Innenpolitik

Spaßtelefonate – Schabernack oder Straftatbestand?

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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BILD und Radio ffn ziehen im Fall Ypsilanti an einem Strang.

Von REGINE NAECKEL, 17. September 2009:

War es ein Zufall, dass BILD über ein nie gesendetes „Spaß-Interview" unmittelbar nach dessen Zustandekommen Bescheid wusste? Offensichtlich sollte Andrea Ypsilanti in die Falle tappen – so oder so. Das passt in die derzeitige politische Agenda all derer, die eine dräuend „rote Gefahr" am Horizont auszumachen glauben. Und wer über die ffn-Comedy nicht lachen will, ist ein Spaßverderber. Politische und menschliche Beschädigungen werden als Kollateralschäden in diesem Geschäft hingenommen.

„Politainment" und die mediale Verblödung

Es ist zwar Usus geworden, dass sich Prominente – oder die sich dafür halten – wie Tanzbären in den Medien vorführen lassen. Im Dschungelcamp nagen verblasste Stars an Krokodilshoden, um sich vom Honorar neue Zahnkronen kaufen zu können. Politiker tanzen in fragwürdigen Shows auf, um ihrer Popularität einen neuen Schub zu verleihen.

Das alles geschieht freiwillig. Es wirft sicher keinen Glorienschein auf den Geisteszustand der Medienmacher und ihrer Protagonisten. Noch weniger gereicht es der jubelnden Rezipientenschar zum Ansehen einer kulturellen „Elite".

Galt vor einiger Zeit in Medienkreisen noch die Regel „Sex sells“, lässt sich mittlerweile scheinbar mit purer Dummheit noch mehr Geld verdienen. Ein herrliches Beispiel dafür sind die sogenannten „Spaßtelefonate“, bei denen ein Angerufener von der Stimme am anderen Ende der Leitung unter Vortäuschung falscher Tatsachen zu Aussagen verlockt werden soll. Das Ganze wird – dessen sollten sich Macher und Hörer im Klaren sein – unter Verletzung des §201 StGB aufgezeichnet und der Verdutzte wird am Schluss gefragt, ob das nicht einfach mal so gesendet werden darf. Vornehmlich private Radiosender haben für dieses Sendeformat mittlerweile wahre Fangemeinden, die Telefonate sind Kult.

Ganz vorne in der Gunst der Hörer rangiert das Comedyprogramm „Crazyphone“ von Radio ffn. Der Sender unter Leitung seiner Programmdirektorin Ina Tenz bedient die werberelevante Kernzielgruppe der 20 bis 49 jährigen (1). Die Musikfarbe wird in den Mediadaten als Hot AC (Adult Contemporary) charakterisiert, der Wortanteil beträgt dabei 30 Prozent, 70 Prozent sind Dudelfunk, wie Kritiker beklagen. Immerhin hat der Sender eine technische Reichweite von 13,2 Millionen Hörern.

Betrachtet man die 30 Prozent Wortbeiträge, findet sich wenig Erhellendes oder Informatives, Spaß ist das Gebot der Stunde. Wer nichts mehr zu lachen hat in seinem Leben, der soll bei ffn fündig werden: Surrogate am laufenden Band.

Mitte vergangener Woche rief einer der festbestallten ffn-Spaßvögel bei der hessischen SPD-Fraktionsvorsitzenden Andrea Ypsilanti an. Das war Jochen Krause. Der 57jährige agiert mit diesen „Späßen“ nicht nur ständig außerhalb seiner altersgemäßen „Zielgruppe“, er operiert damit gleichzeitig in einer juristischen Grauzone und tappt auf dünnem Eis.

Doch den ehemaligen Gymnasiallehrer schert das wenig, als Unterhaltungschef und „Chefautor“ des Radiosenders gibt Krause den Ton an. Zu allem Glück ist dieser Mann auch noch Stimmenimitator. Welch eine Besetzung! (2)

Krause ließ sich als Franz Müntefering brav im Vorzimmer anmelden und wurde verbunden. Was dann passierte ist Dank youtube und BILD bekannt: Andrea Ypsilanti fiel auf den vermeintlichen Franz rein. Aber – und das sei betont – sie machte in dem knapp zwei Minuten Zusammenschnitt eine relativ gute Figur: Das Angebot des falschen Franz, als Generalsekretärin der Partei nach Berlin zu kommen, konterte sie mit einem klaren Nein. Auch sonst wirkte sie recht selbstbewusst und absolut zielorientiert.

Trotzdem willigte sie in das Anliegen des forschen Krauses nicht ein. Der Chefautor ging mit seinem erschlichenen „Crazyphone-Call“ baden. Damit wäre die Sache fast erledigt gewesen.

BILD wusste alles zuerst

Insgesamt sieben Minuten will Krause angeblich mit der SPD-Chefin geplaudert und sie geleimt haben. Das zumindest behauptete die Bild-Zeitung bereits am vergangenen Donnerstag (3), um dann am Freitag mit einem weiteren Bericht (4) nachzukarten: Die hessische FDP fordert die Freigabe des Gesprächs, um Ypsilanti in die Karten schauen zu können. Mit welchem Recht? – Das allerdings fragt das Boulevardblatt nicht. Vielmehr soll die Brisanz der Geschichte hochgekocht werden, wenn BIILD im gleichen Artikel die ffn-Programmchefin Ina Tenz zitiert: „Der Inhalt des Gesprächs ist nicht ohne. Eine Genehmigung hätte mich überrascht.“

Darf eine Programmchefin über Vertrauliches derart nonchalant plaudern?

Am Sonnabend schließlich schien der Boden bereitet, das Medienvolk gierte nach den Früchten der Saat. Und richtig: Wie von Zauberhand erschien bei youtube der professionell konfektionierte Zusammenschnitt des Gesprächs, nicht ohne Ankündigung bei BILD (6): Falscher Münte-Anruf im Internet aufgetaucht!

Wie konnte die Aufnahme dahin gelangen?

HINTERGRUND fragte gleich am Sonntag bei Ina Tenz nach. Sie schien weder sonderlich besorgt, noch schuldbewusst: „Wir haben das unserem Anwalt übergeben, der wird sich darum kümmern, dass das Video von youtube genommen wird.“ Und wie konnte das Material überhaupt aus dem Sender heraus gelangt sein? Wie sind die üblichen Prozederes in einem solchen Fall, wollten wir wissen. „Na ja, das Telefoninterview wird gesichert.“ Gesichert? Müsste es nicht vielmehr gelöscht und ein unbefugter Zugriff verhindert werden, was heißt ‚gesichert’? „Sichern heißt“, so die Programmchefin, „die Datei wird mit einem Passwort-Schutz versehen“. Aha.

Aber das hat ja wohl nicht funktioniert. Was sie denn zu tun gedenke, die ‚undichte Stelle’ müsse sich schließlich in ihrem Haus befunden haben. „Nein“, weiß Frau Tenz, „von uns kommt das Video nicht.“ Alles weitere wolle der Anwalt klären.

Radio ffn und die Presse oder wie sich Synergien nutzen lassen

Radio ffn ist ein privater Hörfunksender in Niedersachsen. Betreiber ist die „Funk & Fernsehen Nordwestdeutschland GmbH & Co. KG“, das sind insgesamt rund 52 Zeitungsverlage aus dem Sendegebiet und die Mediengesellschaft Niedersachsen mbH, weiß Wikipedia. (7)  Auch das Impressum von Radio ffn verweist auf den Betreiber. (8)

Wer aber steckt hinter der ‚Funk & Fernsehen Nordwestdeutschland GmbH & Co. KG’- wer sind die Eigentümer? Das Internet gibt keine Auskunft, die Firmendatenbank Hoppenstedt erklärt zwar am Telefon, sie hätten eine exakte Aufstellung, die aber koste eine Menge Geld. Auch die Landesmedienanstalt als Sachwalter von Recht- und Ordnung im Privatfunk und Wahrer des öffentlichen Interesses hat Online keine weitergehenden Informationen.

Schade eigentlich. So denkt der ffn-Hörer, am anderen Ende der Leitung säßen nichts als ein paar enthusiastische Spaßmacher. Dass damit Geld verdient werden soll – und das nicht zu knapp – bleibt für die Fangemeinde Nebensache.

Allein die KEK, die Kommission zur Ermittlung der Medienkonzentration, weist zumindest einen Springer AG-Anteil von knapp 10 Prozent aus.(9) Immerhin eine Information.

Weiter hält die Verlagsgesellschaft Madsack GmbH & Co. KG 13,7 Prozent an Radio ffn. Madsack ist der Herausgeber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und der Neuen Presse Hannover. Einer der größten Anteilseiger dieser beiden Blätter ist wiederum die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH, ein Unternehmen der SPD-Medienholding.(10)

„Der Rest der Eigner teilt sich auch auf zum Teil kleine Zeitungsverlage, so genau kann ich Ihnen das nicht sagen“, so der Jurist Christian Krebs von der Landesmedienanstalt Niedersachsen, die so etwas eigentlich wissen müsste. Immerhin soll sie die Medienkonzentration verhindern. Krebs verweist an das Handelsregister beim Amtsgericht Hannover, dort wiederum hat man nur äußerst begrenzte Sprechzeiten und gibt eigentlich nur auf schriftliche Anträge – in aller Muße – Auskunft. Die Medientransparenz entpuppt sich als kafkaeske Farce.

Apropos Medienkonzentration: Das Zusammenspiel zwischen Presse und Radio ffn hat im Falle Ypsilanti hervorragend geklappt. Wer’s nicht hören darf bei fnn, kann es in den Publikationen der Radio-Eigner lesen. Und dann nach BILD-Ankündigung bei google / youtube „heimlich“ sehen, was dem Ganzen noch den nötigen Effet verleiht. Ausgewogene politische Berichterstattung – der eigentliche Presseauftrag – ist das nicht, aber die Werbewirtschaft hat ihre helle Freude an steigenden Auflagen und reichlich Einschaltquote. Hauptsache die Kasse klingelt.

Rechtlich auf dünnem Eis

Jeder Prominente und Politiker kann selbst entscheiden, wie er sich lächerlich macht. Fernsehen und Hörfunk bieten dazu eine breite Palette verschiedener Formate an. Die Teilnahme an diesen Programmen setzt aber in der Regel voraus, dass der Protagonist eine solche Einladung annimmt. Seine Rolle in dem Klamauk kann er bestenfalls selbst bestimmen.

Anders ist das bei den Spaßtelefonaten, denn hierbei tappt ein Opfer in die Falle. Und dieser Spaß ist so lustig nicht, genau genommen erfüllt er einen Straftatbestand. Das Strafgesetzbuch sagt  unter §201, dass „die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“ mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden kann. Damit ist eindeutig verboten, unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufzunehmen, eine so hergestellte Aufnahme zu gebrauchen oder einem Dritten zugänglich zu  machen. (11)

Eigentlich ein klarer Rechtsfall, sollte man meinen. Die Landesmedienanstalt Niedersachsen, verantwortlich für den aus Hannover operierenden Sender ffn, sieht das anders. Im HINTERGRUND-Gespräch erklärt deren juristischer Referent Christian Krebs, man hätte diese Spaßtelefonate schon seit einigen Jahren im Auge. „Wir sind aber zu der Überzeugung gelangt, es darf keine Vorabzensur geben.“ Schließlich gebe sich ja die Redaktion am Ende des Gesprächs zu erkennen. „Wird also während des Tathergangs,“ so der Jurist Krebs, „der Tatbestand vom Verursacher selbst eingestanden, handele es sich nicht mehr um einen Straftatbestand“.

Aha.

Selbstverständlich dürfen diese Telefonate nur mit Einwilligung des Angerufenen veröffentlicht werden, diese mündliche Zustimmung muss laut Christian Krebs Teil der gesendeten Passagen sein.

Anders beurteilt der Jurist Dr. Markus Heinker aus Leipzig die Rechtslage. Bereits im Februar diesen Jahres äußerte er in einem Podcast zum Thema Medienrecht (12), einer regelmäßig vom Förderwerk für Rundfunk und Neue Medien (SAEK) aus Chemnitz im Internet veröffentlichten Reihe – seine Position: Spaßanrufe sind grundsätzlich strafbar. Im Gespräch mit HINTERGRUND erläutert er den aktuellen Fall: „Die Aufzeichnung eines Anrufes wie im Falle Ypsilanti erfüllt ganz klar einen Straftatbestand nach § 201. Anders als bei einem Foto, das grundsätzlich „geschossen“ werden darf und erst bei Veröffentlichung einer Einwilligung bedarf, ist es beim gesprochenen Wort. Schon das Aufzeichnen ist strafbar.“ Leider wird jedoch in den seltensten Fällen ein Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft gestellt, berichtet Heinker aus seiner juristischen Erfahrung und meistens werden die Fälle  zugunsten eines Vergleichs der Parteien nicht juristisch geahndet. „Oft geht es den Geschädigten um Geld, das dann von den Sendern bereitwillig gezahlt wird. Anders als in den USA sind die Schadensersatzbeträge in Deutschland minimal.“

Der Strafrechtler Udo Vetter kommt bei Spaßtelefonaten zu einer ähnlichen Einschätzung, schränkt aber ein: „Häufig wird in diesen Fällen mit der Rundfunk- und Pressefreiheit argumentiert. Sie gilt als höchstes Gut und da wagt sich so schnell keiner ran. Im Grunde jedoch geht es diesen Programmen nicht um politische Meinungsbildung, sondern einzig darum, Menschen lächerlich zu machen. Das reiht sich ein in das moderne Entertainment à la ‚Deutschland sucht den Superstar“. Es geht um das Präsentieren medialer Opfer.“ Im HINTERGRUND-Gespräch fährt er fort: „Sicher hatte der Gesetzgeber beim § 201 auch die Möglichkeit einer Erpressung im Blick. Solche Aufzeichnungen lassen sich missbrauchen, deshalb besteht der klare Grundsatz, dass nichts ohne die vorherige Einwilligung des Angerufenen aufgenommen werden darf.“

Was aber käme bei einem Antrag auf Strafverfolgung heraus? Beide Anwälte sind sich einig, dass im Falle Ypsilanti der Radiosender – selbst durch den weitergehenden Straftatbestand, das Material nicht gesichert und so die Veröffentlichung erst ermöglicht zu haben – mit einer Spende für Amnesty oder das Rote Kreuz aus einem Prozess herauskäme. Das lässt sich aus der Portokasse begleichen. Spürbare Konsequenzen wird der Fall nicht haben.

Radio ffn macht lustig weiter

Von der ffn-Programmdirektorin war Anfang der Woche nichts zu sehen im Funkhaus. Statt sich mit dem Fall zu beschäftigen und die „undichte Stelle“ im Haus zu suchen, war sie im Dienst abgemeldet. Auf dem Mobiltelefon zeigte sich Ina Tenz wenig betroffen und konterte die erneute HINTERGRUND-Anfrage mit einem schroffen: „Was habe ich denn bitte damit zu tun? Das klären unsere Anwälte“. Wer diese Anwälte sind, erfuhr man nicht.  Wie weit deren Ermittlungen gediehen waren, schien die Chefin nicht zu interessieren.

Auf die Nachfrage, was denn ffn zu tun gedenke, um das ständige Wiedereinstellen des Videos bei youtube zu unterbinden und den Hinweis, dass die Videoplattform auf derartige Meldungen erstaunlich schnell reagiere, kam die Antwort: „Dann melden Sie das doch bei youtube.“ Ende des Gesprächs.

Macht ja auch keinen Spaß, drängelnde Journalisten am Apparat zu haben. Passt schon gar nicht in die Programmfarbe der heiteren ffn-Unterhaltung.

Aber auch die SPD Hessen will Klarheit. „Wir haben den privaten Radiosender ffn um Auskunft gebeten, wie es zur Verbreitung des illegal aufgezeichneten Telefonates zwischen Andrea Ypsilanti und dem Stimmenimitator Jochen Krause auf der Plattform YouTube und anderen kommen konnte. Die Ausstrahlung dieses Gesprächs war ausdrücklich untersagt und dies von ffn akzeptiert worden“, erklärte Frank Steibli, Pressesprecher der hessischen SPD-Landtagsfraktion noch am Montag. „Radio ffn sei aufgefordert worden, die Verbreitung des Gesprächs der hessischen SPD-Landesvorsitzenden mit dem „falschen Müntefering“ zu unterlassen und sämtliche Kopien auf YouTube und anderen ähnlich gearteten Plattformen löschen zu lassen.“ (13)

Derweil dudelt es munter weiter im Internet. Frau Tenz macht sich – so scheint es – einen lauen Lenz. Der Postillon bleibt weiter im Dunkel. Business as usual.

SPD Hessen stellt Strafantrag gegen Jochen Krause

Doch nun zieht auch die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag andere Register. „Unser Anwalt hat heute Strafantrag gegen die Verantwortlichen für Aufzeichnung und Veröffentlichung des Telefonmitschnitts zwischen unserer Vorsitzenden und dem Müntefering-Imitator am 10. September gestellt“, erklärt der Pressesprecher Frank Steibli am Mittwochnachmittag (17.September).

Die Veröffentlichung verstoße gegen § 201 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2 Strafgesetzbuch, jener Paragraphen, die unerlaubte Gesprächmitschnitte und deren Verbreitung unter Strafe stelle.

Da die IP-Adresse jenes Rechners, über den der Mitschnitt bei YouTube eingestellt worden war, üblicherweise binnen sieben Tagen gelöscht werde, sei schnelle Aufklärung erforderlich. „Nur so kann ermittelt werden, wer der Übeltäter war“, so Steibli. (14)

Doch was, wenn sich hinter der IP-Adresse ein Internetcafe verbirgt? Man darf gespannt sein.

Rauschen im Blätterwald oder Kalkül?

Woher eigentlich Springers BILD bereits am vergangenen Donnerstag von dem Anruf wusste, bleibt weiter im Unklaren. Auch diese Information muss direkt von ffn gekommen sein. Es stellt sich die Frage, wieweit nicht schon die bloße Information über nicht genehmigte „Spaßanrufe“ einen Straftatbestand erfüllt. Wie ist die Aussage der Programmdirektorin zu werten: „Der Inhalt des Gesprächs ist nicht ohne. Eine Genehmigung hätte mich überrascht.“ Hätte sie da nicht besser mal den Mund gehalten? Oder ist das Ganze Kalkül?

Auffallend ist, dass die versuchte Demontage von Andrea Ypsilanti bestens ins Konzept von BILD und Konsorten passt. Die SPD Hessen zusammen mit den Grünen an der Regierung und das Ganze unter Duldung der Linken – das könnte Schule machen und riecht sehr nach baldigen rot-rot-grünen Koalitionen im Land. Davon ist nicht nur die Springer-Presse kein Freund. Nicht umsonst ließ man im BILD-Bericht auch gleich die FDP in die Bresche springen, die nach Jahren auf der Oppositionsbank wieder mehr vom Regierungskuchen abhaben möchte.  Immerhin könnte ein „dunkelrotes“ Bündnis dem mühsam implementierten Pflänzchen des allumspannenden Neoliberalismus gewaltig an den Wurzeln werkeln – und das sähe nicht nur die FDP ungern.

Das „Spaßtelefonat“ mit Andrea Ypsilanti könnte allerdings ernster sein, als bislang angenommen. Udo Vetter sprach das Problem indirekt an. Aufgezeichnete Telefonate können erpressbar machen. Wo also sind die bisher nicht veröffentlichten fünf Minuten des Gesprächs? Was wurde da gesagt, was „nicht so ohne“ sei? Die veröffentlichten Passagen sind damit offensichtlich nicht gemeint. Sie passen eher in die Rubrik „das riskieren wir mal“.

Möglicherweise verschwinden die restlichen fünf Minuten tatsächlich im Giftschrank von Radio ffn. Doch auch dann bleibt ein unangenehmer Nachgeschmack. Wieder einmal kam es zu einem seltsamen Zusammenspiel von einem Privat-Sender und den Springer-Medien, allen voran der BILD-Zeitung. Wenn dort vor Veröffentlichung des Gesprächs geschrieben wird „Ganz Deutschland schmunzelt über Andrea Ypsilanti“ fragt sich der kritische Leser, Worüber soll man schmunzeln und Wer ist ganz Deutschland? Offensichtlich die Lesergemeinde von BILD und von denen – so kann man vermuten – auch nur ein Teil.

Die Sache stinkt zum Himmel. Doch der Coup scheint aufgegangen. Zumindest insofern, als seriöse Journalisten vermutlich immer weniger direkten Kontakt zu führenden Politikern erhalten. Wer will noch am Telefon befragt werden? Vielleicht erfolgen Pressekontakte in Zukunft nur noch per Codewort oder Chip-Authentifizierung. Einer unabhängigen Presse dienen diese bitteren Erfahrungen von Politikern sicher nicht.

(1)  http://www.ffn.de/fileadmin/Werbung/senderprofil.pdf

(2)  http://www.kress.de/cont/vk.php?vknr=JNKE17069

(3)  http://www.bild.de/BILD/news/politik/2008/09/11/
muentefering-imitator/telefoniert-mit-andrea-ypsilanti.html

(4)  http://www.bild.de/BILD/news/politik/2008/09/12/
wirbel-um-geleimte-ypsilanti/fdp-fordert-freigabe-des-falschen-muente-anrufs.html

(5)  http://www.youtube.com/watch?v=Wwodza5Ocq8  (erste Veröffentlichung – nun gelöscht)

(6)  http://www.bild.de/BILD/news/politik/2008/09/13/
geleimte-ypsilanti/video-im-internet-aufgetaucht.html

(7)  http://de.wikipedia.org/wiki/Radio_ffn

(8)  http://www.ffn.de/index.php?id=493

(9)  http://www.kek-online.de/db/index.php?c=1456&mt=2&s=&f=1

(10) http://de.wikipedia.org/wiki/Verlagsgesellschaft_Madsack

(11) http://dejure.org/gesetze/StGB/201.html

(12) http://podcast-medienrecht.podspot.de/post/
podcast-medienrecht-folge-07-spasstelefonate/

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(13) E-Mail an HINTERGRUND, Presseerklärung vom 15.09.2008

(14) E-Mail an HINTERGRUND, Presseerklärung vom 17.09.2008

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