Weltpolitik

Der Corona-Effekt

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Beispielbild
Pixabay License; Freie kommerzielle Nutzung; Kein Bildnachweis nötig , Mehr Infos

Covid-19, die aktuelle Variante des seit Jahrzehnten bekannten Corona-Virus, erschüttert die USA, die EU, Entwicklungsländer, legt die Wirtschaft und das öffentliche Leben lahm, führt in den demokratischen Vorzeigestaaten übergangslos zu Notstands-Regimen, fesselt die Bevölkerungen führender Industriestaaten an ihre Wohnungen. Wegen eines Virus, der so ähnlich schon ein paar Mal aufgetaucht war, 2003 als SARS, 2012 als MERS, und vor dessen möglichen Varianten seit 20 Jahren immer wieder gewarnt wurde?1

Also nochmal: Wie gesundheitsgefährlich, wie politisch ungefestigt, wie ökonomisch zerbrechlich ist die westliche Welt, die sich nach dem gelobten Muster der Globalisierung organisiert hat?

„Die USA haben das sicherste Gesundheitssystem der Welt“

Beginnen wir mit dem Gesundheitssystem. Die Johns Hopkins University (JHU) erstellt den Global Health Security Index: Er bewertet, in Absprache mit der Weltgesundheitsorganisation WHO, wie sicher die Gesundheitssysteme der 195 UNO-Staaten gegen Pandemien gerüstet sind. Nach dem Index nehmen die Gesundheitssysteme der USA und Großbritanniens den 1. und 2. Rang ein: Sie sind „am besten vorbereitet“. Zu den „gut vorbereiteten“ zählen u. a. die Gesundheitssysteme der wichtigsten EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und auch der Schweiz.2

Wie sich aber beim Covid-19-Virus zeigt, sind diese Gesundheitssysteme überhaupt nicht vorbereitet.

Der Index ist also falsch, verdreht die Wirklichkeit. Wie kann das sein? Der Index hat doch die höchsten wissenschaftlichen Weihen der „renommierten“ JHU, nach ihm richten sich die WHO, die westlichen Regierungen und die „renommierten“ Leitmedien. Die JHU-Daten zu Covid-19 werden täglich über eine Milliarde Mal angeklickt, wie die Universität stolz mitteilt.

Johns Hopkins University: Zentrum des globalen Pandemie-Managements
Die JHU steht mit ihrem Großkrankenhaus und dessen 226 Abteilungen sowie vor allem mit seinen 30 Forschungsinstituten zu Gesundheit und Krankheiten, globaler Gesundheit, öffentlicher Gesundheit (Public Health), Medikamenten, Biotechnologie, Gesundheitsinformatik, Verhaltensanalyse, Risikobewertung, Epidemien, Pandemien und medizinischer Ethik an der Spitze des US-geführten Pandemie-Managements.

Die Gelder der privaten Elite-Universität kommen von milliardenschweren Unternehmensstiftungen wie des Wall Street-Bankers und Medienunternehmers Michael Bloomberg (JHU Bloomberg School of Medicine), des Microsoft-Gründers Gates (JHU Bill and Melinda Gates Institute for Population and Reproductive Health), des Hedgefonds-Eigentümers Julian Robertson und des griechischen Ex-Tankerkönigs Stavros Niarchos, zum Beispiel.

Planspiel Event201 im Oktober 2019: 65 Millionen Corona-Tote
Gleichzeitig ist die Gates-Stiftung nach dem US-Staat der größte Sponsor der WHO (während die USA ansonsten die UNO immer mehr Geld entziehen). „Der heimliche WHO-Chef heißt Bill Gates“, titelte Die ZEIT.3Mit WHO, Regierungen und Pharmakonzernen wie Pfizer und GlaxoSmithKline organisiert Gates die Global Alliance for Vaccines and Immunization GAVI. Sie verteilt global Gelder für die Entwicklung von Medikamenten. Seit der GAVI-Gründung 1999 warnen Gates & Co vor kommenden Pandemien mit Dutzenden von Millionen Toten.

Zusammen mit der Gates-Stiftung, dem Weltwirtschafts-Forum und der CIA organisierte die JHU im Oktober 2019, einen Monat vor Ausbruch des Covid-19-Virus in Wuhan/China, das Planspiel Event201: Danach würden an einem neuen Corona-Virus innerhalb von 18 Monaten, nachdem noch kein Medikament gefunden wurde, weltweit 65 Millionen Menschen sterben. Nach einigen Monaten erklärte die JHU: Das sei keine Voraussage gewesen, sondern eine Fiktion.4

Das unsicherste Gesundheitssystem der Welt als Vorbild
Wie sich auch bei Covid-19 zeigt: Das US-Gesundheitssystem ist unter den reichen Staaten das am schlechtesten vorbereitete. Mindestens 50 Millionen Menschen sind gar nicht gegen Krankheiten versichert: Zu den offiziell 27 Millionen Unversicherten kommen etwa genauso viele hinzu, die als Illegale in Privathaushalten, der Gastronomie usw. arbeiten und auch nicht versichert sind. Etwa 100 Millionen US-Bürger sind nur teilweise versichert, können deshalb meist größere Behandlungen nicht zahlen, bleiben krank und unbehandelt, sterben früher. Die Minderheit der Reichen wird in privaten Luxuskliniken behandelt. Die Kindersterblichkeit ist höher als in allen anderen Industriestaaten, weitaus höher als auch etwa in Kuba.

Besonders schlimm mit den meisten Corona-Toten ist es in New York: Dort hat der JHU-Großspender Michael Bloomberg von 2002 bis 2013 als Bürgermeister auch das Gesundheitssystem radikal privatisiert. Und es sterben in den USA überproportional viele arme Afroafrikaner, weil sie unbehandelte chronische Krankheiten haben.5

Trotzdem dominieren US-Akteure wie die JHU, die Gates- und die Bloomberg-Stiftungen das globale Pandemie-Management – auch über die WHO, die festlegt, wann ein Virus von der Epidemie zu einer globalen Pandemie wird und welche Maßnahmen weltweit ergriffen werden sollen.

Zu allem Irrsinn galt das US-Gesundheitssystem im westlichen Kapitalismus als vorbildhaft, auch in der EU: Privatisierung nicht nur der Krankenhäuser, sondern auch der Alters- und Pflegeheime sowie der Kranken- und Rentenversicherung. Dazu gehört die Methode der Fallpauschale: Orientierung an den teuren Operationen und Behandlungen, die zudem möglichst schnell durchgezogen werden („blutige Entlassung“). Dazu gehört die maschinelle Aufrüstung und die personelle Verknappung mit überlastetem, selbst häufig erkranktem Personal: Alles just in time, ohne Reserven.

Prinzip: Panikmache, aber kaputtes Gesundheitssystem
Seit 1999 warnen JHU, Gates, Pfizer & Co und neuerdings noch das Weltwirtschaftsforum in Davos vor schrecklichen Pandemien – und gleichzeitig sorgen sie dafür, dass die Gesundheitssysteme des Westens und der Entwicklungsländer darauf nicht vorbereitet werden; und dass schon im Normalbetrieb der reichen Staaten die Mehrheit der Bevölkerungen, vor allem die Working Poor und infolgedessen auch RentnerInnen sowie ethnische Minderheiten und Flüchtige vielfach unversorgt bleiben und früher sterben.

Wie jetzt bei Covid-19 wurden im Planspiel Event201 freihändig 65 Millionen Tote vorhergesagt. Aber selbst die billigsten Materialien, die für einige Cent zu haben sind, wie Mundschutz und Schutzkleidung für Ärzte und Pflegepersonal sowie Testkits wurden nicht vorgehalten, von Intensivbetten gar nicht zu reden.

Wir können also festhalten: Die ständige, ins Panische wabernde Warnung vor Epidemien und sonstigen Krankheiten mit Millionen von Toten geht einher mit der Nicht-Vorbereitung auf diese Situation. Angst vor Unbekanntem gehört zum Geschäfts- und Politikmodell, das von simulierter Fürsorglichkeit (gelobt von ZEIT und ARD-Tagesschau) begleitet ist.

Das Notstands-Regime

Die Regierungen und die Verantwortlichen der Gesundheitssysteme reagierten deshalb zu arrogant, zu spät auf das neue Virus. So können die eigentlich notwendigen, flächendeckenden Tests – anders als in Singapur, Taiwan oder China – auch Monate nach dem Ausbruch nicht vorgenommen werden. Risikogruppen wie die Bewohner von Altenheimen wurden erst gar nicht getestet – aus Angst, dass die Krankenhäuser nicht ausreichen.6 Bereits vereinbarte Operationen bei Krebs und Herzschwäche mussten abgesagt werden – wie viele Patienten sterben deshalb?

Panikmache mit Rechtsbruch
Stattdessen wurde der Notstand erklärt. Zu ihm gehören elementare Rechtsbrüche. In Rechtsstaaten stellen Ärzte bei Verstorbenen einen amtlichen Totenschein aus. Darin werden die Hauptursache(n) des Todes festgehalten. Dies wird allerdings bei den offiziellen Zahlen zu Covid-19 gerade nicht gemacht. Der CSU-Politiker Lothar Wieler, Chef der deutschen Gesundheitsbehörde Robert Koch-Institut (RKI): „Bei uns gilt als Corona-Todesfall jemand, bei dem eine Coronavirus-Infektion nachgewiesen wurde.“7

Ob Covid-19 bei den chronischen Vorerkrankungen (Herz-Kreislauf, Diabetes, Lungenschädigung, Krebs, extreme Fettleibigkeit) alter und auch junger Menschen eine primäre, sekundäre oder keine Rolle spielt – es wird nicht berücksichtigt. RKI und JHU posaunen mit wissenschaftlichem Anspruch falsche Daten in die Welt.

„Hyper-Globalisierung“ und ansteigende Kritik

Die exzessive globalisierte Gewinnwirtschaft brachte nicht nur im Gesundheitswesen Folgen hervor, die man eigentlich kannte und die auch vielfach öffentlich kritisiert wurden, die aber zugunsten der Gewinne verleugnet wurden. Die wichtigsten Auswirkungen:8

1. Die Zuspitzung zur „Hyper-Globalisierung“, wie es die Wirtschaftsorganisation der UNO, die UNCTAD, nennt: Weiter sinkende Arbeitseinkommen auch bei Selbständigen und im Mittelstand; noch mehr prekär und Teil-Beschäftigte; sinkende Renten; steigende Mieten, vor allem in den (Groß-)Städten; Verfall der Infrastruktur – und gleichzeitig die zunehmende Verschuldung von Staaten, Unternehmen und privaten Haushalten, während sich nach ganz oben hin der vielfach leistungslos „erwirtschaftete“ private Reichtum exponentiell vermehrt.

2. Massenhafte Kritik an Regierungen, Leitmedien und Investoren; Absterben der verwirtschafteten, als demagogisch erkannten „Volks“parteien; breite Oppositions-Bewegungen der verschiedensten Art, teilweise radikal gegen den Neoliberalismus wie in Chile und Indien; die internationale Jugendbewegung FridaysForFuture; in den USA ein in der akademischen Jugend mehrheitsfähiger Sozialist als Präsidentschaftskandidat; in der EU nicht nur die „Gelbwesten“ mit erstarkenden Gewerkschaften in Frankreich, sondern zwischen Nordmazedonien, Kroatien und Polen immer wieder aufflammende Streiks, die in der etablierten EU-Öffentlichkeit verleugnet werden.

3. Der für die professionell selbsterblindeten Führungsfiguren des Westens „überraschende“ Aufstieg der Volksrepublik China zur größten Volkswirtschaft. Sie praktiziert zudem unter kommunistischer Führung eine alternative Globalisierung, ohne militärische Begleitung und auf allen Kontinenten tendenziell beliebter als der Westen, inzwischen beliebter sogar in mehreren EU-Staaten wie Italien, Griechenland, Serbien9 – und ungleich besser gerüstet für die Bekämpfung von Pandemien.

Notstand, gewinnsichernd: Nicht nur im Gesundheitswesen

So nahmen die angeschlagenen Regierungen das Viren-Management und den schnell erklärten Notstand auch zum Anlass, die anschwellende Kritik still zu stellen. Jetzt beweisen sie „Führungsstärke“. Die schon verblasste „Mutti der Nation“ steigt aus der Asche des Neoliberalismus ein letztes Mal hervor, wird nochmal an die mediale Front geschoben und erfleht wieder Zustimmungswerte. Und es werden die Entwicklungen beschleunigt, die von den bestimmenden Akteuren sowieso schon forciert wurden.

Das ideale Individuum des Neoliberalismus
Möglichst alle Bürger gehen weiter brav und unauffällig zur Arbeit, sprechen aber nicht darüber. Möglichst viele arbeiten zuhause im Homeoffice. Ansonsten reduzieren sich die Menschen auf das Konsumieren und die Existenz als einzelnes Individuum und, falls vorhanden, auf die Kleinstfamilie, halten Abstand voneinander, keine öffentlichen Versammlungen – mit einem Schlag war der ideale Zustand des neoliberalen Menschen hergestellt. Nach dem bekannten Motto „There is no such thing as society“ – sowas wie Gesellschaft gibt es nicht.

„Wir bleiben jetzt alle zuhause“, so blubbern ebenso fürsorglich wie demagogisch der Bundespräsident und die Bundeskanzlerin. Als stehe die ganze Wirtschaft still – völliger Unsinn. Von den 45 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten die allermeisten weiter: Nur etwa drei Millionen (beantragte) KurzarbeiterInnen, eine Million Selbständige, zwei Millionen geringfügig Beschäftigte der Gastronomie, des Einzelhandels, der Museen und Theater u.ä. arbeiten nicht.10 Aber über die auch gesundheitsgefährdende, vielfach sogar intensivierte Arbeit soll man nicht sprechen.

Keine Verbesserungen im Gesundheitswesen
Selbst im Gesundheitswesen werden die dringendsten Reformen verhindert. Die unterbezahlten, überlasteten Beschäftigten werden zwar als „Helden der Arbeit“ gefeiert, aber ihre Gehälter werden nicht erhöht – bestenfalls wird von den Ober-Demagogen wie dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder ein einmaliger Krisen-Bonus von 500 Euro gewährt. Der Personalbestand wird nicht dauerhaft erhöht, es werden nur krisenbedingte Aushilfen angeworben, notfalls zwangsverpflichtet. Pro Bett, das für einen möglichen Corona-Erkrankten zulasten einer schon vereinbarten Operation freigemacht wird, zahlt der Staat 590 Euro – aber keinen Euro für zusätzliche Betten. Die an Billigfirmen ausgelagerten, auch hygienerelevanten Dienste wie Reinigung und Catering, die Überlastung des Personals, die Fallpauschale, die Gewinnorientierung – alles bleibt.

Systemrelevante Arbeit, ungeschützt?
In den Straßen, auf öffentlichen Plätzen, in Parks patrouilliert die Polizei, um mit harten Strafgeldern das Abstandsgebot durchzusetzen.

Aber kam die Polizei schon mal in den engen Massenunterkünften der ausländischen WanderarbeiterInnen und WerkvertraglerInnen vorbei, die zum Beispiel beim größten Schweineschlachtbetrieb Europas, bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück und in Weißenfels, arbeiten? Da reichen die bisherigen 16-Stunden-Schichten nicht aus. Da müssen jetzt am Wochenende noch Zusatzschichten geschoben werden. „Die Nachfrage ist um ein Drittel gestiegen“, darf Konzern-Chef Clemens Tönnies im Handelsbatt jubeln.11 Oder auf den Baustellen, wo ja auch nur ausländische Arbeiter arbeiten, aus Osteuropa? Wie sieht es aus bei Müllwerkern, Kanalarbeitern, Briefsortierern, Briefträgern, Paketboten, in den Mannschaftsunterkünften der Bundeswehr und in den Fulfillment-Zentren von Amazon?12

Nicht nur in den Krankenhäusern fehlen immer noch Masken und Schutzkleidungen, in den Unternehmen fehlen sie fast vollständig – diese ganz unsichtbaren „Helden der Arbeit“, die jetzt teilweise auf Feldbetten im Betrieb übernachten, sieht man nicht, sie brauchen nicht geschützt werden?

Die Niedriglöhne in den als systemrelevant erklärten Bereichen wie Krankenhäuser, Logistik, Nahrungsproduktion werden nicht erhöht – nein, aber mit der Covid-19-Arbeitszeit-Verordnung wurde die Zahl der zulässigen Arbeitsstunden erhöht, auf 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche, die Ruhepausen werden verkürzt, Sonn- und Feiertagszeit kann verordnet werden. Aber Tönnies brauchte dazu nicht einmal diese Notverordnung, um schon vorher noch viel mehr Stunden herauszupressen.13

Bedingungsloses Grundeinkommen für Unternehmer
KurzarbeiterInnen müssen sich mit 60 bzw. 67 Prozent (wenn Familie mit Kind) ihres bisherigen Nettogehalts begnügen. Das stürzt bei den meist niedrigen und Teil-Gehältern schnell in Existenznöte. Staatliche Aufstockung? Bedingungsloses Grundeinkommen, zumindest krisenzeitlich, für Obdachlose, für diejenigen, die bei geschlossenen Tafeln und Suppenküchen nicht mehr ihre Essenstüten abholen können? Für die jetzt arbeitslosen 450-Euro-Jobber? Nichts dergleichen.

Aber es geht doch, für andere: Millionenfach streut der Staat ein bedingungsloses Grundeinkommen über Selbständige und den Mittelstand aus: Ohne jegliche Auflagen werden auf Antrag, der keine Begründung enthält, sondern nur Steuernummer und Adresse, verlorene Zuschüsse von 9.000 bzw. 15.000 Euro sofort ausgezahlt. Bis 3. April 2020 waren schon 1,4 Millionen Anträge gestellt, 520.000 bewilligt.

So bewilligt etwa der Chauffeur der Regierungspräsidentin von Köln zwischen seinen Fahrten nebenbei 100 bis 150 Anträge, pro Tag. Wirte, Webdesigner, Hoteliers und Bordellbetreiber haben drei Tage später das Geld auf dem Konto. Fünf Milliarden insgesamt bisher. „Noch nie wurde in Deutschland so schnell so viel Geld verteilt.“14

Corona als Droge: Noch mehr Digitalisierung
Die Digitalisierung nicht nur des Gesundheitswesens (der deutsche Gesundheitsminister Spahn ist ein Digitalisierungs-Unternehmer-Fundi) wird beschleunigt, sondern auch des Zahlungs- und Bankwesens, des Handels, der Schulen und Universitäten und der Fortbildung, der öffentlichen Verwaltung, des Unternehmens-Managements. Amazon, Microsoft, Uber, Lieferando, Zoom und die von ihnen finanzierten Start-ups expandieren schneller noch als bisher.

Auch und nicht zuletzt die Digitalisierung der Arbeit wird beschleunigt. Gigworker, Crowdworker sind jetzt Lückenfüller, bekommen immer kleinere Arbeitsportionen per App und ohne Arbeitsvertrag zugeteilt. Ein Auftrag für 2,45 Euro – keine Seltenheit. Wann kommt der nächste kleine, hoffentlich ein bisschen größere Auftrag? Angstvolles Warten im neuen Millionenheer der Digital-SklavInnen.

Die „europäischen Werte“: Reserviert für Deutschland&Co
Die EU hat ihre anfänglichen Versprechungen auf Frieden, Arbeit, Wohlstand, Rechtsstaat, Demokratie nicht erfüllt. Seit dem Ende des Sozialismus und der deutschen Vereinigung werden die immer mehr EU-Mitgliedsstaaten in immer mehr gegeneinander konkurrierende, reiche, arme, ganz arme Staaten zersplittert. Innerhalb der EU-Staaten und gleichzeitig zwischen ihnen wächst der Gegensatz von Arm und Reich.15

Westliche Auto-, Pharma-, Handels-, Digital- und Finanzkonzerne zerfurchen die EU mit Billiglieferketten, Software- und Callcentern. Die osteuropäischen und ex-jugoslawischen Staaten werden nicht volkswirtschaftlich entwickelt, sondern als Standorte mithilfe einheimischer, korrupter Oligarchen ausgebeutet und verarmt – ein in Entwicklungsländern erprobtes Modell. Gesundheitsminister Spahn warb schon vor der Krise um Billigpfleger aus dem Kosovo. Die Arbeitsfähigen werden als billige Wanderarbeiter in die reichen EU-Gründungsstaaten geholt, nicht nur in die Krankenhäuser, sondern bekanntlich auch in die Baustellen, Gurken- und Obstfelder, in die Schlachthöfe, Altersheime, Privathaushalte und Bordelle.

Vor allem die deutsche und die niederländische Regierung verweigern den Corona-gebeutelten, vorher durch die Troika ausgeplünderten Staaten wie Italien und Spanien gemeinsame Anleihen (Eurobonds, Coronabonds). Gerade in der Krise wird europäische Solidarität beschworen und zugleich hintertrieben. Deutsches Kapital flüchtet aus diesen Staaten.16 Die Niederlande als Finanzoase nimmt das Fluchtkapital steuerfrei gerne auf.17

Zugunsten der Spargel-Stecherei in Deutschland werden Krisenbeschränkungen und Abstandsgebote dann doch gelockert. Auf die billigen SaisonarbeiterInnen aus Osteuropa dürfen deutsche und spanische Plantagenbetreiber nicht verzichten –
Ansteckungsgefahren hin oder her. Die Solidarität der EU ist ein „Märchen auf dem Papier“, so die Erkenntnis des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic.18

Die verdrängten Groß-Gefahren

EU-Kommission, EZB und IWF, vereint in der Troika, haben zunächst mit US- und britischen “Heuschrecken“ und seit der Finanzkrise noch mit den neuen Großinvestoren wie BlackRock&Co eine supranationale Neben-Regierung etabliert.19

Bedingungslose Konzern-Rettungen: Wer zahlt nach der Krise?
Mithilfe des Corona-Notstands soll das beschleunigt weitergehen. Schon Mitte 2019 hatten 2.000 Unternehmen in Deutschland Kurzarbeitergeld beantragt. Zur Rettung von großen Unternehmen und Banken, die schon seit Jahren kriselten und sich jetzt den „Corona“-Aufkleber draufpappen, überbieten sich die westlichen Regierungen und Institutionen wie die Federal Reserve, die Weltbank und die EZB mit dreistelligen Milliarden-Hilfen: Kurzarbeitergeld, nicht-rückzahlbare Zuschüsse, Steuererlässe, Kredite. USA: 2,3 Billionen, EU: 1,2 Billionen, Deutschland: 800 Milliarden …

Die Staaten können sich hemmungslos bei den Zentralbanken überschulden, um Unternehmen zu retten, die keineswegs systemrelevant sind wie im Tourismus und sowieso schrumpfen würden wie die Flug- und Autokonzerne. „Die bonitätsstarken Unternehmen saugen sich voll“, konstatiert das Handelsblatt.20 Zugreifen jetzt, fordert der ehemalige IWF-Chefökonom Kenneth Rogoff: „Es ist nicht die Zeit, über Schulden nachzudenken.“21 Bedingungsloses Grundeinkommen auch hier. Motto: Nach uns die Sintflut – die Bevölkerungen zahlen später die Schulden zurück, notfalls mit Notstands-Regime.

Unternehmer-Hilfen ohne Auflagen
Man könnte gutmütig vermuten: Es werden Arbeitsplätze gerettet! Aber die Hilfen werden wie bei der Treuhand ohne Auflagen vergeben, ohne Sicherung von Arbeitsplätzen und schon gar nicht mit Auflagen für sinnvolle Konversion und etwa neue, umweltgerechte Produkte.

Und der zugunsten der privaten Beratungskonzerne sowieso schon verschlankte Staat hat – wie bei den Millionen Anträgen der Kleinunternehmen – gar nicht das Personal, um die Anträge jetzt sachgerecht zu prüfen oder nach der Krise etwas begründet zurückzufordern. Vielleicht, wie beim Chauffeur der Kölner Regierungspräsidentin, gucken sich die Chauffeure von Wirtschaftsminister Altmaier und Finanzminister Schulz dann im Jahre 2021 nebenbei die tausendseitigen Rechenschaftsberichte durch, die von Freshfields&Co erstellt werden?

BlackRock-Chef Fink: „Riesige Gelegenheiten“
Sympathieheischend begann BlackRock-Chef Larry Fink seinen diesjährigen Mahnbrief an die Aktionäre seiner etwa 18.000 Unternehmen weltweit: „Ich sitze hier allein in meinem Büro in Manhattan… Der Corona-Virus hat unser Leben übernommen und die Welt verändert.“ Der weltgrößte Kapitalorganisator sieht in der Krise „riesige Gelegenheiten“ (tremendous opportunities), bei der „Art und Weise, wie Menschen arbeiten, einkaufen, reisen, zusammenkommen“. Der Larry in seinem einsamen Büro in New York freut sich, dass Zentralbanken und Regierungen ihn jetzt noch mehr um Rat bitten.22

Zur privatisierten Rente mithilfe des BlackRock-Finanzprodukts iShares/ETF hat die EU-Kommission schon letztes Jahr eine Richtlinie herausgegeben, Macron hat sie zum Regierungsprogramm gemacht.23 Die „riesigen Gelegenheiten“ haben BlackRock, Vanguard, Bridgepoint, Elliott & Co auch jetzt ergriffen, etwa durch die roboterisierten Wetten, mithilfe von Leihaktien und Leerverkäufen auf die „wegen Corona“ erstmal abstürzenden Aktienwerte. Die Kredite, Anleihen und Garantien aus Fed, Weltbank, EZB und Europäischer Kommission, von BlackRock beraten, fließen in die Rettungsfonds. Da machen Zentralbanken, EU und Regierungen keine Auflagen. Und die Aktienkurse steigen wieder und die Wetten haben sich schon gelohnt. Fink beglückwünscht sich, das französische Software-Unternehmen eFront aufgekauft zu haben: Neue Ressourcen für „Heuschrecken“-Methoden und Immobilien-Verwaltung.

Und BlackRock, Blackstone & Co schauen sich die kriselnden Unternehmen genau an: Welche können wir jetzt günstig kaufen? Welche fusionieren, noch schneller als bei Bayer mit Monsanto? Um dem Ausverkauf, der mit Kanzler Schröders „Entflechtung der Deutschland AG“ im Jahr 2000 eingeleitet wurde, nochmal einen neuen Schub zu geben. „In Deutschland sind börsennotierte Unternehmen derzeit so günstig zu haben wie nie.“24

BlackRock setzt weitsichtig auf die „Generation Alpha“, die ab 2010 Geborenen, deren allseitige Digitalisierung jetzt schon begonnen hat. Kinderbetreuung, Arbeiten, Konsumieren, Kommunizieren, medizinische Versorgung, Journalismus, auch das Regieren – noch weitere Digitalisierung ist Programm. BlackRock, Vanguard & Co sind die Großaktionäre von Amazon, Facebook, Microsoft, Apple, Pfizer, Novartis, Bayer. Die zweitgrößte Heuschrecke, KKR, hat sich schon 2019 in den Springer-Verlag einkauft – die Digitalisierung gerade des lukrativen Gossenjournalismus à la BILD wird vorangetrieben.25

Umwelt, Kriege, Flüchtlinge – war da was?
Die fürsorglichen Corona-Notständler wollen das Beste, aber sie verdrängen noch mehr als bisher. BlackRock&Co sind auch die Großaktionäre der Öl-, Kohle-, Braunkohle-Konzerne. Die Umwelt-Rettung haben BlackRock, Nestlé, Microsoft&Co schon vor der Krise in die Hand genommen. Die neue „Umwelt-Allianz“ wurde beim Weltwirtschafts-Forum 2020 vorgestellt – die Umwelt darf nicht der Umweltbewegung und den Regierungen überlassen werden.26

Und BlackRock&Co sind nicht zuletzt die Großaktionäre der Rüstungskonzerne, die während der alles überdeckenden Corona-Krise noch viele andere und größere und gefährlichere Krisen mitverursachen, an ihnen mitverdienen. Noch mehr Flüchtlinge weltweit, nicht zuletzt vor den Zäunen und Mauern der EU und der USA.

Das alles können unsere fürsorglichen Notstands-Führer alles vergessen machen, jedenfalls wollen sie es.

Rückkehr zum Völkerrecht. Frieden, Umwelt, Arbeit, Gesundheit!

Zur gefaketen Corona-Welt gehört übrigens: Chinas Gesundheitssystem steht im Johns Hopkins-Index auf Rang 51. Aber China hat sich nicht an die zögerliche Haltung der WHO gehalten, hat sofort klare Maßnahmen ergriffen, hat die WHO sofort über die Merkmale des neuen Virus informiert, hat die Ausbreitung (alleine) erfolgreich bekämpft. China und Privatstiftungen wie die des Alibaba-Gründers Jack Ma helfen jetzt 24 Staaten weltweit, der chinesische Staat hilft den am meisten betroffenen westlichen Staaten wie Italien, Frankreich, Spanien, Schweiz, Deutschland und auch den USA mit Experten und Materialien.27

Westliche Regierungen haben diese Hilfe mitten in ihrer Krise erst abgelehnt, auch die deutsche Regierung. Aber jetzt könnten sie lernen, bräuchten in Zukunft diese Hilfe nicht, könnten früher und effektiver handeln, könnten Menschenleben retten und selber auch anderen helfen: Das wäre doch ein sinnvolles Programm, oder?

Die Kooperation nach den Prinzipien des UNO-Völkerrechts muss auch für die Bekämpfung der größten Menschheitsgefahr ausgebaut werden, gegen die hasserfüllte Feindproduktion im US-geführten Westen und gegen die damit verbundenen Kriege und die direkten und verdeckten militärischen Interventionen.

Den Kapitalorganisatoren wie BlackRock müssen strenge Auflagen gemacht werden. Volkswirtschaftlich unsinnige und zerstörerische Finanzpraktiken sind ganz zu verbieten. Das dreckige Dutzend der größten Finanzoasen zwischen Delaware, Luxemburg, Amsterdam und den Cayman Islands – von den superreichen Kunden der BlackRock, KKR&Co besonders gern genutzt – müssen ersatzlos trocken gelegt werden: Das ergibt dreistellige Milliarden Beträge für Europas Staaten. Finanztransaktionssteuer, einmalige Vermögensabgabe, Reichensteuer sind weitere Maßnahmen.

Wenn Autokonzerne auf Anweisung von Regierungen jetzt Beatmungsgeräte produzieren können, dann muss dies nicht auf diese Krise und auf dieses Produkt begrenzt bleiben: Autokonzerne sollen öffentliche Verkehrssysteme produzieren! Statt unfähigen Unternehmern noch bedingungslos Steuergeld hinterherzuwerfen: Wie wäre es, wenn der Staat Zuschüsse zahlt, damit Beschäftigte ihr eigenes Unternehmen gründen, zum Beispiel in Form einer Genossenschaft?

Das Ansehen der Notstands-Manager und -Profiteure wird durch „Corona“ schon auf mittlere Sicht weiter schwinden. Wir sollten diese Krise dazu nutzen, die längst fälligen Alternativen voranzubringen. Die Vorschläge und Konzepte liegen doch längst auf dem Tisch. Working Poor überwinden, nicht nur in den Krankenhäusern, in Deutschland, in der EU, weltweit.28

Und damit müssen wir nicht auf die Zeit nach der Krise warten. Der Kampf hat längst angefangen, zum Beispiel: Am 5. April 2020 setzte sich in Köln beim expandierenden Essensliefer-Konzern Lieferando eine gewerkschaftsorientierte Betriebsratsliste gegen eine von der Geschäftsführung lancierte Liste durch, nach heftigen Kämpfen und mit Polizeischutz.29

 

Werner Rügemer ist langjähriger Autor beim Nachrichtenmagazin Hintergrund. Geboren 1941, arbeitet als Publizist und Sachbuchautor.
Seit Jahren gilt er als Experte für Banken- und Unternehmenskriminalität.

 

Die nächste Print-Ausgabe von Hintergrund erscheint Ende April 2020.

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1 Eine gute Übersicht über die bisherigen Pandemien und die medizinischen Kenntnisse gibt Prof. Paul Vogt: Mittelländische Zeitung (Schweiz) 7.4.2020
2 ghsindex.org/wp-content/uploads/2019/10/2019-Global-Health-Security-Index.pdf, S. 26ff.
3 Zeit online 9.4.2017
4 Werner Rügemer: „Die USA haben das sicherste Gesundheitssystem der Welt“ – Die Johns Hopkins University und das globale Pandemien-Management, www.nachdenkseiten.de 1.4.2020
5 Data from US south shows African Americans hit hardest by Covid-19, The Guardian 8.4.2020
6 Leben in der Hochrisikogruppe, Kölner Stadt-Anzeiger 21.3.2020
7 https://www.youtube.com/watch?v=74h5QZjb0Aw abgerufen 1.4.2020
8 Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts, Vorwort zur 2. Auflage Köln 2020, S. 7ff.
9 Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts, S. 299ff.
10 Stand Mitte April 2020
11 Deutschlands größter Fleischversorger erlebt aktuell einen echten Boom, Handelsblatt 30.3.2020
12 Jessica Reisner: Mangelhafter Gesundheitsschutz. Streiks bei Amazon in Italien und USA, arbeitsunrecht.de 4.4.2020
13 MAGS NRW: „Faire Arbeit in der Fleischindustrie“, Abschlussbericht, Düsseldorf Dezember 2019, S. 4
14 Leichtes Spiel für Betrüger, Handelsblatt 8.4.2020
15 Werner Rügemer: Europäische Union – sozial und völkerverbindend? Frankfurt/Main 2019 (KLARtext e.V.)
16 Hans-Werner Sinn: Die Targetsalden schießen hoch, Süddeutsche Zeitung 9.4.2020
17 Netherlands Blocking EU’s Covid-19 Recovering Plan, tax justice network 8.4.2020
18 redglobe.de/europa 16.3.2020
19 Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts S. 29ff.
20 Firmenbonds trotz Krise sehr begehrt, Handelsblatt 7.4.2020
21 Handelsblatt 8.4.2020
22 Larry Fink’s Chairman’s Letter to Shareholders, 29.3.2020, https://blackrock.com/corporate, abgerufen 11.4.2020
23 Jordan Pouille: BlackRock – The financial leviathan that bears down on Europe’s decisions, Investigate Europe 7.4.2018
24 Im Visier der Investoren, Handelsblatt 8.4.2020
25 KKR sichert sich 42,5 Prozent an Axel Springer, Handelsblatt 26.8.2019
26 BlackRock announces move to green finance after activist outcry, weforum.org/agenda/2020/01, 15.1.2020
27 businessinsider.de 9.4.2020
28 Werner Rügemer: Heuchler, Profiteure und andere Menschenfreunde. „Corona“ als Anlass für kollektive demokratische Selbstorganisation, www.nachdenkseiten.de 9.3.2020
29 Elmar Wigand: Lieferando – Umkämpfte Betriebsratswahl knapp gewonnen, arbeitsunrecht.de 9.4.2020

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