Der Krieg als Kinderspiel. Skandalöse Vorfälle bei der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr
Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.
Von REDAKTION, 10. Juni 2011 –
Anfang Juni wurde bekannt, dass die Bundeswehr am 28. Mai beim Tag der offenen Tür in der Bad Reichenhaller General-Konrad-Kaserne mehrere Kinder zu geschmacklosen Kriegsspielen verleitet hatte. Dazu war das Modell einer zerstörten Stadt aufgebaut worden, der man den Namen „Klein-Mitrovica“ verlieh.
Im Rahmen des Kinderprogramms der Werbeveranstaltung für die deutschen Streitkräfte wurden Minderjährige unter Anleitung von Soldaten der Gebirgsjägerbrigade 23 dazu gebracht, mit Waffenattrappen wie richtige Heckenschützen auf das Stadtmodell zu zielen. Den an sich schon schockierenden Vorfall hatte das antifaschistische Bündnis „Rabatz“ öffentlich gemacht. (1) Was den Sachverhalt noch skandalöser macht, ist der Sachverhalt, dass es eine Stadt mit dem Namen Mitrovica in Serbien tatsächlich gibt.
Dort hatten, wie die junge Welt berichtete, schon 1943 wirkliche Gebirgsjäger aus Bad Reichenhall im Rahmen der Partisanenbekämpfung gewütet. (2) Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Stadt noch mehrmals Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen – von 1999 an auch unter Beteiligung von KFOR-Truppen, zu denen wiederum die Gebirgsjäger aus Bad Reichenhall zählten. In dem betreffenden Jahr brandschatzten albanische Nationalisten unter den Augen der KFOR das Roma-Viertel der Stadt und vertrieben mehrere tausend Menschen. 2004 wurden infolge von anti-serbischen Pogromen zahlreiche Häuser zerstört und viele Menschen getötet.
Nachdem die Staatsanwaltschaft in Traunstein am Mittwoch bekannt gegeben hatte, wegen fehlender Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten kein Ermittlungsverfahren gegen die an den Kriegsspielen beteiligten oder für sie verantwortlichen Bundeswehrsoldaten einleiten zu wollen, hat nun der Kommandeur der Gebirgsjäger eingestanden, dass es sich bei dem skandalösen Vorgang um einen Fehler gehandelt habe. „Wenn sich Menschen oder gar Volksgruppen durch die Bezeichnung dieses Miniaturdorfes verletzt fühlen, dann bedauern wir das zutiefst“, sagte Brigadegeneral Johann Langenegger am Donnerstag in Sigmaringen. Er gab in diesem Zusammenhang zu, dass die Kinder mit Zielsystemen von Panzerfäusten hantierten. Noch ermittelt werde, ob Kinder oder Jugendliche an einer anderen Station mit Waffen umgehen durften. Offenbar hätten Menschen unter 18 Jahren diese zumindest in der Hand halten dürfen. „Das darf nicht sein“, sagte Langenegger. Öffentlich um Entschuldigung gebeten hat er aber nicht.
Die Staatsanwaltschaft begründete ihr Nichteinschreiten damit, dass zwar Waffen entgegen interner Vorgaben der Bundeswehr in die Hände von unter 18-Jährigen gelangt seien, eine strafbare Handlung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz in diesem Zusammenhang aber nicht vorliege. Die Besucher des Tages der offenen Tür hätten zu keinem Zeitpunkt „die tatsächliche Sachherrschaft über die Waffe übertragen erhalten oder erworben“.
Zum Politikum war der Vorfall nicht zuletzt deshalb geworden, weil der kosovarische Außenminister Enver Hoxhaj durch seinen Botschafter ankündigen ließ, den Vorfall bei seinem Staatsbesuch in Berlin ansprechen zu wollen. Hoxhaj trifft sich am Freitag mit Außenminister Guido Westerwelle (FDP).
Der CDU-Verteidigungsexperte Ernst-Reinhard Beck war am Donnerstag dagegen darum bemüht, den skandalösen Sachverhalt herunterzuspielen. „Unter Umständen sind Vorschriften der Bundeswehr zu Veranstaltungen mit Öffentlichkeitswirkung verletzt worden“, erklärte der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion in Berlin. „Um einen Skandal handelt es sich aber nicht.“ Häme oder Schelte aus den Reihen der Opposition halte er für unangemessen.
Unterdessen hat das „Rabatz-Bündnis“ nach eigenen Angaben Belege dafür beigebracht, dass es sich bei dem aktuellen Skandal keineswegs um einen Einzelfall handelt. (3) und ein Video auf Youtube zeige, wie Kindern entgegen anderslautender Bekundungen aus den Reihen der Bundeswehr in der Kaserne in Bad Reichenhall immer wieder der Zugang zu verschiedenen Waffentypen ermöglicht werde. Das Video – http://www.youtube.com/watch?v=sVyTHudk3rA – ist in der Zwischenzeit entfernt worden.
{youtube}pYU0O0w2KU0&NR=1{/youtube}
Vergleiche auch Hintergrund-Artikel:
Soldaten unters Volk! – Bundeswehrschau beim Hammelburger Weinfest. „Wir Hammelburger Soldaten!“
Abo oder Einzelheft hier bestellen
Seit Juli 2023 erscheint das Nachrichtenmagazin Hintergrund nach dreijähriger Pause wieder als Print-Ausgabe. Und zwar alle zwei Monate.
Anmerkungen / Quellen:
(1) http://rabatz-buendnis.info/2011/06/skandal-beim-tag-der-offenen-tuer-in-bad-reichenhaller-bundeswehrkaserne/
(2) http://www.jungewelt.de/2011/06-04/062.php
(3) http://rabatz-buendnis.info/2011/06/kinder-an-waffen-kein-einzelfall-bei-der-gebirgstruppe/
Fotos: http://rabatz-buendnis.info/wp-content/uploads/2011/06/brannenburg_tag-der-offenen-tuer.jpg