Die neue Obama-Doktrin, ein Sechs-Punkte-Plan für globalen Krieg
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Spezialoperationen, Drohnen, Spionage, Soldaten in Zivil, „proxy fighter“ und Cyber-Kriegsführung –
Von NICK TURSE, 25. Juni 2012 –
Es sieht aus wie eine Szene aus einem Hollywood-Film: In tiefschwarzer Nacht greifen Männer in Kampfanzügen, ausgerüstet mit automatischen Waffen und Nachtsichtgeräten, nach einem dicken Seil, das von einem MH-47 Chinook-Helikopter herunterhängt. Blitzartig lassen sie sich auf das Deck eines Schiffes hinab.
Nach der Landung auf dem Achterdeck teilt sich das Spezialkommando in kleinere Gruppen auf und beginnt mit der systematischen Durchsuchung des Schiffes, das im Hafen von Jinhae in Südkorea liegt. Unterdeck und auf der Brücke richten die Kommandos ihre Waffen auf einige Männer, die sie dort aufgefunden haben – aber niemand gibt einen Schuss ab. Schließlich ist es nur eine Übung.
Bei den Militärkräften handelte es sich ausnahmslos um SEALs (eine Spezialeinheit der US Navy – die Abkürzung steht für „Sea, Air, Land“). Aber nicht alle von ihnen waren Amerikaner. Nur einige kamen von der Naval Special Warfare Group 1 aus Coronado, Kalifornien, andere hingegen von der südkoreanischen Naval Special Brigade. Die Aktion war Teil von Foal Eagle 2012, einer multinationalen Übung. Sie steht auch als Modell für den viel beachteten „Schwenk“ des US-Militärs, das seinen Einsatzschwerpunkt vom Großraum Naher Osten hin nach Asien verlagert. Dieser Schwenk, den Außenministerin Hillary Clinton im November 2011 in ihrem im Foreign Policy erschienenen Artikel „America’s Pacific Century“ umrissen hat (1), beinhaltet die Verlegung von 250 Marines als Erstkontingent ins australische Darwin, die Stationierung von Küstenkampfschiffen in Singapur, den Ausbau der militärischen Beziehungen zu Vietnam (2) und Indien (3), die Durchführung von Manövern auf den Philippinen (sowie einem dortigen Drohneneinsatz) und die Verlegung des Großteils der Schiffe der US-Marine in den Pazifik bis zum Ende des Jahrzehnts.
Die Übung spiegelt aber auch einen anderen Schwenk wieder, der das Erscheinungsbild der amerikanischen Art der Kriegsführung betrifft. Vergangenheit sind Invasionen im großen Stil und großflächige Besatzungen von Gebieten des eurasischen Festlandes. Zukünftig muss man sich folgende Szenarien vorstellen: Spezialkommandos, die eigenständig vorgehen, aber auch alliierte Militärs ausbilden oder an deren Seite in den Krisenherden rund um die Welt kämpfen. Und einhergehend mit dem Einsatz der Berater für spezielle Operationen, den Ausbildern und Kommandos, werden die Anstrengungen verstärkt, die Spionagetätigkeit und Geheimdienstarbeit zu militarisieren sowie den Einsatz von unbemannten Drohnen, Cyber-Attacken und gemeinsame Operationen des Pentagon mit den zunehmend militarisierten „zivilen“ Regierungsbehörden zu forcieren.
Viele dieser Aspekte wurden bereits von den Medien aufgegriffen, aber wie sich dies alles in das einfügt, was das neue globale Antlitz des Imperiums genannt werden kann, ist der öffentlichen Aufmerksamkeit entgangen. Dabei steht diese Entwicklung für nichts weniger als eine neue Obama-Doktrin, ein Sechs-Punkte-Programm zur Kriegsführung im 21. Jahrhundert im US-amerikanischen Stil, das die Regierung nun sorgfältig entwickelt und vervollkommnet. (4)
Der globale Geltungsbereich dieser Doktrin ist ohnehin atemberaubend und ebenso wie Donald Rumsfelds „Army light“ und David Patraeus‘ Aufstandsbekämpfungsoperationen wird sie ihren Höhenflug haben – und wie ihre Vorgänger wird sie zweifellos ihre Schöpfer in einer Weise enttäuschen, die jene überraschen wird.
Die Verschmelzung
Viele Jahre lang hat das US-Militär das „Jointness“-Konzept gepriesen, also das Zusammenwirken von Teilstreitkräften über Ländergrenzen hinweg. Ein Armee-Hubschrauber der Navy SEALs, auf einem koreanischen Schiff absetzt, spiegelt dieses Vorhaben auf der taktischen Ebene wieder. Allem Anschein nach wird die Zukunft aber noch ganz andere Dinge parat haben. Man muss es sich als eine Art der „Verschmelzung“ vorstellen. Bei dieser Kriegsführung verbindet das dominierende Pentagon seine Kräfte mit denen anderer Regierungsbehörden – vor allem der CIA, dem Außenministerium und der Drogenbekämpfungsbehörde DEA – zu komplexen, übergreifenden Missionen rund um den Globus.
Im Jahr 2001 begann Verteidigungsminister Donald Rumsfelds „Revolution militärischer Angelegenheiten“, die das Pentagon zu einem militärischen „Light“-Modell beweglicher und hochtechnisierter Kräfte veranlasste. (5) Das Modell fand sein jähes Ende in den umkämpften Städten Iraks. (6) Die letzten Spuren seiner vielen Unzulänglichkeiten sind ein Jahrzehnt später im festgefahrenen Krieg in Afghanistan zu begutachten, wo es nicht gelingt, den bunt zusammengewürfelten Aufstand einer Minderheit zu bezwingen. In den darauf folgenden Jahren haben zwei Verteidigungsminister und ein neuer Präsident die Leitung über eine weitere Transformation – die darauf ausgerichtet ist, ruinöse, groß angelegte Landkriege zu vermeiden.
Unter Präsident Obama haben die USA verschiedene militärische Kampagnen ausgeweitet oder begonnen – die meisten von ihnen verwenden eine Mischung aus sechs Elementen des modernen Krieges amerikanischer Bauart. Nehmen wir den Krieg in Pakistan – ein Paradebeispiel für das, was wir jetzt die Obama-Formel oder gar -Doktrin nennen können: Er begann unter der Bush-Administration als eine stark begrenzte Kampagne von Attentaten mittels Drohnen, unterstützt von grenzübergreifenden Kommandoaktionen. (7) Unter Obama wurden die Operationen in Pakistan zu einem ausgewachsenen Roboter-Luftkrieg ausgedehnt, ergänzt durch grenzüberschreitende Hubschrauber-Angriffe (8) und durch CIA-finanzierte „Kill Teams“ afghanischer „proxy forces“ (militärische Stellvertreter, Anm. Red.). (9) Und auch durch Bodenoperationen von Elite-Spezialkräften (10), darunter der SEAL-Überfall, bei dem Osama Bin Laden getötet wurde. (11)
Ebenso hat die CIA in Pakistan verdeckte Geheimdienst- und Beobachtungsmissionen durchgeführt, auch wenn die Rolle der Behörde zukünftig aufgrund der Übernahme von Aufgaben durch das Pentagon geschwächt werden könnte. (12) Im April hat Verteidigungsminister Leon Panetta tatsächlich die Gründung einer neuen CIA-ähnlichen Spionagebehörde namens Defense Clandestine Service innerhalb seines Ministeriums verkündet. Laut Washington Post ist deren Ziel die Ausweitung „der militärischen Spionageaktivitäten über die Kriegsgebiete hinaus“. (13)
Während des vergangenen Jahrzehnts wurde der Begriff des Kriegsgebietes bemerkenswert unscharf gefasst – ein Vorgang, der das Verschmelzen der Missionen und Aktivitäten der CIA und des Pentagon reflektiert. Die Washington Post analysierte die neu gegründete Behörde sowie den „umfassenden Trend der Annäherung“ des Verteidigungsministeriums und der CIA und schrieb, dass „die Verschmelzung auch in den höheren Rängen der Organisationen offenkundig ist. Panetta diente zuvor als CIA-Direktor, und dieses Amt hat gegenwärtig der pensionierte Vier-Sterne-General David H. Patreus inne“. (14)
Um bei diesem Prozess nicht hinten anzustehen, setzte das Außenministerium, einst der Sitz der Diplomatie, im vergangenen Jahr seinen langen Marsch der Militarisierung (und Marginalisierung) fort, als es zustimmte, einige seiner Ressourcen mit dem Pentagon zusammenzulegen, und der Global Security Contingency Fund ins Leben gerufen wurde. (15) Dieses Projekt wird dem Verteidigungsministerium noch mehr Mitspracherecht dabei einräumen, den „proxy forces“, den militärischen Stellvertretern an Orten wie dem Jemen oder dem Horn von Afrika Hilfsleistungen aus Washington zukommen zu lassen.
Eins ist sicher: Die Kriegsführung der USA (einhergehend mit ihren Spionen und Diplomaten) versinkt immer tiefer „im Schatten“. Erwartungsgemäß wird es häufiger zu verdeckten Operationen an noch mehr Orten kommen, die natürlich auch ein noch größeres Potential für Rückschläge in den kommenden Jahren in sich bergen.
Der „schwarze Kontinent“ im Brennpunkt
Einer der Schauplätze, an dem wahrscheinlich ein Zustrom von Pentagon-Spionen in den nächsten Jahren zu beobachten sein wird, ist Afrika. Unter Präsident Obama wurden die Operationen auf dem Kontinent stark über das Konzept der Bush-Administration eher begrenzter Interventionen hinaus ausgeweitet. (16)
Im letzten Jahr der Krieg gegen Libyen; die gegenwärtigen Aktivitäten umfassen einen regionalen Feldzug mit Drohnen, der von den Luftwaffenstützpunkten und -Basen in Dschibuti, Äthiopien und auf den Seychellen geführt wird (17); eine Flotte von dreißig Schiffen, die im Indischen Ozean regionale Operationen unterstützt (18); eine mehrgleisige Aktion des Militärs und der CIA gegen Militante in Somalia, inklusive Geheimdienstoperationen, Ausbildung von somalischen Agenten, Geheimgefängnissen, Hubschrauber-Angriffen und Razzien durch US-Kommandos (19); ein massiver Zuwachs an Finanzmitteln für Anti-Terror-Operationen in ganz Ostafrika (20); ein möglicherweise altmodischer Luftkrieg, der heimlich mittels bemannter Flugzeuge in der Region geführt wird (21); Waffen für verbündete Söldner und afrikanische Truppen im Wert von zweistelligen Millionenbeträgen (22); und Expeditionsstreitkräfte für spezielle Operationen (23) (unterstützt von Experten des Außenministeriums (24)), die bei der Gefangennahme oder Tötung der hochrangigen Kommandeure der Lord‘s Resistance Army sowie ihres Anführers Joseph Kony helfen sollen und die in Uganda, Südsudan, der Demokratischen Republik Kongo und der Zentralafrikanischen Republik – wo die US-Spezialkräfte jetzt eine neue Basis errichtet haben – operieren (25). All dies markiert nur die Spitze des Eisbergs der sich schnell ausweitenden Pläne und Aktivitäten Washingtons in Afrika.
Noch weniger bekannt sind andere Anstrengungen des US-Militärs, afrikanische Kräfte für Operationen auszubilden, die mittlerweile als unverzichtbar für die Durchsetzung amerikanischer Interessen auf dem Kontinent angesehen werden. Dazu gehört beispielsweise der Einsatz der militärischen Elite-Einheiten wie der Force Recon Marines der Special Purpose Marine Air Ground Task Force 12 (SPMAGTF-12). Sie bildet die Soldaten der ugandischen Armee aus, die den Großteil der Truppen für die Mission der Afrikanischen Union in Somalia stellt.
Anfang des Jahres bildeten Marines der SPMAGTF-12 auch Soldaten der burundischen Armee aus, die das zweitgrößte Kontingent in Somalia stationiert haben. Ebenso wurden Ausbilder nach Dschibuti entsandt (wo die USA bereits eine große Militärbasis, Camp Lemonier, unterhalten) und nach Liberia, wo sie das Militär vor allem in Aufstandsbekämpfungsmethoden unterrichteten.
Auch in Algerien, Burkina Faso, dem Tschad, Mauretanien, Niger und Tunesien führen die USA Anti-Terror-Trainings durch und statten das Militär aus. (26) Zusätzlich hat das US-Afrika-Kommando (Africom) für 2012 die Durchführung von 14 großen gemeinsamen Manövern geplant, inklusive Operationen in Marokko, Kamerun, Gabun, Botswana, Südafrika, Lesotho, Senegal und Nigeria, das bald zum Pakistan Afrikas werden könnte.
Doch damit ist das volle Ausmaß der Ausbildungs- und Beratungsmissionen der USA in Afrika noch nicht erfasst. Um ein Beispiel zu nehmen, das sich nicht auf der Liste von Africom befindet: In diesem Frühjahr brachten die USA elf Nationen zusammen, darunter die Elfenbeinküste, Gambia, Liberia, Mauretanien und Sierra Leone, um an einer Marine-Übung mit dem Code-Namen Saharan Express 2012 teilzunehmen.
Zurück im Hinterhof
Seit ihrer Gründung haben sich die Vereinigten Staaten in ihrer Umgebung eingemischt, das karibische Meer als ihren privaten See betrachtet und nach Belieben in ganz Lateinamerika interveniert. Von einigen nennenswerten Ausnahmen abgesehen hat sich Washington während der Zeit unter Präsident Bush bei der Verfolgung seiner Interessen in Amerikas „Hinterhof“ eine Auszeit zugunsten der weit entfernt geführten Kriege genehmigt. (27) Jüngst hat die Obama-Administration jedoch die Operationen südlich der US-Grenze unter Verwendung des neuen Rezepts wieder intensiviert. So fliegt das Pentagon Drohnen-Einsätze tief im Landesinnern von Mexiko (28), um dessen Regierung im Kampf gegen die Drogenkartelle zu unterstützen, während CIA-Agenten und zivile Angestellte des Verteidigungsministeriums auf mexikanische Militärstützpunkte entsendet wurden, um sich am „ Anti-Drogen-Krieg“ zu beteiligen. (29)
2012 hat das Pentagon auch seine Anti-Drogen-Operationen in Honduras intensiviert. Aus dem Forward Operation Base Mocoron und anderen Stützpunkten heraus unterstützt das US-Militär die honduranischen Einsätze durch Methoden, die ihren Feinschliff im Irak und in Afghanistan erhalten hatten. (30) Außerdem führten US-Streitkräfte gemeinsame Operationen mit honduranischen Truppen im Rahmen der Übung Beyond the Horizon 2012 durch. Darüber hinaus helfen die Green Berets honduranischen Spezialkommandos bei ihren Aktionen gegen den Drogen-Schmuggel. (31) Und ein Unterstützungsteam mit Beratungsfunktion der US-Drogenbekämpfungsbehörde DEA – ursprünglich ins Leben gerufen, um den Opiumhandel in Afghanistan zu bekämpfen – arbeitet mit Honduras Tactical Response Team zusammen, der Drogenbekämpfungs-Eliteeinheit des Landes.
Kürzlich gab es einen kurzen Einblick in diese Operationen, als öffentlich bekannt wurde, dass Mitarbeiter der DEA in einen Hubschrauber-Luftangriff auf Zivilisten involviert waren, bei dem zwei Männer und zwei schwangere Frauen in der abgelegenen Mosquito-Küstenregion getötet wurden. (32)
Weniger sichtbar sind die Anstrengungen der USA in Guyana, wo Spezialkräfte die einheimischen Truppen in Techniken des Sturmangriffs per Hubschrauber einweisen. „Zum ersten Mal gab es diese Art von Manöver, bei der Spezialeinsatzkräfte der Vereinigten Staaten in einem solchen Ausmaß eingebunden sind“, sagte Colonel Bruce Lovell von der guyanischen Armee zu Jahresbeginn. „Das gibt uns die Möglichkeit, uns selbst zu überprüfen und zu sehen, wo wir stehen und was unsere Defizite sind.“
Das US-Militär ist auf ähnliche Weise an anderen Orten Lateinamerikas aktiv. Es führte Trainingsübungen in Guatemala durch, finanzierte „partnerschaftsbildende“ Missionen in der Dominikanischen Republik (33), in El Salvador, in Peru und in Panama und erreichte eine Vereinbarung mit der kolumbianischen Armee, 19 „Aktivitäten“ im Verlauf des nächsten Jahres durchzuführen, inklusive gemeinsamer Militärübungen.
Noch immer inmitten des Nahen Ostens
Trotz des Endes des Krieges im Irak und in Libyen und trotz einer kommenden Reduzierung der Kräfte in Afghanistan und des ausgiebig öffentlich verkündeten „Schwenks“ bezüglich der nationalen Sicherheit Richtung Asien zieht sich Washington keinesfalls aus dem Großraum Naher Osten zurück. (34) Zusätzlich zu den weiterhin durchgeführten Operationen in Afghanistan (35) sind die USA in der Region von Bahrain bis nach Jemen beständig dabei, alliierte Truppen auszubilden, Militärstützpunkte zu errichten und Waffenverkäufe und Transfers von Militärgütern an die dortigen Despoten einzufädeln. (36)
Tatsächlich hat sich der Jemen, wie sein Nachbar Somalia, zu einem Laboratorium für Obamas Kriege entwickelt. Dort führen die USA ihren Krieg unter dem unverkennbaren neuen Markenzeichen. Dabei führen Truppen wie die SEALs und die Army Delta Force „Schattenoperationen“, unzweifelhaft Tötungs-und Ergreifungsmissionen, durch, während nicht „im Schatten“ agierende Kräfte, wie die Green Berets und die Rangers, einheimische Truppen ausbilden (37) und unbemannte Flugzeuge Mitglieder von al-Qaeda oder mit ihr verbundene Gruppen jagen und töten (38) – möglicherweise unterstützt von einem noch geheimeren Kontingent bemannter Flugzeuge. (39)
Der Nahe Osten ist auch die Region, in der ein weiteres Element der Obama-Doktrin beispielhaft angewendet wurde: Der Cyber-Krieg. In einem Vortrag an der Special Operations Forces Industry Conference, die kürzlich stattgefunden hat, sprach Außenministerin Hillary Clinton über das Verlangen ihres Ministeriums, sich dem neuen amerikanischen Krieg anzuschließen. „Wir brauchen Spezialeinsatzkräfte, die sich beim Teetrinken mit Stammesführern genauso wohl fühlen wie bei einer Razzia auf einem Anwesen von Terroristen“, sagte sie ihren Zuhörern. „Wir brauchen auch Diplomaten und Entwicklungsexperten, die der Aufgabe gewachsen sind, Eure Partner zu sein.“ (40)
Clinton nahm dann die Gelegenheit wahr, um die Online-Bemühungen ihres Ministeriums übermäßig anzupreisen, die gegen die Webseiten von al-Qaeda-Verbindungen im Jemen gerichtet sind. Wenn dort Rekrutierungsmeldungen von al-Qaeda erscheinen, so sagt sie, dann „pflastert unser Team dieselben Seiten mit modifizierten Versionen zu … die zeigen, welchen Blutzoll al-Qaedas Attacken beim jemenitischen Volk hinterlassen“. (41) Sie merkte weiterhin an, dass diese Informationskriege von Experten des staatlichen Center for Strategic Counterterrorism Communications durchgeführt wurden, und zwar, kaum überraschend, mit Unterstützung des Militärs und der Geheimdienste.
Diesen bescheidenen Online-Bemühungen schließen sich wesentlich wirksamere Methoden des Cyber-Krieges an, wie sie vom Pentagon und der CIA angewendet werden. (42) Darunter das kürzlich enthüllte „Olympic Games“, eine Programmierung ausgeklügelter Angriffe auf Computer in iranischen Nuklearanlagen, initiiert von der US-Spionagebehörde NSA und der Unit 8200, dem israelischen Pendant der NSA. (43) Wie andere Elemente der neuen Art der Kriegsführung wurden auch diese Aktivitäten ursprünglich von der Bush-Regierung ins Leben gerufen, aber unter dem gegenwärtigen Präsidenten massiv beschleunigt. Obama ist Amerikas erster oberster Kriegsherr, der nachhaltige Cyber-Attacken anordnete, um die Infrastruktur eines anderen Landes lahmzulegen.
Von Buschbränden zum Flächenbrand
Rund um den Erdball, von Zentral- und Südamerika bis nach Afrika, dem Nahen Osten und Asien arbeitet die Obama-Regierung an ihrem Konzept der neuen amerikanischen Kriegsführung. In diesem Bestreben greifen das Pentagon und seine militarisieren Partnerbehörden auf das ganze Repertoire zurück – von den klassischen Prinzipien kolonialer Kriegsführung bis hin zur Anwendung der neuesten Technologien.
Die Vereinigten Staaten sind eine imperiale Macht, die seit mehr als zehn Jahren durch gescheiterte Boden-Kriege gedemütigt wird. Sie geht an Krücken, weil ihre Wirtschaft ausgezehrt ist. Sie ist überschwemmt von hunderttausenden Veteranen, die unter den Folgen ihres Einsatzes an Verletzungen leiden – das betrifft erschütternde 45 Prozent der Truppen, die in Afghanistan und im Irak gekämpft (44) haben und die einer immer kostspieligeren Behandlung bedürfen. Daher ist es nicht erstaunlich, wenn die neuartige Kombination aus Spezialoperationen, Drohnen, Spionage, Soldaten in Zivil, Cyber-Kriegsführung und „proxy fightern“ nach einer sichereren und vernünftigeren Weise der Kriegsführung klingt. Auf den ersten Blick mag es sogar wie ein Allheilmittel für die Krankheiten im Bereich der nationalen Sicherheit erscheinen. Tatsächlich dürfte es alles andere als das sein.
Die neue Obama-Doktrin der „leichten Fußabdrücke“ macht Kriege attraktiver und lässt sie als einfache Optionen erscheinen. Ein Sachverhalt, auf den vor Kurzem der ehemalige Vorsitzende des Joint Chiefs of Staff, General Peter Pace, aufmerksam gemacht hat. „Ich bin besorgt über das Tempo, das es zu einfach macht, militärische Kräfte einzusetzen“, sagte Pace, als er zu den jüngsten Bemühungen befragt wurde, den Einsatz von Spezialeinsatzkräften im Ausland einfacher zu gestalten. (45) „Ich bin besorgt über die Geschwindigkeit, die es einfach macht, die einfache Antwort zu favorisieren – ‚lasst sie uns mit Spezialoperationen verprügeln’ –, anstatt die vielleicht mühsamere Antwort zu wählen, die eventuell eine bessere Langzeit-Lösung bringt.“
Als ein Resultiat birgt die neue amerikanische Art des Kriegs ein großes Potential für unvorhergesehene Verwicklungen und Rückschläge. Mehrere lokal begrenzte Kriege auf verschiedenen Kontinenten zu führen und zu entfachen, könnte sich zu einem tobenden Flächenbrand ausweiten, dessen Entwicklung unvorhersehbar ist und der sich nur schwer, wenn überhaupt, löschen lassen wird.
Ihrer Natur nach tendieren kleine Waffengänge dazu, größer zu werden, und Kriege tendieren dazu, sich über Staatsgrenzen hinaus auszubreiten. Per Definition tendieren militärische Aktionen zu unvorhersehbaren Konsequenzen. Wer daran zweifelt braucht nur ins Jahr 2001 zurückzuschauen, als drei „low-tech“-Attacken an einem einzigen Tag einen Krieg in Gang setzten, der länger als ein Jahrzehnt anhält und sich über den Globus ausgebreitet hat. Die Reaktion auf jenen Tag begann mit einem Krieg gegen Afghanistan, der nach Pakistan hinüber schwappte, einen Abstecher in den Irak machte, sich in Somalia und Jemen fortsetzte und so weiter. Und heute versuchen Veteranen dieser Interventionen ihren zweifelhaften Erfolg an Orten wie Mexiko und Honduras, der Zentralafrikanischen Republik oder dem Kongo zu wiederholen.
Die Geschichte zeigt, dass die USA nicht besonders gut darin sind, Kriege zu gewinnen. (46) Es gab seit 1945 keinen Sieg in einem größeren Konflikt. Kleinere Interventionen blieben eine bunte Mischung aus bescheidenen Erfolgen, in Ländern wie Panama und Grenada, und schmachvollen Niederlagen, wie im Libanon (in den 1980er Jahren) und in Somalia (in den 1990er Jahren), um nur einige zu nennen.
Das Problem ist, dass es schwer zu sagen ist, wie sich eine Intervention entwickeln wird – bis es schließlich zu spät ist. Bei allen Unterschieden begannen die Kriege in Vietnam, Afghanistan und im Irak alle relativ klein, bevor sie anwuchsen und ruinös wurden. Schon jetzt sieht die Perspektive der neuen Obama-Doktrin nicht rosig aus, trotz der guten Presse, die sie in Washington bekommt.
Was heute noch wie ein Rezept für einfache Machtentwürfe aussieht, die die imperialen Interessen der USA bedienen, könnte sich bald als eine totale Katastrophe erweisen – eine Katastrophe, die wahrscheinlich erst sichtbar wird, wenn es zu spät ist.
Übersetzung: Hintergrund
Der Artikel erschien im Original unter dem Titel The New Obama Doctrine, A Six-Point Plan for Global War bei TomDispatch.com.
Anmerkungen
(1) Darin beschreibt sie einen „Schwenk“ der US-Außenpolitik hin zum Asien-Pazifikraum, der die Region für „die nächsten 60 Jahre“ in den Fokus Washingtons rücken soll. Das Gebiet, das als zentraler Schauplatz des 21. Jahrhunderts erachtet wird, umfasst dabei alle Anrainerstaaten des pazifischen Ozeans von Südamerikas Westküste bis zum Indischen Ozean.
(2) http://www.voanews.com/content/former_foes_vietnam_us_ramp_up_defense_ties/1146981.html
(3) http://www.voanews.com/content/us-panetta-india-afghanistan/1178703.html
(4) Mit den sechs Punkten ist die Mischung aus Spezialoperationen, Drohnen, Spionage, Zivilen Soldaten, Stellvertreter-Kämpfern [„proxy forces“] und Cyber-Kriegsführung gemeint.
(5) http://articles.cnn.com/2002-01-31/us/rumsfeld.speech_1_defense-secretary-donald-rumsfeld-air-power-anti-taliban-forces?_s=PM:US
(6) http://www.guardian.co.uk/world/2011/feb/03/donald-rumsfeld-autobiography-john-mccain
(7) http://edition.cnn.com/2012/03/27/opinion/bergen-drone-decline/index.html
http://www.wired.com/dangerroom/2008/09/us-special-oper/
(8) http://www.guardian.co.uk/world/2010/sep/27/pakistan-nato-raid-afghanistan-taliban
http://www.guardian.co.uk/world/2011/nov/27/pakistan-nato-afghanistan-disarray
(9) http://www.wired.com/dangerroom/2010/09/cias-afghan-kill-teams-expand-u-s-war-in-pakistan/
(10) http://www.cbsnews.com/2100-215_162-7112935.html
(11) http://news.yahoo.com/step-step-bold-special-operations-raid-killed-bin-204300976.html
(12) http://www.nytimes.com/2011/02/22/world/asia/22pakistan.html?_r=1&pagewanted=all
(13) http://www.washingtonpost.com/world/national-security/pentagon-creates-new-espionage-unit/2012/04/23/gIQA9R7DcT_story.html
(14) ebd.
(15) http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2008/07/15/AR2008071502777.html
http://www.nytimes.com/2012/06/05/world/special-ops-leader-seeks-new-authority-and-is-denied.html?_r=2&pagewanted=all
(16) Siehe dazu: http://www.guardian.co.uk/world/2006/sep/10/antonybarnett.theobserver
http://www.armytimes.com/news/2011/11/army-tense-ties-plagued-africa-ops-112811w/
http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/6243459.stm
(17) http://www.tomdispatch.com/archive/175454/
http://www.washingtonpost.com/world/national-security/us-drone-base-in-ethiopia-is-operational/2011/10/27/gIQAznKwMM_story.html
(18) http://defense.aol.com/2012/01/10/does-us-navy-need-more-ships-to-counter-china/
(19) http://www.thenation.com/article/161936/cias-secret-sites-somalia#
http://www.nytimes.com/2009/09/15/world/africa/15raid.html?_r=1
http://www.voanews.com/content/us-special-forces-operation-frees-somalia-hostages–138035338/151103.html
(20) http://thehill.com/blogs/defcon-hill/policy-and-strategy/229709-us-wades-deeper-into-counterterrorism-fight-in-yemen-and-east-africa
(21) http://www.wired.com/dangerroom/2012/05/indian-ocean-shadow-war/#more-80589
(22) http://www.pri.org/stories/politics-society/government/gauging-us-military-involvement-in-somalia5366.html
(23) http://abcnews.go.com/blogs/politics/2011/10/obama-sends-100-us-troops-to-uganda-to-combat-lords-resistance-army/
(24) http://www.smh.com.au/it-pro/security-it/us-hackers-take-cyber-war-to-alqaeda-sites-20120524-1z7rs.html
(25) http://www.washingtonpost.com/world/africa/in-africa-us-troops-moving-slowly-against-joseph-kony-and-his-militia/2012/04/16/gIQAtwMKMT_story.html
(26) http://www.military.com/news/article/us-quietly-assumes-military-posture-in-africa.html
(27) http://www.guardian.co.uk/world/2002/apr/21/usa.venezuela
http://www.commondreams.org/headlines.shtml?/headlines01/0410-04.htm
(28) http://www.nytimes.com/2011/03/16/world/americas/16drug.html?pagewanted=all
(29) http://truth-out.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=2544:us-expands-its-presence-in-mexico-ramping-up-drug-war
(30) http://www.nytimes.com/2012/05/06/world/americas/us-turns-its-focus-on-drug-smuggling-in-honduras.html
(31) ebd.
(32) http://articles.latimes.com/2012/may/22/opinion/la-ed-honduras-drugs-dea-20120522
(33) http://www.navy.mil/submit/display.asp?story_id=65795
(34) http://www.tomdispatch.com/archive/175476/michael_klare_a_new_cold_war_in_asia
(35) http://www.tomdispatch.com/blog/175501/tomgram:_nick_turse,_prisons,_drones,_and_black_ops_in_afghanistan
(36) http://www.tomdispatch.com/blog/175479/tomgram:_nick_turse,_did_the_pentagon_help_strangle_the_arab_spring
(37) http://news.antiwar.com/2012/05/20/us-soldiers-shot-in-yemen-ambush/
(38) http://www.foxnews.com/world/2012/05/28/yemen-us-drone-strike-kills-5-militants/
(39) http://www.wired.com/dangerroom/2012/05/indian-ocean-shadow-war/#more-80589
(40) http://www.wired.com/dangerroom/2012/05/clinton-goes-commando
http://www.washingtonpost.com/world/national-security/us-hacks-web-sites-of-al-qaeda-affiliate-in-yemen/2012/05/23/gJQAGnOxlU_story.html
(41) http://www.smh.com.au/it-pro/security-it/us-hackers-take-cyber-war-to-alqaeda-sites-20120524-1z7rs.html#ixzz1wD2YfPaB
(42) http://www.theglobeandmail.com/technology/tech-news/new-cyberwarfare-virus-found-in-middle-east-researchers/article4217850/
http://www.nytimes.com/2011/10/18/world/africa/cyber-warfare-against-libya-was-debated-by-us.html
http://www.foreignaffairs.com/articles/66552/william-j-lynn-iii/defending-a-new-domain
(43) http://www.nytimes.com/2012/06/01/world/middleeast/obama-ordered-wave-of-cyberattacks-against-iran.html
(44) http://www.startribune.com/lifestyle/health/154775395.html
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(45) http://www.usnews.com/news/us/articles/2012/05/26/raid-admirals-toughest-fight-winning-washington
(46) http://www.tomdispatch.com/post/175114/nick_turse_what_the_u.s._military_can%27t_do
http://www.theamericanconservative.com/articles/no-exit/