Innenpolitik

Wer ist hier politikunfähig?

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Nach der Bundespräsidentenwahl wird deutlich:  Manche Kritiker der Linken beschädigen die Demokratie –

Von THOMAS WAGNER, 2. Juli 2010 –

Solange sich die Linkspartei als einzige im Bundestag vertretene politische Kraft deutlich vernehmbar gegen den Kriegs- und Sozialabrisskurs des neoliberalen Einheitslagers aus CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen positioniert, gilt sie diesen Parteien als nicht regierungsfähig. Da sie ihre Weigerung, den Kandidaten der SPD und der Grünen für das Amt des Bundespräsidenten zu unterstützen, mit diesen inhaltlichen Differenzen in Sachen Friedenspolitik und Sozialstaat begründete, schlagen SPD, Grüne und große Medien seitdem unisono auf sie ein.

Der Hauptvorwurf besteht  in der Behauptung, die Stimmenthaltung der linken Wahlmänner und Wahlfrauen im dritten Wahlgang sei für den Sieg Christian Wulffs ausschlaggebend gewesen.  „Sich im dritten Wahlgang zu enthalten und damit den Weg für Wulff freizumachen, ist ein Offenbarungseid für die Linke“, kommentierte die Eßlinger Zeitung am Donnerstag den Ausgang der Wahl und der Mannheimer Morgen meinte, hätte „sie Gauck als aus ihrer Sicht etwas kleineres Übel dann doch gewählt, wäre die historische Sensation vielleicht perfekt gewesen- und die Regierung am Rande des Zusammenbruchs gestanden. Das hat die Linke vermasselt.“

„Christian Wulff (CDU) ist unser neuer Bundespräsident. Das hat er auch den Linken zu verdanken. Im dritten Wahlgang enthielten sie sich ihrer Stimme. Joachim Gauck bekam deswegen keine Mehrheit“, hieß es in gleich zwei Zeitungen.(1) Schließlich suggerierte auch Moderator Klaus Kleber vor Millionen Fernsehzuschauern in seinem Heute-Journal-Interview mit dem Wahlverlierer Joachim Gauck am 1. Juli im ZDF: „Es wäre unter Umständen ganz anders gekommen, aber die Linkspartei hat sich bis zum Ende geweigert, Sie zu unterstützen.“ (2)

Dabei muss man den verantwortlichen Politikern und Journalisten unterstellen, dass sie wussten, dass sie ihr Publikum in die Irre führten, denn auch mit den Stimmen der Linken Wahlmänner und -Frauen wäre Gauck nicht gewählt worden. Wolfgang Lieb erinnerte auf den Nachdenkseiten an die Fakten:

„In der Bundesversammlung hatten CDU/CSU 496 Mitglieder, die FDP 148, die SPD 333, die Grünen 129, die Linke 124 und die Sonstigen 14. Insgesamt waren es also 1244. Die absolute Mehrheit war mit 623 Stimmen erreicht. Im dritten Wahlgang hatte Wulff diese absolute Mehrheit mit 625 Stimmen erreicht. Selbst wenn alle Wahlleute der Linken Gauck gewählt hätten, wären nur 494 plus 124, also 618 Stimmen zusammengekommen. Auch im zweiten Wahlgang hätten die 490 für Gauck abgegebenen Stimmen mit den 124 Stimmen der Linken Wahlleute nicht zur absoluten Mehrheit ausgereicht. Nur im ersten Wahlgang hätte Gauck mit den 499 Stimmen plus den 124 Stimmen der Linken in der Bundesversammlung genau die absolute Mehrheit von 623 Stimmen erreicht. Es ist jedoch geradezu verwegen, zu unterstellen, dass die Linken ihre Kandidatin komplett „im Regen“ stehen lassen würden und sozusagen in einer „Geheimabsprache“ einen Überraschungscoup gelandet und zusätzlich noch darauf spekuliert hätten, dass es im Lager von CDU/CSU und FDP 44 Abtrünnige geben würde. Und das auch noch ohne dass es einen vorherigen Kontakt zwischen SPD und Grünen mit der Linken gegeben hätte. Wie das Endergebnis schließlich zeigte, ist es noch verwegener, davon auszugehen, dass, wenn es auch nur Gerüchte darüber gegeben hätte, dass die Linke komplett für Gauck stimmt, dass nicht wenigstens eines der Mitglieder von CDU/CSU und FDP, das im ersten Wahlgang noch für Gauck stimmte schon im ersten Wahlgang umgeschwenkt wäre und Wulff gewählt hätte.“ (3)

Das eigentliche Ziel der Angriffe ist die Spaltung der Linkspartei, wie oben deutlich wurde – auch um den Preis der Wahrheit. Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel sagte der Berliner Zeitung am Freitag, die Reformer in der Linken dürften nicht länger zulassen, dass Lafontaine und die stellvertretende Vorsitzende Sarah Wagenknecht „mit ihrer Mischung aus Machiavellismus und Beton-Kommunismus das Zepter schwingen“. In der Bundesversammlung habe unter der Führung von Oskar Lafontaine noch einmal die alte SED-Nachfolgepartei entschieden.

Grünen-Chefin Claudia Roth warf der Linken eine Verweigerungshaltung vor. Es werde zwar auch weiter Gespräche mit der Linkspartei geben, doch die Chancen für eine Normalisierung der Beziehungen seien vertan. Roths Co-Vorsitzender Cem Özdemir monierte, dass die Linkspartei bei dem Versuch, in der Bundesrepublik Deutschland anzukommen, Schiffbruch erlitten habe.

Das ZDF schließlich bot dem Wahlverlierer Joachim Gauck am Tag nach der Wahl im Heute-Journal-Interview ein Podium, um gegen die Linkspartei nachzutreten:

„Kleber:  Es hängt ja einiges an der Frage in unserem Fünfparteiensystem, ob die Linkspartei in unserem Sinne politikfähig sei. Wie beantwortet sich heute diese Frage für Sie?

Gauck: Nun, da ist ein Prozess im Gange. Diejenigen, die dieser Partei nicht angehören und die sie kritisch betrachten – und dazu gehöre ich – warten natürlich auf eine Entwicklung, auf eine programmatische Entwicklung die eben anderen Parteien ein Bündnis mit dieser Partei als naheliegend erscheinen lassen könnte. Aber es ist eben so, dass wir nicht genau wissen, was wird in dem Programm drin stehen. Kräfte, die sich nicht lösen mögen von diesem diktatorischen Projekt des Herrschaftskommunismus, die kämpfen um Positionen  und die aufklärerischen Kräfte kämpfen auch. Wir wissen nicht genau, wie das ausgehen wird. Das wissen wir, wenn das Programm dann verabschiedet wird.“ (4)

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Wolfgang Lieb schrieb dagegen auf den Nachdenkseiten: „Diejenigen die behaupten, die LINKE sei noch nicht in der Demokratie angekommen, sind auf dem besten Wege, selbst die Demokratie schwer zu beschädigen.“


(1) http://www.hna.de/nachrichten/politik/linken-machen-wulff-bundespraesidenten-824744.html, http://www.merkur-online.de/nachrichten/politik/linken-machen-wulff-bundespraesidenten-824744.html
(2)  http://www.zdf.de/ZDFmediathek/kanaluebersicht/aktuellste/228#/beitrag/video/1081472/Gauck:-Heute-als-freier-Mann-aufgewacht
(3) http://www.nachdenkseiten.de/?p=6065
(4) Transkript von Hintergrund, http://www.zdf.de/ZDFmediathek/kanaluebersicht/aktuellste/228#/beitrag/video/1081472/Gauck:-Heute-als-freier-Mann-aufgewacht

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