Innenpolitik

Krankenkasse verzweifelt gesucht. Nach dem Bankrott der City BKK wimmeln die Kassen neue Mitglieder ab

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von REDAKTION, 14. Mai 2011 –

Die  rund 168.000 Versicherten der bankrotten Krankenkasse City BKK haben Schwierigkeiten bei einer anderen Krankenkasse Aufnahme zu finden. Dabei sind alle Kassen dazu verpflichtet, die Versorgung weiter zu gewährleisten.  

Christoph Kranich, Leiter der Abteilung Gesundheit und Patientenschutz bei der Verbraucherzentrale Hamburg, sagte am Freitag gegenüber junge Welt: „Wir haben auch in unserer Beratung von etlichen Fällen gehört, bei denen Betroffene abgelehnt wurden. Und wir haben uns bereits wiederholt in der Öffentlichkeit darüber beklagt, dass das so nicht geht. Das ist weder rechtlich noch moralisch in Ordnung. Jede Krankenkasse, die für das jeweilige Bundesland geöffnet ist, muss die BKK-Mitglieder aufnehmen.“ (1)  

Zuvor hatte auch der Präsident des Bundesversicherungsamts, Maximilian Gaßner, das Abwimmeln als skandalös und nicht hinnehmbar kritisiert. „Das gilt insbesondere für ‚Ratschläge’ an kranke oder pflegebedürftige Versicherte, wonach die nahtlose Fortsetzung der Versorgung bei einem Wechsel ‚problematisch’ sein könne“, sagte er am Donnerstag in Bonn. Einzelne Kassenvorstände sind bereits ins Versicherungsamt einbestellt worden.

Nun hat sich der neue Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) eingeschaltet und die vorliegende Praxis scharf verurteilt. Das Verhalten dieser Kassen sei unerhört und rechtswidrig, sagte ein Sprecher Bahrs am Freitag in Berlin. Der Minister werde noch am Freitag in einem Telefonat mit der Vorsitzenden des Kassen-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, darauf dringen, dass die Krankenkassen „alles unterlassen, was zu einer Verunsicherung der Versicherten führt“.

Pfeiffer wiederum betonte, die Mitglieder der City BKK hätten das Recht, ihre neue Krankenkasse frei zu wählen. Sie erwarte von jeder gesetzlichen Krankenkasse, dass sie selbstverständlich alle, die bei ihr Mitglied werden wollen, mit offenen Armen aufnehme. „Alles andere wäre unsolidarisch und unakzeptabel“, erklärte sie in Berlin.

Verbraucherschützer Kranich führt die derzeitige Situation auf den politisch gewollten Wettbewerbsdruck im Gesundheitssystem zurück: „Es ist leider Teil unseres kapitalistischen Systems, dass die Krankenkassen versucht sind, Menschen, die viele Kosten verursachen und wenige Beiträge einbringen, möglichst draußen zu lassen. Das ist zwar ungesetzlich und unmoralisch, aber in der Logik des Wettbewerbs, den man den Kassen verordnet, ein erklärbares Vorgehen.“ (2) Verantwortlich für diese Entwicklung ist nicht zuletzt die FDP, die seit Jahren darum bemüht ist, das Konkurrenzprinzip im Gesundheitssystem auf Kosten der großen Mehrzahl der Versicherten fest und unwiderruflich zu verankern.

Die 2004 aus der Fusion der Betriebskrankenkasse des Landes Berlin und der BKK Hamburg hervorgegangene City BKK  wird zum 1. Juli geschlossen, weil sie zu wenig Geld aus dem Gesundheitsfonds für die Versorgung ihrer vielen Versicherten in teuren Städten wie Berlin oder Hamburg bekommt.

Kranich dazu: „Der City BKK sind einfach die falschen Leute weggelaufen, nämlich die sogenannten guten Risiken, also die Jungen und Gesunden. Daran zeigt sich auch der ganze Irrsinn des Kostenwettbewerbs im Gesundheitssystem, der dazu führt, dass sich die Kassen um junge und gesunde Versicherte prügeln. Und sobald, wie jetzt geschehen, eine Versicherung pleite geht, setzt das neue Wanderungsbewegungen in Gang, die wieder andere Unternehmen in Schwierigkeiten bringen. Es gibt noch so manche Kasse, die auch in Schieflage ist.“ (3)

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Die Situation dürfte sich  für die Versicherten bald noch verschärfen. Laut Financial Times Deutschland steht mit der BKK für Heilberufe nun schon die zweite Krankenkasse mit weiteren 130.000 Versicherten vor der Insolvenz. Derzeit suche der Vorstand der Kasse unter den anderen Betriebskrankenkassen noch händeringend nach einem Fusionspartner. Falls sich aber bis Ende Mai niemand finde, drohe der Kasse die Zahlungsunfähigkeit. Unterdessen müssen sich die mehr als eine Million Mitglieder der ebenfalls finanziell angeschlagenen Krankenkasse Vereinigte IKK laut Welt online auf einen Zusatzbeitrag gefasst machen.


(1) http://www.jungewelt.de/2011/05-13/039.php
(2) http://www.jungewelt.de/2011/05-13/039.php
(3) http://www.jungewelt.de/2011/05-13/039.php

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