Guttenberg brüskiert Hauptstadtjournalisten. Eklat in der Bundespressekonferenz
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Von REDAKTION, 18. Februar 2011 –
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat am Freitag in Berlin eine Erklärung zu der Affäre um seine Doktorarbeit abgegeben, dafür aber einen Großteil der deutschen Medien ausgeschlossen. Deshalb gab es in der Bundespressekonferenz in Berlin einen Eklat.
Der Minister habe „ausgewählte Medienvertreter“ ins Verteidigungsministerium gelassen, teilte sein Sprecher Steffen Moritz mit. Die Hauptstadtpresse saß gleichzeitig in der Bundespressekonferenz. Deren Vorsitzender Werner Gößling rügte das Verfahren auf das Schärfste: „Wir empfinden es als Brüskierung, dass Sie zeitgleich mit der Regierungspressekonferenz nur ‚ausgewählten Medien’ eine von allen Seiten seit langem erwartete Erklärung gegeben haben.“
Einer der anwesenden Journalisten ging sogar noch weiter. Dieter Wonka, Korrespondent der Leipziger Volkszeitung, bezeichnete den Verteidigungsminister als „Feigling“, der sich den Fragen der Presse nicht stellen wolle. Darüber hinaus fragte er den Sprecher des Verteidigungsministeriums nach Informationen über den Inhalt von Guttenbergs Erklärung. Als Moritz diese nicht zusichern wollte, forderte Wonka seine Kollegen auf, die Bundespressekonferenz zu beenden. Als der Vorsitzende Gößling trotzdem zur Tagesordnung übergehen wollte, protestierte der Leipziger Journalist.
Gößling blieb zunächst unbeeindruckt. Aber noch während Merkels Sprecher Steffen Seibert die Termine der Bundesregierung referierte, verließen die Journalisten in Scharen den Raum. Gößling blieb schließlich nichts anderes übrig als die Bundespressekonferenz zu schließen. Noch unmittelbar vor Guttenbergs Stellungnahme hatte das Ministerium auf Anfrage nicht einmal bestätigen wollen, dass er überhaupt eine Erklärung abgibt. Auch viele vor dem Ministerium wartende Journalisten seien nicht hineingelassen worden, berichtete von dort ein Korrespondent des Nachrichtensenders n-tv.
Mit dem Inhalt seiner Erklärung dürfte sich Guttenberg das Wohlwollen der Hauptstadtjournalisten endgültig verscherzt haben. Denn er kündigte darin an, für kritische Nachfragen auch weiterhin nicht zur Verfügung zu stehen: „Jede weitere Kommunikation über das Thema werde ich von nun an ausschließlich mit der Universität Bayreuth führen.“
Weiterhin wies er den gegen ihn erhobenen Plagiatsvorwurf zurück, gab aber zu, dass seine Dissertation „fraglos Fehler“ enthalte. Sollte sich jemand durch inkorrektes Setzen und Zitieren oder versäumtes Setzen von Fußnoten verletzt fühlen, so täte ihm das aufrichtig leid. Bis zum Ergebnis der Prüfung dieser Fehler durch die Universität Bayreuth wolle er vorübergehend auf das Führen des Titels verzichten.
Guttenberg hat in seiner Dissertation zahlreiche fremde Textstellen verwendet, ohne sie korrekt anzugeben. Er war am Donnerstagabend im Kanzleramt, um mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über das weitere Vorgehen zu sprechen. Plagiatsjäger listen im Internet mehr als 80 Textstellen auf, die Guttenberg abgekupfert haben soll, ohne korrekt darauf hinzuweisen.
Guttenberg war seit Mittwoch wegen der Plagiatsvorwürfe unter starken Druck geraten. Die SPD fordert seinen Rücktritt. „Guttenberg sollte sich ein Beispiel an der Rücktrittsankündigung seines Showmaster-Kollegen Thomas Gottschalk nehmen“, sagte SPD-Fraktionsvorstandsmitglied Sebastian Edathy gegenüber Handelsblatt Online.
Die Grünen haben eine Erklärung des Verteidigungsministers zu dem Sachverhalt im Bundestag gefordert. Für den Fall, dass der Minister diese in der kommenden Woche nicht zufriedenstellend liefert, schloss Fraktionschef Jürgen Trittin eine Rücktrittsforderung seiner Partei nicht aus. „Der heutige Auftritt von Karl-Theodor zu Guttenberg ist eine Brüskierung der Öffentlichkeit und das in einer Form, die wirklich jedes Gefühl für Stil und für Anstand vermissen lässt“, sagte Trittin am Freitag in Berlin. „Statt sein Fehlverhalten beim Zustandekommen der Promotionsschrift zu erklären, zu erklären, wie es in über 50 Fällen (…) zu einer Übernahme ganzer Passagen des geistigen Eigentums Dritter kommen konnte, (…) flüchtet sich Herr Guttenberg in eine halbgare Entschuldigung.“
Die Promotionsordnung von Guttenbergs ehemaliger Universität Bayreuth fordere eine ehrenwörtliche Erklärung, dass man eine Doktorarbeit selbst verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen benutzt hat. Dies sei zweifellos bei Guttenberg nicht der Fall gewesen, sagte Trittin. Die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf, zu wissen, was ein Ehrenwort des Oberkommandierenden der Bundeswehr wert sei. Der Vorgang werde in der Fragestunde und eventuell in einer aktuellen Stunde im Parlament erörtert.
Unterdessen wurden gegen Guttenberg zwei Strafanzeigen gestellt. Bei der ersten gehe es um mögliche Verstöße gegen das Urheberrecht, sagte der Leitende Bayreuther Oberstaatsanwalt Thomas Janovsky. Bei der zweiten Strafanzeige gehe es um den Vorwurf falscher eidesstattlicher Versicherung. Hier solle jedoch nicht ermittelt werden, da die Promotionsordnung der Jura-Fakultät keine Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung vorsehe.
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Guttenberg hatte von 1992 bis 1999 in Bayreuth studiert und dort 2007 mit der Bestnote summa cum laude promoviert. Politische oder finanzielle Einflussnahme auf die Bewertung der Doktorarbeit weist Uni-Sprecher Schmälzle zurück. „Er unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von anderen ehemaligen Studenten.“
Guttenberg ist jedoch einer der regionalen Abgeordneten, der als Alumni an Ehemaligentreffen teilnimmt und noch als Wirtschaftsminister auf dem Ökonomie-Kongress der Universität gesprochen hat. In einem Werbespot wirbt der Minister für die Uni Bayreuth: „Sie stehen vor zwei Entscheidungen“, wendet er sich an die Schulabgänger. „Die erste: Was soll ich studieren? – Jura: Es lohnt sich. Und die zweite: Wo? Fraglos nur an einem Ort: Bayreuth.“