes „Cheonan“ vor drei Jahren, für den US-Vertreter – trotz unklarer Faktenlage (7) – sofort Pjöngjang verantwortlich machten und damit zu einer Eskalation zwischen den beiden Nachbarn beitrugen.
Nordkorea stellt für Washington keine reale militärische Bedrohung dar. Selbst wenn das Land, wie sich Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, überzeugt zeigt, vom Weg hin zu einer Nuklearmacht „kaum noch abbringen“ lasse, und eines Tages über atomwaffenfähige Trägersysteme verfügen wird, so würden diese doch vor allem der Abschreckung dienen. Denn deren gegen die USA gerichteter Einsatz hätte die eigene Vernichtung zur Folge. Viel mehr als Nordkoreas militärische Kapazitäten dürften es vor allem die vorhandenen strategischen Rohstoffe sein, die Washington Stirnrunzeln bereiten. Das bergige Land verfügt womöglich nach China über das größte Reservoir an Seltenen Erden, denen eine Schlüsselrolle zukommt, da sie für die Produktion von Hightech-Gütern benötigt werden. Sie könnten sich als sprudelnde Devisenquelle erweisen. Der Wertumfang der Mineralvorkommen des Landes wird auf sechs Billionen US-Dollar geschätzt. (8) Durch die enge Kooperation mit seinem kleinen Nachbarn könnte Peking seine Ausnahmestellung in diesem Sektor – das Reich der Mitte ist der größte Exporteur von Seltenen Erden – weiter ausbauen.
Noch allerdings fehlen Nordkorea die technischen Ressourcen und das nötige Know-How, um den erhofften Reichtum Realität werden lassen zu können. Vor knapp zwei Jahren kündigte Pjöngjang allerdings an, bald „mit der Exploration und der Erschließung potenziell aussichtsreicher Lagerstätten“ zu beginnen. (9) Anfang dieses Jahres berichtete die FAZ, dass die Seltenen Erden teilweise „schon ausgebeutet und nach China exportiert“ werden, „doch vermuten Fachleute noch ein gewaltiges unerschlossenes Potential“. Um dieses zu erschließen seien „konkrete Pläne für eine wirtschaftliche Öffnung des Landes für ausländische Investoren“ ausgearbeitet worden. (10)
Nach Informationen der Zeitung wird das Land dabei „diskret“ von deutschen Wirtschaftswissenschaftlern und Juristen beraten. „Es gibt einen Masterplan“, sagte einer der an den Beratungen beteiligten Wissenschaftler. „Die wollen die Öffnung noch in diesem Jahr.“ Eine Öffnung, an der Washington kein Interesse haben kann, da US-Unternehmen aufgrund des geschichtlichen Hintergrunds kaum zu den bevorzugten Investoren zählen werden.
Anmerkungen
(1) http://www.latimes.com/news/opinion/commentary/la-oe-gregg-why-obama-should-engage-with-north-kor-20130401,0,860234.story
(2) http://www.pbs.org/newshour/bb/world/jan-june13/koreanukes2_04-02.html
(3) https://www.koreatimes.co.kr/www/news/opinon/2012/12/197_127752.html
(4) http://edition.cnn.com/2013/04/02/world/asia/koreas-tensions/index.html
(5) http://rendezvous.blogs.nytimes.com/2013/04/02/north-korea-not-crazy-but-very-misunderstood/
(6) http://www.spiegel.de/politik/ausland/konflikt-mit-nordkorea-interview-mit-asien-experte-ruediger-frank-a-892039.html
(7) Siehe Hintergrund 3/2010, „Der Untergang der Cheonan“
(8) http://www.atimes.com/atimes/Korea/NH08Dg01.html
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(9) http://www.rohstoff-welt.de/news/artikel.php?sid=27702
(10) http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/masterplan-mit-hilfe-deutscher-wissenschaftler-nordkorea-bereitet-baldige-oeffnung-der-wirtschaft-vor-12014602.html