Neue Berichte über ausgedehnte Spionage und Kriminalität der US-Regierung
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Von PATRICK MARTIN, 17. Juli 2009 –
Am Freitag und Sonnabend (den 10. und 11. Juli, Anm. Red) deckte die US-amerikanische Presse schwere Rechtswidrigkeiten der Regierung und Nachrichtendienste auf. Sie wies nicht nur die routinemäßige Verletzung demokratischer Rechte durch illegale Spionage und Abhörmaßnahmen im In- und Ausland nach, sondern auch, dass die gesetzlich geforderten Berichte an den Kongress ignoriert wurden.
Nach einem Bericht in der New York Times vom Sonntag ließ die CIA die Geheimdienstausschüsse des Abgeordnetenhauses und des Senats auf Anweisung des ehemaligen Vizepräsidenten Richard Cheney acht Jahre lang über ein "geheimes Anti-Terrorprogramm" im Dunkeln. Die Times schreibt weiter, der derzeitige CIA-Direktor und frühere Kongressabgeordnete Leon Panetta hätte die Geheimdienstausschüsse von Abgeordnetenhaus und Senat vor kurzem über die Existenz des Programms und Cheneys Rolle darin aufgeklärt.
Auf eine interne Studie von fünf Geheimdienstbeamten bezog sich am Sonnabend die Los Angeles Times und berichtete, dass die elektronische Überwachung unter der Regierung Bush "das breit publizierte, widerrechtliche Abhörprogramm weit überschritten hat…und zusätzliche Geheimdienstaktivitäten beinhaltete, die ‚noch nie da gewesene’ Überwachungsbefugnisse schufen."
Dieses Programm, von der Nationalen Sicherheitsagentur durchgeführt und vom CIA-Programm unabhängig, wurde innerhalb der Bush-Regierung als ‚Überwachungsprogramm des Präsidenten’ bezeichnet, so die Zeitung. Die Studie wurde von Chef-Inspektoren aus dem Justizministerium, dem Pentagon, der CIA, sowie den Leitungen des Inlandsgeheimdienstes und des Nationalen Sicherheitsdienstes (NSA) durchgeführt. In dem als nicht geheim klassifizierten Teil der Studie, das Freitag Nacht veröffentlicht wurde, sind nicht sämtliche Details des erweiterten Überwachungsprogramms enthalten.
Wie im Fall des CIA-Programms spielte die Behörde des Vizepräsidenten eine zentrale Rolle bei der Geheimhaltung und Vertuschung der NSA-Operationen. Cheneys juristischer Berater und späterer Stabschef, David Addington, musste jedem, der in das Programm der NSA "eingeweiht" werden durfte, persönlich die Genehmigung erteilen. Addington verweigerte – ebenso wie der ehemalige CIA-Direktor George Tenet, der ehemalige Justizminister John Ashcroft und der Mitarbeiter des Justizministeriums John Yoo, der die juristische Richtlinien für die geheime Überwachung entworfen hatte, – eine Befragung durch die Generalinspektoren.
Das geheime CIA Anti-Terrorismusprogramm wurde bereits am letzten Mittwochabend öffentlich bekannt, als der Geheimdienstausschuss des Abgeordnetenhauses ein Schreiben an Panetta veröffentlichte. Dieses Schreiben wies darauf hin, dass Panetta am 24. Juni in einer nicht öffentlichen Sitzung des Ausschusses ausgesagt hatte, er sei gerade auf die Existenz eines geheimen Anti-Terrorismusprogramms gestoßen und habe es beendet, genauso wie er den Kongress vorschriftsmäßig davon unterrichtet habe.
In dem Schreiben wurde Panetta aufgefordert, seine Stellungnahme vom 15. Mai zu widerrufen, in der er die Kritik der Sprecherin des Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, zurückgewiesen hatte, dass die CIA eine Politik der Irreführung gegenüber dem Kongress betreibe. Dies stehe im Widerspruch – hieß es dort – zu seinem Eingeständnis, dass "Spitzenbeamte der CIA bedeutende Operationen verheimlichten"…und seit 2001 Mitglieder des Kongresses täuschten.
Das führende republikanische Mitglied des Geheimdienstausschusses, der Kongressabgeordnete Peter Hoekstra, spielte die Angelegenheit herunter: "Es war nur ein hin und her, nichts passierte." Ein demokratisches Ausschussmitglied, Anna G. Eshoo aus Kalifornien, erwiderte: "Der ganze Ausschuss war fassungslos“ angesichts der Enthüllungen Panettas. „Ich denke, die Sache wird so ernst genommen, wie sie muss."
Was machte die CIA?
Der Sturm von Presseberichten und Kommentaren, der Panettas Enthüllung folgte – einschließlich des "Exposés" auf der Titelseite der New York Times vom Sonntag – scheint zumindest teilweise eine Übung in Schadensbegrenzung zu sein, wenn nicht sogar komplette Desinformation, insofern als sie den tatsächlichen Charakter des geheimen CIA-Programms verheimlicht und seine eigentliche Bedeutung herunterspielt.
Der Times-Bericht behauptet, "Beamte der Geheimdienste und des Kongresses sagten, das unbekannte Programm stand nicht mit dem CIA-Verhörprogramm (d.h. Folter) und den Aktivitäten des Inlandsgeheimdienstes in Verbindung". Es wird jedoch angemerkt, dass das Programm "niemals vollständig in Gang kam, das gilt auch für die Planung und einige Ausbildungsmaßnahmen, die ab 2001 bis zum heutigen Tag ab und zu stattfanden."
Die Washington Post zitierte "zwei ehemalige CIA-Beamte, die mit dem Programm vertraut waren" und die behaupten, dass es "Verhöre Gefangener oder eine Kommunikationsüberwachung im Gebiet der USA nicht einschloss". Ein früherer Artikel der Washington Post (vom 10. Juli) zitierte andere, nicht namentlich genannte "Beamte", die erklärten, das Programm sei "eine Aktion zur Sammlung von Geheimdienstinformationen unter Leitung des Anti-Terrorismus-Zentrums der CIA gewesen …Es war keine verdeckte Aktion, die nach dem Gesetz eine Entscheidung des Präsidenten und einen Bericht an den Kongress erfordert hätte."
In einem Interview mit dem früheren CIA- und der NSA-Chef Michael Hayden zitierte Associated Press einen anderen "ehemaligen Beamten", der erklärte, dass die Leiter der CIA "sehr vorsichtig im Umgang mit dem Programm waren und Entscheidungen trafen, dessen Reichweite einzugrenzen. Der Beamte sagte, das Programm sei in einem Zusammenhang mit der Sammlung von Informationen des Auslandsgeheimdienstes und verdeckten Aktionen einzuordnen."
Auf der Grundlage dieser Berichte ist es bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich, den genauen Charakter des CIA- oder des NSA-Programms zu bestimmen. Aber die enge Einbindung von Spitzenbeamten der Bush-Regierung und Cheneys persönliche Rolle im Falle des CIA-Programms deuten darauf hin, dass diese Maßnahmen wichtig und umfassend waren.
Eine Bemerkung des Abgeordneten Hoekstra aus Michigan, der früher Geheimdienstausschuss-Vorsitzender des Repräsentantenhauses war und heute ein ranghoher Konservativer ist, ist vielsagend, geradezu erschreckend. Er teilte der New York Times mit, dass der Kongress das geheime CIA-Programm unmittelbar in der Folge der Anschläge vom 11.September genehmigt habe – "es könnte auch am 12. September gewesen sein " – aber nicht später.
Es bedarf einiger Anstrengung, um sich ein Anti-Terrorismusprogramm vorzustellen, das so weitgehend und radikal ist, dass der US-Kongress es vereitelt hätte. Der Kongress billigte im Oktober 2001 eine weitreichende Kriegsermächtigung, die gewissermaßen die amerikanische Invasion in Afghanistan im Voraus autorisierte – eine Resolution, die die Regierungen Bush und Obama als juristische Rechtfertigung für das Gefangenenlager in Guantanamo anwenden. Im November 2001 billigte der Kongress den USA Patriot Act, gegen den nur ein Senator mit Nein stimmte.
In den folgenden Jahren passierten Gesetze der Bush-Administration zur Ratifizierung den Kongress, mit denen die Habeas Corpus-Rechte für Gefangene in Guantánamo außer Kraft gesetzt wurden und ein System von Femegerichten und Militärtribunalen bevollmächtigt wurde. Bushs illegale Spionageoperationen wurden damit legalisiert und die Telekommunikationskonzerne, die den US-Geheimdiensten bei der Bespitzelung amerikanischer Bürger behilflich waren, wurden unangreifbar gemacht; und, gerade kürzlich, verhinderte das Gesetz die Veröffentlichung der Fotos amerikanischer Folteropfer. (Obama stimmte im Senat für die Immunitätsklausel der Telekommunikation und versicherte, zur Geheimhaltung der Folterfotos nötigenfalls auch eine „Verfügung des Präsidenten“ zu erlassen.)
Im Namen des "Anti-Terrorkrieges" haben Demokraten und Republikaner im Kongress eine Fülle polizeistaatlicher Maßnahmen abgesegnet. Es lohnt sich daher zu fragen, was für ein Programm das gewesen sein muss, das so grauenhaft oder politisch gefährlich war, dass es sogar vor den Geheimdienstausschüssen von Senat und Abgeordnetenhaus geheim gehalten werden musste.
Ein "Staat im Staate"
Ein bemerkenswerter Aspekt bei der Aufdeckung des geheimen CIA-Programms, der in der Medienberichterstattung praktisch unkommentiert blieb, ist der Fakt, dass der CIA-Direktor Panetta über vier Monate lang, also nachdem er nominell die Kontrolle über den Geheimdienst hatte, nicht über das geheime Programm informiert wurde. Er wurde am 19. Februar als CIA-Direktor vereidigt, aber seine "Untergebenen" machten sich nicht die Mühe, ihn über die Existenz des Programms zu unterrichten, das bis zum 23. Juni vor dem Kongress geheim gehalten wurde.
Dies bedeutet, dass während der ganzen so genannten "Debatte", die im April zwischen Präsident Obama und dem früheren Vizepräsidenten Cheney über die Herausgabe der Aktennotizen des Justizministeriums stattfand, in denen es um die Rechtfertigung der Folter ging, Cheney im Besitz von Informationen über geheime CIA-Operationen war, von denen der neue "Oberbefehlshaber" nichts wusste.
Der militärisch-geheimdienstliche Apparat operiert nach seinen eigenen Regeln und hält Informationen zurück oder legt sie den vermeintlichen zivilen Vorgesetzten offen, je nach politischer Notwendigkeit. Was gezeigt, oder eher nur angedeutet wird, – da die wichtigen Details weiter in Geheimhaltung gehüllt sind -, ist die Existenz eines "Staates im Staat", eine geheime Regierung, die ohne Rücksicht auf die Person, die im Weißen Haus residiert, weiter funktioniert.
Die Demokraten im Kongress und die Obama-Administration sind aktiv am Angriff auf die demokratischen Rechte des US-amerikanischen Volkes und der gesamten Weltbevölkerung beteiligt. Als politische Vertreter der Großindustrie stützen sie sich zur Verteidigung von deren Interessen auf den Staatsapparat, nicht weniger als die Republikaner und Bush vor ihnen.
Inzwischen ist es eine Binsenweisheit, dass es mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede zwischen der Bush-Administration und der Obama-Administration in Bezug auf die Verteidigung des amerikanischen Geheimdienstapparates und seiner permanenten Angriffe auf demokratische Rechte gibt.
Am Mittwoch drohte Obama mit einem Veto gegen das Gesetz zur Ermächtigung der Geheimdienste, falls in ihm umfassendere Berichte an den Kongress vorgeschrieben werden, die über die so genannte "Achtergruppe" hinausgehen, also die Vorsitzenden der Demokraten und Republikaner beider Kammern und beider Geheimdienstausschüsse. In einer Erklärung des Weißen Hauses hieß es, das Veto sei notwendig, um zu verhindern, dass "ein wichtiges Instrument eingeschränkt wird, mit dem der Präsident die sensibelsten geheimdienstlichen Aktivitäten schützt, die zur Sicherung der nationalen Interessen erfolgen."
Bei den besorgten Einwänden der Demokraten im Kongress handelt es sich weitgehend um Theater. Senatorin Dianne Feinstein, Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Senats, bedauerte die Geheimhaltung des Programms, erklärte aber, es stelle keine Gefahr für die bürgerlichen Freiheiten dar.
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Der Artikel erschien am 13. Juli 2009 bei Global Research unter dem Titel „New reports of massive spying, criminality by US government ”.
Übersetzung: Hintergrund / rn. Der Artikel wurde leicht gekürzt.