Die Linke: Bartsch kümmert sich
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Von SEBASTIAN RANGE, 17. Januar 2012 –
Die Debatte um ihre Führung will die Linke bis zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 6. Mai aussetzen. Darauf einigte sich der Bundesvorstand am gestrigen Montag mit den Landeschefs, wie ein Parteisprecher am Abend nach der Sitzung der Nachrichtenagentur dpa sagte. Erst nach der Wahl sollen sich die Kandidaten für die künftige Doppelspitze auf Regionalkonferenzen vorstellen. Bisher haben nur die jetzige Vorsitzende Gesine Lötzsch und Fraktionsvize Dietmar Bartsch angekündigt, auf dem Parteitag in Göttingen Anfang Juni für die Spitzenämter zu kandidieren. Parteichef Klaus Ernst hat sich noch nicht erklärt.
Ernst beklagte beim politischen Jahresauftakt der Linken in Berlin, dass es seiner Partei derzeit nicht gelingt, „mit ihren Botschaften in der Öffentlichkeit durchzudringen“. Stattdessen müsse sie sich wieder als echte „Kümmerer-Partei“ positionieren. Da durch die Personaldebatte der Eindruck entsteht, die Linke kümmere sich vornehmlich um sich selbst, ist der Appell zur Beendigung der Debatte auch als Mahnung zu verstehen, der Partei in der Öffentlichkeit nicht weiter Schaden zuzufügen. Von einem solchen Appell fühlt sich Dietmar Bartsch offenbar nicht angesprochen.
In einem heutigen Gespräch mit dem Südwestrundfunk setzte er die Personaldebatte fort, als er den früheren Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine zu einer möglichst schnellen Entscheidung über eine erneute Kandidatur für den Chefposten aufforderte. Ob er seine eigene Kandidatur zurückziehen würde, wenn Lafontaine seinen Hut in den Ring werfen sollte, wollte Bartsch nicht sagen. Diese Frage stelle sich im Moment nicht.
Im Gegensatz zu Lafontaine, der in den bürgerlichen Medien gerne als „Populist“ oder „Demagoge“ verteufelt wird, wird Bartsch von diesen gehätschelt. Schließlich steht der Fraktionsvize für die Aufweichung linker Kernpositionen und für eine Regierungsbeteiligung um jeden Preis.
Nach der Ankündigung seiner Kandidatur zum Vorsitzenden fand die Frankfurter Rundschau lobende Worte. Bartsch könne „Ordnung schaffen und dem Durcheinander Richtung geben, bevor sich alles verheddert und die Bundestagswahl 2013 zur Katastrophe wird.“ (1)
Dabei steht sein Name für die bislang größte Katastrophe, den die Vorläufer-Partei PDS bei einer Bundestagswahl erleben musste. Nachdem sie bei der Bundestagswahl 1998 einen großen Erfolg feiern konnte – die PDS zog erstmals in Fraktionsstärke in den Bundestag – folgte die Ernüchterung vier Jahre später. Unter Bartschs Wahlkampfleitung verpasste die sozialistische Partei den Wiedereinzug ins Parlament bei den Wahlen 2002.
„Dafür trug ich als Wahlkampfleiter besondere politische Verantwortung und habe deshalb auf dem Geraer Parteitag im selben Jahr nicht erneut für den Parteivorstand kandidiert“, schreibt Bartsch auf seiner Webseite zu seinem Werdegang. (2)
Doch tatsächlich verzichtete er nicht auf seine Kandidatur, um Verantwortung für das Wahldebakel zu übernehmen. Im Gegenteil, er wäre gerne Bundesgeschäftsführer geworden. Doch der innerparteiliche Wind wehte gegen ihn. Der Spiegel schrieb seinerzeit:
„Wer nun gewinnt, sollte sich in Gera aber erst zur mitternächtlichen Geisterstunde entscheiden. Zuvor wurde über die Leitanträge zum Parteitag debattiert. Als Diskussionsgrundlage gewann überraschend die Vorlage von Gabi Zimmer. Daraufhin erklärte Dietmar Bartsch seine Niederlage und zog seine Kandidatur zurück.“ (3)
Die „eigentliche Botschaft“ des Parteitags aber wehte über den Köpfen der Delegierten. Auf einem Transparent stand die Forderung: „Keine Macht den Machtgeilen“, damit war, so der Spiegel, auch Bartsch gemeint. Interessanterweise bemerkte das Nachrichtenmagazin bereits vor zehn Jahren, dass von allen Parteiströmungen „die neue Minderheit um Dietmar Bartsch (…) auf Machtbeteiligungsstrategien größeren Wert legt“.
In der Folge der Parteitags-Niederlage zog sich Bartsch als Unternehmensberater in die Wirtschaft zurück. Erst alte Seilschaften beflügelten seine Parteikarriere erneut. Der nunmehr zum Parteivorsitzenden avancierte Lothar Bisky schlug ihn im Oktober 2005 als neuen Bundesgeschäftsführer vor, woraufhin ihn der Bundesparteitag im Dezember desselben Jahres in das Amt wählte.
Würde er zu einer Kandidatur antreten, wäre Lafontaine nicht nur Bartschs schärfster Konkurrent um den Posten des Parteichefs. Beide Personen stehen auch für eine bestimmte Parteilinie. Lafontaine hält an linken Forderungen – keine Unterstützung von Kriegseinsätzen, Abschaffung von Hartz IV, etc. – fest, wohingegen der Flügel um Bartsch dazu bereit ist, auf diese Positionen zugunsten einer „Regierungsfähigkeit“ zu verzichten. Eine Fähigkeit, die einzig von den politischen Gegnern und Konkurrenten definiert wird. Bartsch musste seinen Posten als Bundesgeschäftsführer schließlich räumen, nachdem ihm Gregor Gysi Anfang 2010 Indiskretion und Illoyalität gegenüber Lafontaine vorgeworfen hatte. Ein Vorwurf, den Bartsch stets vehement zurückwies.
Auch aufgrund dieser Vergangenheit würde eine Kampfkandidatur zwischen Bartsch und seinem „Intimfeind“ Lafontaine wohl mit harten Bandagen ausgetragen werden. Ob sich Lafontaine mit seinem angeschlagenen Gesundheitszustand das antun möchte, wird sich noch zeigen. Bartsch hätte in einem Wettrennen um den Vorsitz als „Pragmatiker“ und „Reformer“ nicht nur die Massenmedien auf seiner Seite (4) – die an einem Erfolg der Linken kaum Interesse haben können –, hinter ihm steht auch eine Armada von Apparatschiks, Pöstchenhaltern und -erstrebern, die in der Partei starken Einfluss ausüben. Besonders in den mitgliedsstarken Ostverbänden, aus denen in den letzten Jahren viele Genossen in den Genuss bezahlter Ämter auf kommunaler und Landesebene gekommen sind und sich in dem „System BRD“ bequem eingerichtet haben, ist der Rückhalt für den Fraktionsvize groß. So groß, dass dort auch viele Parteimitglieder bereit sind, Recht und Gesetz zu brechen, um ihren Mann an die Spitze zu heben.
Vier Ostverbände forderten, den Parteivorsitz nicht durch den Parteitag, sondern durch eine Mitgliederbefragung bestimmen zu lassen. Was als basisdemokratischer Akt erscheinen mag, nimmt sich bei näheren Betrachten eher als Putschversuch aus. Aufgrund ihrer Mitgliedsstärke erhoffen sich die Bartsch-Anhänger in den Ostverbänden, eine Mitgliederbefragung würde zwangsläufig ihren Favoriten an die Parteispitze bringen. Doch die Rechnung ging nicht auf. Sowohl die Satzung der Linken als auch das Parteiengesetz verbieten es, den Vorsitz direkt durch Mitglieder entscheiden zu lassen. (5)
„Bedenklich finde ich persönlich, dass wir dabei sind, diese Frage juristisch zu diskutieren“, äußerte sich das Parteimitglied Manfred Sohn enttäuscht in einem offenen Brief über die Absage der Mitgliederabstimmung. (6)
Bedenklich ist eher, warum Parteimitglieder mit dem Befürworten eines illegalen Wahlprozesses dem politischen Gegner eine Steilvorlage liefern – gerade in Zeiten, in denen sich ein CSU-Generalsekretär für ein Verbot der Linken aufgrund deren vermeintlicher Verfassungsfeindlichkeit stark macht. (7)
Eine andere Steilvorlage lieferte Bartsch selbst, als er Ende Oktober auf einer Veranstaltung in Berlin den Grund für zunehmende Fraktionskämpfe in der Linken damit erklärte, dass in Zeiten schlechter Wahlergebnisse die Mandate knapper seien, und sich die Abgeordneten der Partei daher um die Posten streiten würden wie „Hartz-Vierer um den Alkohol“.
„Wer so über seine Leute denkt und offenkundig annimmt, dass der Suff das Erkennungsmerkmal der Arbeitslosen ist, der kann, auf dem Weg in die FDP, die Mitgliedschaft in der SPD gleich überspringen“, lautete ein bissiger Kommentar von Uli Gellermann auf der Webseite Rationalgalerie. (8)
Ganz im Sinn der FDP wie des neoliberalen Mainstreams überhaupt ist auch Bartschs jüngste Einlassung, in der er die deutsche Variante des Faschismus als „schlimmste Pervertierung des Sozialismus“ bezeichnet. (9)
Womit eins klar ist: Bartschs Gedankenwelt ist so trübe, selbst in der FDP wäre er keine Leuchte.
Anmerkungen
(1) http://www.fr-online.de/politik/dietmar-bartsch-im-portraet-der-unauffaellige-dietmar-bartsch-will-es-wissen,1472596,11438768,view,asFitMl.html
(2) http://www.dietmar-bartsch.de/tl_files/dietmarbartsch/2011/Dateien%20fuer%20die%20Seite%20Kandidatur/Politische%20Vita_301111.pdf
(3) http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,217996,00.html
(4) Über das Zusammenspiel der Medien und der „Reformer“ siehe auch Grundsatzrede von Oskar Lafontaine vom Januar 2010: http://www.die-linke.de/die_linke/nachrichten/detail/zurueck/aktuell/artikel/zur-strategie-der-partei-die-linke-nach-der-bundestagswahl-2009/
(5) Siehe dazu auch: http://www.jungewelt.de/2012/01-14/031.php
(6) http://www.jungewelt.de/2012/01-04/041.php
(7) http://www.welt.de/politik/deutschland/article13795456/Dobrindt-setzt-sich-fuer-Verbot-der-Linkspartei-ein.html
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(8) http://www.rationalgalerie.de/schmock/index_87.html
(9) http://www.dietmar-bartsch.de/kolumne/items/wider-die-kulturlose-arroganz.html