Innenpolitik

Kampffeld virtuelle Politik: Sind Parteitage erlaubt, Demonstrationen aber nicht?

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Von REDAKTION, 15. August 2012 –

Auf der einen Seite könnten politische Parteien in Deutschland ihre Parteitage künftig komplett ins Internet verlegen, auf der anderen Seite soll es sich bei Online-Demonstrationen nicht um wirkliche Versammlungen handeln. So widersprüchlich stellen sich die derzeit im Deutschen Bundestag vertretenen Rechtsauffassungen in Sachen politischer Internet-Öffentlichkeit dar.

Virtuelle politische Versammlungen, die im Internet stattfinden, sind „mangels Körperlichkeit“ der Auffassung der Bundesregierung nach keine „Versammlungen“ im verfassungsrechtlichen Sinne. Das geht aus ihrer Antwort (17/10379) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (17/10271) hervor, mit der diese klären wollte, ob sich die Initiatoren von „Online-Demonstrationen“ auf das Demonstrationsrecht berufen können.

Im Juni 2012 waren die Wohnungen von mehr als 100 Personen durchsucht worden, denen man vorwarf, an einer „vrituellen Protestaktion“ gegen die Gesellschaft für musikalische Aufführungs-. und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema) teilgenommen zu haben. Dazu sei die Website der Gema am Abend des 17. Dezember 2011 „von den Demonstranten mit Denial-of-Sevice-Anfragen (DoS) besucht“ worden. Durch solche Aktionen können die Dienste eines Servers unter Umständen so beansprucht werden, dass dessen Aufnahme- und Verarbeitungskapazität nicht ausreicht und Kontaktaufnahmen blockiert oder erschwert werden.

Das Bundeskriminalamt (BKA), so die Bundesregierung, habe daher wegen des Verdachts der Computersabotage zum Nachteil der Gema ermittelt. Bei den Ermittlungstätigkeiten sei es um die Einholung von Bestandsdatenauskünften zu den in Rede stehenden IP-Adressen und die Aufbereitung des Ermittlungskomplexes zur Abgabe an die zuständigen Landesdienststellen gegangen. Die Ermittlungen richteten sich gegen die Inhaber von 106 IP-Adressen.

Eine deutlich andere Auslegung erfährt das Versammlungsrecht, was die Zulässigkeit von Online-Parteitagen betrifft.  Eine im Dezember 2011 veröffentlichte Studie der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags kam zu dem Ergebnis, „dass keine zwingenden Gründe gegen die rechtliche Zulässigkeit von Online-Parteitagen ersichtlich sind, solange die Erhaltung des Organs der Mitgliederversammlung gewährleistet ist“. Die Vorgaben des Parteiengesetzes ließen sich durch technische Vorkehrungen gewährleisten, erklären die beiden Verfasserinnen der Ausarbeitung, Patrizia Robbe und Alexandra Tsesis.

Die Studie wurde vom Parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, in Auftrag gegeben. Den Anstoß dazu habe eine auf Twitter geführte Diskussion über dezentrale Parteitage gegeben, sagte der Berliner Abgeordnete der Piratenpartei, Christopher Lauer, gegenüber dpa. Diese Partei hält keine Delegierten-, sondern reine Mitgliederparteitage ab und steht vor der Herausforderung, wie dies bei steigenden Mitgliederzahlen weiter ermöglicht werden kann.

In der Studie heißt es, mit technischen Mitteln könnte auch die auf realen Parteitagen übliche emotionale Diskussion ermöglicht werden. „In diesem Zusammenhang wird etwa die Zulassung virtueller Zwischenrufe oder die Einführung eines Jubel-Buttons vorgeschlagen.“ Mit Bild- und Tonübertragung der jeweiligen Redner wäre es denkbar, „dass deren Mimik und Gestik wie auf einer Präsenzversammlung vom Bildschirm aus verfolgt werden könnte“.

„Ich freue mich sehr, dass mit diesem Papier festgestellt wird, dass Online-Parteitage grundsätzlich möglich sind“, sagte Lauer. „Damit hat die Piraten-Partei die einmalige Chance, wenn sie das möchte, Online-Parteitage zum Beispiel über Liquid Feedback zu organisieren.“ Diese Software-Plattform für Abstimmungen und die Übertragung von Abstimmungsrechten an andere Mitglieder wird bislang vor allem zur Vorbereitung von Parteitagen genutzt.

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„Online-Parteitage bieten für alle Parteien die große Chance, sehr schnell auch auf spontane Ereignisse politisch reagieren zu können“, sagte Lauer. Schließlich werde der Politik oft vorgehalten, nicht schnell genug auf aktuelle Anforderungen zu reagieren. „Damit bekämen Parteien die große Chance, mit der Geschwindigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung gleichzuziehen“, sagte der Berliner Abgeordnete.

(mit dpa)

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