Die UNO als Hintertür. Wie Politiker der LINKE die friedenspolitische Linie ihrer Partei aufzuweichen versuchen
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Von THOMAS WAGNER, 7. September 2011 –
Von den Grünen lernen, heißt siegen lernen. Dieses Motto scheinen sich Teile der Linkspartei zu eigen machen zu wollen. Jedenfalls die, denen es vorrangig darum ist, die derzeitige Programmdiskussion für eine Umwandlung der (Noch-)Friedenspartei in eine auf der Bundesebene koalitionsfähige Mainstreampartei zu nutzen.
Joschka Fischer, Jürgen Trittin, Winfried Nachtweih, Claudia Roth und Christian Ströbele haben es vorgemacht. Wer an die Fleischtöpfe der Regierungsbank will, muss wenigstens eine Kröte zu schlucken bereit sein: die Erfüllung sogenannter Bündnisverpflichtungen Deutschlands, sprich: die Bereitschaft zum militärischen Engagement im Rahmen der NATO. Darunter geht’s nicht.
Weil für die überwiegende Mehrheit ihrer Mitglieder und Wähler ein offener Kriegskurs nicht zu machen wäre (wie lange Zeit bei den Grünen), haben sich nun Parteistrategen und karrierebewusste Aufsteiger in der Linken etwas Oberschlaues einfallen lassen. Sie instrumentalisieren die tatsächlich vorhandene Reformbedürftigkeit der UNO, um die Tür für die Unterstützung kriegerischer Auslandseinsätze der Bundeswehr in ihren Reihen einen Spalt zu offen.
Die entscheidenden Passagen in dem von André Brie, Paul Schäfer, Stefan Liebich, Gerry Woop und Ernst Krabatsch im August 2011 der Öffentlichkeit vorgestellten Vorschlag zur linken Positionierung gegenüber den Vereinten Nationen (1) sind folgende: Mit ihrer Bejahung der Aufhebung des Nichteinmischungsgebots unterhöhlen diese Herren den ohnehin schwachen Widerstand gegen immer neue sogenannt Menschenrechtskriege.
Die LINKE begrüßt, „dass dem Nichteinmischungsgebot durch diese entstehenden Schutznormen Grenzen gesetzt werden“, heißt es in dem Papier, dessen friedenspolitische Gefährlichkeit hinter vielen schönen Worten versteckt wird (2). Zwar lehnen die Autoren die mit Menschenrechtsargumenten gerechtfertigten Kriege gegen Jugoslawien und Libyen ab, doch künftig sollen linke Parlamentarier auf der Grundlage des Parteiprogramms von Fall zu Fall entscheiden dürfen. So meint es jedenfalls Stefan Liebich (3), Bundestagsabgeordneter der Linkspartei und Mitbegründer des parteiinternen Forums Demokratischer Sozialismus.
Das aggressive Militärbündnis NATO ist in den Augen der vorgeblichen Friedensfreunde eine Organisation, mit der „eine bestimmte Form der Kooperation in einzelnen Fällen zu erwarten oder auch sachlich kaum zu vermeiden sein“ werde. (4)
Statt die NATO als Feind friedlich gesinnter Menschen kenntlich zu machen und daher jede Zusammenarbeit zu verweigern, wird hier scheibchenweise versucht, eine linke Bündnisfähigkeit mit ihr vorzubereiten.
Mindestens ebenso gefährlich ist die folgende Forderung der Autoren: „Die Bekämpfung von Terrorismus ist angesichts seiner internationalen Dimension eine Aufgabe für die Staatengemeinschaft.“ Wie die sogenannten Sicherheitsexperten aller anderen Parteien verzichten sie auf eine Definition, was denn überhaupt unter Terrorismus zu verstehen sei. Stattdessen halten sie „polizeiliche und politische Koordination zur Umsetzung gemeinsamer Strategien auf regionaler rund nationaler Ebene“ für erforderlich. (5)
Ohne Definition, was denn eigentlich Terrorismus ist, kann jeder UN-Staat missliebigen Aufständischen oder demokratische Widerstandsbewegungen dieses schillernde Etikett aufkleben.
Schon jetzt werden mithilfe geheimer sogenannter Terrorlisten Tausende von Menschen weltweit de facto für vogelfrei erklärt und dadurch ihrer bürgerlichen Rechte beraubt, im gar nicht so seltenen schlimmsten Falle sogar zur Deportation in Folterlager oder gar zum Abschuss durch Killertrupps freigegeben.
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Das ist der in Sachen Terrorismusbekämpfung heute erreichte Standard in der internationalen Kooperation. Wer dieser Entwicklung Vorschub leistet, macht sich als Linker mitverantwortlich für die fortschreitende Brutalisierung der Internationalen Beziehungen. Sollte sich die Gesamtpartei diese Position zu eigen machen, verwandelt sie sich in einen Steigbügelhalter des Imperialismus.
(1) http://www.forum-ds.de/article/2070.reformen_zur_staerkung_der_uno_sind_notwendig_und_machbar_vorschlaege_fuer_eine_linke_positionierung_zur_weltorganisation.html
(2) André Brie, Paul Schäfer, Stefan Liebich, Gerry Woop und Ernst Krabatsch: Reformen zur Stärkung der UNO sind notwendig und machbar. Vorschläge für eine linke Positionierung zur Weltorganisation. August 2011, S. 16
(3) http://www.neues-deutschland.de/artikel/203274.den-einzelfall-bewerten.html
(4) André Brie, Paul Schäfer, Stefan Liebich, Gerry Woop und Ernst Krabatsch: Reformen zur Stärkung der UNO sind notwendig und machbar. Vorschläge für eine linke Positionierung zur Weltorganisation. August 2011, S. 35
(5) http://www.forum-ds.de/article/2070.reformen_zur_staerkung_der_uno_sind_notwendig_und_machbar_vorschlaege_fuer_eine_linke_positionierung_zur_weltorganisation.html