Mörder-Diplomatie: Erkaufter Freispruch für CIA-Killer in Pakistan
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Von REDAKTION, 16. März 2011 –
Ein Gericht in der ostpakistanischen Provinzhauptstadt Lahore hat am Mittwoch den wegen Doppelmordes angeklagten US-Bürger Raymond Davis überraschend freigesprochen. Bei dem Mann handelt es sich nach Informationen des britischen Guardian um einen CIA-Agenten. (1)
Die Angehörigen der beiden Toten hätten dem Angeklagten vergeben, nachdem ihnen eine Entschädigung angeboten worden sei, sagte der Justizminister der Provinz Punjab, Rana Sanaullah. Daraufhin habe der Richter Davis freigesprochen. Hinterbliebenen-Anwalt Asad Manzoor Butt kritisierte, seine Mandanten seien zu dem Schritt gezwungen worden.
Der Killer saß wegen des Doppelmordes „in Untersuchungshaft, nachdem er in Lahore zwei Motorradfahrer erschoss, die ihn angeblich in seinem Auto verfolgt und bedroht hatten.“(2) Außerdem soll ein Fahrzeug mit unbekannten Insassen versucht haben, Davis zu Hilfe zu kommen und bei der Fahrt mit überhöhter Geschwindigkeit in falscher Richtung durch eine Einbahnstraße einen Passanten tödlich verletzt haben. (3)
Von Anfang an hatte die US-Regierung dagegen protestiert, dass dem Terroristen im Staatssold in Pakistan der Prozess gemacht werden sollte. Nach Auffassung der Frankfurter Rundschau hat sie dabei keine gute Figur abgegeben: „Immer wieder tischte sie neue Versionen auf, was Davis in Pakistan tat. Zunächst hieß es vage, er sei technischer Mitarbeiter des US-Konsulats in Lahore, dann war er als Bodyguard und Sicherheitsbeauftragter für die Botschaft in Islamabad tätig. Zuletzt räumte Washington ein, er arbeite irgendwie für die CIA. Doch auch dies könnte nur die halbe Wahrheit sein. Viel spricht dafür, dass der ehemalige Soldat zum Dunstkreis der berüchtigten Sicherheitsfirma Blackwater, die heute Xe heißt, gehört. Und Blackwater trauen die Pakistaner alles zu. Warum Davis die beiden Pakistaner erschoss, bleibt bis heute im Dunkeln.“ (4)
Es gibt ernstzunehmende Vermutungen, nach denen es sich bei den von Davis getöteten Verfolgern um pakistanische Sicherheitsbeamte gehandelt haben könnte, die zu seiner Überwachung abgestellt waren. „Solche Überwachungen sind üblich, weil die pakistanischen Behörden mit Grund davon ausgehen, dass viele angebliche US-Diplomaten hauptsächlich mit Spionageaufträgen beschäftigt sind“, weiß die junge Welt. (5)
Die pakistanischen Behörden wussten ganz genau, mit wem sie es bei Davis zu tun hatten. Und wohl auch deshalb war man in Islamabad wohl nicht bereit, es ernsthaft auf einen Konflikt mit Washington ankommen zu lassen. Dabei stellt sich die Frage, warum es die Pakistaner, die unter dem massiven Druck der US-Regierung standen, überhaupt zu einem Prozess hatten kommen lassen. Die junge Welt hat dafür eine plausible Erklärung. Islamabad stand unter dem Zwang, Unabhängigkeit zu demonstrieren, „denn die Mehrheit der Pakistanis wirft ihr ohnehin viel zu große Nachgiebigkeit gegenüber den USA vor. Als emotionalisierender Faktor kommt hinzu, dass die Witwe eines der von Davis Getöteten inzwischen Selbstmord begangen hat. Als Begründung gab sie ihre Erwartung an, dass der Mörder ihres Mannes ungestraft freikommen werde.“ (6)
Raymond Davis dagegen soll Pakistan bereits mit einem gecharterten Flugzeug in Richtung Großbritannien verlassen haben, berichtete der pakistanische Fernsehsender Express TV.
(1) http://www.guardian.co.uk/world/2011/feb/25/raymond-davis-trial-starts-pakistan
(2) http://www.jungewelt.de/2011/02-19/039.php
(3) http://www.jungewelt.de/2011/02-19/039.php
(4) http://www.fr-online.de/politik/der-dubiose-fall-raymond-davis/-/1472596/8078608/-/view/asFirstTeaser/-/index.html
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(5) http://www.jungewelt.de/2011/02-09/030.php
(6) http://www.jungewelt.de/2011/02-09/030.php