Weltpolitik

Recht auf Selbstbestimmung für Indigene Völker – UN-Deklaration nach 20-jährigen Verhandlungen

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von ELKE GROß und EKKEHARD SIEKER, 1. Oktober 2007:

Die Vereinten Nationen (UN) haben nach mehr als 20 Jahre andauernden Verhandlungen eine Erklärung zu den Rechten indigener Völker verabschiedet. Darin wird das Recht von Ureinwohnern auf Selbstbestimmung und Verfügungsgewalt über ihr Land und dort liegende Bodenschätze bekräftigt. Die Deklaration wurde auf der 61. Sitzung der UN-Vollversammlung am 13. September 2007 mit den Stimmen von 143 der 192 UNO-Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, angenommen; elf Mitglieder enthielten sich der Stimme, nur vier stimmten dagegen (1).
„Der 13. September wird erinnert werden als ein Tag der Internationalen Menschenrechte für die indigenen Völker der Welt“, sagte Vicky Tauli-Corpuz, Vorsitzende des Ständigen Forums der UN für den Schutz und die Rechte indigener Völker (2). Der Präsident Boliviens, Evo Morales, ein Aymara-Indianer, begrüßte die Deklaration als Meilenstein auf dem Weg zur Selbstbestimmung der indigenen Völker. „Die ganze Welt hat jetzt anerkannt, daß der Rassismus abgeschafft werden muß“, sagte Morales in der bolivianischen Stadt Cochabamba. „Das müssen all jene verstehen, die uns immer noch als Ignoranten, Dummköpfe oder Tiere behandeln“ (3). Auch Menschenrechtsaktivisten äußerten sich erfreut über die Verabschiedung der Deklaration. So hofft Stephen Corry, Vorsitzender von Survival International, einer Nichtregierungsorganisation, die sich für die Rechte indigener Völker einsetzt, daß die UN-Deklaration vergleichbare Standards setzt wie die Allgemeine Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen vor fast 60 Jahren. Die neue UN-Erklärung setze einen Maßstab, so Corry, „mit dessen Hilfe der Umgang mit Stammes- und indigenen Völkern beurteilt werden kann, und wir hoffen, daß damit eine Ära eingeleitet wird, in der der Mißbrauch ihrer Rechte nicht länger geduldet wird.“ (4)

Die UN-Erklärung zur Stärkung der Rechte indigener Völker ist rechtlich nicht bindend, wie alle Resolutionen und Empfehlungen der UN-Vollversammlung. Sie erhält erst dann einen verpflichtenden Charakter, wenn sie in die nationale Gesetzgebung der UN-Mitgliedsstaaten oder in rechtsverbindliche internationale Abkommen übernommen wird. Dennoch hat diese Erklärung politisch und moralisch durchaus ein großes Gewicht, vergleichbar mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen genehmigt und verkündet wurde. Seither wurden Bestimmungen und Definitionen der Allgemeinen Menschenrechtserklärung in viele nationale Verfassungen – sowie auch in rechtsverbindliche Konventionen und Verträge – aufgenommen. Dazu gehören etwa der internationale Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte sowie der internationale Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte, deren Einhaltung durch die zuständigen Gremien des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte überwacht wird.

Auch die neue UN-Erklärung zum Schutz indigener Völker sollte nun entsprechend wirksam etwa auch in nationales Recht umgesetzt werden. Vicky Tauli-Corpuz ruft daher die Regierungen, die Vereinten Nationen, die Ureinwohner und die Zivilgesellschaft als Ganzes dazu auf, „sich der historischen Aufgabe, die vor uns liegt, zu stellen und die UN-Deklaration für die Rechte der Indigenen Völker zu einem lebendigen Dokument für die gemeinsame Zukunft der Menschheit zu machen“ (5).

Trotz wohlgemeinter Appelle ist davon auszugehen, daß beim Schutz indigener Rechte auch zukünftig nicht alle Staaten an einem Strang ziehen werden; immerhin haben vier bedeutende UNO-Mitglieder gegen die Deklaration gestimmt: die USA, Kanada, Australien und Neuseeland (6). In diesen vier westlichen Industrieländern leben relativ viele Angehörige indigener Völker, wie etwa Navajos oder Inuit in Nordamerika, Maori in Neuseeland oder Aborigines in Australien. Allein in Kanada sind 1,3 Millionen Ureinwohner beheimatet, bei einer Bevölkerungszahl von insgesamt 32,7 Millionen (7). Die indigenen Völker Kanadas und der anderen drei Staaten liegen mit ihren jeweiligen Regierungen immer wieder im Streit um die Verfügungsrechte über das von ihnen bewohnte Territorium und dessen natürliche Ressourcen. So galt in Australien beispielsweise noch bis zum Jahr 1992 die sogenannte Terra-Nullius-Doktrin, nach der das Land bis zur Ankunft der europäischen Siedler sozusagen als „Niemandsland“ angesehen wurde (8). Erst aufgrund eines bahnbrechenden Urteils des Obersten Gerichtshofs Australiens wurde anerkannt, daß die indigene Bevölkerung überhaupt einen „Uranspruch“ auf Grund und Boden, einen sogenannten native title, geltend machen kann. Durch dieses Urteil wurde die Bundesregierung Australiens gezwungen, ein entsprechendes Gesetz zu erlassen, welches im Jahr 1993 in Form des Native Title Act verabschiedet wurde. Nach diesem Gesetz fällt den Ureinwohnern ihr Landrecht nicht einfach zu, sondern die indigenen Antragsteller müssen unter anderem beweisen, daß sie – entsprechend ihrem traditionellen Recht – durch verwandtschaftliche Beziehungen seit Jahrhunderten mit dem jeweiligen Stück Land verbunden sind. Seit der Verabschiedung des Native Title Act wird der Kampf der australischen Ureinwohner um Land in unzähligen Gerichtssälen ausgefochten (9).

Auch im Nachbarstaat Neuseeland mußten die Ureinwohner in der Vergangenheit um ihre Landrechte kämpfen. So hatten die Maori im Mai 2004 mit einer großen Demonstration von bis zu 10.000 Teilnehmern einen mehrwöchigen Protestmarsch gegen die drohende Beschneidung ihrer Landrechte beendet (10). Anlaß der Proteste war ein Gesetzentwurf, wonach die bisherigen Landrechte der Maori am Küstengebiet schlicht aufgehoben werden und ihnen Nutzungsrechte im Hinblick auf Fischfang und die Suche nach Meeresfrüchte nur in Ausnahmefällen zugestanden werden sollten (11).

In Nordamerika sind die Landrechte der Ureinwohner insbesondere durch die Ausbeutung von Rohstoffen, wie Erdöl oder Uran, berührt. Weltweit befinden sich rund 70 Prozent der bekannten Uranreserven auf dem Land von indigenen Völkern (12). In den USA stammt etwa die Hälfte des abgebauten Urans aus indianischem Land (13). Kanada, der größte Uranproduzent der westlichen Welt, baut Uranerz ab auf dem Land der Cree- und Dene-Indianer und der Inuit in der Provinz Saskatchewan und in den Northwest Territories (14) – mit allen ökologischen und gesundheitlichen Risiken für die betroffenen Ureinwohner, denen nicht zuletzt durch radioaktive Verseuchung der Umwelt der Verlust ihrer natürlichen Lebensgrundlagen droht (15).

Daß gerade die USA, Kanada, Australien und Neuseeland ihre Zustimmung zur UN-Deklaration für die Rechte der indigenen Völker verweigert haben, ist daher kein Zufall. Schließlich spricht die Erklärung den Ureinwohnern weitgehende Rechte zu. So haben die indigenen Völker nach Artikel 26 „das Recht auf die Ländereien, Gebiete und Ressourcen, die sie traditionell besitzen, bewohnen oder anderweitig nutzen oder erlangt haben“. Für Territorien oder Ressourcen, die ihnen in der Vergangenheit genommen wurden, können die Ureinwohner nach Artikel 28 der UN-Deklaration Ersatz oder Entschädigung verlangen.

Neuseeland müßte seine Existenz aufgeben, sollte es der Deklaration folgen, erklärte die neuseeländische UN-Botschafterin, Rosemary Banks, vor der UN-Vollversammlung „mit Bedauern“. „Es ist einfach unmöglich für Neuseeland, einen Ausgleich für das gesamte Land zu bieten“, entschuldigte sich Banks (16). Australien, Kanada und die USA hatten ihre Ablehnung unter anderem damit erklärt, daß sich die Deklaration nicht mit ihren Landesgesetzen vereinbaren lasse (17). „Es sollte nur ein Recht für alle Australier geben“, erklärte der australische Minister für Indigene Angelegenheiten, Mal Brough, „wir sollten keine Rechtspraktiken bewahren, die in der modernen Welt nicht akzeptabel sind“ (18). Der Text der Deklaration sei, so Brough „außerhalb dessen, was Australier als gerecht empfinden“ (19). Tom Calma von der Gleichstellungsbehörde in Canberra übte hingegen Kritik an dem Abstimmungsverhalten Australiens und der anderen drei Länder. „Die Gründe der australischen Regierung für eine Ablehnung der Deklaration, haben keine stichhaltige Basis und legen die Erklärung nicht übereinstimmend mit dem Internationalen Recht aus“, erläuterte Calma in einer Presseerklärung (20). Vielmehr seien die Argumente der australischen Regierung während der langjährigen Verhandlungen über die Deklaration „entschieden verurteilt“ worden, erklärte Calma „sowohl von den indigenen Völkern als auch von anderen Regierungen.“

Nach Verabschiedung der Deklaration kritisierten Vertreterinnen nordamerikanischer Ureinwohner, daß Kanada und die USA sich zwar gern als Verteidiger der Menschenrechte in anderen Ländern stark machen würden, eigenen Bürgern jedoch die fundamentalsten Rechte verweigerten. Die Regierungen der beiden Länder hielten dem entgegen, sie hätten die Besitzansprüche ihrer indigenen Bevölkerung auf Landesebene und in Eigenregie längst geregelt (21). Tatsächlich hatten wachsende Proteste der Ureinwohner in den USA und Kanada in der Vergangenheit dazu geführt, daß Teile des angestammten Siedlungsgebietes an sie zurückgegeben wurden. So existiert seit 1999 das erste durch Inuit selbstverwaltete Territorium Kanadas: Nunavut. Es liegt im Nordosten Kanadas und umfaßt beinahe ein Fünftel des Landes, insgesamt ein Gebiet gut fünf- bis sechsmal so groß wie Deutschland. Auf dieser gewaltigen Fläche leben gerade einmal 30.000 Menschen, 25.000 davon gehören zu den Inuit (22). Auch hatte die kanadische Bundesregierung erst vor kurzem der „Regionalregierung von Nunavik“ ein mineralreiches Stück Land, das ein Drittel der Provinz Québec umfaßt, zur Selbstverwaltung zugesagt. Nunavik ist der nördlichste Teil sowohl der Labrador Halbinsel als auch der kanadischen Provinz Québec. Bis 2009 wollen die 14 dort lebenden Inuit-Gemeinden eine eigene Verwaltung für ihre 10.000 Mitglieder aufbauen. Allerdings bestehen die kanadischen Behörden darauf, die Rechtshoheit über Nunavik zu behalten (23).

Doch gerade die freie und selbstbestimmte Verfügung über ihr Land hat für die indigenen Völker eine besondere Bedeutung. Weltweit gibt es in ungefähr 70 Ländern etwa 5.000 indigene Völker, deren Angehörige auf mehr als 370 Millionen geschätzt werden (24). Den größten Anteil stellen dabei die Adivasi Indiens mit ca. 70 Millionen Menschen, gefolgt von den Ureinwohnern Nord- und Südamerikas mit mehr als 40 Millionen. Neben den Maori in Neuseeland oder den Aborigines in Australien gehören die Tuareg in den Sahara-Staaten ebenso zu den indigenen Völkern wie Pygmäen im zentralafrikanischen Regenwald, sibirische Völker in Rußland, Bergvölker in Bangladesh und Burma oder Penan in Malaysia. Der Kampf der indigenen Völker um die Anerkennung ihrer Landrechte ist eng verknüpft mit dem Kampf um Selbstbestimmung und kulturelle Identität. „Die Verfügung über unser Land ist unsere einzige Hoffnung auf Identität, erklärt ein Papua, weil es uns ein Gefühl der Würde gibt. Unser Land ist keine Ware, die wir leichten Herzens verkaufen oder freiwillig hergeben, nur um reich zu werden. Nein! Wenn wir unser Land verlieren, büßen wir unsere Identität, unseren Stolz und unsere Geschichte ein“ (25).

Doch die Mißachtung der Landrechte sowie anderer politischer und ziviler Rechte indigener Völker, die Zerstörung ihres Lebensraumes, die Auslöschung ihrer Lebensweise bedrohen in vielen Teilen der Welt das Überleben dieser Völker. Der Abbau von Uran, Kupfer und anderen Rohstoffen, die Abholzung von Wäldern, die Verseuchung der Umwelt, die Nutzung des Landes für militärische Zwecke oder für die Lagerung giftiger Abfälle, die Privatisierung des Landes, der Bau von gigantischen Staudämmen tragen ebenso dazu bei wie das Verdrängen bäuerlicher Kleinbetriebe oder der Gebrauch genetisch veränderten Saatguts. „Überall auf der Welt werden im Namen von Entwicklung und Fortschritt oder zur Verteidigung des Nationalstaates die Territorien indigener Völker geraubt, reduziert, militarisiert, zerstört, verseucht“, beschreibt Theodor Rathgeber von der Gesellschaft für bedrohte Völker die Lage der Ureinwohner. “Wer sich wehrt, wird diskriminiert, verfolgt, gefoltert, ermordet“ (26). So wurden in der Vergangenheit in Ländern wie Kolumbien oder Guatemala immer wieder Anführer indigener Völker ermordet, die den Interessen von Großgrundbesitzern oder internationalen Konzernen im Wege standen, teilweise mit Wissen oder Unterstützung der Regierung. So hat die Nationale Organisation der Indigenen Kolumbiens (ONIC) in der Vergangenheit den kolumbianischen Staat, mit Präsident Uribe Vélez an der Spitze, für Verbrechen an Ureinwohnern verantwortlich gemacht (27).
Angesichts der Weigerung seitens der USA, Kanadas, Australiens und Neuseelands, ein Zeichen zu setzen und nach über 20 Jahren Verhandlungen die Rechte der indigenen Bevölkerung zu stärken – und damit auch zu helfen, ihr Überleben zu sichern – , erklärt der Leiter von Kanadas indigenen Völkern, Arthur Manuel: „Der ganze Reichtum der Vereinigten Staaten, Kanadas und anderer sogenannter moderner Staaten ist auf der Armut und den Menschenrechtsverletzungen gegenüber ihren indigenen Völkern aufgebaut. Die internationale Gemeinschaft muß begreifen“, so Manuel weiter, “wie heuchlerisch Kanada, Australien, Neuseeland und die Vereinigten Staaten sind“ (28).

Dabei ist die UN-Deklaration für die Rechte indigener Völker – wie bereits erwähnt – nicht einmal rechtsverbindlich. Lediglich das Übereinkommen Nummer 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organisation – ILO) ist die einzige internationale Norm, die den Ureinwohnervölkern rechtsverbindlichen Schutz und Anspruch auf eine Vielzahl von Grundrechten garantiert (29). Dazu gehören auch die volle Gewährleistung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie das Recht auf ein eigenes Territorium und dessen Ressourcen sowie auf kulturelle Identität. Diskriminierung im Ausbildungs-, Arbeits-, Gesundheits- und Sozialversicherungsbereich werden untersagt. Den Regierungen, die sie ratifiziert haben, gibt die Konvention Mindeststandards im Umgang mit indigenen Völkern auf. So schreibt die Konvention auch vor, daß betroffene Völker ausführlich informiert werden müssen und daß sie zuzustimmen haben, bevor Maßnahmen beispielsweise der Entwicklungszusammenarbeit realisiert werden können, die sich auf ihre Lebensweise auswirken. Die betroffenen Ureinwohner sind an den entsprechenden Entscheidungsprozessen zu beteiligen.

Die ILO Konvention 169 wurde bereits am 27. Juni 1989 verabschiedet und trat am 5. September 1991 in Kraft. Ratifiziert wurde sie jedoch bislang nur von 17 Staaten, darunter Bolivien, Costa Rica, Brasilien und Venezuela. Mit Dänemark, Norwegen und den Niederlanden haben nur drei westliche Industrienationen die ILO-Konvention 169 ratifiziert.
Menschenrechtsorganisationen in Deutschland fordern seit langem von der jeweils amtierenden Bundesregierung, diese Konvention zu ratifizieren. Schließlich beeinflusse auch die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Außen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik die Lebensbedingungen von Ureinwohnern unmittelbar, argumentiert etwa der ILO-Koordinationskreis, ein Zusammenschluß von kirchlichen Organisationen, Menschenrechtsgruppen und Umweltschutzverbänden, die sich für eine Ratifizierung dieser Konvention durch die Bundesregierung einsetzen (30).

Auch wenn auf dem eigenen Staatsgebiet keine Ureinwohner leben, hat Deutschland durch politische und wirtschaftliche Aktivitäten dennoch direkten Einfluß auf die Lebensumstände von indigenen Völkern, etwa durch Tiefflugübungen, die die Bundesluftwaffe seit 1980 über dem Gebiet der Innu in Labrador durchführt. (31). Die Einflußnahme geschieht auch durch von deutschen Banken und Unternehmen finanzierte Staudamm- oder Pipelineprojekte, die zu Landraub und Umweltverschmutzung führen. Auch Hermeskreditbürgschaften für deutsche Investitionen im Ausland haben des öfteren ökologische und soziale Beeinträchtigungen für indigene Völker zur Folge gehabt.
So hatte sich die Westdeutsche Landesbank an der Finanzierung einer Ölpipeline durch Ecuador beteiligt, die nicht nur durch mehrere Naturschutzreservate führen sollte, sondern auch die verbrieften Landrechte der Quiche-Indianer verletzte (32). Deutsche Bank und Dresdner Bank etwa haben mitgeholfen, ein Staudammprojekt in Chile zu finanzieren, das auf dem Gebiet der Mapuche-Indianer liegt. Dabei lieferte der AEG-Konzern, von Hermes-Bürgschaften gestützt, technische Ausrüstungen für dieses Projekt, das dann wegen verheerender Umweltfolgen sogar von der Weltbank abgelehnt wurde (33).
Angesichts der Einflußmöglichkeiten deutscher Politik auf die Lebenssituation indigener Völker sprach sich das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung schon im Jahr 1996 in einem Strategiepapier für die Berücksichtigung der ILO-Konvention 169 in der bundesdeutschen Außen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik aus (34). Doch sowohl die Kohl-Regierung als auch die rot-grüne Bundesregierung verzögerten den Ratifizierungsprozeß immer wieder. Der Grünen-Politiker Rezzo Schlauch, unter Rot-Grün Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, wies in seiner Antwort auf eine Anfrage der damals fraktionslosen Abgeordneten Petra Pau am 2. Juli 2003 daraufhin, daß die Bundesregierung die Prüfung der Ratifizierbarkeit der ILO-Konvention 169 noch nicht abgeschlossen habe. „Sollte die Ratifikation des Übereinkommens Nr. 169 zur Folge haben, daß bundesdeutsche Ausbildungsflüge aufgrund des Abkommens mit Kanada nicht mehr durchgeführt werden können, könnte sich dieser Umstand als Ratifikationshindernis erweisen“, erklärte Schlauch in seiner Antwort (35).

Wieder in der Opposition, stellte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Juni 2006 einen eigenen Antrag an den Bundestag auf Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 169 (36). Im März 2007 wurde dieser Antrag im Bundestag debattiert. Der Grüne Thilo Hoppe, Vorsitzender des Entwicklungsausschusses des Deutschen Bundestages, führte in seiner Rede im Parlament vor weitgehend leeren Reihen aus: Die Rechte von indigenen Völkern „geraten immer dann unter Druck, wenn man in den Stammesgebieten dieser Indianergemeinschaften Bodenschätze entdeckt. Dann rücken die Bulldozer sehr schnell heran. Dann kommen Investoren und halten den Eingeborenen gekaufte, teilweise über Korruption erhaltene Landtitel unter die Nase. Dann kommt es zur Vertreibung, zum Verlust des traditionellen Siedlungsgebietes“(37). Im Hinblick auf die Geschäfte deutscher Banken und Unternehmen zu Lasten indigener Völker erklärte Hoppe weiter: „Hätte Deutschland die ILO-Konvention 169 ratifiziert, wären Geschäfte wie das der Westdeutschen Landesbank, die Finanzierung einer Pipeline in Ecuador, die mit starken Beeinträchtigungen für Indigene in Ecuador verbunden ist, zumindest erschwert worden.“

Trotz Anwesenheit des UN-Sonderberichterstatters für die Rechte indigener Völker, Rodolfo Stavenhagen, der im Vorfeld sehr für eine Ratifizierung der ILO-Konvention 169 geworben hatte, wurde der Antrag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Dennoch rief Thilo Hoppe, dazu auf, das Bemühen um eine Ratifizierung der Konvention nicht aufzugeben: „Die indigenen Völker sind ein Schatz für die gesamte Gesellschaft. Sie haben ein besonderes Verständnis vom Umgang mit der Natur, das zur Bewältigung der globalen Umweltkrisen sehr wertvoll ist. Wir müssen alles dafür tun, die indigenen Völker und ihre letzten noch intakten Lebensräume zu schützen.“ (34).

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Quellen:
(1) Das Abstimmungsverhalten der einzelnen Länder ist unter folgender Webadresse zu finden: http://www.un.otg./News/Press/docs/2007/ga10612.doc.htm
(2) http://ipsnews.net/wap/news.asp?idnews=39258
(3) http://www.taz.de/index.php?id=start&art=4681&src=
MT&id=amerika-artikel&cHash=b04ea59ac4&type=98

(4) wie (2)
(5) wie (2)
(6) http://derstandard.at/?url=/?id=3034720%26sap=2%26_pid=7582777
(7) http://news.bbc.co.uk/2/hi/in_depth/6993776.stm
(8) http://www.australien-info.de/daten-geschichte.html
(9) http://www.planet-wissen.de/pw/printartikel,,,,,,,
C9CCC0A064823424E030DB95FBC370AF,,,,,,,,,,,,,,,.html

sowie http://www.gfbv.ch/archiv/varia_pages/chrono_aborigines.html
(10) http://www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040505bde.html
(11) Coyote. Indianische Gegenwart. Entwicklungen – Hintergründe – Engagement, Heft Nr.
64/2004, S. 9, München 2004; http://www.aktionsgruppe.de
(12) http://www.indianer-wiki.org/Uranwirtschaft
(13) wie (12)
(14) wie (12)
(15) http://www.ilo169.de/index.php?option=com_content&task=view&id=17&Itemid=39;
http://www.anti-atom-aktuell.de/aktuelles/20061028uranbergwerk.html
(16) http://www.wiesbadener-kurier.de/politik/objekt.php3?artikel_id=2970875
(17) wie (16)
(18) wie (7)
(19) wie (3)
(20) http://www.antar.org.au/content/view/548/1/
(21) wie (16)
(22) http://www.planet-wissen.de/pw/Artikel,,,,,,,
2108742667006A36E0440003BA5E0921,,,,,,,,,,,,,,,.html

(23) wie (16)
(24) http://www.ilo169.de/index.php?option=com_content&task=view&id=2&Itemid=28
sowie http://www.un.org/esa/socdev/unpfii/en/history.html
(25) Dr. Theodor Rathgeber, Abt. Indigene Völker der Gesellschaft für bedrohte Völker:
Indigene Völker – am Rande der nationalen Gesellschaften, Infothek der Klima-Bündnis-
Agentur Nord im Heinrich-Böll-Haus Lüneburg;
www.klima-buendnis-agentur.de/download/Indigene%20V%F6lker.pdf
(26) wie (25)
(27) http://www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040816de.html
(28) wie (2)
(29) http://www.ilo169.de
(30) http://www.ilo169.de/index.php?option=content&task=
category&sectionid=2&id=8&Itemid=28

(31) http://www.aktionsgruppe.de/abteilung4/5398559757137b00d/index.html sowie
http://www.fregatte-emden.de/medien/tvtipp/tornadosimtiefflug.html
(32) http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtschaftsordnung_
und_politik/westlb_pipeline/index.jhtml

(33) wie (30); www.ku-eichstaett.de/Forschungseinr/ZILAS/
Veranstaltungen/Sonstiges/f_/Abschalten.pdf
;
sowie http://homepage.gms.lu/iwerliewen/bulletins_juillet_01_de.htm
(34) http://www.ilo169.de/index.php?option=com_content&task=view&id=7&Itemid=28
(35) Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht, 55. Sitzung, 2. Juli 2003,
Tagesordnungspunkt 2, Ratifizierung der ILO/IAO-Konvention Nr. 169 von 1989 zum
Schutz der Indigenen Völker
(36) Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen: Indigene Völker – Ratifizierung des Übereinkommens der
Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 169 über Indigene und in Stämmen
lebende Völker in unabhängigen Staaten, Deutscher Bundestag, Drucksache 16/1072
(37) Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht, 91. Sitzung, 29. März 2007,
Tagesordnungspunkt 15, Plenarprotokoll 16/91
(38) Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Rechte indigener Völker – Großer
Koalition egal, Pressemitteilung vom 29. März 2007

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