Weltpolitik

Die gekaufte Wahl

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Im Dezember 2016 stehen in den Vereinigten Staaten Präsidentschaftswahlen an. Das Rennen um die Spendengelder hat längst begonnen –  

Von HANS BERGER, 10. November 2015 –

In den USA wird gewählt. Zwar erst im Dezember 2016, also in mehr als einem Jahr, aber dennoch ist das Rennen um den Posten im Weißen Haus bereits in vollem Gange. Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA ist ein Spektakel der Superlative. Er dauert länger als jeder andere, er wird weltweit aufmerksamer verfolgt als jeder andere und er kostet mehr als jeder andere. Sechs Milliarden US-Dollar, so schätzen Experten, sollen 2012 insgesamt im bis dahin teuersten Wahlkampf der Geschichte der Vereinigten Staaten verbraten worden sein, ein nicht geringer Anteil entfällt auf Mittel aus den Spendenkampagnen der Kandidaten. 

Vorausgegangen war der Milliardenwahl bereits im Jahr 2010 eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten, der befand, dass Unternehmen in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Privatpersonen gleichgestellt sein müssten und das Spenden unter selbiges Recht fallen. 2014 kippte dann der Gerichtshof die Beschränkung von Wahlkampfspenden, derzufoge eine Einzelperson in den zwei Jahren vor einer Wahl insgesamt höchstens 123 200 US-Dollar an Kandidaten und Parteien spenden durfte.

Nun, da die Vorwahlen beginnen, setzt erneut der Wettlauf um die Spendengelder ein. „Der Präsidentschaftswahlkampf befindet sich in einer frühen Phase, Demokraten und Republikaner küren in einigen Monaten ihren Präsidentschaftskandidaten. Doch schon jetzt haben die über 1000 Super PACs 300 Millionen Dollar in ihren Kassen und haben bereits fünfmal mehr für TV-Spots und sonstige Wahlkampfmaßnahmen ausgegeben als zum selben Zeitpunkt bei der letzten Präsidentschaftswahl“, schreibt die Journalistin Heike Buchter in der ZEIT.

PACs – „Poilitical Action Committees“ – sind Lobbygruppen für einen oder mehrere bestimmte Kandidaten. Ihr Zweck ist es, Gelder zu beschaffen und diese dann zur Werbung und Unterstützung des jeweiligen Kandidaten einzusetzen. Die Komitees sind eigentlich limitiert. Bis zu 5000 US-Dollar an Spenden dürfen sie von einer Person jährlich erhalten. Abgeben dürfen sie 5000 Dollar pro Kandidat und Wahl, 15 000 an eine Partei jährlich. Unbegrenzt ist allerdings die eigene Werbetätigkeit für den präferierten Kandidaten.

Eine Ausnahme bilden die sogenannten Super PACs. Sie wurden durch Gerichtsurteile im Jahr 2010 juristisch ermöglicht und unterliegen im Grunde keinen finanziellen Beschränkungen. Zwar überweisen sie die Gelder nicht direkt an andere PACs oder Kandidaten. Aber sie können unbegrenzt eigene Werbetätigkeiten für ihren Favoriten durchführen. Diese „Spendenpools haben den Einfluss, den die Superreichen in der einflussreichsten Demokratie der Welt ausüben, potenziert“, fasst Heike Buchter zusammen.

Wer diejenigen sind, die sich über die Finanzierung von Kandidaten Einfluss auf den „demokratischen“ Prozess erhoffen, schlüsselt eine detaillierte Recherche der New York Times auf. Sie kommt zu dem Ergebnis: „Sie sind überwiegend weiß, reich, älter und männlich.“ 158 Familien und die von ihnen kontrollierten Firmen haben bis Mitte 2015 176 Millionen US-Dollar an Kandidaten gespendet, meistens eher an das rechte Lager.

Überwiegend seien die Spenden aus dem Finanz-, dem Energie- und Rohstoffsektor sowie aus der Immobilien- und Bauwirtschaft gekommen. Unter ihnen sind Milliardäre und Multimillionäre aus dem Fracking-Business, alte texanische Öldynastien und Hedge Funds. Einige der größten Spender kommen aus einem Bereich, von dem die New York Times feststellt, es sei „schwer aus öffentlichen Dokumenten einzusehen“, woher der Reichtum eigentlich stamme.

Dass sich die Geldgeber von diesen Zuwendungen die Umsetzung ihrer eigenen Interessen erwarten, ist kein Geheimnis. Bisweilen lassen sich wirtschaftliche Interessen der Spender direkt in die Programmatik ihres Schützlings zurückverfolgen. So bekam etwa der Republikaner Ted Cruz 11,3 Millionen US-Dollar von der im Fracking-Bereich tätigen Wilks-Familie, 10 Millionen von dem ebenfalls in der Branche aktiven Toby Neugebauer. Ted Cruz initiierte Anfang 2014 seinen American Energy Renaissance Act, der Vorschläge zur Deregulierung der Fracking-Industrie enthielt. Dazu kommt, dass Cruz das rechtskonservative Familienbild etwa der Wilks-Brüder teilt.

Generell unterstützt der überwiegende Teil der Großspender republikanische Kandidaten und deren kapitalfreundliche Politik. Zwar ist auch das Wahlkampfkonto des einzigen tatsächlich (gemäßigt) linken Kandidaten, Bernie Sanders, prall gefüllt, aber in seinem Fall sind 88 Prozent der Spenden Beträge unter 200 US-Dollar. Umgekehrt kommen mehr als 95 Prozent der Spenden von Ted Cruz aus Zuwendungen von über einer Million. Bei den Republikanern Mike Huckabee und Rick Perry sind es 83 und 78 Prozent.

Die massive Einflussnahme des Großkapitals auf die Wahl des US-Präsidenten stoßen auch in den Vereinigten Staaten auf Kritik. „In der Geld-Wahl haben die meisten Menschen keine Stimme. Stattdessen bestimmt eine kleine Zahl von Super-Reichen und Firmen, welche Kandidaten dazu in der Lage sind, genug Geld aufzutreiben, damit sie die teuren Kampagnen fahren können, die es braucht, um zu gewinnen“, schreibt der landesweite Zusammenschluss von Public Interesst Research Groups (US-PIRG), der für eine gesetzliche Stärkung von Kleinspendern eintritt.

Dieses recht gemäßigte Programm alleine wird allerdings – selbst, wenn es sich durchsetzen sollte – kaum reichen. Das auf ausschließlich zwei Parteien fokussierte Wahlsystem in den Vereinigten Staaten, der massive Einfluss von Lobbyisten und die Monopolisierung der Medien tragen Sorge dafür, dass keine den Eliten-Interessen widersprechende politische Strömung zur Massenbewegung wird. Wenn es um die „Prioritäten der ökonomischen Eliten und die Positionen organisierter Interessengruppen“ gehe, so die Politikwissenschaftler Martin Gilens und Benjamin I. Page, „haben die Wünsche des durchschnittlichen Amerikaners einen unbedeutenden, nahezu nichtigen, statistisch nicht relevanten Einfluss auf die Politik“.


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Veröffentlicht bei telesur am 24. Oktober 2015


 

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