Weltpolitik

Ein Jahr nach dem Militärputsch in Honduras

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

1277810680

Das subversive Treiben der deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung –

Von REDAKTION, 29. Juni 2010 –

Ein Jahr nach dem Putsch liberal-konservativer Kräfte in Honduras gegen den gewählten Präsidenten Manuel Zelaya ist das mittelamerikanische Land weiterhin weitgehend international isoliert. Der am 29. November vergangenen Jahres bei unfreien Wahlen gewählte Nachfolger des Putschisten Roberto Micheletti, der konservative Unternehmer Porfirio Lobo, ist von vielen Staaten nicht anerkannt worden. Die Mitgliedschaft des verarmten Landes in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ist auch weiter ausgesetzt. Zelaya war mit einem konservativen Programm gewählt worden, während seiner Amtszeit hat er sich aber vor allem außenpolitisch nach links bewegt und sich den ALBA-Staaten angenähert.  Am 28. Juni 2009 wurde er bei Nacht und noch im Schlafanzug vom Militär außer Landes verschleppt.

Nach seiner heimlichen Rückkehr in die Heimat hatte sich Zelaya im vergangenen Jahr wochenlang in der brasilianischen Botschaft in der Hauptstadt Tegucigalpa verschanzt. Nach dem Amtsantritt von Lobo im Januar konnte er ins Exil in der Dominikanischen Republik ausreisen. Viele Staaten haben seine sichere Rückkehr nach Honduras zur Voraussetzung für eine Normalisierung der Beziehungen gemacht. Zelaya macht jedoch geltend, dass er derzeit nicht in seine Heimat zurückkehren könne, weil die von den Putschisten gesteuerte Justiz ihn dann hinter Gitter bringen werde.

Auslöser des Putsches war, dass Zelaya das Land durch die angestrebte Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung demokratisieren wollte. Zelaya bezichtigte am Montag die USA, den Putsch organisiert zu haben. Tatsächlich verurteilte die US-Regierung den Putsch öffentlich, doch insgeheim unterstützte sie ihn. (1) Unterstützung erhielten die Putschisten auch durch die der FDP nahe stehende Friedrich-Naumann-Stiftung, die jährlich mit Millionenbeträgen vom deutschen Staat gefördert wird.

Mehr als die Hälfte der 62 Abgeordneten der Putsch-Partei PLH (Partido Liberal de Honduras), der auch Zelaya angehörte, standen im Kontakt zur Naumann-Stiftung. „Im honduranischen Parlament haben wir jetzt eine 39-köpfige Naumann-Fraktion“, protzte die Projektkoordinatorin der Stiftung in Honduras, Rosbinda Sabillón, nach den Wahlen Ende 2005. Wie die Stiftung damals mitteilte, besaßen vier Minister sowie vier stellvertretende Minister der Regierung Zelaya einen „Stiftungshintergrund“, acht Personen „aus dem unmittelbaren Projektumfeld“ der Stiftung stiegen unter dem neuen Präsidenten zu Leitern höchster Staatsbehörden auf. „Unter den 165 gewählten liberalen Bürgermeistern befinden sich rund 60 Politiker aus dem Umfeld der Projektarbeit mit der liberalen Jugend“, teilte die Stiftung damals mit – und sah ihren Nachwuchs „in den Startlöchern für eine politische Karriere“. (2)

In den Startlöchern befand man sich in der liberalen Jugend vor allem zur Jagd auf oppositionelle Kräfte, die unmittelbar nach der Entführung Zelayas begann. Wie viele Tote und Verletzte direkt auf das Konto der FDP-Jünger gehen, wird wohl nie aufgeklärt werden.

Neben konkreter organisatorischer Unterstützung der Putschisten spielte und spielt die Naumann-Stiftung eine Schlüsselrolle dabei, den Putsch propagandistisch zu unterstützen.

Bereits am Tag des Militärputsches veröffentlicht sie einen ausführlichen Artikel zum Thema unter dem Titel „Manuel Zelaya – mehr Täter als Opfer“. Darin wird behauptet, Zelaya habe den Kongress mit seinem Vorhaben der Vertiefung der Demokratie „provoziert“, so dass dieser gegen seinen Willen zum Militärputsch gezwungen gewesen sei. Der Autor des Textes, Christian Lüth, ist der „Direktor für Projektkoordination in Honduras, Nicaragua und Guatemala“. Auch in den beiden letztgenannten Ländern ist die Stiftung subversiv tätig.

Dass nur Stunden nach dem Putsch ein solch ausführlicher Rechtfertigungsartikel erscheint, lässt darauf schließen, dass die FDP-Stiftung in die Pläne der Putschisten eingeweiht war.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisierte zum Jahrestag des Putsches unterdessen die „alarmierende Lage der Medienfreiheit in dem mittelamerikanischen Land“. „Das Land hat sich zu einem der gefährlichsten Länder für Journalisten entwickelt. Das vergangene Jahr war von Gewalt und Mordattentaten gegen Journalisten, Angriffen auf kritische Medien und Zensurmaßnahmen geprägt“, schrieb die Organisation in einer Erklärung. Von Zensur betroffen seien vor allem die Medien, die den Putsch kritisch beurteilten. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation CEJIL fielen seit dem Putsch acht Journalisten Mordanschlägen zum Opfer. Aber auch oppositionelle Politiker geraten in das Visier von Todesschwadronen.

So wurde vor einem Monat der 27 Jahre alte Gilberto Alexander Núñez Ochoa in Tegucigalpa zusammen mit einem Freund von Unbekannten vor seiner Haustür erschossen. Núñez Ochoa gehörte der Kommission für Disziplin und Sicherheit der Nationalen Widerstandsfront (FNRP) an, einem breiten Bündnis aus Gewerkschaften und linken Organisationen, das sich unmittelbar nach dem Staatsstreich gebildet hatte.

Erst vor einer Woche wurde der frühere Minister für nachhaltige Agrarentwicklung in der Regierung Zelayas, Roland Valenzuela, von Unbekannten ermordet. Valenzuela hatte sich nach dem Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten der Widerstandsbewegung gegen die Putschisten angeschlossen. Laut oppositionellen Gruppen haben die gewalttätigen Angriffe auf sie nach der Machtübertragung auf Lobo im Januar dieses Jahres noch zugenommen.

Doch alle Berichte über Morde, Entführungen und Folter gegenüber Oppositionellen und Journalisten tun der guten Beziehung der Naumann-Stiftung zur Putsch-Regierung keinen Abbruch.

So berät die Stiftung künftig die Nationalpolizei von Honduras. „Auf Bitten von José Luis Muñoz Licona“, dem im März ernannten obersten Polizeichef des Landes, „hat die Stiftung ihre Arbeit mit der Nationalpolizei wieder aufgenommen und wird gemeinsam mit zwei Beamten der deutschen Polizei als erstes eine strukturelle Beratung und eine Analyse der Arbeit und der Aufgaben dieser wichtigen Institution durchführen“, sagte Christian Lüth. Ziel sei, „das hohe professionelle Niveau der honduranischen Polizei zu garantieren“. Voll des Lobes war Lüth in diesem Zusammenhang auch für die honduranische Armee und den Obersten Gerichtshof, die „besonders im vergangenen Jahr eine außerordentliche Rolle gespielt“ hätten. „Beide Institutionen verdienen unseren Respekt und unsere Unterstützung“, so Lüth weiter. Die Armee habe „den Frieden im Land bewahrt und die Verfassung verteidigt“, während die obersten Richter „freie und transparente Wahlen organisiert und durchgeführt“ hätten.(3)

Die Unterstützung der Entführung eines demokratisch legitimierten Präsidenten, die Rechtfertigung von Terror gegenüber der Opposition und die Bezeichnung der unter den Putschisten durchgeführten Wahlen als „frei und transparent“ zeigt deutlich, welches Demokratie-Verständnis bei der FDP vorherrscht. Und es zeigt leider auch, dass Deutschland seinem Anspruch, ein Rechtsstaat zu sein, nicht gerecht wird. Denn schließlich gibt es Gesetze, die es deutschen Staatsbürgern verbieten, Terroristen im Ausland zu unterstützen – doch Mitglieder der FDP scheinen über dem Gesetz zu stehen. Mehr noch, ihre Förderung des Terrors in Honduras wird vom deutschen Steuerzahler gesponsert. Und seitdem die FDP den Außenminister stellt, dürfte sich die Naumann-Stiftung ermutigt fühlen, die subversive Tätigkeit gegen demokratische Regierungen in Lateinamerika zu verstärken.

Ironischerweise sieht sich Präsident Lobo selbst von einem Putsch bedroht. Vor zwei Wochen erklärte er nach einer Kabinettssitzung, man habe eine Gruppe von Verschwörern identifiziert, die „den Präsidenten der Republik wegwischen“ wollten. Sollte es dazu kommen, dass Lobo wie Zelaya von maskierten Militärs entführt oder sogar von Todesschwadronen liquidiert wird, darf man gespannt sein, wie die FDP-Stiftung dieses mal der Öffentlichkeit erklären wird, warum man „zur Verteidigung der Demokratie“ Lobo gewaltsam entfernen musste.

(1) http://www.amerika21.de/hintergrund/2009/usa-82534234-putsch-honduras/

Abo oder Einzelheft hier bestellen

Seit Juli 2023 erscheint das Nachrichtenmagazin Hintergrund nach dreijähriger Pause wieder als Print-Ausgabe. Und zwar alle zwei Monate.

Hintergrund abonnieren

(2) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=13971

(3) http://www.jungewelt.de/2010/05-18/022.php

Newsletter

Wir senden keinen Spam! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Der Hintergrund-Newsletter

Wir informieren künftig einmal in der Woche über neue Beiträge.

Wir senden keinen Spam! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Drucken

Drucken

Teilen

Voriger Artikel Weltpolitik Militarismus und Demokratie: Was die McChrystal-Affäre zeigt
Nächster Artikel Weltpolitik Russland erweitert seinen Einfluss mit neuer Zollunion