Innenpolitik

Deutsche Waffen unterm Weihnachtsbaum

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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Von REDAKTION, 3. Dezember 2012 –

Mit der „Merkel-Doktrin“ schreibt die Kanzlerin noch während ihrer Amtszeit Geschichte: Ganz schnell und möglichst unbemerkt von der Öffentlichkeit sollen viele hochmoderne Waffen an die Verbündeten geliefert werden, denn nicht überall, wo Deutschland seine Großmachtinteressen durchsetzen will, können eigene Soldaten präsent sein. Wenn nur nicht ständig jemand aus den geheimen Sitzungen des Bundessicherheitsrates mit der Presse plaudern würde…  

Zum wiederholten Male hat die Kanzlerin Ärger, weil die Anbahnung eines möglicherweise milliardenschweren Rüstungsgeschäfts bekannt wurde, kurz nachdem darüber beraten wurde. Es geht um eine neue Anfrage aus Saudi-Arabien, dessen theokratisches Regime nun nicht mehr nur
rund 270 Kampfpanzer vom Typ „Leopard 2“, sondern auch mehrere hundert Panzer vom Typ „Boxer“ haben will – eine Waffe, die für Transportzwecke, als Sanitätsfahrzeug, aber auch ganz hervorragend als Schützenpanzer, beispielsweise bei der Bekämpfung von Aufständen im Innern, genutzt werden kann.

Das Golf-Emirat Katar soll Interesse an 200 Kampfpanzern vom Typ „Leopard 2“ haben. Israel hat bereits vier U-Boote aus Deutschland bekommen und wird zwei weitere erhalten, die mit Atomwaffen ausgerüstet werden können. Laut Handelsblatt hat der Bundessicherheitsrat in der vergangenen Woche außerdem eine „massive Belieferung“ Israels mit High-Tech-Waffen auf den Weg gebracht. Darunter neueste Funk- und Aufklärungstechnik (Sonar- und Radar-Geräte) für die israelische Marine sowie Pläne für Startvorrichtungen von ballistischen Flugkörpern aus Torpedorohren für die bereits gelieferten U-Boote. Auch für den Krieg an Land rüstet Deutschland Israel auf: Mit bunkerbrechender Munition und Panzerfäusten, die auch für den Häuserkampf eingesetzt werden können. Israel habe so gut wie „alles bekommen, was es haben wollte“, wurde laut Handelsblatt aus deutschen Regierungskreisen berichtet.

Solche Deals werden im Geheimen ausgemacht und entziehen sich jeglicher parlamentarischen Kontrolle:  Im Sicherheitsrat sind die wichtigsten Minister (Finanzen, Außen, Innen, Verteidigung, Wirtschaft, Justiz und Entwicklungshilfe) praktisch unter sich. Nur vier Beamte dürfen mithören. Besonders ärgerlich ist es dann, wenn sich im Inner Circle ein Maulwurf befindet. Der Spiegel schildert jedenfalls ziemlich genau, wie es im abhörsicheren Kleinen Kabinettssaal bei der jüngsten Sitzung am Montag vergangener Woche zuging. Beginnend mit Merkels Einschätzung, der afrikanische Krisenstaat Mali sei ein „Scheißgebiet“, bis hin zum Beschluss, die Entscheidung über die Anfrage der Saudis auf 2013 zu vertagen. Der Verdacht erhärtet sich, dass jemand aus der Reihe der Minister mit dem Nachrichtenmagazin geredet hat.

Aber unabhängig von der Suche nach dem Informanten gibt es auch in den Reihen der Koalition Politiker, die die auch früher schon übliche Geheimniskrämerei nicht mehr für sinnvoll halten – zumal, wie der CDU-Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz meint, das Ganze nun ja „nicht mehr so geheim“ sei. „Man muss über die Fragen grundsätzlich öffentlich reden können“, sagte der Christdemokrat im Deutschlandfunk.

Vielen ist die regierungsoffizielle Unterrichtung über Rüstungsgeschäfte durch den Exportbericht, der nur einmal pro Jahr erscheint, nicht mehr genug. Die Bundestagsfraktion der SPD meint, das Thema sei „zu brisant, um es weiter im Verborgenen zu belassen“. Außerdem hätten deutsche Panzer „in autoritären Staaten nichts zu suchen, erst recht nicht, wenn sie in besonderer Weise geeignet sind, gegen potenzielle Demonstranten eingesetzt zu werden, wie es beim ,Boxer‘ der Fall wäre“.

Die SPD fordert nun eine Beteiligung des Bundestages an der Genehmigung deutscher Rüstungsexporte. Im Fall eines Sieges bei der Bundestagswahl 2013 werde ihre Partei die gesetzliche Regelung dafür schaffen, versprach SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Sie wirft der Kanzlerin vor, dass diese sich um Menschenrechte nicht groß kümmere und forderte: „Keine Panzer unterm Weihnachtsbaum.“

Kritisiert wird auch, dass die „Merkel-Doktrin“ nicht ausreichend erklärt wird. Auch regierungsintern hat man dies als Problem erkannt. Merkel selbst sprach das Thema im Oktober vor Bundeswehr-Führungskräften an, allerdings nur verklausuliert. Es liege in deutschem Interesse, Partner zu befähigen, „sich für die Bewahrung oder Wiederherstellung von Sicherheit und Frieden in ihren Regionen einzusetzen“.

Dass Saudi-Arabien, das immer wieder wegen massiver Menschenrechtsverletzungen in der Kritik steht, in Merkels Augen zu diesen „Partnern“ gehört, daran ließ Regierungssprecher Steffen Seibert wenig Zweifel. Er nannte das Regime einen „Stabilitätsfaktor in der Region“. Riad habe sich Verdienste bei der Suche nach einer friedlichen Lösung der Krise im Jemen und bei der Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus erworben, die „produktiv und wichtig“ sei. Konkret zu der Anfrage nach den deutschen „Boxer“-Panzern wollte Seibert sich aber nicht äußern. Er berief sich auf die Geheimhaltungspflicht für die Beratungen im Bundessicherheitsrat.

2011 wurden Kriegswaffen im Wert von 30 Millionen Euro aus Deutschland nach Saudi-Arabien geliefert. Genehmigt wurden Exporte für insgesamt 140 Millionen Euro. Für den Scharia-Staat sind unter anderem Bodenstationen für unbemannte Fluggeräte, Kampfflugzeug-Teile und Munition, etwa für Granatwerfer, Haubitzen oder Mörser bestimmt. Seibert betonte, dass es sich bei allen Genehmigungen um Einzelfallentscheidungen handele. „Es gibt keine Automatismen.“

Forderungen der Opposition nach mehr Transparenz bei der Genehmigung von Rüstungsexporten wies Seibert zurück: „Die Bundesregierung sieht keinen Grund, an dieser Staatspraxis, die seit Jahrzehnten geübt wird, etwas zu ändern.“

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Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) wirbt derweil für die Merkel-Doktrin und redet von einem Prinzip „Ertüchtigung statt Einmischung“. Neben Waffenlieferungen zählen dazu auch Ausbildungsmissionen wie die, die jetzt in Mali geplant ist. In dem westafrikanischen Wüstenstaat will die EU die Armee trainieren, um die Kontrolle über den Norden des Landes von islamistischen Rebellen zurückzugewinnen.

(mit dpa)

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