Der Papst, Pädophilie und der Klassenkampf
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Von SARA FLOUNDERS, 12. Mai 2010 –
Vor mehr als 150 Jahren erklärte Marx: „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften ist die Geschichte von Klassenkämpfen. Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigener, in einem Wort Unterdrücker und Unterdrückte.“ Der Kampf ist „ein ununterbrochener, bald versteckter, bald offener Kampf“. Mit der modernen Gesellschaft kommen „neue Bedingungen der Unterdrückung und neue Formen des Kampfes“.
In den vergangenen 25 Jahren hat die katholische Kirche ein heftiger Kampf ergriffen, seit einige der am meisten unterdrückten Opfer sexuellen Missbrauchs in der Jugend in zunehmendem Maße darauf dringen, einzelne Priester und letztlich die mächtige Kirchenhierarchie, einschließlich der Bischöfe und Kardinäle, die ständig die Täter gedeckt haben, zur Verantwortung zu ziehen.
Diese Forderung nach Gerechtigkeit, die von unten hervorbrach, hat nun das Undenkbare getan. Sie hat die Rolle des gegenwärtigen Papstes Benedikt XVI. in einer ungeheuerlichen, internationalen kriminellen Vertuschungsaffäre aufgedeckt.
Marxismus ist eine Wissenschaft zum Verständnis von Klassenfragen, die den sozialen Entwicklungen zugrundeliegen, die dunkel und weit entfernt von dem unmittelbaren Kampf der Arbeiter zu sein scheinen. Die gegenwärtige Kontroverse, obwohl versteckt hinter klerikaler Tracht, ist in jeder Hinsicht ein Klassenkampf innerhalb der katholischen Kirche. Es ist ein kleiner Teil eines globalen Klassenkampfes für volle Gleichheit, Rechte und Mitspracherecht.
Was einst hingenommen wurde, weil es keine Zuflucht zu geben schien, ist jetzt unerträglich geworden. Tausende von Opfern, die jetzt Anklage wegen Pädophilie erheben, waren loyale Gläubige aus der Arbeiterklasse, die extrem machtlos waren, bis sie sich viele Jahre später wehren oder gar ihren eigenen Familien von den begangenen Verbrechen erzählen konnten. Sie wurden als Kinder in Waisenheimen, Reformschulen, Schulen für Taube und Behinderte, örtlichen Pfarrschulen und Kirchen missbraucht.
Diese Herausforderung von unten gegenüber Heimlichtuerei und Unterdrückung war ein radikaler Bruch mit der Vergangenheit. Missbrauch war unangefochten, weil die religiöse Autorität nicht angefochten wurde. In vielen Pfarrschulen war der sexuelle Missbrauch zwar kaschiert, aber der physische und psychologische Missbrauch war derart allgemein, dass er Teil des Unterrichtsstoffs zu sein schien.
Als Opfer begannen, den Mund aufzumachen, wurden alle Priester, die sich auf ihre Seite stellten, zum Schweigen gebracht und vom Unterricht oder von Autoritätsämtern entfernt. Aber die Kirchenhierarchie, eine kleine Gruppe, die im Besitz der absoluten religiösen Autorität ist, war nicht in der Lage, diese Bewegung zum Schweigen zu bringen oder zu stoppen.
So gut wie jede Enthüllung ist sie nicht von außen oder von säkularen Autoritäten gekommen, die Angst hatten, sich mit einer so mächtigen Institution anzulegen, sondern von scheinbar machtlosen Katholiken innerhalb der Kirche, die sich weigerten, länger zu schweigen. Sie schrieben Beschwerden, forderten Amtsenthebungen und stellten am Ende Anzeige über Anzeige. Sie veranstalteten Pressekonferenzen, legten Webseiten an, organisierten Demonstrationen und Unterstützergruppen und verteilten Flugblätter bei Sonntagsgottesdiensten. Unabhängig davon, ob sie sich selbst als Teil eines größeren Kampfes für Rechte und Würde sehen oder nicht, haben sie jedenfalls viele dieselben Taktiken benutzt, die von zahllosen anderen Kämpfen benutzt worden sind.
Die Kirchenhierarchie hat in ihrem Kampf zur Verteidigung ihrer unangefochtenen Autorität, ihres Reichtums und ihrer Privilegien absolutes Schweigen verlangt, mit Exkommunikation gegen jene gedroht, die Anklagen erhoben, und verlangte auch von den säkularen Behörden entsprechende Maßnahmen. Diese Bemühung, die absolute Autorität der Priesterschaft aufrechtzuerhalten ist Teil eines größeren internen Kampfes darüber, wessen Interessen diese mächtige religiöse Institution dienen sollte.
Dieser international Skandal, der die katholische Kirche jetzt erschüttert, bringt detaillierte Beweise über Zehntausende Fälle von Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch an Kindern mit sich, die von Tausenden Priestern begangen wurden. Die Fälle erstrecken sich über Jahrzehnte. Der Kampf begann in seiner schärfsten Form in den Städten, die zuvor die überzeugtesten religiösen Gläubigen in den USA beherbergten. Danach brach er in Irland los, gefolgt von Italien und dann in Teilen Deutschlands mit großem katholischem Bevölkerungsanteil.
Was neu ist und jetzt die beinahe tägliche Aufmerksamkeit der Medien weckt, sind die Beweise, die von überall her auftauchen, welche die persönliche Verantwortung des gegenwärtigen Papstes Benedikt XVI. in den Jahrzehnten der Unterdrückung, Vertuschung und die stillschweigende Versetzung der Täter zeigen. Die schärfsten Verurteilungen kommen von jenen, die sich immer noch als Teil der katholischen Kirche betrachten.
Der liberale katholische Theologe Hans Küng beschrieb die Rolle von Papst Benedikt XVI. beim ungehemmten Fortgang des Missbrauchs, der Vertuschung und der Anordnung von Schweigen: „Es gab nicht einen einzigen Mann in der gesamten katholischen Kirche, der mehr über die Fälle sexuellen Missbrauchs wußte als er, weil es Teil seines ex officio war (Teil seiner offiziellen Rolle). … Er kann nicht mit seinem Finger auf die Bischöfe zeigen und sagen, dass sie nicht genug getan hätten. Er selbst gab die Anweisungen als Vorsitzender der Kongregation der Glaubenslehre und wiederholte sie als Papst.“
Der National Catholic Reporter schrieb am 26. März in einer Kolumne: „Der Heilige Vater muss die Fragen vor einem glaubwürdigen Forum direkt beantworten, über seine Rolle … als Erzbischof von München (1977-82), als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre (1982-2005) und als Papst (2005 bis heute) … bei der Misswirtschaft in der Krise über den sexuellen Missbrauch des Klerus.“
Vor seinem Aufstieg zur Spitze der katholischen Hierarchie im April 2005 war Papst Benedikt XVI. als Kardinal Joseph Ratzinger bekannt. Seine Gegner bezeichneten ihn als einen Bullenbeißer und als „Gottes Rottweiler“. Ratzinger war ein extrem rechter politischer Beauftragter von Papst Johannes Paul II., der entschlossen war, die Disziplin, Fügsamkeit und Kirchenautorität in einer Institution inmitten einer tiefen Umwälzung durchzusetzen.
24 Jahre lang leitete Ratzinger die mächtigste und historisch repressivste Institution der katholischen Kirche, die Kongregation für die Glaubenslehre. Diese Körperschaft war jahrhundertelang als das Heilige Offizium der Inquisition bekannt. Es war die Kircheninstitution, die verantwortlich war für die Einrichtung von religiösen Gerichtshöfen zur Anklage und Folterung von Zehntausenden von Menschen, die der Hexerei und Häresie angeklagt wurden. Es leitete die Pogrome und Massenenteignungen von Juden und Moslems. Durch dieses Offizium innerhalb der Kirche versuchte Papst Johannes Paul II. eine moderne Inquisition einzurichten.
Dokumente decken breite Vertuschung auf
Das Ausmaß der kriminellen internationalen Verschwörung des Schweigens, um Serienkinderschänder zu schützen und die Kircheninteressen über die Kindersicherheit und -wohlfahrt zu stellen, wurde im vergangenen Jahr durch die Behandlung des Kindermissbrauchs in Irland – ein überwiegend katholisches Land – voll ans Licht gebracht.
Nach jahrelangen Forderungen von Missbrauchsopfern nach dem Eingreifen der Kirche und eine staatliche Anklage und einer Serie von Enthüllungen in den irischen Nachrichtenmedien, gab die irische Regierung eine Studie in Auftrag, die zu ihrer Vollendung neun Jahre brauchte. Am 20. Mai 2009 gab die Kommission ihren 2.600 Seiten langen Bericht frei.
Der Bericht stützt sich auf die Zeugenaussagen von Tausenden früheren Insassen und Angestellten von mehr als 250 von der Kirche betriebenen Institutionen. Die Kommission fand heraus, dass katholische Priester und Nonnen Tausende von Jungen und Mädchen jahrzehntelang terrorisiert hatten, und dass Regierungsinspektoren es versäumt hatten, die andauernden Schläge, Vergewaltigungen und Erniedrigungen zu stoppen. Der Bericht bezeichnete Vergewaltigung und Kindesmissbrauch als ‘endemisch’ in den irischen katholischen, von der Kirche industriell betriebenen Schulen und Waisenheimen. (vgl: www.childabusecommission.com/rpt/ )
Das Ausmaß des Missbrauchs in Irland und die Kraft der Bewegung, die Rechenschaft forderte, zwang Papst Benedikt XVI., eine schlappe Entschuldigung seitens der katholischen Kirche herauszugeben, die die örtlichen irischen Bischöfe beschuldigte. Diese Zurückweisung jeder Verantwortung seiner eigenen bekannten Hauptrolle, die auf Schweigen bestanden hatte, machte Millionen von aufrichtigen und gläubigen Katholiken wütend und entfachte zusätzlich eine Opposition, die seit Jahrzehnten innerhalb der Kirche herangewachsen war.
Bei einer Predigt in Springfield im US-Bundesstaat Massachusetts antwortete der langjährige Kritiker der kirchlichen Vertuschung, James J. Scahill, auf die lasche Entschuldigung, indem er manche Leute im Klerus als ‘Verbrecher’ bezeichnete und die Abdankung von Papst Benedikt forderte.
„Wir müssen persönlich und kollektiv erklären, dass wir die Wahrhaftigkeit des Papstes und jener in der Kirchenhierarchie, die ihn verteidigen oder gar seine Schuld mit ihm teilen, bezweifeln. Es wird allmählich klar, dass die Kirchenführung seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, den Missbrauch von Kindern und Minderjährigen vertuscht hat, um das Image der Institution und der Priesterschaft zu schützen“, sagte Scahill.
Scahill sagte, dass er den Mund aufzumachen begann, als seine eigenen Gemeindemitglieder 2002 zu ihm kamen, als in Boston Jahrzehnte sexuellen Missbrauchs aufgedeckt wurden, und sagten, dass etwas getan werden müsse.
Kardinal Bernard Law von der Erzdiozöse in Boston spielte eindeutig eine Rolle beim Schutz von kinderschändenden Priestern vor Strafe durch religiöse oder säkulare Autoritäten und schob sie stillschweigend auf andere Posten. Dies wurde 2002 ein nationaler Skandal, als ein Richter in Massachusetts die Freigabe von Tausenden Seiten von Dokumenten, Memos und eidesstattlichen Aussagen erlaubte. Die Dokumente zeigten ein klares Muster der Vertuschung, des Schutzes der Täter und der Marginalisierung der Kinder, und sie enthüllten, dass mehr als 1.000 Kinder von 250 Priestern und Kirchenarbeitern seit 1940 in der Erzdiozöse missbraucht worden waren. Kardinal Law wurde gezwungen, in Ungnade von seinem Posten abzutreten, und der Erzdiozöse wurde befohlen, eine Abfindung von zwischen 85 und 100 Millionen US-Dollar zu zahlen, um 552 Fälle beizulegen.
Diese hohe Abfindungssumme, die zunehmenden Skandale in anderen Städten und die Berichterstattung in den Medien zwangen die US-Bischöfe, eine ‘Charta für den Schutz der Kinder und junger Menschen’ herauszugeben, die eine „Null-Toleranz, einmal und du bist draußen“-Politik für Übergriffe von Priestern erklärte. Sie schlugen aber keine Maßnahmen gegen die Bischöfe vor, die Verbrechen gedeckt haben.
Selbst diese bescheidene Anstrengung der US-Bischöfe für eine Bereinigungspolitik wurde vom damaligen Kardinal Ratzinger im Vatikan nicht gut geheißen. Er verlangte, dass alle Missbrauchsfälle an sein Offizium – die Kongregation für Glaubenslehre – weitergereicht würden … bevor Priester aus der Priesterschaft entlassen würden. Einer seiner ersten Akte als Papst war es, Kardinal Law zu einem angesehenen Posten im Vatikan zu verhelfen.
In einem offenen, schändlichen Brief an die Bischöfe im Jahr 2001 benutzte Kardinal Ratzinger seine Position, zu befehlen, dass sexuelle Missbrauchsanklagen unter Androhung der Exkommunikation geheim gehalten werden sollten. Priestern, die wegen Sexualverbrechen angeklagt wurden, und ihren Opfern wurde befohlen, „strikte Geheimhaltung zu wahren“ und „zu ewigem Schweigen verpflichtet zu sein“.
Der ehemalige Vatikan-Anwalt Vater Tom Doyle verurteilte diese Politik der Vatikanspitze, indem er sagte: „Hier haben wir es mit einer explizit niedergeschriebenen Politik zu tun, Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch durch den Klerus zu vertuschen und jene zu bestrafen, die auf diese Verbrechen von Kirchenmännern hinweisen. Wenn Übergriffe von Priestern entdeckt wurden, war die Antwort, nicht zu untersuchen und zu bestrafen, sonden sie von einem Posten auf einen anderen zu versetzen.“
Nachlässigkeit oder kriminelle Komplizenschaft?
Wie verbreitet sind die an Jugendlichen verübten sexuellen Missbrauchsverbrechen? Ist die Kirchenhierarchie schuldig des Ignorierens eines Problems, was kriminelle Nachlässigkeit bedeutet? Oder ist sie schuldig der kriminellen Mitwisserschaft, indem sie sich weigerte, sogar dann Maßnahmen zu ergreifen, wenn sie über Verbrechen direkt in Kenntnis gesetzt wurde?
Ein Memo, von Kardinal Ratzinger, jetzt Papst Benedikt XVI., persönlich unterschrieben, als er an der Spitze des mächtigen Vatikan-Offiziums stand, wo alle Missbrauchsanklagen zentral erfasst wurden, wurde im April veröffentlicht und hat einen neuen Aufschrei verursacht. Ratzinger hat jede Maßnahme gegen den schuldigen Priester Hochwürden Lawrence C. Murphy aufgehoben und gestoppt.
Hochwürden Murphy wurde des sexuellen Missbrauchs an mehr als 200 Jungen an der Milwaukee-Schule für Taube angeklagt, obwohl selbst sein Bischof seinen Rauswurf verlangt hatte. Seit Jahrzehnten hatten die ehemaligen Studenten Zeichensprache und geschriebene eidesstattliche Versicherungen bei Treffen mit Bischöfen und Staatsbeamten benutzt mit der Forderung, Vater Murphy anzuklagen und zu verurteilen.
Zur gleichen Zeit kam in Italien die Geschichte heraus, dass 67 ehemalige Schüler einer Schule für Taube in Verona 24 Priester, Brüder und Laien angeklagt hatten, sie im Alter von 7 Jahren sexuell missbraucht zu haben.
In Deutschland sind in den vergangenen zwei Monaten 250 vertuschte Fälle von Missbrauch aufgetaucht, auch in Bezirken, die direkt dem Papst Benedikt unterstanden, als er Bischof gewesen war.
Die internationale Publizität um den Boston-Fall und die Multi-Millionen-Dollar-Abfindung gab vielen anderen Opfern von Missbrauch den Mut, auch den Mund aufzumachen und ihr Recht zu fordern. Mehr als 4.000 Priester sind angeklagt worden, seit 1950 in den USA Minderjährige geschändet zu haben. Die katholische Kirche hat in diesen Fällen mehr als 2 Milliarden US-Dollar an die Missbrauchopfer ausgezahlt. 2007 gab die Erzdiozöse Los Angeles eine Abfindung in Höhe von 600 Millionen US-Dollar an 550 Kläger bekannt. Sechs Diozösen sind in den Bankrott gezwungen worden und viele Diozösen sind gezwungen gewesen, erheblichen Kirchenbesitz zu verkaufen, um die Abfindungen zu bezahlen.
Viele dieser Fälle sind ausführlich beschrieben worden von einer Organisation, die sich SNAP nennt, Survivors Network of those Abused by Priests (Netzwerk der von Priestern missbrauchten Opfer). SNAP bezeichnet sich selbst als die älteste und größte Unterstützungsgruppe für Missbrauchopfer der Kleriker.
Nich nur Kinder sind Opfer von Missbrauch geworden. Laut dem St. Louis Post-Dispatch vom 4. Januar 2003 hat eine nationale Untersuchung, die von Foschern an der St. Louis University durchgeführt wurde, und die zum Teil von mehreren Orden katholischer Nonnen bezahlt wurde, ergeben, dass schätzungsweise ein „Minimum“ von 34.000 katholischen Nonnen oder etwa 40 Prozent aller Nonnen in den Vereinigten Staaten, irgendeine Form von sexuellem Trauma erlitten haben.
Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass die überwältigende Mehrzahl der Zeugenaussagen, Prozesse, Untersuchungen und Enthüllungen über sexuellen Missbrauch von innerhalb der katholischen Kirche selbst kamen, von Missbrauchsopfern. Viele andere gewöhnliche, aber empörte Katholiken haben sich der Forderung nach Rechenschaft von einer privilegierten, klerikalen Hierarchie angeschlossen, die ihre Position, Autorität und ihren Reichtum schützen will, aber nicht die Kinder.
In ganz Europa wird der Ruf immer lauter, Papst Benedikt vor den internationalen Strafgerichtshof (ICC) zu stellen mit der Begründung, dass die Kirche statt der Opfer zu schützen ein kriminelles Vergehen sei. Geoffrey Robertson, Mitglied des UN-Rechtsrates und Mitglied des Sondergerichts in Sierra Leone, sagt, es sei an der Zeit, die Immunität des Papstes in Frage zu stellen.
In einem Artikel im Londoner Guardian vom 2. April mit dem Titel „Stellt den Papst vor Gericht“ schrieb Robertson: „Legale Immunität ist nicht stichfest. Der Vatikan sollte das ganze Gewicht des internationalen Rechts zu spüren bekommen. Pädophilie ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die anomale Behauptung des Vatikans, ein Staat zu sein – und vom Papst, das Haupt eines Staates zu sein und damit immun gegen gerichtliche Schritte – kann der Prüfung nicht standhalten.“
Natürlich ist es wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, dass der internationale Strafgerichtshof bisher nur Anklagen gegen vier afrikanische Länder erhoben hat, die der Imperialismus ins Visier genommen hat.
US-Kriegsverbrechen in Irak und Afghanistan und auch die israelischen Verbrechen an den Palästinensern und den libanesischen Zivilisten sind von dem ICC ignoriert worden. Es ist unwahrscheinlich, dass der Vatikan als Bollwerk des US-Imperialismus auf globaler Ebene irgendwann in absehbarer Zeit vor Gericht gestellt wird.
Krieg gegen die globale Bewegung für Gerechtigkeit
Welche Rolle spielt der Vatikan in der Klassengesellschaft, die von besonderem Wert für den US-Imperialismus ist?
Während Papst Bendikt XVI. Tausende Priester, die des Kindesmissbrauchs schuldig waren, absolviert, versetzt und beschützt hat, benutzte er 25 Jahre lang seine Position als Chef der mächtigsten kirchlichen Institution, der Kongregation für die Glaubenslehre, um Tausende Priester, Bischöfe und religiöse Personen, die in irgendeiner Weise progressiv waren oder für die Rechte und Würde armer und unterdrückter Leute eintraten, aus den Pfarreien, Schulen und allen Autoritätspositionen zu entfernen.
Andersdenkende katholische Theologen, Lehrer, Schriftsteller und Intellektuelle wurden daran gehindert, zu schreiben, zu veröffentlichen und an kirchlichen Institutionen zu lehren. Bischöfe, die versuchten, ihre Autorität für soziale Veränderung einzusetzen, wurden auf ihre Loyalität hin untersucht und gezwungen abzutreten. Sie wurden durch die politisch reaktionärsten Kleriker ersetzt, die hauptsächlich daran interessiert waren, die religiöse Autorität und das Dogma zu erhalten.
Das war ein Versuch rechter Kräfte, die als „Befreiungstheologie“ bekannte progressive religiöse Strömung auszulöschen; diese Strömung versuchte, die Kirche mit den Befreiungsbewegungen und den anti-kolonialen und revolutionären Kämpfen, die über Afrika, Asien und Lateinamerika hinwegfegten sowie mit der Bürgerrechtsbewegung in den USA in Einklang zu bringen.
Priester wie Vater Camilo Torres in Kolumbien, der schrieb, sprach und organisierte, um den revolutionären Marxismus mit dem Katholizismus zu verbinden, wurden als direkte Bedrohung der kapitalistischen Ausbeutung angesehen. Vater Torres schloss sich dem bewaffneten Kampf gegen die von den USA unterstützte Diktatur an und starb im Kampf.
Aktivisten-Nonnen, die die Zufluchtbewegung leiteten und den Immigranten aus Salvador, die vor den Todesschwadronen flohen, Beistand und eine sichere Zufluchtstätte bieten wollten, wurden ins Visier genommen. Genau wie Philip und Tom Berrigan, Priester, die ständig mit einer militanten katholischen Gruppe, die gegen den Vietnamkrieg waren, Verhaftung riskierten und ins Gefängnis wanderten.
Befreiungstheologen, wie der charismatische Leonardo Boff aus Brasilien, wurden von der Kirche mit einem Rede- und Schreibverbot belegt. Priester, die versuchten, den Armen zu dienen, wie Vater Betrand Aristide aus Haiti, wurden aus ihrem religiösen Orden geworfen und zur Abdankung gezwungen, wegen des Verbrechens „den Klassenkampf zu glorifizieren“. Dem Bischof Samuel Ruíz aus Chiapas, Mexiko, wurde befohlen, sich „marxistischer Interpretationen“ zu enthalten.
Es war eine Hexenjagd und eine Säuberung, die sich gegen anti-rassistische und soziale Gerechtigkeits-Aktivisten richtete. Aber der reaktionäre, abtrünnige Bischof Richard Williamson, der den Holocaust öffentlich leugnete, wurde wieder in die Kirche aufgenommen.
Angesichts der wachsenden Opposition auf allen Ebenen hat diese mächtige Institution, die seit Jahrhunderten das Eigentum und die Privilegien der westlichen herrschenden Klassen beschützt hat, es vorgezogen, die fanatischsten und reaktionärsten Kräfte zu erheben, um den Kampf mit denjenigen Kräften aufzunehmen, die auf Veränderung drängen, auf Öffnung, Gleichheit und Aufmerksamkeit für die Nöte der Armen und Unterdrückten.
Unter Papst Johannes Paul II. und dann Papst Benedikt XVI. ist die katholische Kirche ein strammer Alliierter des US-Imperialismus gewesen und hat jede sozialistische Umgestaltung in Osteuropa bekämpft. Im Gegenzug haben die mächtigen US-Medien eine aktive Rolle dabei gespielt, die Kirche zu fördern und ihr eine günstige Presse zu verschaffen, während man die Moslems und andere Religionen der unterdrückten Völker dämonisierte.
2006 gewährte Papst Benedikt katholische Unterstützung für die anti-moslemische Propaganda, die Washington bewusst entfacht hatte, um den Krieg und die Besatzung Iraks und Afghanistans zu rechtfertigen. In einer großen päpstlichen Ansprache hat er einen byzanthinischen Kaiser aus dem 14. Jahrhundert zitiert, der sagte, dass der Prophet Mohammed der Welt nur „Böses und unmenschliche Dinge“ gebracht habe.
Die Allianz mit dem US-Imperialismus zwang die katholische Kirche, die reaktionärsten Exzesse ihrer eigenen dunklen Vergangenheit wiederzubeleben. Mitglieder von Gruppierungen, die mit Todesschwadronen und Militärdiktaturen in ganz Lateinamerika verbunden waren und mit dem Faschismus und der extremen Reaktion in Europa, wie der verschwiegene Opus Dei und die Legionäre des Christus, wurden auf Spitzenposten im Vatikan und ringsum in der Welt gehievt.
Zwei faschistische Kleriker, Josémaria Escrivá, der während des 2. Weltkrieges an der Seite Hitlers stand und faschistische Banden organisierte, um Kommunisten und revolutionäre Gewerkschafter in Francos Spanien zu jagen, und Kardinal Aloysius Stepinac aus Kroatien, der half, Vernichtungslager für Juden, Serben und Roma einzurichten, wurden für die Heiligsprechung vorgeschlagen.
Es ist kein Widerspruch, wenn Priester, die Kinder geschändet haben, geschützt und versteckt wurden, während jene religiösen Kräfte, die die Rechte der Unterdrückten verteidigen wollten und sich deren Bewegungen anschlossen, zum Rücktritt gezwungen wurden. Milde für kriminelle Gangster und brutale Repression von Progressiven sind zwei Seiten derselben Medaille der Klassenpolitik zur Verteidigung der Autorität und der etablierten Hierarchie. Auf dieselbe Weise ging man gegen jede soziale Frage vor.
Repressive Auffassung von jedweder Sexualität
Vom römischen Sklavenstaat bis zur europäischen feudalen Gesellschaft und dann als wichtiges Instrument der imperialistischen Eroberung ist diese religiöse Institution fest verankert in der Klassengesellschaft und dem Patriarchat. Dieses patriarchalische Erbe ist die Basis ihrer repressiven Auffassungen von allen Formen menschlichen sexuellen Ausdrucks. Homosexuell oder heterosexuell, verheiratet oder unverheiratet, die katholische Kirche setzte ihr Recht durch, der Gesellschaft als Ganzes alle Formen sexuellen Ausdrucks vorzuschreiben.
Während er keine Maßnahmen gegen sexuelle Übeltäter ergriff, weil es die Autorität und die Heiligkeit der Priesterschaft bedroht hätte, war Ratzinger führend bei der Durchsetzung von archaischen religiösen Doktrinen über Sexualität und die untergeordnete Rolle der Frau in der Kirche und der Gesellschaft insgesamt. Keine Liberalisierung in Fragen der Geburtenkontrolle, der Abtreibung, der Scheidung oder Anerkennung der Homosexualität wurde erlaubt. Innerhalb der Kirche wurden diese Regeln durch die Fokussierung auf Sünde und Schuld erzwungen. Homosexuellen Katholiken, Katholiken, die wieder heirateten, die Geburtenkontrolle praktizierten oder eine Abtreibung vornehmen ließen, wurden die Sakramente verweigert oder sie wurden exkommuniziert oder ihnen wurde der Kirchenzutritt verweigert.
Das volle Gewicht der Kircheninstitutionen mit großen Geldmitteln und politischem Einfluss wurde in der säkularen Gesellschaft genutzt, um die Liberalisierung der Scheidungsgesetze und der Rechte der Frauen auf Geburtenkontrolle und Abtreibung zu verhindern. Die katholische Kirche organisierte und finanzierte politische Kampagnen gegen gleichgeschlechtliche Hochzeiten und Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare. Aber während sie ihre religiöse Pflicht, das ‘ungeborene Leben’ zu schützen, proklamierte, weigerte sie sich, die Kinder unter ihrer direkten Kontrolle zu schützen.
Als der Proteststurm über die Angriffe auf Kinder unter ihrer Obhut zunahm, versuchten diese reaktionären Gruppen, ihr kriminelles Vertuschen in einen Kampf gegen Homosexuelle umzumünzen, indem sie Pädophilie, was sexuellen Missbrauch junger Kinder bedeutet, mit Homosexualität zwischen erwachsenen Menschen verknüpften.
Am 14. April gab Papst Benedikts Spitzenbevollmächtigter, Vatikanaußenminister Kardinal Tarcisio Bertone, der Homosexualität – die er eine Pathologie nannte – die Schuld an der Pädophilie. Papst Benedikt selbst beschrieb in einem bekannten Brief von 1986 an die Bischöfe die Homosexualität als ein „intrinsisches moralisches Übel“. Er ging sogar so weit, gewalttätige Attacken gegen Homosexuelle zu rechtfertigen und sogar zu ermutigen, indem er sagte, dass „weder die Kirche noch die Gesellschaft überrascht sein sollten, wenn irrationale und gewalttätige Reaktionen zunähmen“, falls die Homosexuellen Bürgerrechte verlangten.
Diese Verbrechen gegen alle Bewegungen unterdrückter Menschen müssen in die gegen die Kirchenhierarchie gerichtete Wut mit einbezogen werden.
Die Jahre der Repression, der Hexenjagd und der organisierten Bigotterie haben der katholischen Hierarchie immer weniger Unterstützung eingebracht. Sie hat mehr und mehr die Tuchfühlung mit ihrer eigenen Kongregation verloren und erst recht mit den Werten der Gesellschaft als ganzes.
Trotz aller Anstrengungen können die Priester und Bischöfe ihren absoluten Griff, den sie vor 500 oder noch vor 100 Jahren hatten, als sie für Verbrechen gegen Frauen oder Sklaven, Knechte, Bauern oder analphabetische Arbeiter keine Rechenschaft ablegen mußten, nicht zurückgewinnen.
Sorgfältig abgefasste Apologien, die keine Schuld übernehmen und gut geplante Werbetreffen mit ein paar ausgewählten Missbrauchsopfern werden die Krise nicht lösen, der sich die reaktionäre Führung der Kirche gegenübersieht.
Heute haben jene, die unter dem Missbrauch gelitten haben, ihre Sprache gefunden, und sie haben auch Verbündete gefunden.
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Die Autorin: Sara Flounders ist Mitglied des Sekretariats der Workers World Party (WWP = Weltpartei der Arbeiter). Sie ist auch leitende Führerin des International Action Center (Internationales Aktionszentrum). Sie hat mehrere Bücher über verschiedene Themen veröffentlicht. Sie schreibt auch häufig für die Zeitung der Workers World (Welt der Arbeiter). Sie hat selbst 14 Jahre katholische Schulen besucht/überlebt.
Übersetzt von Einar Schlereth bei tlaxcala