Weltpolitik

Amerika-Gipfel in Panama: Kuba und die USA treffen aufeinander

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Von REDAKTION, 9. April 2015 – 

Am Freitag beginnt der von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ausgerichtete zweitägige Amerika-Gipfel in Panama. Geladen sind die Staats- und Regierungschefs aller 35 Länder der Region. Erstmals wird auch Kuba an dem Gipfel teilnehmen, der 1994 ins Leben gerufen wurde. Der sozialistische Inselstaat war auf Betreiben Washingtons 1962 von der OAS ausgeschlossen worden. In den vergangenen Jahren wurde der Ruf vieler  lateinamerikanischer Staaten immer lauter, die Ausgrenzung Kubas zu beenden.

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Titelthema: Flüchtlinge

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Auf dem Gipfel wird es voraussichtlich erstmals zu einem symbolträchtigen „Handshake“ zwischen US-Präsident Barack Obama und seinem kubanischen Amtskollegen Raúl Castro kommen. Im Dezember hatten die beiden Staatschefs nach fünfzig Jahren politischer Eiszeit  überraschend eine Normalisierung ihrer diplomatischen Beziehungen angekündigt.

Ein richtiges bilaterales Treffen während des Gipfels sei bislang nicht geplant, teilte die US-Regierung im Vorfeld mit. Obama und Castro würden aber durchaus Gelegenheit für eine „Interaktion“ haben. Unklar ist noch, ob die US-Regierung Kuba bald aus ihrer Liste der Terror-Unterstützerstaaten streichen wird. Havanna hatte dies als Bedingung für die geplante Eröffnung regulärer Botschaften genannt. In Panama wurde mit der Möglichkeit spekuliert, dass Washington die Maßnahmen vielleicht kurz vor dem Gipfel ankündigt.

Kubas Teilnahme an dem „historischen Gipfel“ wird begleitet von Protesten oppositioneller Exil-Kubaner, die unter anderem vor der kubanischen Botschaft in Panama gegen das „Castro-Regime“ demonstrierten. Dass so viele kubanische Dissidenten nach Panama-Stadt gekommen sind, verärgert die kubanische Führung. „Das Gefühl der Entrüstung ist groß bei der kubanischen Delegation“, sagte der frühere kubanische Kulturminister Abel Prieto der Deutschen Presse-Agentur. Havanna stört besonders, dass auch der Kubaner Félix Rodríguez kommen durfte. Der ehemalige CIA-Agent war 1967 an der Aufspürung und Hinrichtung von Che Guevara in Bolivien beteiligt. Guevara war ein Kommandeur der Guerillaarmee, die gegen die Batista-Diktatur in Kuba kämpfte, und gilt neben Fidel Castro als wichtigste Symbolfigur der kubanischen Revolution. Die Anwesenheit Rodríguez‘ in Panama bezeichnete Prieto als „sehr empörend“.

Den heute in Miami lebenden Rodríguez nannte er einen „Terroristen“. Auf einer Pressekonferenz in Panama verurteilten Rodríguez und seine Mitstreiter die Annäherung der USA an Kuba. Sie setzen weiterhin auf den gewaltsamen Sturz der ihr verhassten sozialistischen Regierung. „Es ist eine Regierung, die sich durch die Inhaftierung Tausender Kubaner an der Macht gehalten hat“, sagte Rodríguez dort. Dabei ist Washingtons „Annäherung“ an Kuba nach wie vor von dem Bestreben bestimmt, dem Sozialismus in Kuba ein Ende zu bereiten. (1) Was weder unzählige Attentatsversuche auf Fidel Castro, noch eine (gescheiterte) militärische Interventionen in der Schweinebucht, noch die jahrzehntelange Wirtschaftsblockade zu Erreichen vermochten, soll nun auf anderem Weg bewerkstelligt werden: „Soft Power“ statt Holzhammermethode. „Wir können nicht das gleiche machen, was wir in den vergangenen fünf Jahrzehnten getan haben, und ein anderes Ergebnis erwarten“, hatte Obama nach Ankündigung der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen erklärt.

USA und Venezuela: Versöhnliche Töne vor dem Gipfel

Gleichzeitig mit der gegenüber Havanna eingeläuteten Entspannungspolitik hat Washington die Konfrontation gegen Venezuela, Kubas engstem Verbündeten, verschärft. Kürzlich erklärte die US-Regierung das sozialistisch regierte Venezuela zur „außergewöhnlichen Bedrohung“ für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten und verhängte Sanktionen gegen mehrere ranghohe venezolanische  Funktionäre. Caracas beorderte daraufhin seinen Geschäftsträger aus der Botschaft in Washington zurück. Beide Länder haben seit 2010 keinen Botschafter mehr in ihrer jeweiligen Vertretung. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro bezeichnete die Entscheidung als „größte Aggression“ der USA gegen Venezuela. Obama repräsentiere die „imperialistische Elite“ der Vereinigten Staaten und wolle in Venezuela intervenieren, um es zu kontrollieren. Im Februar hatten Venezuelas Sicherheitskräfte einen Putschversuch vereitelt, in denen eine Gruppe von Offizieren der Luftwaffe verwickelt gewesen soll. Maduro warf den USA anschließend vor, hinter den Umsturzplänen zu stecken. Washington wies den Vorwurf einer Beteiligung zurück.

Mit den Sanktionsmaßnahmen hat das Weiße Haus jedoch ein politisches Eigentor geschossen. International kam es zu einer breiten Solidarisierung mit Venezuelas Regierung. Die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) verurteilte die US-Maßnahme ebenso wie die Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC), der abgesehen von Kanada und den USA alle Staaten Amerikas angehören. Auch die Bewegung der Blockfreien Staaten und die Gruppe der 77, einem Zusammenschluss von Entwicklungsländern, forderten eine Rücknahme der Strafmaßnahmen. Beiden Bündnissen gehören jeweils über 120 Länder an.

Während sich Washington mit der Kennzeichnung Venezuelas als Bedrohung für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten international selbst isoliert hat, hat das Weiße Haus damit ungewollt auch zu einer innenpolitischen Stärkung der Maduro-Regierung beigetragen. Aufgrund der zum Teil hausgemachten wirtschaftlichen Probleme, die durch den Ölpreisverfall noch befördert wurden, und die sich unter anderem in einer extremen Inflationsrate und erheblichen Versorgungsengpässen bei Gütern des täglichen Bedarfs ausdrücken, steht die bolivarische Regierung innenpolitisch unter massiven Druck. (2)

Mit seiner Konfrontationspolitik hat Washington der venezolanischen Opposition einen Bärendienst erweisen: Nach Ankündigung der Sanktionen stiegen Maduros Beliebtheitswerte in Umfragen in die Höhe. Selbst Vertreter des von Washington unterstützten Oppositionsbündnisses Mesa de la Unidad Democrática (MUD) verurteilten die Maßnahme. Wenn es darum geht, die eigene Souveränität gegenüber den „Yankees“ aus dem Norden zu verteidigen, sind offenbar viele Venezolaner gewillt, über die schlechte wirtschaftliche Lage und bestehende Differenzen zur sozialistischen Regierung hinweg zu sehen.   

Nun dämmert es auch den Strategen in der Obama-Administration, dass das eigene Vorgehen kontraproduktiv war. Am Mittwoch reiste mit Thomas Shannon der Chefberater von US-Außenminister John Kerry nach Caracas. Dort traf sich der ehemalige US-Botschafter Venezuelas mit Maduro und Außenministerin Delcy Rodríguez. Ziel der Gespräche sei es, im Vorfeld des Amerika-Gipfels den Disput zwischen den beiden wirtschaftlich voneinander abhängigen Ländern – die USA sind der größte Importeuer venezolanischen Erdöls – zu entschärfen. Einen Tag zuvor hatte bereits Obamas Sicherheitsberater Ben Rhodes versucht, zur Entspannung der Lage beizutragen. Rhodes erklärte, dass die US-Regierung nicht glaube, dass Venezuela eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA darstelle. Es handele sich dabei eher um eine standardisierte Rahmenformulierung für Exekutivanordnungen.
Signale der Versöhnung kommen auch aus Caracas.

In einem Telefonat mit Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff versicherte Maduro am Dienstag, er sei auf Basis des gegenseitigen Respektes der nationalen Souveränität bereit, zur Verringerung der Spannungen beizutragen. Im venezolanischen Radio betonte er jedoch erneut, dass Venezuela seine Souveränität nutzen werde, um den Sozialismus aufzubauen. Niemand werde das Land von der Idee abbringen, eine andere Demokratie außerhalb des Kapitalismus zu bauen. „Sozialismus, Revolution, die sozialistische Revolution des 21. Jahrhunderts – das ist unsere“, sagte Maduro am Dienstag in seiner Rundfunksendung En contacto con Maduro. Die erstmalige Teilnahme Kubas an dem Amerika-Gipfel sei ein Sieg der Völker und nicht etwa ein Zugeständnis des „US-Imperiums“.


 

Anmerkungen

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mit dpa

(1) Siehe dazu: http://www.hintergrund.de/201503023435/politik/welt/wir-werden-uns-nicht-provozieren-lassen.html
(2) Siehe dazu: http://www.hintergrund.de/201501133379/wirtschaft/wirtschaft-welt/oelpreisverfall-verschaerft-krise-in-venezuela.html

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