Russland stellt Gaslieferungen an die Ukraine ein
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Von REDAKTION, 18. Juni 2014 –
Russland stellte Anfang der Woche die Gaslieferungen an die Ukraine für deren Eigenbedarf ein. Seit Monaten bezahlt Kiew die Erdgaslieferungen aus Russland nicht mehr und hat so Schulden in Milliardenhöhe angehäuft. Auch die zuletzt unter Vermittlung der EU geführten Verhandlungen blieben ergebnislos. Am Montag stellte der russische Energiekonzern Gazprom seine Lieferungen auf ein Vorkasse-Verfahren um. Seitdem wird nur noch Gas in die ukrainischen Pipelines eingespeist, das für die Weiterleitung ins Ausland bestimmt ist. Die Ex-Sowjetrepublik ist das wichtigste Transitland der EU für Moskaus Energielieferungen.
Einen Kunden nicht mehr zu beliefern, der seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann oder will, ist in der Marktwirtschaft ein gewöhnlicher Vorgang. Westliche Meinungsmacher sprechen dennoch von einem „Gaskrieg“, den Moskau führe. Dabei hat Russland, wie Gazprom-Chef Alexej Miller betonte, dem Nachbarland sogar bessere Bedingungen als unter Präsident Viktor Janukowitsch angeboten. (1)
Dazu zählt neben einem Aufschub der Schulden-Tilgung die Garantie eines Rabattes in Höhe von 100 US-Dollar pro Tausend Kubikmeter Erdgas bis Ende 2019. Kiew beharrt aber auf Preisen, die deutlich niedriger sein sollen als die, die andere europäische Abnehmer zahlen. Jedoch nicht, um die ukrainische Wirtschaft und die Bevölkerung möglichst zu günstigen Konditionen versorgen zu können. Kiew möchte die Niedrigpreise nutzen, um das Gas teurer in die Nachbarländer weiterzuverkaufen. Mit anderen Worten: Die ukrainische Regierung will sich am russischen Gas eine goldene Nase verdienen. Die mit Gazprom abgeschlossenen Verträge verbieten allerdings den Weiterverkauf des Gases.
Russland halte sich „eigentlich an den Vertrag von 2009“, kommentierte Heiko Pleines von der Forschungsstelle Osteuropa der Uni Bremen gegenüber Deutschlandradio Kultur die Verhandlungen. (2) Auch nach Meinung des deutschen Energieexperten Roland Götz habe Russland wohl rechtlich „die besseren Karten“, sollte das Land Klage bei einem internationalen Schiedsgericht einreichen. (3)
Mit seiner Position im Gasstreit steht Russland entgegen den Behauptungen vieler westlicher Medien und Politiker international keineswegs isoliert da. Auf dem aktuellen World Petroleum Congress in Moskau – einem der größten Treffen von Öl- und Gasexperten – ist die Zustimmung für die russische Sichtweise groß. „Es gibt einen Vertrag“, betonte der Chef der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), Abdalla Salem El-Badri, am Dienstag. „Das ist wie im Restaurant, wenn Sie etwas bestellt haben von der Karte“, sagte er. Die Ukraine wolle jetzt plötzlich etwas Neues, weil ihr das Bestellte nicht mehr schmecke. El-Badri warnte vor einer Verschärfung der Krise. „Es gibt kein Vertrauen, wenn ein Partner nicht bezahlt“, sagte er angesichts der Milliardenschulden der Ukraine. (4)
Dennoch bezeichnete der Spiegel die vom russischen Energiekonzern beschlossene Umstellung auf Vorkasse als „Kriegserklärung“, obwohl das Hamburger Magazin selbst eingestehen musste, dass es die ukrainische Regierung ist, die sich während der Verhandlungen „kompromisslos“ zeigte, „weil sie Amerika und die EU an ihrer Seite glaubt“. (5)
Aufgrund dieser Rückendeckung ist damit zu rechnen, dass Kiew Gas aus dem Transitsystem wie schon im Jahr 2009 für eigene Zwecke ableiten wird – natürlich unbezahlt. Vor einem solchen Szenario warnte der österreichische Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, der zudem befürchtet, dass die EU für die ukrainischen Schulden aufkommen müsse. (6) Dagegen verkündete der ukrainische Regierungschef Arsenij Jazenjuk am Dienstag, dass es seiner Regierung gelungen sei, vor dem Lieferstopp 14 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas in eigene Speicher zu pumpen. Die Reserve soll bis zum Winter-Ausbruch reichen. (7)
Natürlich werden auch diese kriminellen Machenschaften der Kiewer Regierung in den hiesigen Leitmedien positiv kommentiert. Mit dem Auffüllen der Speicher mit unbezahltem Gas habe sich Kiew „weniger erpressbar“ von Moskau gemacht, so Spiegel-Online. (8) Spätestens seit dem geleakten „Fuck-the-EU“-Telefonat zwischen der EU-Beauftragten der USA, Victoria Nuland, und dem US-Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt (9), ist es kein Geheimnis mehr, dass Premierminister Jazenjuk vor allem die Interessen der USA vertritt. Daher rührt auch seine Kompromisslosigkeit im Gas-Streit – Gazprom machte ihn namentlich für das Scheitern der Gespräche verantwortlich. (10)
Die Abhängigkeit Europas vom russischen Gas nutzen die Vereinigten Staaten aus, um die Gräben zwischen Russland und der EU zu vertiefen – und um dem Schiefergas aus US-Produktion neue Absatzmärkte zu verschaffen. Zu diesem Zweck muss die Versorgungssicherheit Europas gefährdet werden. Da Russland ein verlässlicher Lieferant ist – selbst zu Zeiten des Kalten Krieges fand russisches bzw. sowjetisches Gas stets seinen Weg nach (West-)Europa – gilt es vor allem, die Ukraine als wichtigstes Transitland für russisches Gas aus dem Verkehr zu ziehen.
Vor diesem Hintergrund dürfte es schon ein beachtlicher Zufall sein, wenn just nach dem von Gazprom verkündeten Lieferstopp die erste Pipeline in der Ukraine, die Gas nach Europa führt, in Flammen aufgeht. Am Dienstag kam es zu einer Explosion an der auch als „Transsibirische Pipeline“ bekannten Urengoj-Pomari-Uschgorod-Leitung, bei der niemand verletzt wurde. Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow sprach anschließend von „Hinweisen auf einen terroristischen Akt“. Wie nicht anders zu erwarten, machte er Russland dafür verantwortlich. Und wie üblich, wurden die Anschuldigungen Richtung Moskau mit keinerlei Beweisen unterlegt.
Es bleibt das Geheimnis des ukrainischen Innenministers, warum Russland mit der Sabotage von Transit-Pipelines eine seiner wichtigsten Einnahmequellen aufs Spiel setzen sollte. Kein Geheimnis ist hingegen, dass der Anführer des faschistischen „Rechten Sektor“, Dmitrij Jarosch, bereits im März mit Anschlägen auf Pipelines gedroht hatte, um „Russland die Möglichkeit zu nehmen, am Öl- und Gasexport zu verdienen“. (11)
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Anmerkungen
(1) http://de.ria.ru/politics/20140616/268761305.html
(2) http://www.deutschlandradiokultur.de/ukraine-politologe-im-winter-reicht-das-gas-nicht-mehr.1008.de.html?dram:article_id=289345
(3) http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/neuer-gaskrieg-mit-russland-kiews-riskanter-milliarden-poker-a-975488.html
(4) dpa-Meldung vom 17.06.2014
(5) http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/neuer-gaskrieg-mit-russland-kiews-riskanter-milliarden-poker-a-975488.html
(6) http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/3822203/Gasstrome_Die-verschlungenen-Wege-des-Gases-nach-Europa?_vl_backlink=/home/politik/aussenpolitik/1563377/index.do&direct=1563377
(7) http://de.ria.ru/politics/20140617/268779177.html
(8) http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/streit-mit-russland-ukraine-fuellt-gasspeicher-auf-a-972310.html
(9) http://www.youtube.com/watch?v=KIvRljAaNgg
(10) http://de.ria.ru/politics/20140616/268765232.html
(11) http://de.ria.ru/politics/20140316/268044697.html