Lug und Trug von Seiten der Betriebsräte und IG Metall
Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.
GM/Opel-Übernahme –
Von DIETMAR HENNING, 12. August 2009 –
Der Verkauf des europäischen GM/Opel-Konzerns entwickelt sich zu einer regelrechten Übernahmeschlacht, auf der verschiedene Seiten des Kapitals ihre Ziele rücksichtslos verfolgen. Hinter ihnen haben sich unterschiedliche Gruppen aus den Medien und der Politik versammelt.
Es geht um politische Macht und nicht zuletzt um Milliarden von Euro aus Steuergeldern, von denen alle Beteiligten sich einen größtmöglichen Anteil in die eigene Tasche stecken wollen. Bezahlen sollen dies die Opel-Beschäftigten mit Werksschließungen, Arbeitsplatzabbau, Lohn- und Rentenkürzungen sowie dem Abbau sozialer Errungenschaften.
Die Betriebsräte und die Gewerkschaften sind, indem sie sich hinter den Magna-Konzern stellen, Teil dieser Verschwörung gegen die europäischen Opel-Arbeiter.
Am letzten Freitag traf sich General Motors-Chef Frederick Henderson mit Magna-Chef Siegfried Wolf in Detroit, um über den Verkauf von Opel zu sprechen. Über ein Ergebnis dieses Gesprächs wurde nichts offiziell bekannt gegeben. Dennoch behauptete der europäische Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz, die Signale, die ihn erreicht hätten, machten ihn "verhalten optimistisch".
Der Nachrichtenagentur Reuters sagte er am Samstag, allein die Tatsache, dass GM und Magna auf höchster Ebene versuchten, die geplante Opel-Übernahme voranzutreiben, sei als positives Zeichen zu werten. Franz erwartete, "dass wir Mitte kommender Woche ein Stück klarer sehen." Am Montag lieferte er dann nach, dass er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) auffordern wolle, die GM-Spitze einzubestellen, wenn bis Mittwoch nichts geschehe.
Während Franz "Fortschritte" bei den Verhandlungen zwischen GM und Magna herbeiredet, wachsen seit dem Wochenende die Berichte von "Vertrauten", die das Gegenteil behaupten. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete am Samstag, die Verhandlungen zwischen Magna und GM drohten in den kommenden Wochen vollständig zu scheitern. "Der Hauptgrund ist die Verquickung von Magna mit der staatlichen russischen Sberbank", zitiert die Zeitung "eine mit den Gesprächen gut vertraute Person".
Laut FAZ fordert Magna, dass die 55 Prozent der Anteile am neuen europäischen Opelkonzern, den Magna und sein russischer Partner, die Sberbank, übernehmen wollen, "später" an die russische Staatsbank VEB verkaufen zu dürfen. Zudem soll das gleiche mit den Nutzungsrechten Opels auf GM-Patente geschehen können, "die zum Teil von militärischem Nutzen sind". Drittens würden Magna und Sberbank das GM-Russlandgeschäft inklusive der GM-Marke Chevrolet übernehmen wollen.
Während vor allem die Betriebsräte gegen den Finanzinvestor RHJ International ins Felde ziehen, weil sie fürchten, RHJ wolle nur an die Staatskredite kommen, um Opel nach der Sanierung wieder an den GM-Konzern zu verkaufen, "befürchtet" die konservative FAZ, "dass Opel allein der Sanierung der technisch rückständigen russischen Autoindustrie dienen soll – zumal Magna keinen Einblick in seinen Konsortialvertrag mit der Sberbank gewähre."
Die Zeitung erwartet, dass GM in den nächsten Wochen eine Verkaufsempfehlung für RHJ abgebe, dem auch der Beirat der Opel-Treuhand folgen würde. Die Treuhand hält derzeit mit deutschen Staatsgeldern 65 Prozent der Anteile am Opel-Konzern.
In der deutschen Presse geben sich die Manager von RHJ dementsprechend optimistisch. Dessen Chef Leonhard Fischer, ehemals Vorstandsvorsitzender der Dresdener Bank sowie der Credit Suisse, sagte in einem Interview mit dem Handelsblatt vom Montag, es sei zwar "völlig legitim, dass die Betriebsräte die Interessen der Belegschaft schützen wollen". Aber gerade deshalb sei er zuversichtlich, die Betriebsräte überzeugen zu können.
"Ich glaube nicht, dass die Ablehnung der Arbeitnehmer gegen uns apodiktisch ist", sagte Fischer. Er könne sich sehr wohl erinnern, dass der von ihm "sehr geschätzte Betriebsratsvorsitzende von Opel" Klaus Franz vor wenigen Monaten RHJ "mit Engelszungen überredet hat, an diesem Bieterprozess teilzunehmen". Nach diesem Gespräch halte er es für unwahrscheinlich, dass Franz "ein grundsätzliches Problem mit uns hat".
Da RHJ bereits einen unterschriftsreifen Vertrag mit GM ausgehandelt habe, hätte sein Unternehmen einen "entscheidenden Vorteil". "Wenn es nach uns ginge, könnte die Entscheidung über Opel heute gefällt werden."
Gleichzeitig schließt Fischer eine Insolvenz ausdrücklich nicht aus. Und selbstverständlich ist er auch "überfragt", ob überhaupt eine Entscheidung vor der Bundestagswahl gefällt werde.
Die Welt berichtete, dass in der Opel-Treuhandgesellschaft "der Ruf nach einer Verschiebung der Verkaufsentscheidung bis nach der Bundestagswahl am 27. September laut geworden" sei. "Dann kann die Politik mit weniger Druck agieren", zitiert sie ebenfalls ein "nicht namentlich genanntes Treuhand-Mitglied".
Verbindungslinie RHJ, Axel Springer Verlag und Wirtschaftsministerium
Offensichtlich hat sich inzwischen eine informelle Gruppe zusammengeschlossen, der konservative Zeitungen, vor allem des Axel-Springer-Verlags (u. a. Bild und Welt), das Bundeswirtschaftsministerium unter Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und der fünfköpfige Beirat der Opel-Treuhandgesellschaft angehören. In Letztere hatten die Bundesregierung den ehemaligen Continental-Chef Manfred Wennemer – wie es heißt, habe sich zu Guttenberg für ihn stark gemacht – und die Landesregierungen mit Opelstandorten den Insolvenzverwalter Dirk Pfeil von der hessischen FDP entsandt.
Zu Guttenberg hatte mehrmals betont, dass er eine Insolvenz Opels für die beste Lösung hält. Die Treuhand hat sich noch am Wochenende eine "Einmischung der Politik" verbeten. "Ich habe hier den Eindruck, dass hier politische Interessen über betriebswirtschaftliche Interessen gestellt werden", beklagte Pfeil.
Dass der Finanzinvestor RHJ in der konservativen und Boulevard-Presse gut abschneidet, hat wirtschaftliche Gründe, er verlangt weniger Staatsgelder als Magna, aber auch persönliche. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG und zwischen 1998 und 2000 Chefredakteur der Zeitung Die Welt, ist seit September 2008 Mitglied des Aufsichtsrats bei RHJ. RHJ-Chef Fischer wiederum saß von Juli 2002 bis April 2007 im Aufsichtsrat des Springer-Verlags. Auch privat machen Döpfner und Fischer Geschäfte. In Potsdam haben sie die zum Unesco-Weltkulturerbe gehörende Villa Schöningen aus dem 19. Jahrhundert gekauft, die sie schon bald als gastronomisches Kulturzentrum eröffnen wollen.
Karl-Theodor zu Guttenberg war wiederum vor seiner Zeit als Wirtschaftsminister freier Autor für mehrere Zeitungen, hauptsächlich aber für Die Welt.
Es ist wohl auch diesen Verbindungen zu danken, dass die Bild -Zeitung aus einem Brief von Klaus Franz an seine europäischen Betriebsratskollegen zitiert. Während sowohl RHJ und Magna bisher offiziell erklärt haben, sie wollten im Fall der Opel-Übernahme maximal 10.000 Stellen in Europa streichen, berichtet das Boulevardblatt, nach dem Schreiben des deutschen Betriebsrats werde bei einem Einstieg von RHJ die Zahl der Beschäftigten bei Opel, Vauxhall und beim schwedischen Autohersteller Saab europaweit "voraussichtlich auf 32.000 sinken, was einer Reduzierung um 22.000 Mitarbeiter entspricht". Sollten Magna und sein Partner Sberbank den Zuschlag erhalten, rechnet der Betriebsrat dem Brief zufolge mit einem Rückgang der Arbeitsplätze auf 33.000.
Die Frankfurter Rundschau, die bislang als getreues Sprachrohr von Franz diente, beginnt einen Artikel am vergangenen Samstag folgendermaßen:
"Beim Thema Opel winken alle ab:,Da kann ich viel zu sagen, aber nichts zum zitieren’, bedauert ein Betriebsrat. […],Da geht es um Rieseneinschnitte, das ist auch gewerkschaftsintern eine sehr unangenehme Debatte, bei der es viel böses Blut gibt’, bestätigt ein IG-Metaller. Aber bitte:,Kein Name!’"
Gleichzeitig erklärt der Frankfurter IG-Metall-Bezirksleiter und Opel-Aufsichtsrat Armin Schild via Berliner Zeitung : "Wir müssen befürchten, dass einige Verantwortliche denken, nach der Bundestagswahl weniger unter Druck zu stehen, was die Rettung der Arbeitsplätze bei Opel angeht. Dann könnten für die Arbeitnehmer deutlich unangenehmere Entscheidungen möglich sein, die man sich jetzt vor der Bundestagswahl nicht zutraut."
Für die GM-Beschäftigten in ganz Europa stellen sich ernsthafte Fragen:
Was wissen die Gewerkschaften, vor allem die IG Metall und die Betriebsräte? Warum legen sie nicht alle ihre Informationen den Beschäftigten vor? Wann haben sie hinter welchen verschlossen Türen den Abbau von über 20.000 Arbeitsplätzen zugestimmt?
Welchen Deal haben sie mit dem Magna-Konzern abgeschlossen? Dessen Plan ist kein Deut besser als der von RHJ. Warum haben sie sich dann aber auf Magna festgelegt?
Die Frankfurter Rundschau zitiert im o. g. Artikel in entlarvender Weise den Betriebsratsvorsitzenden des Opel-Werks im belgischen Antwerpen und Vize-Chef des europäischen Opel-Betriebsrats Rudi Kennes. Sowohl der Magna- als auch der RHJ-Plan sehen vor, das dortige Werk zu schließen. Und dennoch plädiert Kennes für eine Magna-Übernahme. Während die Regierung Flanderns die dortigen Arbeitsverwaltungen angewiesen hat, sich auf Massenentlassungen einzustellen, gibt sich Kennes optimistisch – wegen des dortigen Seehafens. "Das sind doch aus Sicht eines Investors bessere Voraussetzungen als sie Bochum oder Eisenach hat."
Hat Kennes einen Extra-Deal mit Magna? Wen betrifft dieser? Das Werk in Antwerpen oder nur ihn persönlich? Und auf wessen Kosten geht dieser Deal?
Über das Versprechen des Fiat-Chefs Sergio Marchionne, das belgische Werk zu erhalten macht sich Kennes lustig: "Fiat, das ist doch nur parole, parole, also laber, laber." Fiat sei allenfalls an einer Insolvenz von Opel interessiert, "die wollen uns als Leiche".
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Vieles deutet darauf hin, dass das Gezerre um Opel vor allem dazu dient, die Beschäftigten bis zum Wahltag Ende September in der Hoffnung zu wiegen, die Regierung sei bemüht, eine "sozialverträgliche Lösung" zu finden, während gleichzeitig im Wirtschaftsministerium Pläne existieren nach der Wahl eine Insolvenz nach amerikanischem Vorbild durchzusetzen.
Der Artikel erschien bei WSWS