EU-Politik

Europäische Waffen für den Dschihad?

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Während des EU-Gipfels in Brüssel häufen sich die Anzeichen, dass es bald Waffenlieferungen der EU an syrische Rebellen geben könnte. –

Von THOMAS EIPELDAUER, 15. März 2013 –

Es ist keine vier Wochen her, da war sich Guido Westerwelle sicher: „Eine Aufhebung des Waffenembargos würde lediglich zu einem Aufrüstungswettlauf in Syrien führen“, sagte er am Rande des EU-Außenministertreffens am 18. Februar in Brüssel. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel war zwar immer unter den Verfechtern der Verschärfung der Sanktionen, auch sie stand der Lieferung von Kriegsgerät an die Kämpfer der syrischen Opposition aber bisher ablehnend gegenüber.

Der am 14. und 15. März in Brüssel tagende Gipfel der Staats- und Regierungschefs könnte eine Abkehr von dieser Position mit sich gebracht haben. Insbesondere der französische Präsident François Hollande betonte: „Wir wollen, dass Europa das Waffenembargo aufhebt.“ Der Sozialist weiter: „Wir müssen Druck machen und zeigen, dass wir bereit sind, die Opposition zu unterstützen. Wir müssen so weit gehen.“

Kein klares „Nein“

Die Bundesregierung hat sich den Wünschen Frankreichs gegenüber zunächst – verglichen etwa mit der Position des britischen Regierungschefs David Cameron, der ebenfalls für eine Revision des Embargos eintritt – eher skeptisch gezeigt. Ein klares „Nein“ war allerdings weder von Merkel, noch von Westerwelle zu hören. Letzterer zeigte sich gesprächsbereit: „Wenn unsere Partner in Frankreich und Großbritannien eine abermalige Änderung der Sanktionspolitik für sinnvoll halten, dann werden wir darüber selbstverständlich unverzüglich in der Europäischen Union beraten“, erläuterte er am Donnerstag. Auch die Stellungnahmen der Bundeskanzlerin deuten auf einen möglichen Positionswechsel. Ob es Sinn mache, Waffen zu liefern oder nicht, sei eine „Abwägungsfrage“. Wenn sich für europäische Partnerländer eine neue Einschätzung des Embargos ergeben hätte, sei man bereit, die Frage erneut zu diskutieren. Ihre „Meinungsbildung“, so die Kanzlerin laut dpa, sei „nicht abgeschlossen“.

Ziel Regime Change

Dass früher oder später das Waffenembargo fallen wird, dafür spricht vieles. Zum einen hat Frankreich bereits angekündigt, es im Mai auslaufen zu lassen, und die anderen EU-Staaten betonen, man suche eine „gemeinsame Position“. Zweitens werden bereits jetzt „nicht letale“ Güter wie Schutzwesten oder gepanzerte Fahrzeuge geliefert. Drittens aber verfolgen auch jene, die sich im Moment noch gegen die Versorgung der Rebellen mit Kriegsgerät stellen, das grundsätzliche Ziel, einen Regime Change in Syrien herbeizuführen. Vor Journalisten im Haus der Bundespressekonferenz erläuterte der Pressesprecher des Auswärtigen Amtes, Andreas Peschke, am Freitag die Position der Bundesregierung: „Wir teilen alle das Ziel, die syrische Opposition in jeder verantwortbaren Weise zu stärken, weil auch aus unserer Sicht das der einzige Weg ist, das Assad-Regime endlich dazu zu bringen, die Gewalt einzustellen und es an den Verhandlungstisch zu zwingen.“

Ginge es aber um den „Verhandlungstisch“, so hätte die Opposition dutzende Möglichkeiten gehabt, sich an diesen zu begeben – und hat sie noch. Gespräche mit dem friedlichen Widerstand hatte die Assad-Regierung in den vergangenen Jahren immer wieder angeboten, die Journalistin Karin Leukefeld berichtet in der Tageszeitung junge Welt vom 9. März, dass die syrische Regierung nun auch einen umfassenden Plan zu Gesprächen mit den bewaffneten Rebellen vorgelegt habe. Es sind die Freie Syrische Armee (FSA) und die zahlreichen islamistischen Gruppierungen, die nicht an Diskussionen, sondern an einem bedingungslosen militärischen Sieg interessiert sind. In Paris und London weiß man das genauso wie in Berlin.

Kriegsgerät für Kriegsverbrecher

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Indessen häufen sich die Hinweise auf Kriegsverbrechen der Opposition. So veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) dieser Tage einen Bericht, in dem auch der bewaffneten Opposition schwere Kriegsverbrechen vorgeworfen werden. „Gefangene Soldaten, Angehörige der regierungstreuen Milizen und mutmaßliche Kollaborateure werden gefoltert und hingerichtet“, zitiert die Süddeutsche Zeitung (15.3.2013) die Syrien-Expertin von AI in Deutschland, Ruth Jüttner. In der Gegend um Süddamaskus gebe es Zeugenberichten zufolge ein „Todesloch“, in das man die Leichen ermordeter Soldaten und angeblicher Informanten werfe.

Von den Gewalttaten der Rebellen war allerdings in den Diskussionen um die Aufhebung des Waffenembargos dieser Tage kaum die Rede. Zwar betonten die Vertreter der westlichen „Wertegemeinschaft“, nur „moderate“ Kämpfer unterstützen zu wollen. Wer aber von den allesamt eine Verhandlungslösung verweigernden Milizen „moderat“ genannt werden kann, bleibt ein Rätsel. Dass die Waffen nicht auch in die Hände islamistischer Milizen gelangen, ist, siehe Libyen, eine Illusion. Wer in dieser Situation Kriegsgerät nach Syrien schickt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, an dem „Todesloch“ in Süddamaskus mitzuschaufeln.

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