Aufarbeitung der Corona-Krise

RKI-Protokolle nachträglich geändert

Anwalt spricht von „arglistiger Täuschung“ und beantragt Wiedereröffnung der Verhandlung im Streit von Multipolar gegen das Robert-Koch-Institut. Der Zeitpunkt von Textlöschungen bleibt derweil unklar. Hintergrund der aktuellen Berichte ist die Veröffentlichung der ungeschwärzten RKI-Protokolle, nachdem ein Whistleblower diese einer Journalistin übergeben hatte.

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Das Robert Koch Institut in Berlin-Wedding.
Foto: A. Savin, Wikipedia; Lizenz: Freie Kunst, Mehr Infos

Redaktioneller Hinweis: Basis dieses Textes ist eine Meldung von multipolar. Unsere Redaktion hat sie durch ergänzende Hintergründe erweitert.

Eine Analyse der Metadaten der RKI-Protokolle zeigt, dass mehr als die Hälfte der Protokolle des Zeitraums Januar 2020 bis April 2021 – die Multipolar freiklagte –, nachträglich vom Robert Koch-Institut (RKI) geändert wurden. Multipolar-Mitherausgeber Paul Schreyer hatte am 5. Mai 2021 beim RKI einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) auf Herausgabe der Protokolle gestellt. Die Mehrzahl der angefragten Protokolle wurden laut der nun untersuchten Metadaten jedoch unmittelbar darauf, am 6. und 10. Mai 2021, vom RKI geändert. Eine Nachfrage dazu blieb vom RKI zunächst unbeantwortet. Unmittelbar nach Veröffentlichung dieses Textes auf der Website von Multipolar bat das RKI um eine Zusendung der Analyse, äußerte sich aber noch nicht weitergehend.

Rechtsanwalt Christoph Partsch, der Multipolar juristisch vertritt, hat beim Verwaltungsgericht Berlin am Montag (12. August) nun die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt und spricht von „arglistiger Täuschung“. Die freigegebenen Protokolle seien „nicht die streitgegenständlichen, sondern größtenteils nach Antragstellung, teils nach Klageerhebung abgeänderte Dateien“, so Partsch in einem Schriftsatz an das Gericht. Nach dem öffentlichen Verhandlungstermin am 8. Juli, bei dem über eine weitere Entschwärzung der Protokolle beraten wurde, hatte das Gericht eine Verkündung des Urteils innerhalb von 14 Tagen angekündigt – ist dem bislang aber nicht nachgekommen. Das Urteil steht weiter aus. Befragt nach den Gründen für die Verzögerung verweigerte die Pressestelle des Gerichtes zuletzt eine Antwort. Zwischenzeitlich hatte am 23. Juli ein RKI-Whistleblower die vollständig entschwärzten Protokolle über ein Journalistenteam um Aya Velazquez an die Öffentlichkeit durchsickern lassen.

Wie Multipolar am vergangenen Freitag (9. August) bereits berichtet hatte, war in diesem Leak auch ein Entwurf des Protokolls vom 25. März 2020 aufgefunden worden, der eine Passage enthält, die in der vom RKI freigegebenen Version fehlt. Wie die Metadaten zeigen, wurde diese freigegebene Version erst im Januar 2023, kurz vor Übermittlung an Multipolar, vom RKI geändert. In der fraglichen Passage dieses Protokolls aus der ersten Lockdownwoche hieß es ursprünglich: „Bevölkerungsbezogene Maßnahmen zeigen Effekt (…) Ute [Rexroth]: aber gewagt, Causalität herzustellen – Wir sind ja generell am Ende der Grippesaison – vorsichtig formulieren“. Im Protokoll, dass das RKI später im Rahmen des Gerichtsverfahrens freigab, ist hingegen lediglich vermerkt: „Strategien [gehen] in die richtige Richtung. Aber vorsichtig formulieren!“ Die erwähnte Ute Rexroth war Fachgruppenleiterin für infektionsepidemiologisches Krisenmanagement beim RKI. Rechtsanwalt Friedemann Däblitz hat im Zusammenhang mit dieser Protokolländerung bereits Strafanzeige gestellt.

Ob Textpassagen erst nach IFG-Antragsstellung gelöscht wurden, oder ob solche Löschungen unmittelbar nach einer Sitzung im Rahmen der regulären Straffung von Protokollrohversionen erfolgten, ist unklar, da Zwischenversionen der Dateien bislang nicht öffentlich vorliegen. Die Analyse der Metadaten wurde vom Programmierer Tom Lausen im Auftrag von Multipolar erstellt.

Paul Schreyer kommentiert, dass „die Notwendigkeit einer parlamentarischen Aufarbeitung immer deutlicher“ werde. Der „Wust an Unregelmäßigkeiten und mutmaßlichen Täuschungsversuchen“ könne nicht allein von Gerichten „im Rahmen teurer Klageverfahren von Privatpersonen“ aufgeklärt werden. Es brauche nun den „politischen Willen der Abgeordneten zu einem Untersuchungsausschuss, der sauber aufklärt“, so Schreyer.

Zu den Hintergründen der RKI-Protokolle

Die Pressekonferenz Ende Juli im Sprechsaal in Berlin.
Screenshot aus dem Youtube-Video von Bastian Barucker , Mehr Infos

Am 23. Juli 2024 fand im „Sprechsaal“, einem mit dem Nachrichtenmagazin Hintergrund verbundenen Veranstaltungsort in Berlin-Mitte, eine spontan einberufene Pressekonferenz statt. Anlass war die Veröffentlichung der ungeschwärzten sogenannten RKI-Files. Prof. Stefan Homburg und die freien Journalisten Aya Velázquez und Bastian Barucker stellten die Dokumente vor.

Dabei wurden einige besonders markante Beispiele offengelegt, in welchem Ausmaß die Politik in Bund und Ländern die Bevölkerung ungenau oder unzutreffend über die Corona-Pandemie informierte oder sogar wissentlich die Unwahrheit behauptete, während sie gleichzeitig im Zusammenwirken mit den reichweitenstärksten Medien Kritiker in übelster Weise diffamierte und kriminalisierte.

Auf der Pressekonferenz wurden acht Fallbeispiele thematisiert:

1. Geimpften wurden von den Behörden Impfzertifikate mit einjähriger Gültigkeit ausgestellt, obwohl dem RKI bekannt war, dass der Impfschutz maximal acht Wochen wirkte.

2. Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn benutzte und propagierte wider besseres Wissen die Parole von der „Pandemie der Ungeimpften“, obwohl das RKI und der bekannte Virologe Christian Drosten dies aus „fachlicher Sicht nicht korrekt“ fanden.

3. Eben jener Christian Drosten handelte entgegen seiner fachlichen Ansichten und verursachte so extrem kostenintensive ungezielte Testungen.

4. Der seinerzeitige RKI-Präsident Lothar Wieler unterließ die Weitergabe eigener Erfahrungsberichte aus China im Zusammenhang mit der Sinnhaftigkeit von Schulschließungen.

5. Die Politik mischte sich gegen die Zweifel und Befunde der Fachmediziner in unzulässiger Weise in die Entscheidungsfindung bezüglich Kinderimpfungen ein.

6. Die Politik entschied trotz gegenteiliger Erkenntnisse, dass Genesene ein Covid-Zertifikat nur für sechs Monate erhielten.

7. Die Forderungen nach sogenannten Booster-Impfungen kamen nachweislich aus der Politik, die wiederum von der Pharma-Industrie bedrängt wurde, während die Fachwelt Zweifel äußerte.

8. Trotz alarmierender Berichte über Komplikationen nach Impfungen mit dem Serum der Firma Astrazeneca, forcierte die Bundesregierung eine Image- und Werbekampagne für diesen Impfstoff und das RKI fügte sich trotz massiver Zweifel den Anweisungen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

Das RKI kritisierte die Veröffentlichung der ungeschwärzten RKI-Protolle. Medien, wie etwa die ARD versuchten durch sogenannte Faktenchecker Zweifel an den Darstellungen in der Pressekonferenz zu streuen und die Referenten der Pressekonferenz zu diffamieren.

Siehe auch: Die Protokolle zum Download: https://my.hidrive.com/share/2-hpbu3.3u#$/

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Sowie: https://www.pressenza.com/de/2024/07/corona-wissenschaftler-waren-befehlsempfaenger-der-politik/

https://www.velazquez.press/p/was-erfahren-wir-aus-den-rki-files

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