Weltpolitik

Afghanistan: Obama spricht Machtwort mit US-Marionette

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Von DAVID WALSH,  6. April 2010 –

Der Blitzbesuch von Präsident Barack Obama vom 28. März in Afghanistan und die Berichterstattung in den amerikanischen Medien darüber zeigen deutlich, welcher Art die Beziehungen zwischen Washington und dem Regime in Kabul sind.

Die Washington Post schrieb, Obamas erster Besuch in Afghanistan „war kurz und fand im Dunkel der Nacht statt – aus Sicherheitsgründen. Er landete auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram, dem Tatort von Misshandlungen und Gefangenen-Morden, traf sich im Präsidentenpalast mit afghanischen und amerikanischen Vertretern (Präsident Karzai wurde erst wenige Stunden vor der Ankunft Obamas über dessen Besuch informiert), hielt vor amerikanischen Soldaten in Bagram eine demagogische Rede und entschwand noch vor Morgengrauen wieder.“

Ein wichtiges Ziel von Obamas Reise bestand darin, dem afghanischen Präsidenten klar zu machen, dass es so nicht geht. Sein Vorgehen war dem eines Gangsterbosses nicht unähnlich. Er bezog sich auf die jüngste Annäherung Karzais an China und den Iran. Karzai hatte in den letzten Wochen Peking und den Iran besucht und den iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad in Kabul empfangen. Die Washington Post nannte Obamas überraschende Stippvisite in Afghanistan höflich „eine Gelegenheit, Karzai an die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten zu erinnern“.

Was hat der amerikanische Präsident Karzai bei seinem Gespräch Sonntagnacht gesagt? Hat er den afghanischen Führer daran erinnert, dass die amerikanische Regierung und das US-Militär ihn im Dezember 2001 in sein Amt eingesetzt haben? Hat er auf die Milliarden Dollar hingewiesen, die seitdem an amerikanischer Hilfe nach Kabul geflossen sind, vieles davon direkt in die Taschen der Verwandten und Günstlinge Karzais? Hat der dem afghanischen Präsidenten damit gedroht, oder einfach nur die Möglichkeit angedeutet, dass er wie Ngo Dinh Diem enden könnte? Der südvietnamesische Präsident und Marionette der US wurde 1963 bei einem von der CIA organisierten Putsch ermordet.

Die Medienberichterstattung in den USA ließ die Schärfe des Zusammentreffens erkennen. Die Washington Post nannte es „einen kurzen, unfreundlichen Zusammenstoß“. Eine Menge Tinte wurde in den Medien darüber verspritzt, dass die Obama-Regierung über das Ausmaß an Korruption des afghanischen Regimes besorgt sei, das zweifellos eines der am besten geschmierten der Welt ist. Dieser Aspekt ist aber ausschließlich für die Öffentlichkeit bestimmt. Immerhin haben die USA Karzai im Präsidentenpalast platziert und sein verhasstes Regime acht Jahre lang gestützt.

Kein Zweifel, Hamit Karzais Bruder, Ahmed Wali Karzai, „der mächtigste Mann in Südafghanistan“, ist ein CIA-Agent und wird „seit vielen Jahren für vielfältige Dienste bezahlt“ (unter anderem für die Organisierung einer Taliban-feindlichen Todesschwadron). Aus diesem Grund wird er vom amerikanischen Militär an der Macht gehalten, obwohl seine engen und lukrativen Verbindungen zum Drogenhandel bekannt sind (New York Times, 30. März 2010).

Washington und die amerikanischen Medien wissen genau, was sie an dem afghanischen Präsidenten haben – einen korrupten, reichen, skrupellosen Politiker. Die aktuellen Schwierigkeiten kommen daher, dass diese amerikanische Marionette versucht, eine gewisse Unabhängigkeit von ihren Strippenziehern zu gewinnen.

Ein Nachrichtenartikel in der New York Times und ein Kommentar des Times -Kolumnisten Thomas Friedman („Diesmal meinen wir es ernst“, 31. März 2010) werfen etwas Licht auf die Komplexität der gegenwärtigen Situation.

Der erste Artikel kritisiert den „roten Teppich“, der für Irans Ahmadinedschad in Kabul ausgerollt wurde. Das sei „nur ein Beispiel dafür, wie Karzai versucht, Abstand zu seinen amerikanischen Sponsoren zu halten … Karzai äußert jüngst immer wieder die Meinung, dass seine Interessen und die der Vereinigten Staaten nicht mehr deckungsgleich seien“. Weiter unten berichtet er, Karzai sei beim Besuch des iranischen Führers in Kabul „neben diesem gestanden, während Ahmadinedschad die Vereinigten Staaten der Förderung des Terrorismus beschuldigte“.

Außerdem habe Karzai, so die Times, im Januar ein Arbeitsessen für prominente afghanische Medien- und Wirtschaftsvertreter veranstaltet, bei dem er sich äußerst zynisch über die amerikanischen Motive geäußert habe. Nur mit Mühe könne er die Vereinigten Staaten auf Abstand halten. „Er habe eine eigene Theorie der amerikanischen Machtpolitik entwickelt, sagte einer der Teilnehmer des Arbeitsessens, der sich aus Furcht vor Vergeltung nur anonym äußern wollte. ’Er glaubt, Amerika versuche die Region zu dominieren, und er sei der einzige, der sich Washington in den Weg stellen könne’.“

Man kann annehmen, dass der Begriff „äußerst zynisch“ im Zusammenhang mit Karzais Ansicht über die „Motive Amerikas“ von den Reportern der Times stammt. Ein großer Teil der Welt teilt mittlerweile diese klare Vorstellung von den amerikanischen geopolitischen Ambitionen.

Die Darstellung des Januar-Treffens in der Zeitung ging noch weiter: „Karzai sagte, wenn es nach ihm ginge, würde er sich mit den Taliban einigen. Aber die Vereinigten Staaten ließen das nicht zu. Das Ziel der Amerikaner sei, den Konflikt am Kochen zu halten, um ihre Truppen im Land lassen zu können.

Karzais Motive sind nicht immer klar. Es kann sein, dass er die Anwesenheit der Amerikaner durchaus begrüßt, jedoch glaubt, etwas Abstand zu den Vereinigten Staaten komme bei der afghanischen Bevölkerung gut an.“

Die letzte, nebenbei gemachte Bemerkung ist nicht unwichtig. Sie bestätigt, was jeder halbwegs objektive Beobachter versteht: Große Teile der afghanischen Bevölkerung verachten die US-amerikanischen und alliierten Truppen als ausländische Besatzer. Ein jüngerer Artikel des Global Post Nachrichtendienstes schrieb über einen US-amerikanischen Vorposten in der Provinz Kandahar: „Die Ablehnung der amerikanischen Präsenz ist groß. Die Einheimischen zeigen eine konfrontative Haltung gegenüber patrouillierenden Truppen und ihren Begleitern von der afghanischen Armee. ’Sie hassen uns’, sagte ein Soldat, der darum bat, seinen Namen nicht zu abzudrucken.“

Warum sollten sie auch nicht? Die Vorgehensweise der USA in Afghanistan war für die afghanische Bevölkerung in den letzten dreißig Jahren eine reine Katastrophe. Zehntausende US-Truppen terrorisieren gegenwärtig die zivile Bevölkerung auf dem Boden und aus der Luft. Das Karzai-Regime, das von der US-Militärmacht gehalten wird, verantwortet unbeschreibliche Lebensbedingungen für die Masse der Bevölkerung.

Ein UN-Bericht vom 30. März enthüllte, dass über ein Drittel der Afghanen in „absoluter Armut“ lebt und ein weiteres Drittel nur knapp über der Armutsgrenze liegt. „Nur 23 Prozent der Bevölkerung haben Zugang zu sauberem Trinkwasser, und nur 24 Prozent der Bevölkerung über fünfzehn Jahren können lesen und schreiben. Unter Frauen und der nomadischen Bevölkerung ist der Analphabetismus noch viel höher“, heißt es in dem Bericht.

Ebenfalls am Dienstag berichtete der Inter Press Service über die Erkenntnisse der internationalen Kinderrechtsorganisation Terre des Hommes: Diese besagen, dass fast zwei Drittel aller in Afghanistan festgenommenen männlichen Jugendlichen misshandelt werden. Der Bericht „enthüllt ein Justizsystem, bei dem Jugendliche, die schon unschuldige Opfer sind, Folter, erzwungenen Geständnissen und offensichtlichen Verletzungen ihrer Rechte vor Gericht ausgesetzt sind.“

Die Obama-Regierung und die Redakteure der New York Times stören sich nicht im Geringsten an diesem Elend und dieser Gewalt.

Auf der anderen Seite fand der Times -Kolumnist Thomas Friedman den Artikel in seiner Zeitung „sehr beunruhigend“, der berichtete, wie Karzai seine US-amerikanischen Zahlmeister brüskiert. Der Artikel schildere, erklärte er, „wie der afghanische Präsident Karzai den iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad nach Kabul eingeladen hat – um der Obama-Regierung vors Schienbein zu treten“.

Dann erwähnt Friedman das Arbeitsessen vom Januar, bei dem Karzai die US-amerikanischen Motive in Afghanistan kritisierte. Er fährt fort: „Das ist der Dank dafür, dass wir Tausende amerikanische Soldaten riskieren und schon zweihundert Milliarden Dollar ausgegeben haben.“ Diese Erbitterung, die an einen Arbeitgeber erinnert, der sich von einem alten Gefolgsmann verraten fühlt, ist deutlich spürbar. Jetzt haben wir schon so viel ausgegeben, und was kriegen wir dafür?!

Ein Journalist der New Republic fasste ziemlich gut zusammen, worin das Herr-Knecht-Verhältnis in den amerikanisch-afghanischen Beziehungen und der Charakter der „demokratischen“ Wahlen in Afghanistan bestehen. Er schrieb, Sprecher Obamas machten „kein Geheimnis daraus, dass die Vereinigten Staaten nach einer Alternative [zu Karzai] suchten. Es wurde jedoch kein Ersatz gefunden, und Karzais Wiederwahl im August 2009 war schließlich unumstritten.“ Hatten amerikanische Behörden eine Stellenanzeige geschaltet?

In seinem Kommentar musste Friedman die Realität zur Kenntnis nehmen: nämlich die Feindschaft der afghanischen Bevölkerung gegen die US-amerikanische Besatzung. „Karzai glaubt, Amerika dadurch bestrafen zu können, dass er den iranischen Präsidenten nach Kabul einlädt, und dieser hält im Präsidentenpalast eine giftige, antiamerikanische Rede. Das muss man genau beobachten. Es bedeutet, dass Karzai zu glauben scheint, Antiamerikanismus mache sich auf den Straßen Kabuls gut und stärke ihn selbst politisch. Das ist kein gutes Zeichen.“

Dies ist ein entlarvendes Eingeständnis. Friedman interessiert sich kaum für die Meinung des afghanischen Volkes. Sein ganzes Gerede über „gute Regierungsführung“ und den Aufbau „einer anständigen und dauerhaften Sache“ in Afghanistan ist genau das – nämlich Gerede.

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Die Artikel in der Times zeigen eine erhebliche Nervosität. Die Autoren erkennen offenbar, dass trotz Milliardenaufwand für Truppen und Ausrüstung, trotz vergangener und zukünftiger mörderischer Offensiven, trotz aller Bemühungen, ein durch und durch höriges Regime heranzuziehen, (zu bestechen, einzuschüchtern),  die gesamte neokoloniale Intervention in Afghanistan durchaus noch scheitern kann.


Der Artikel erschien im Original am 1. April unter dem Titel Obama’s Afghan visit: laying down the law to a US puppet bei wsws.org. Übersetzung: wsws

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