Gazastreifen: Baut Ägypten eine unterirdische Mauer nach deutschem Ratschlag?
Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.
Von THOMAS WAGNER, 11. Dezember 2009 –
Ägypten riegelt die Grenze zum palästinensischen Gazastreifen durch eine unterirdische Mauer ab. So hieß es in Presseberichten am Donnerstag, die sich auf Augenzeugen in der ägyptischen Grenzstadt Rafah berufen. Zunächst hatten die ägyptischen Behörden entsprechende Berichte der Tageszeitung Haaretz (1) aus Israel zurückgewiesen.
Sicherheitskreise bestätigten zwar die Bauarbeiten, doch dienten diese der Installation von unterirdischen Beobachtungsgeräten, die jeden Versuch eines Tunnelbaus registrieren könnten. Ägypten leite damit derzeit die zweite Phase der von der EU und den USA unterstützten Überwachung ein, heißt es in einem Bericht des ARD-Hörfunkstudios in Kairo. (2)
Am Freitag hieß es im englischen Independent, ägyptische Sicherheitsbeamte hätten den Bau der Anlage bestätigt. (3)
Die Augenzeugen berichteten, die Bauarbeiten an einem fünf Kilometer langen unterirdischen Wall aus fünf Zentimeter dicken Stahlplatten hätten bereits vor sechs Monaten begonnen. Die rund 100 Meter von der Grenze entfernt installierte Metallwand soll nach der Fertigstellung 18 Meter tief in den Boden reichen.
Nach Informationen des britischen Senders BBC wird die Stahlmauer von den USA finanziert, berichtete die ARD.
Ein Augenzeuge, der direkt an der Grenze wohnt, erzählte dem Sender am Telefon von den Bauarbeiten: „Die graben hier seit einer ganzen Weile. Wir haben auch gehört, dass sie eine eiserne Trennwand bauen wollen, die 25 bis 28 Meter in den Boden reicht. Aber offizielle Angaben gibt es natürlich nicht. In den letzten zwei Monaten haben sie eine Röhre gebohrt, die dürfte sieben Kilometer lang sein.“
Ortsansässige Bauern, die von den Bauarbeiten betroffen sind, wurden nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters mit 150 ägyptischen Pfund für jeden Pfirsichbaum und 250 Pfund für jeden Olivenbaum entschädigt.
Israel hat den Gazastreifen bereits nahezu vollständig abgeriegelt. Im Dezember 2008 hatte die israelische Regierung mit einer dreiwöchigen Offensive den überaus blutigen Gazakrieg begonnen, bei dem mehr als 1.400 Palästinenser getötet und mehr als 5.000 verletzt wurden. Internationale Menschenrechtsorganisationen und eine von der UNO eingesetzte Kommission haben Israel und der im Gazastreifen regierenden Hamas Kriegsverbrechen vorgeworfen.
Sollten sich die Nachrichten über den ägyptischen Mauerbau erhärten, dann wird sich die ohnehin schon katastrophale Versorgungslage der palästinensischen Zivilbevölkerung noch erheblich verschärfen. Da Ägypten den Übergang Rafah an der Grenze zum Gazastreifen seit einiger Zeit nur noch sporadisch öffnet, werden durch die Schmugglertunnel vor allem Lebensmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs transportiert.
„Wir Bewohner von Rafah werden benachteiligt. Die Polizei durchsucht ständig unsere Autos, kontrolliert die Lebensmittel, die wir einkaufen, alles. Zum Beispiel gibt es hier einen jungen Mann, der bald heiraten will. Die Polizei hat ihm verboten, Möbel in sein neues Haus hier im Grenzviertel zu transportieren. Er war gezwungen, sich außerhalb eine Wohnung zu mieten. Bett, Schränke, Kühlschrank – nichts durfte er hier reinbringen, denn so was geht ja auch durch die Tunnel“, zitiert das ARD-Hörfunkstudio einen Augenzeugen.
Mark Regev, ein Sprecher des israelischen Premierministers Benjamin Netanyahu, sagte: „Ich kann nicht bestätigen, was die Ägypter tun oder nicht tun. Aber ich kann sagen, dass die Ägypter in den vergangenen beiden Monaten ihre Anstrengungen verstärkt haben, den Schmuggel zu unterbinden. Wir begrüßen das.“
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Möglicherweise haben deutsche Experten bei der Planung des ägyptischen Mauerprojekts eine wichtige Rolle gespielt. Nach der Invasion des Gazastreifens durch die israelische Armee waren neben amerikanischen nämlich auch deutsche Experten auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel unterwegs gewesen, um gemeinsam mit den Ägyptern einen Plan auszuarbeiten, der den Schmuggel von Waffen über Ägypten in den Gazastreifen beenden soll. Das berichtete der österreichische Standard in seiner Freitagausgabe.
(1) http://www.haaretz.com/hasen/spages/1133749.html
(2) http://www.tagesschau.de/ausland/gazastreifen324.html
(3) http://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/egypt-constructs-huge-gaza-wall-1838197.html