In welche Zukunft gehen wir?
Die Coronakrise hat uns die bedrohlichen Auswirkungen der neoliberalen Politik im Gesundheitswesen vor Augen geführt, insbesondere die Privatisierung des ehemals staatlichen Gesundheitswesens.
Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.
Die Ausgangslage
Weltweit geht ein Gespenst um: die Angst vor COVID-19. Täglich, gar stündlich berichten seit Wochen alle Medien über die jüngsten Entwicklungen. Inzwischen sind über 180 Länder betroffen, fast die Hälfte der Weltbevölkerung befindet sich in mehr oder weniger strikter Quarantäne. Schulen, Universitäten, Theater, Kinos und Geschäfte sind geschlossen, Sportveranstaltungen wurden abgesagt, Urlaubsreisen storniert, Flughäfen stillgelegt. Kontaktvermeidung ist geboten, Versammlungen sind untersagt. Zuwiderhandlungen werden mit Geldbußen, im Wiederholungsfall sogar mit Gefängnis bestraft. Dörfer und Städte sind verkehrsberuhigt, nur absolut notwendige Dienstleistungen, so im medizinisch- pflegerischen Bereich oder bei Müllabfuhr und Post, dürfen erbracht werden. Den Großteil der Zeit verbringen die Menschen in ihren meist zu engen vier Wänden. Die Pandemie verändert absehbar die Arbeitswelt, Telearbeit ist angesagt, die Wohnung wird zum Büro. In den reichen Ländern übernimmt der Staat wenigstens einen Teil der Einkommensausfälle in Form von Kurzarbeitergeld (in Deutschland 60 bis 67 Prozent des bisherigen Nettoarbeitseinkommens), Direktzahlungen an Kleinunternehmer, Steuerstundungen oder günstigen Krediten; in den USA erhält jeder Bürger einen Gutschein über 1 200 Dollar (Helikoptergeld). Zentralbanken und Regierungen, EU und IWF stellen 8 Billionen Dollar zur Verfügung, um den Einbruch von nationalen Ökonomien, Weltwirtschaft und Welthandel abzufedern. Allerorts herrscht Unsicherheit, ein Ende ist nicht abzusehen. Sicher ist nur, dass der Gesundheitskrise eine noch viel drastischere und längere Wirtschaftskrise folgen wird.
Von Wuhan in die Welt
Ende Dezember 2019 wurden die ersten Fälle aus Wuhan offiziell gemeldet: In der 11-Millionen-Metropole in der zentralchinesischen Provinz Hubei hatten sich Menschen mit einem grippeähnlichen Virus infiziert. Erst nach einiger Zeit wurde klar, dass es sich um ein völlig neues Virus handelt, dessen Übertragungsrate, zeitliche und räumliche Ausbreitungsdynamik, Inkubationszeit sowie Letalität unbekannt sind. Es gibt keinen Impfstoff – und entsprechend auch keine natürliche Immunität. Drastische Maßnahmen mit letztlich totaler Kontakt- und Ausgangssperre der Einwohner von Stadt und Provinz wurden ergriffen, um das Virus „auszuhungern“ und seine Ausbreitung zu verhindern – mit begrenztem Erfolg. Als Verkehrsknotenpunkt, technologisches und ingenieurwissenschaftliches Zentrum mit bedeutender Stahl- und Autoindustrie ist Wuhan nicht nur mit dem nationalen, sondern durch rund 6 000 dort investierte ausländische Konzerne auch mit dem internationalen Markt eng verflochten. Und so wurden bei den ersten im benachbarten Ausland (Thailand, Taiwan, Singapur, Japan), dann in Europa (Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien) und den USA registrierten Coronaerkrankungen direkte Verbindungen zu Wuhan nachgewiesen.1 Während die Zahl der Neuinfektionen in China mittlerweile stagniert, die Ausgangs- und Reisesperre für Wuhan nach zweieinhalb Monaten aufgehoben ist und die Produktion sukzessive wieder aufgenommen wird, hat sich das Virus zunächst vor allem in Westeuropa und dann in Nordamerika verbreitet. Nun wird eine starke Infektionswelle im globalen Süden befürchtet – mit großen Bevölkerungsverlusten angesichts dort herrschender Armut, beengter Lebens- und Wohlverhältnisse sowie eines unzureichenden Gesundheitswesens.
Da die erfolgreiche Entwicklung und der breitenwirksame Einsatz eines Impfstoffes erst in zwölf bis 18 Monaten erwartet wird, setzt man auf eine „Herdenimmunität“, die bei einer Durchseuchung von 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung erreicht ist. Dabei ist nicht abzusehen, inwieweit Neuinfektionen beziehungsweise zweite Infektionswellen auftreten werden. So läuft die Strategie der Immunisierung darauf hinaus, durch Kontaktsperren oder auch durch weitgehende Isolierung besonders gefährdeter Gruppen den Infektionsprozess zeitlich so zu strecken, dass eine Überforderung des Gesundheitswesens vermieden wird.
Die Datenlage Die Gesamtzahl der offiziell Infizierten ist national wie global sehr gering und spiegelt keinesfalls die tatsächlichen Verhältnisse wider.2 Denn Anzahl, Anwendung und Auswertung der Tests sind völlig unzureichend. So wurden etwa in Frankreich bei einer Gesamtbevölkerung von 66 Millionen zwischen 10. März und 10. April lediglich 63 118 Tests durchgeführt.3 Doch selbst das Ergebnis mit 27 Prozent positiv und 73 Prozent negativ Getesteten ist nicht zuverlässig, da wegen unsachgemäßer Abstriche von einem Drittel „falsch negativer“ Ergebnisse auszugehen ist. Mit anderen Worten: Die faktische Zahl der Infizierten dürfte überall die offiziellen Angaben um ein Vielfaches übersteigen. Doch ganz gleich, welchen Multiplikator man zugrunde legt, von der anvisierten „Herdenimmunität“ ist man angesichts einer nachgewiesenen Infektionsquote von maximal 0,3 Prozent (Spanien) überall noch weit entfernt.
Am 31. Dezember 2019 informierte die chinesische Regierung die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom Ausbruch der neuartigen Atemwegserkrankung. Einen Monat später rief die WHO wegen des nunmehr als SARS-CoV-2 bezeichneten Virus einen weltweiten Gesundheitsnotstand aus. Am 11. März folgte angesichts dramatisch steigender Infektionszahlen die Erhebung zur Pandemie. Doch anders als in Südkorea, Thailand, Taiwan, Singapur und Japan wurden diese Warnungen ebenso wie die praktisch zeitgleich registrierten ersten Infektionen von den Regierungen Westeuropas weitgehend ignoriert, was sich später in einem Mangel an medizinischer Ausrüstung, Schutzmitteln und Intensivbehandlungskapazitäten zeigte.4 Die Verlaufskurven sowie die Zahl der Erkrankungen, Todesfälle und Geheilten unterscheiden sich zwischen Asien und Europa bis heute erheblich.5 Der Verlauf variiert auch je nach Altersgruppe: Kleinkinder werden im Regelfall gar nicht infiziert; ein erheblicher Anteil von Jugendlichen weist keine Krankheitssymptome auf, ist aber gleichwohl infiziert und damit Überträger des Virus. Ältere Menschen schließlich – besonders die über Siebzigjährigen – sind besonders anfällig und stellen die größte Risikogruppe dar. Im Durchschnitt entwickelt jeder fünfte Infizierte schwere bis schwerste Symptome.6
Neben einer zeitlichen und territorialkontinentalen Verschiebung der Infektionen mit Auswirkungen auf die nationale und internationale Wirtschaftstätigkeit legt das Virus auch soziale Ungleichheiten offen. Zwar sind inzwischen in 185 Ländern Menschen positiv getestet worden, doch noch betrifft die Epidemie offiziellen Zahlen zufolge hauptsächlich die reichen Länder: Aus ihnen stammen annähernd drei Viertel der Infizierten (29 Prozent aus den USA, 46 Prozent aus der EU). Und auch die rund 96 000 bislang gezählten Todesfälle wurden zu 80 Prozent aus diesen Ländern gemeldet, zwei Drittel allein aus der EU. Im Vergleich dazu ist der globale Süden weit weniger betroffen. Der Hintergrund ist einfach: keine Tests, keine Infizierten, keine COVID-19-Opfer. So weist Indien mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern mit 6 700 nur wenig mehr Infizierte auf als Irland mit 5 Millionen oder Norwegen mit 5,4 Millionen Einwohnern. Ein ähnliches Bild zeigt sich für so bevölkerungsreiche Länder wie Indonesien (274 Millionen Einwohner, 3 500 Infizierte) oder Nigeria (206 Millionen Einwohner, 288 Infizierte). Insgesamt ist die medizinische Infrastruktur in diesen Ländern materiell, personell und institutionell bereits im Normalfall unzureichend und bei einer Pandemie des COVID-19-Ausmaßes völlig überfordert. Und wo in der akuten Coronakrise schon die reichen Staaten an ihre Grenzen stoßen, gilt dies erst recht für die Länder der Dritten Welt, inklusive Schwellenländer. Dort findet sich nur punktuell und zugänglich allein für die Elite eine adäquate diagnostische und medizinische Infrastruktur; nur für diese Privilegierten reichen auch die Mittel zur Beschaffung der notwendigen, stark umkämpften Ausrüstung auf dem Weltmarkt. So bleibt der überwältigenden Mehrheit der Menschen im globalen Süden nur die Hoffnung auf die nach bisherigen Erfahrungen mit COVID-19 weit weniger anfällige Jugendlichkeit ihrer Bevölkerung, in der das mittlere Alter wesentlich unter dem in den reichen Industrieländern liegt. Denn selbst wenn wie in Indien oder Brasilien staatlicherseits ein „Shutdown“ angeordnet wird, lässt sich die Ansteckungsgefahr insbesondere in den urbanen Slums und Favelas mit ihrer hohen Bevölkerungsdichte, ihren mangelhaften sanitären Einrichtungen und höchst beengten Wohnverhältnissen nicht verhindern.
Neoliberalismus und Seuchen
Mit zunehmenden Infektionszahlen eroberte das Coronavirus die Schlagzeilen und bestimmt seit Mitte März weltweit Regierungshandeln, Wirtschaftsunternehmen, Finanzinstitutionen inklusive Börsen und verschiedene Organisationen der UN. Dabei ist der vermittelte Eindruck eines völlig unvorhersehbaren, mit einem Erdbeben vergleichbaren Ereignisses falsch.
Denn Seuchen wie Schweinepest, Rinderwahn, Vogelgrippe oder direkt die menschliche Gesundheit bedrohende Viren wie Ebola oder SARS sind nicht neu. Auch der Weltrisikobericht des Weltwirtschaftsforums von 2020 nennt Epidemien als ein zentrales Risiko. Und die Bundesregierung hatte ebenso Pläne für solche Eventualitäten vorbereitet wie Frankreich im Zuge der SARS-Epidemie von 2003.7 Schon in der Vergangenheit zeigte sich die produktivistische Landwirtschaft mit Monokulturen und genetisch veränderter Massentierhaltung hoch anfällig für Tierseuchen. Auch die negativen Auswirkungen des massiven Einsatzes von Pharmaka auf das menschliche Immunsystem, inklusive wachsender Resistenzen, sind bekannt.
Heute kommen noch allgemeinere sozialökologische Faktoren hinzu. Im speziellen Fall von COVID-19 geht es um den weltweiten Handel (Schmuggel) mit wilden Tieren. Mit einem Schätzwert von 7 bis 23 Milliarden US-Dollar belegt er den vierten Platz der weltweiten Handelsströme. Das als Zwischenwirt für die Übertragung von SARS-CoV-2 verantwortlich gemachte Pangolin, ein für die Züchtung ungeeigneter Insektenfresser, ist ein klassisches Beispiel: Wegen seines Leders, seiner Schuppen, seines Fleisches sowie der ihm zugeschriebenen Heilkräfte ist es das am meisten gewilderte und pro Jahr zu Hunderttausenden geschmuggelte Säugetier, das seit 2016 auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Arten steht. Eher im Süden Chinas und den Nachbarländern Vietnam, Myanmar, Thailand und Laos zu Hause, dürfte es durch Schmuggler auf den Markt von Wuhan gelangt sein.8
Das Mensch-Umwelt-Verhältnis hat sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts drastisch gewandelt. Durch den Eingriff des Menschen überschneiden sich dessen Lebensräume zunehmend mit denen von Tieren und Pflanzen. Die natürlichen Milieus der verschiedenen Arten wurden zu Land zu 75 Prozent, zur See zu zwei Drittel modifiziert, wenn nicht zerstört. Die fortschreitende Durchdringung und private Aneignung von bis dahin weitgehend unberührter Natur zwecks kommerzieller „Inwertsetzung“ bedroht die Biodiversität, engt typische Biotope ein, zwingt ihre Bewohner zur Migration in Dörfer und Städte und erleichtert so die Übertragung von Keimen.9
Diese Entwicklung dürfte sich im Zuge der Klimaerwärmung, der damit verbundenen Verschiebung der Temperaturzonen und mit ihnen der Pflanzen- und Tierwelt weiter verschärfen. Darauf weist die jüngste Verbreitung des Zikavirus durch Stechmücken in Brasilien oder das Vordringen der Malaria in bisher nicht immunisierte Bevölkerungsgruppen Afrikas als Folge der Wanderung von Moskitos hin. Ähnliche Befürchtungen beziehen sich auf die Ausbreitung des Dengue-Fiebers bis nach Europa. Mit anderen Worten: Epidemien sind ein systemischer Faktor unserer Gesellschaftsordnung und Lebensweise geworden. Nicht anders als bei Wirtschaftskrisen sind allein Zeitpunkt des Ausbruchs, Schwere und Verbreitung unsicher.
Die Coronakrise hat uns die bedrohlichen Auswirkungen der neoliberalen Politik im Gesundheitswesen vor Augen geführt.10 Als Folge der allgemeinen Privatisierungsstrategie auch im Gesundheitswesen und im Bestreben nach Kostenreduzierung war die Produktion von Medikamenten in internationale Wertschöpfungsketten ausgelagert worden, im konkreten Fall vor allem nach China und Indien. Ebenfalls aus Kostengründen hatte man etwa in Frankreich die früher eingelagerten 1,3 Milliarden Atemschutzmasken auf 170 Millionen reduziert und die einheimische Produktion auslaufen lassen.
Das Ergebnis zeigt sich in der aktuellen Krise: Die gleichzeitige massenhafte Nachfrage nach Schutzkleidung, Beatmungsgeräten, Masken sowie Medikamenten in Westeuropa und den USA konnte lokal nicht befriedigt werden. Ein internationaler Wettbewerb um Lieferzeiten und Mengen wurde entfesselt, die Preise explodierten, nichtmarktmäßige Mittel wurden eingesetzt. Die Einheit der EU galt plötzlich ebenso wenig wie die viel beschworene westliche/atlantische Wertegemeinschaft – sie erwiesen sich als brüchig angesichts der Priorisierung nationaler Interessen.11
Der Krankenhausbereich entwickelte sich ähnlich: Die Privatisierung des ehemals staatlichen Gesundheitswesens zog eine generelle Kommerzialisierung der medizinischen Versorgung nach sich. Börsennotierte Klinikverbünde mit über 100 000 Mitarbeitern und mehreren Milliarden Umsatz setzten auch das staatliche Gesundheitssystem unter Kostendruck.12 In der Folge wurden Bettenzahl und/oder Personal drastisch reduziert. Verschärft wurde die Situation noch unter dem Druck der Austeritätspolitik, wie sich heute in den von der Coronaepidemie besonders betroffenen Ländern Italien und Spanien zeigt. In der aktuellen Krise, in der rund 40 Prozent der Infizierten im Krankenhaus behandelt werden müssen, davon ein Viertel auf Intensivstation, hat der strukturell induzierte Mangel – angefangen bei Schutzkleidung bis hin zur Intensivbehandlung – nicht nur für die Patienten, sondern auch für das ärztliche und das Pflegepersonal tragische Folgen.13
Von der Gesundheits- zur Wirtschaftskrise
Die Pandemie hat einen zeitlich begrenzten Horizont. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise dürften dagegen viel einschneidender sein und länger andauern: Schon jetzt zeichnet sich ein Paradigmenwechsel in der Globalisierung und der Rolle des Staates ab. Und während heute die älteren Jahrgänge als besonders gefährdete Risikogruppen der öffentlichen Solidarität und staatlichen Fürsorge anempfohlen werden, sind es speziell die Jüngeren, deren Lebensperspektiven langfristig bedroht sind.
Auch wenn auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene Billionen an Finanzmitteln für Unternehmen bereitgestellt werden,14 sind massiv steigende Verarmung, Arbeitslosigkeit und Unternehmensinsolvenzen unvermeidlich – umso mehr, je länger Kontakt- und Ausgangssperren in Kraft, Geschäfte geschlossen und Produktionen unterbrochen sind. Doch nicht nur die Geschäftsmodelle der am Endkunden orientierten Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe, die Grundlagen der auf ständigem Wachstum und Konsum basierenden privatkapitalistischen Marktwirtschaft selbst sind potenziell infrage gestellt. Hatte schon die Bewältigung der 2008/2009 von den USA ausgehenden Subprime-Finanz- und Wirtschaftskrise Jahre gedauert, dürften die Perspektiven für eine Erholung nach Eindämmung der Coronapandemie angesichts drastisch erhöhter Haushaltsdefizite, Verschuldung von Privatunternehmen und Staat kaum besser sein.15 Dies gilt auch für die Bundesrepublik – trotz Prognosen des Sachverständigenrates vom 22. März beziehungsweise der jüngst veröffentlichten Gemeinschaftsdiagnose von vier führenden Wirtschaftsinstituten.16 Deren Modelle erwarten nach einem kurzfristigen Einbruch von 4 bis 5 Prozent im zweiten Quartal ein rasches Wiedererstarken der Wirtschaft und einen Wachstumsschub von bis zu 6 Prozent im Jahr 2021. Diese Einschätzungen basieren aber nach eigenen Aussagen auf unsicheren Grundannahmen. Noch dazu sind sie sehr optimistisch, was den Zeitpunkt der Aufhebung der Restriktionen (nach Ostern), ein unterstelltes weitgehend unverändertes Verbraucherverhalten sowie stabile Inlandsnachfrage und Exporte betrifft.17
Für den globalen Süden sind die Aussichten freilich noch schlechter: Wertschöpfungsketten wurden unterbrochen, Firmen geschlossen, Arbeiter nach Hause geschickt. Das Virus wird in alle Landesteile getragen, die schlimmsten Folgen der Epidemie stehen noch bevor. Bis zu 75 Prozent der Menschen in den 47 ärmsten Entwicklungsländern mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von unter 1 025 US-Dollar haben noch nicht einmal Zugang zu fließendem Wasser und Seife, obwohl Händewaschen zu den absolut notwendigen antiviralen Schutzmaßnahmen gehört. Schon jetzt wird der Lebensstandard von Familien und ganzen Regionen abgesenkt, da sie zumeist – so in Indien zu 90 Prozent – im informellen Sektor beschäftigt, damit faktisch Tagelöhner ohne Arbeitsvertrag sind und eine Sozialversicherung nur in Ansätzen existiert.
Daten der UNO prognostizieren aufgrund des heruntergefahrenen Welthandels Einnahmenausfälle in Höhe von 225 Milliarden US-Dollar. Bereits jetzt wird eine verdreifachte Kapitalflucht (100 Milliarden US-Dollar) registriert, eine Verringerung um 30 bis 40 Prozent bei Ausländischen Direktinvestitionen (ADI) einkalkuliert. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) sieht die Vernichtung von bis zu 25 Millionen Arbeitsplätzen und damit den Verlust von bis zu 3,4 Billionen US-Dollar an Arbeitseinkommen voraus.18 Die Forderung nach Schuldenerlass für die Dritte Welt und die vom IWF in Aussicht gestellten 120-Milliarden- Dollar-Kredite, für die bereits neunzig Regierungen Schlange stehen, werden die Verluste nicht kompensieren können. Die Erfüllung der bis 2030 zu realisierenden „Nachhaltigen Entwicklungsziele“ – unter anderem im Bereich Ernährungssicherheit und Zugang zu sauberem Wasser – ist gefährdet, die ganze neoliberale Strategie nachholender Entwicklung durch Marktöffnung und Integration in die internationale Arbeitsteilung infrage gestellt. Angefangen bei den Gesundheitssystemen wird der Kollaps ganzer Volkswirtschaften beschworen, gewaltsame Unruhen gefolgt vom Zusammenbruch der Staatswesen sind nicht ausgeschlossen.19
Politik in Zeiten der Krise – Nationalismus nach außen, Autoritarismus nach innen
Die große Politik ist aus dem öffentlichen Diskurs weitgehend verbannt. Gleichwohl bestehen die zentralen internationalen Konfliktherde wie die Kriege in Jemen, Syrien oder Afghanistan, die Sanktionspolitik gegen Iran und Venezuela oder die Auseinandersetzungen um Fördermengen und Marktanteile bei Erdöl und Gas und schließlich der Kampf um Hegemonie zwischen den USA und China weiter. Deutliche Worte fand auch hier US-Präsident Donald Trump, als er wiederholt vom „chinesischen Virus“ sprach oder der WHO mit Entzug der amerikanischen Zahlungen (22 Prozent ihres Haushaltes) drohte, weil sie die Bewältigung der Coronakrise durch Peking zu stark gewürdigt habe. Und wenn Venezuela, Russland und China Hilfslieferungen und Ärzte zur Bekämpfung der Coronaepidemie ins europäische Ausland schicken, wird dies als politisches Manöver zu Machtgewinn, Einflussnahme auf Regierungen und Spaltung bisheriger Verbündeter des Westens interpretiert.
Auffälligstes Merkmal nach Ausbruch der Pandemie war der ausgeprägte Nationalismus, wenn nicht gar Subnationalismus. Eine allgemeine „Rette sich, wer kann“- und „Alle gegen alle“-Haltung machte sich breit. Selbst in der EU, Sachwalter einer paneuropäischen Friedensordnung durch Integration und Kooperation sowie Vorreiter der Globalisierung und des freien Welthandels, wird keine Ausnahme gemacht: Mag das Virus auch noch so global sein, die Grenzen wurden geschlossen. Statt der Gemeinschaft wurde der Ausländer als bedrohlicher „Anderer“ wiederentdeckt, vor dem die eigene Bevölkerung zu schützen und im Kampf gegen die Seuche mit allen Mitteln zu bevorzugen sei. Auch wenn zwischenzeitlich zahlreiche Infizierte aus Frankreich oder Italien zur Intensivbehandlung in Deutschland, Luxemburg oder Belgien weilen, ist fraglich, ob diese humanitäre Geste ausreicht, um einer vertieften Solidarität in der EU den Weg zu ebnen. Die Kontroverse über gemeinsame Coronabonds, die besonders den schon vor der Epidemie hochverschuldeten (südlichen) EU-Mitgliedstaaten den Wiederaufbau erleichtern sollen, lässt daran eher zweifeln. 20 Und die infolge der Epidemie zu erwartende weitere Vertiefung der wirtschaftlichen Ungleichheit dürfte die Fragmentierung noch verschärfen und rechtspopulistischen Parteien in Europa in die Karten spielen. Gesundheit ist formal kein vergemeinschaftetes Gut, Pandemien aber sind transnational, kennen keine Grenzen. Wir befinden uns im Krieg, sagt Frankreichs Präsident, doch es gibt kein Äquivalent zu einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die real existierende EU ist fragiler denn je.
In den USA finden sich nationalistische Züge der Ausgrenzung und bevorzugten Materialbeschaffung medizinischen Gerätes auf Kosten der Alliierten. Angefangen beim Einreiseverbot bis zur Blockierung von Exporten und Umleitung beziehungsweise Last-Minute-Aufkauf von Bestellungen nutzen sie ihre überlegenen Macht- und Finanzmittel aus. Die Grundprinzipien von Solidarität, Gleichheit und Vertragstreue im internationalen Handel, von allgemeinen Menschenrechten gelten nur, wenn sie dem nationalen Interesse dienen.
Typischerweise waren nationalistische – im Gegensatz zu nationalen – Bewegungen immer auch mit Ausgrenzung von Fremden innerhalb der eigenen Gesellschaft verbunden. Die im Zuge der aktuellen Epidemie berichtete Nichterfassung von arabischen Bürgern in Israel oder die besondere Konzentration der Sicherheits- und Gesundheitsbehörden auf Roma in der Slowakei21 mögen extrem sein, reihen sich aber in ein Grundschema ein, das in der EU gegen Immigranten besonderen Ausdruck gefunden hat und sich aktuell im Aufnahmestopp von Geflüchteten aus den übervölkerten Lagern in Griechenland (und Italien) ebenso spiegelt wie umgekehrt in der erlaubten Rekrutierung von Asylbewerbern als Erntearbeiter unter Aussetzung aller Kontakt- und Reiserestriktionen.
Bürgerliche Freiheiten – Opfer der Pandemie?
Nicht wenige kritische Stimmen sehen jeden Vergleich mit der „Spanischen Grippe“ nach dem Ersten Weltkrieg, die über 50 Millionen Opfer forderte, als abwegig und fürchten eher eine langfristige Aushebelung der bürgerlichen Rechte.22 In der Tat wurden im Namen der Seuchenbekämpfung historisch hart erkämpfte bürgerliche Freiheitsrechte, etwa die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit, in bislang unvorstellbarem Ausmaß eingeschränkt. Ein Verstoß wird mit Bußgeldern, im Wiederholungsfall gar mit Gefängnis bestraft. Erinnerungen an Zeiten schlimmster Diktatur und Krieg werden wach. Von Medien, Wissenschaft und Politik unisono als wünschenswert und absolut notwendig eingefordert, hat die Öffentlichkeit den Ausnahmezustand im Namen der eigenen Gesundheit und des Schutzes von Menschenleben akzeptiert und legitimiert.
Zugleich ist eine Stärkung der Exekutive auf Kosten des Parlamentes, der Regierung auf Kosten der Opposition zu beobachten. In der Krise treten alle Konflikte und Divergenzen hinter dem Volk in seiner Gesamtheit zurück, der Schulterschluss jenseits aller Parteidifferenzen ist gefragt. Eine entschlossene, starke Führung im Verbund mit einer ausgeprägten Personalisierung und Mediatisierung wird privilegiert.
Der Einsatz moderner Technologien wie Handy und Drohne zur Gesichtserkennung, Identifikation von Infektionen, Verfolgung von Kontaktpersonen und Überwachung der Einhaltung der Vorschriften zur „sozialen Distanzierung“ wird mit derselben Begründung – der besserer Eindämmung der Epidemie – von der Mehrheit der Bürger hingenommen.
Der Kampf um die Menschenrechte, nicht zuletzt der um bürgerliche und politische Freiheiten, wurde historisch immer aus der konkreten Erfahrung der Machtungleichheit und des Machtmissbrauchs durch den Staat beziehungsweise die herrschende Klasse geführt. Wie immer verfassungsrechtlich institutionalisiert, bleiben ihr Erhalt und ihre konkrete Ausübung gefährdet. Dies gilt insbesondere in Zeiten starker sozialer und politischer Konflikte sowie wirtschaftlicher Krisen. Die in diesen Tagen aus Afrika und Indien berichteten gewaltsamen Übergriffe der Sicherheitskräfte bei der Durchsetzung von Shutdown und Quarantäne mögen noch als Auswüchse in Dritte-Welt-Ländern mit fragilen demokratischen Ordnungen abgetan werden; schwerer wiegt da schon die Instrumentalisierung der Coronaepidemie zur institutionellen Ermächtigung der Regierung Ungarns mit unbefristeten Sondervollmachten. Sie kann nunmehr „wegen der aktuellen Gefahrenlage“ per Dekret ohne Zustimmung des Parlamentes und rechtlich unbefristet regieren, die Verbreitung von (undefinierten) „Fake News“ strafrechtlich verfolgen.23 Anders als im (europäischen) Ausland wird die Entwicklung in Ungarn selbst eher begrüßt. In jedem Fall mag sie Anlass zu erhöhter Wachsamkeit geben nach dem Motto: „principiis obsta“ – wehre den Anfängen!
COVID-19: Symptom der Umweltkrise – Hebel ordnungspolitischen Umbruchs?
Die schon vor Ausbruch der Epidemie sich stellenden Probleme – Wachstumsschwäche und Staatsverschuldung, Finanzialisierung, wachsende Ungleichheit, Digitalisierung und Beschäftigung, Bevölkerungswachstum, Entwicklung im globalen Süden, Migration, Demokratie und Populismus, Krise des internationalen Systems inklusive Hegemonialkonflikt zwischen den USA und China und schließlich die Klima- und Umweltkrise – haben sich weiter zugespitzt. Schritte zu ihrer Lösung werden durch die aktuelle Situation weiter verzögert, die materiellen und finanziellen Spielräume angesichts der astronomischen Hilfspakete drastisch eingeschränkt. Gleichzeitig wird die gesellschaftliche Spaltung und Polarisierung weiter zunehmen.
Langfristig wichtigstes, seit Jahrzehnten verschlepptes globales Problem ist die Klimafrage. Das Zeitfenster zum Übergang in eine dekarbonisierte Wirtschafts- und Lebensweise, um einen Anstieg der Erderwärmung auf 1,5 bis 2 Grad zu begrenzen, schließt sich: Dieses Jahrzehnt entscheidet die Zukunft.
Die Coronaepidemie wurde bereits weiter oben im neoliberalen Kontext verortet und als Symptom des instrumentell-zerstörerischen Umganges mit der Natur betrachtet. Die Krise hat zu einschneidenden strukturellen Veränderungen geführt, die die notwendigen Voraussetzungen für eine zukunftsfähige, nachhaltige Entwicklung sein könnten. Gerade junge Menschen glauben an eine mögliche Neuordnung aufgrund folgender Tendenzen:24
Die Ideologie der Marktwirtschaft als optimale Produktionsweise und die neoliberale Strategie der Privatisierung, Deregulierung und Weltmarktintegration sind grundsätzlich infrage gestellt. Unter dem Eindruck der Abhängigkeit von lebenswichtigen kollektiven Gütern steht die Globalisierung zur Disposition. Zumindest in Teilbereichen werden Wertschöpfungsketten zugunsten nationaler beziehungsweise regionaler Produktion und Verteilung zurückgebaut.
Staat und Nation als Wirtschaftsgesellschaft erleben eine Renaissance. Dies deutet sich in der Politik der massiven staatlichen Stützung „systemrelevanter“ Unternehmen – Beispiel Lufthansa – an.25 Ähnlich motiviert ist der jüngste Kabinettsbeschluss der Bundesregierung zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes zwecks (unbefristeter) Investitionskontrolle. Ziel ist, die Übernahme großer deutscher Unternehmen angesichts ihres wirtschaftlichen Absturzes und analogen Wertverfalles – Amazon und Google haben zum Beispiel einen höheren Börsenwert als die dreißig börsennotierten DAX-Unternehmen zusammen – zu verhindern.26 Das Konzept nationaler Sicherheit wird damit grundsätzlich über den bisherigen verteidigungspolitischen Aspekt erweitert, während der Primat des freien Marktes verdrängt wird. Hier kündigt sich eine potenziell grundlegende Umkehr im Verhältnis von Staat und Wirtschaft zugunsten der Politik gegenüber dem Kapital an – eine absolut notwendige Bedingung für eine nachhaltige Ordnung, die über den Markt und den Wettbewerb profitorientierter Privatkapitale ausgeschlossen ist.
Schließlich wurde kollektiv eine umständehalber erzwungene Erfahrung jenseits vom Primat wachsenden Konsums gemacht: eine Erfahrung von Lebensqualität qua Entschleunigung, weniger Stress, weniger Verkehr und Mobilität, Beschränkung auf Essenzielles auch im alltäglichen Konsum.
Damit könnte ein Prozess in Richtung alternativer Ordnung in Gang gebracht werden. Ob und inwieweit sich eine solche alternative Ordnung umsetzen lässt, hängt von den sozialen Kämpfen, Verschiebung der Kräfteverhältnisse zwischen den Klassen und Interessen ab. Denn die genannten Strukturmaßnahmen sind in ihren Nutzungsmöglichkeiten grundsätzlich ambivalent und vom gesellschaftspolitischen Kontext abhängig. So erlauben sie angesichts einer Wirtschaftskrise gepaart mit wachsender Ungleichheit, verbreiteter Verarmung und Verunsicherung auch die Etablierung eines autoritären Staates mit nationalistischer Ideologie und Politik. Die Grundsteine dafür sind im Gefolge der Gesundheitskrise schon gelegt.
John P. Neelsen ist Professor
für Soziologie an der Universität Tübingen. Seine
Spezialgebiete sind: Entwicklungsländer,
Südasien, Nord-Süd-Beziehungen,
politische Ökonomie, Kapitalismus
und Umwelt, Menschenrechte. Er ist Mitglied
im wissenschaftlichen Beirat von ATTAC und
Vertrauensdozent der Rosa-Luxemburg Stiftung.
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Quellenangaben
(1) Daten nach Johns Hopkins University, Coronavirus Resource Center (downloaded 5.April 2020 17.30 Uhr https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6
(2) Vgl. dazu die vergleichende Analyse, inkl. Graphiken in: https://ourworldindata.org/coronavirus (vom 5.4.20)
(3) https://www.cascoronavirus.fr/test-depistage/france (downloaded 10.4.2020 12.50 Uhr)
(4) Am 22.1.20 wurden weltweit 555 Covid19-Infizierte gezählt: VRC 548, Japan und Thailand je 2, Süd-Korea und Taiwan je 1. Am 24.1. wurden die ersten Infektionen in Frankreich, am 27.1. in D, am 31.1. in GB, Italien und Schweden sowie Russland nachgewiesen.
(5) Zum Vergleich Einwohner (Mio)/Infizierte (Tausend): VRC 1.439 / 83 T; Japan 127/ 5.5 T; Thailand 70/2.5 T; Süd-Korea 51/10.5 T; Taiwan 24/0.4 T; Singapur 6/1;4 T vs D 84/118 T; F 65/119T, GB 68/65 T; Italien 61/144 T, Spanien 47/157 T. Für Infektionszahlen vgl. Anm. 1 (downloaded 10. 4.20) , für Bevölkerungsdaten vgl. https://www.worldometers.info/world-population/
(6) UN Secretary General
(7) Vgl. Bundestagsdrucksache zur „Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“, vom 03. 01. 2013“ https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/120/1712051.pdf. Vgl. auch Gellermann, U. ‚Das Corona Drehbuch seit Jahren bekannt‘, Rationalgalerie vom 31.3.20 https://www.rationalgalerie.de/home/das-corona-drehbuch-seit-jahren-bekannt .
(8) Vgl. Républicain Lorraine 6. April 2020, pp 12f. Danach wurde 1 kg Pangolin Schuppen für 2900 $ gehandelt. Ebenso Le Monde diplomatique Februar 2020.
(9) Vgl. Vidal, J., Human impact on wildlife to blame for spread of viruses, says study The Guardian 8.4.2020 https://www.euractiv.com/section/energy-environment/news/human-impact-on-wildlife-to-blame-for-spread-of-viruses-says-study/
(10) Ähnlich für die US: Markovcic, A., Capitalism Caused the COVID-19 Crisis in Jacobin, 6.4.20 https://www.jacobinmag.com/2020/04/coronavirus-covid-19-crisis-capitalism-disaster
(11) So werden im Namen des vorrangigen Schutzes der eigenen Bevölkerung Lieferungen zwischen Kanada und den USA, zwischen den USA und Ländern der EU, innerhalb der EU zwischen D und Italien oder von Schweden nach Spanien oder Lieferungen von China nach EU/USA behindert, unterbunden oder gewaltsam umgeleitet.
(12) vgl. https://www.praktischarzt.de/blog/ranking-groesste-klinikverbuende/ In D kommen zwar 34 Intensiv-betten auf 1000 Einwohner, in F nur 15; dafür wurde beim Personal nach Einführung der „Fallpauschale“ soweit gespart, dass ein Teil dieser Betten nicht genutzt werden kann. So ist die Patientenzahl zwischen 1995-2017 um 20% angestiegen, gleichzeitig die der Pflegekräfte aber um 8% gesunken.So ist in D eine Pflegekraft für 10 Patienten verantwortlich, in GB eine für 8 und in Norwegen nur für 4. Vgl. ARD, plusminus am 8.4.20.
(13) Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Intensivbehandlung von Covid 19 Patienten sich in der Regel nicht wie sonst üblich auf wenige Tage beschränkt -und dann für neue Patienten frei werden, sondern mehrere Wochen in Anspruch nehmen kann.
(14) So will die US-Regierung 2 Bio. $, das sind 10% des BIP, zur Wiederankurbelung der Wirtschaft in Form von Unternehmenskrediten bzw. Konsumentenschecks von bis zu 1200 $ an jeden Bürger (‚Helikoptergeld‘) auswerfen. La Tribune 25.3.20 https://www.latribune.fr/economie/international/helicopter-money-les-etats-unis-votent-un-plan-de-relance-de-2-000-milliards-de-dollars-843110.html
(15) So geht man z.B. von einer Staatsverschuldung Italiens von aktuell 140% auf das Niveau Griechenlands mit 180%, das Frankreichs von 100 auf 140% aus. Dabei hatte der Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU eine maximale Obergrenze bei den Staatsschulden von 60% des BIP, bzw. von 3% des Staatshaushalts verbindlich festgelegt.
(16) https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/sondergutachten-2020.html; http://gemeinschaftsdiagnose.de/2020/04/08/wirtschaft-unter-schock-finanzpolitik-haelt-dagegen/ http://gemeinschaftsdiagnose.de/wp-content/uploads/2020/04/GDF2020_V2_unkorrigierte_Langfassung.pdf
(17) 23.03.20 VIRUS/ROUNDUP/Ifo: Corona-Krise kostet Deutschland Hunderte Milliarden: Die Coronavirus-Krise könnte Deutschland danach mehr als eine halbe Billion Euro kosten; bis zu 1.8 Mio. Jobs könnten abgebaut, 6 Mio. von Kurzarbeit betroffen sein. Je nach Szenario schrumpft die Wirtschaft um 7,2 bis 20,6 Prozentpunkte. Das entspricht Kosten von 255 bis 729 Milliarden Euro. https://www.welt.de/wirtschaft/article207131149/Prognose-zu-Corona-Folgen-2020-Rezession-2021-Erholung.html. So geht die EU-Kommission von einer Exit-Strategie in kleinen, sich übe Monate hinziehenden Schritten aus. Jede zusätzliche Woche ‚shut-downs‘ bedeutet Umsatzeinbußen von 40 Mrd. € (ARD plusminus 8.4.20; die Lufthansa hat 90% ihrer 700 Flotte stillgelegt, Airbus seine Produktion drastisch zurückgefahren, beide rechnen mit Jahren bis ihre aktuellen Verluste ausgeglichen sein werden. VIRUS/ROUNDUP 2: Airbus kappt Flugzeugproduktion um ein Drittel https://www.boerse-frankfurt.de/nachrichten/02276e2f-214c-41c7-b116-754bf4287421
(18) https://news.un.org/en/story/2020/03/1060702
(19) Vgl. Report des UN-Generalsekretärs vom 31.März 2020. https://unsdg.un.org/resources/shared-responsibility-global-solidarity-responding-socio-economic-impacts-covid-19; https://news.un.org/en/story/2020/03/1060702 Und statt der noch Anfang des Jahres für 2020 prognostizierten Einkommensverbesserungen in 160 Ländern erwartet der IWF jetzt Einbußen in 170 Staaten. https://www.wto.org/english/news_e/pres20_e/pr855_e.htm Zum Dollarabfluss vgl. auch Giancarlo Corsetti, Emile Marin, 03 April 2020 https://voxeu.org/article/covid-19-crisis-dollar-and-capital-flows
(20) Das alternative Dreier Packet, nämlich Mittel des ESM, neue Kreditlinien der Europäischen Investitionsbank und das Kurzarbeitergeld, ist zwar in der Gesamthöhe von 500 Mrd. € beträchtlich, hebt aber die prioritär nationale Verantwortung nicht auf.
(21) Die Roma in ganz Mittel- und Südeuropa sind wegen ihrer Armut und erbärmlichen Lebensverhältnisse besonders anfällig für Ansteckung; dies hat dem Antiziganismus dort neuen Auftrieb gegeben. https://www.dw.com/de/corona-krise-und-roma-die-vergessene-risikogruppe/a-53010737
(22) Vgl. z.B. U.Gellermann 1.4.20: https://www.rationalgalerie.de/gelesen-gesehen-gehoert/panik-panik-panik; U.Gellermann, Rationalgalerie 28.3.20 Zu später Stunde, bald zu spät? Wehrt Euch. A.Schell 31.3.20 https://www.rationalgalerie.de/gelesen-gesehen-gehoert/loecher-in-der-logik
(23) Vgl. Ungarn in der Corona Krise https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/ungarn-in-der-corona-krise
(24) Vgl. Gehm, F. in Die Welt vom 1.4.20 https://www.welt.de/wirtschaft/plus206953477/Folgen-der-Coronakrise-Die-Generation-Z-glaubt-an-eine-Neuordnung-der-Gesellschaft.html
(25)Le coronavirus va plonger la France dans la récession, des nationalisations envisagées AFP, le 17 mars 2020
(26) FAZ 9.4.20