Mein Name ist Hase – Auch über milliardenschwere deutsche Waffengeschäfte nach Algerien schweigt die Bundesregierung
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Von THOMAS WAGNER, 6. Juli 2011 –
Der Bundessicherheitsrat soll nicht nur Waffenexporten nach Saudi-Arabien, sondern darüber hinaus auch in das ebenfalls autoritär regierte Algerien zugestimmt haben. (1)
Es sei dabei um deutsche Rüstungs- und Sicherheitsprojekte in Höhe von zehn Milliarden Euro gegangen, zitierte die Wirtschaftszeitung handelsblatt.com bereits am Sonntag anonym bleibende Industriekreise: „Die Konzerne Rheinmetall und MAN wollten mit ihrem Joint Venture RMMV den Transportpanzer Fuchs in Algerien bauen. Bei Daimler gehe es um den Verkauf von Last- und Geländewagen. ThyssenKrupp plane den Bau von Fregatten für Algerien und wolle außerdem die algerische Marine ausbilden. Außerdem wollten die EADS-Sicherheitssparte Cassidian, Rhode & Schwarz und Carl Zeiss Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den Grenzschutz in Algerien produzieren“. (2)
Regierungssprecher Steffen Seibert wollte die Angaben am Mittwoch in der Bundespressekonferenz ebenso wenig bestätigen wie die geplante Lieferung von 200 Kampfpanzern nach Saudi-Arabien. Dabei haben Regierungskreise laut dpa mittlerweile inoffiziell bestätigt, dass der Bundessicherheitsrat das Rüstungsgeschäft in der vergangenen Woche abgesegnet hat. Auch Waffendeals mit Algerien sind kein streng gehütetes Geheimnis mehr, sondern längst Gegenstand öffentlicher Kritik.
So forderten die Abgeordneten der Fraktion die Linke im Deutschen Bundestag bereits Ende Mai dieses Jahres, der Bundestag solle beschließen, die Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern nach Algerien zu stoppen. „Die Bundesregierung genehmigte im Zeitraum von 2000 bis 2009 Rüstungsexporte nach Algerien in Höhe von 51,9 Millionen Euro (Rüstungsexportberichte der Bundesregierung von 2000 bis 2009). Allein im Jahr 2007 waren es Genehmigungen in Höhe von 8,8 Millionen Euro, fast ausschließlich für Infrarotüberwachungssysteme und Teile für Infrarotüberwachungssysteme“, (3) heißt es in dem Antrag der linken Parlamentarier. Die heute in Frage stehenden Rüstungsgeschäfte belaufen sich freilich auf ein Vielfaches dieser Summe.
Auch als Bundeskanzlerin Merkel 2008 mit einer Delegation deutscher Unternehmen in das Land gereist war, die Aufträge für die Öl- und Gasförderung sowie Infrastrukturmaßnahmen bekommen wollten, war in Pressemeldungen bereits die Rede von eventuellen Waffenlieferungen. Merkel soll dem Land im Gegenzug zum Energiegeschäft 130 Meter lange Kriegsschiffe, sowie Militärflugzeuge und -fahrzeuge angeboten haben. (4) Damals hieß es auf capital-online, Algerien vergebe gerade Lizenzen für Öl- und Gasförderungen, weshalb sich die Delegationen anderer Staaten dort die Klinke in die Hand geben würden.
Am Dienstag nun berichtete dpa, dass Siemens im Rahmen von milliardenschweren Investitionen in Algeriens Infrastruktur einen 132 Millionen Euro schweren Auftrag für Zugsicherungstechnik sowie elektronische Stellwerke erhalten hat. Das von Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika 2009 aufgelegte Investitionsprogramm sieht bis 2014 allein 20 Milliarden US-Dollar zur Wiederbelegung des Eisenbahnsektors vor. Siemens hatte dazu zusammen mit der algerischen Staatsbahn SNTF das Gemeinschaftsunternehmen Estel Rail Automation SPA gegründet und war 2006 bereits an der Entstehung der Metro von Algier beteiligt. Bis 2012 stattet das Unternehmen außerdem vier Bahnhöfe auf der Strecke zwischen dem Industriestandort Senia und der Hafenstadt Arzew im Westen des Landes mit Signaltechnik aus.
Offensichtlich hat das algerische Regime seinen Part in dem von Merkel in die Wege geleiteten Deal erfüllt. Es ist also höchst unwahrscheinlich, dass das an Bodenschätzen reiche und für das Abfangen von unerwünschten afrikanischen Flüchtlingen so wichtige Land dafür von Deutschland keine Gegenleistung erhält.
(1) Vgl. http://www.s-o-z.de/?p=49319
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(3) http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/059/1705950.pdf
(4) http://www.capital.de/politik/100012893.html