Weltpolitik

Friedrich auf der Schleimspur in die USA

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Ein Kommentar von SUSANN WITT-STAHL, 12. Juli 2013 –

Präsident Obama lässt die Bundesregierung in der NSA-Spionage-Affäre am langen Arm verhungern – zumindest sieht es in der Öffentlichkeit so aus. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) reiste heute nach Washington, um offene Fragen zu klären. Der Erfolg dürfte bei null liegen. Weder Berlin noch Washington haben ein aufrichtiges Aufklärungsinteresse.

Der US-Geheimdienst NSA überwacht in atemberaubendem Ausmaß die Kommunikation in Deutschland und Europa, sogar Behörden- und Politikerbüros wurden offenbar verwanzt. Die Vorwürfe stehen seit Wochen im Raum. Die US-amerikanische Regierung hat sich bislang nicht sonderlich bemüht, die Gemüter in Deutschland zu beruhigen. Sie ließ die sich ahnungslos gebende Bundesregierung zappeln und deren schriftliche Anfragen unbeantwortet.

Nun ist Friedrich nach Washington gereist – offiziell um offene Fragen zu klären und die deutsche Sicht auf die Dinge darzulegen. Angeblich will er „Klartext“ reden, kraftmeierte Friedrich publikumswirksam. Was er darunter versteht, erläuterte sein Sprecher Jens Teschke: Es gehe vor allem darum, „verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen“. Das klingt eher nach Anbiederung als nach „Klartext“. Auch mit den eigenen Aussagen konterkariert Friedrich seine vollmundige Ankündigung und nährt immer mehr den Verdacht, dass er auf der Schleimspur in die USA fährt: Vorverurteilungen seien total unfair, lamentierte Friedrich. Und überhaupt müsse Deutschland doch sehr dankbar für die Hinweise des US-Geheimdienstes sein.

Wenn ein deutscher Innenminister auf den Tisch haut

Gerade einmal etwas mehr als 24 Stunden hat Friedrich für seinen „wichtigen“ Besuch in Washington eingeplant. Zwei Gespräche gab es im Weißen Haus – mit Justizminister Eric Holder und der Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Lisa Monaco. Kurzzeitig war auch Vizepräsident Joe Biden dabei. Man habe mehr Transparenz und Information in Geheimdienstfragen vereinbart. Die US-Seite werde einen „Deklassifizierungs-Prozess“ in Gang setzen, damit deutsche Behörden besser unterrichtet werden können, vermeldete Jens Teschke am Nachmittag. Beide Seiten hätten die „Balance zwischen Sicherheit und Freiheit“ betont, so das, wie erwartet, so gut wie nichtssagende Ergebnis. Friedrich wies noch eben schnell auf die „besondere Sensibilität der Deutschen beim Thema Privatsphäre und Datenschutz“ hin, dann gibt es noch ein paar Pressestatements, und schon geht’s bald wieder ab nach Hause.

Donnerwetter – so hört es sich an, wenn ein deutscher Innenminister im Weißen Haus einmal ordentlich auf den Tisch haut. Die US-Regierung hat immerhin so viel Anstand besessen, das wahrscheinlich überflüssige Gespräch zunächst nicht zu kommentieren – vermutlich war ihr die Absonderung weiterer Sprechblasen doch zu peinlich.

Die parlamentarische Opposition, SPD und Grüne, die, als sie an der Regierung waren, ebenfalls stets alles unterlassen haben, was die „amerikanischen Freude“ verstimmen könnte, warten indes auf der anderen Seite des Atlantiks ungeduldig auf Friedrichs Rapport. Sie mimen nun die großen Enthüller und fordern eine lückenlose Offenlegung der hässlichen Einzelheiten der Schnüffelei und klare Vereinbarungen mit den USA, damit der Datenklau ein Ende hat. Die Bundestagsgremien – der Innenausschuss und das Parlamentarische Kontrollgremium  – verlangen Antworten. Friedrich wird dort nach seiner Rückkehr irgendeine Auskunft geben müssen.

US-Regierung ganz entspannt

Gar kein Interesse daran, der Bevölkerung in Deutschland und Europa die schmutzigen Details der Bespitzelung Auskunft zu geben und ihr Tun zu rechtfertigen, hat die Obama-Administration. Die verzeiht sich ihre eigenen Vergehen mehr als großzügig. „Jedes Land, das sich international mit Fragen der nationalen Sicherheit befasst, unternimmt jede Menge Aktivitäten, um seine nationale Sicherheit zu schützen, und dazu gehört (das Sammeln) von allen möglichen Informationen“, verkündete Außenminister John Kerry vor einigen Tagen luftig. Das sei doch nichts Ungewöhnliches.

Auch Obama macht aus seiner Arroganz der Macht wenig Hehl. Seine Strategie läuft darauf hinaus, den Europäern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Geheimdienste kümmerten sich nun mal um Informationen, die nicht in den Zeitungen stehen, verniedlichte er den Skandal lakonisch und schickte noch ein Scherzchen hinterher: „Wenn ich wissen will, was Kanzlerin Merkel denkt, dann rufe ich Kanzlerin Merkel an.“

Obama kann sich ja auch ganz entspannt zurücklehnen. Die Mehrheit der US-Bürger hat offenbar nach 9/11 längst vor dem factum brutum des sukzessiven Freiheitsentzugs und Umbaus ihres Landes zu einem Hochsicherheitsgroßraumgefängnis kapituliert und findet sich damit ab, dass nur noch bei guter Führung ein weitgehend unbehelligtes Leben – immerhin mit Dauerbespaßung durch Kulturindustriemüll – als Belohnung winkt. Daher schlägt das Thema „Datensammeln bei Freunden“ dort kaum Wellen. Die zunehmend gleich ausgerichteten etablierten Medien fordern lieber unisono den Kopf des „schändlichen Verräters“, des Ex-Geheimdienstmanns Edward Snowden, der die Machenschaften der NSA entlarvt hat, und stellen intensive Überlegungen an, wie die Treibjagd auf ihn erfolgreich zum Abschluss gebracht werden kann.

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Derweil kommen weitere hässliche Wahrheiten über die NSA-Praxis ans Licht. Die britische Zeitung Guardian berichtet, der Software-Riese Microsoft unterstütze den Geheimdienst dabei, die Verschlüsselung von Daten durch Nutzer seiner Dienste zu umgehen. Dank Microsoft habe die NSA stets Zugriff auf die Informationen gehabt.

(mit dpa)

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