Der Karlatan – Folge 5
Hat der Bundesgesundheitsminister jemals die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen mitgebracht, eine Professorenstelle zu bekleiden? Die Berufungsverfahren weisen eine Reihe Unzulänglichkeiten auf. Zu viele „Fehler“ sind unserem Autor bei der gründlichen Recherche in den Bewerbungsunterlagen des damals jungen Kandidaten Lauterbach aufgefallen. Oder war es eine absichtliche Täuschung? Thomas Kubo hat Belege zusammengetragen, die das nahelegen. Jetzt müssten die Universitäten, allen voran die Universität Köln, tätig werden und dem Professor genauer unter den Talar schauen.
Bitte beachten Sie die aktuellen Änderungen und das Addendum.
In den letzten vier Folgen der Serie wurde dargestellt, dass eine Reihe von Punkten im Werdegang von Karl Lauterbach fragwürdig ist. In Folge 1 wurden Belege dafür angeführt, dass er nie als Arzt gearbeitet hat, es aber dennoch so hat erscheinen lassen. In Folge 2 wurden Fragwürdigkeiten dargestellt, die mit seiner wissenschaftlichen Ausbildung und seinen Publikationen zusammenhängen. In Folge 3 wurde der Weg Lauterbachs auf die Professur in Köln nachgezeichnet: Auch hier zeigte sich, dass es an wesentlichen Voraussetzungen mangelte, die im Anforderungsprofil aber klar bezeichnet wurden. In Folge 4 wurden Belege dafür angeführt, dass Lauterbach seinen Lehrverpflichtungen nicht nachgekommen ist.
Aufgrund zusätzlicher Recherchen, vornehmlich einer Sichtung der Berufungsunterlagen der Universität Tübingen, lassen sich sehr konkrete und deutliche Belege anführen, dass Lauterbachs Bewerbung auf eine Professur dort grob fehlerhafte und qualitativ ungenügende Angaben enthielt.
I. Fehlender Nachweis wissenschaftlicher Qualifikation
Der Weg auf eine Professur ist an zahlreiche Voraussetzungen geknüpft. Diese Voraussetzungen sind teilweise durch Gesetze und Verordnungen streng festgelegt, teilweise sind sie fachspezifisch und auch durch universitäts- oder fakultätseigene Regelungen bestimmt. Alle Regelungen zielen darauf ab, anhand messbarer Parameter die wissenschaftliche Qualifikation von Bewerbern zu prüfen. Im Bereich der Medizin und auch der Naturwissenschaften allgemein heißt das: Eine Reihe von hochwertigen Veröffentlichungen in international anerkannten, hochrangigen Journalen.
In Teil 2 ist anhand von Recherchen in den einschlägigen Publikationsdatenbanken und auch anhand eigener Publikationslisten von Lauterbach Folgendes begründet worden: Eine eigenständige wissenschaftliche Tätigkeit von Lauterbach hat es während seines fast ununterbrochenen Auslandsaufenthaltes in den USA von 1987 bis 1996 nicht gegeben.
Dieser Befund konnte mit den Berufungsunterlagen aus Tübingen nicht entkräftet werden. Ganz im Gegenteil finden sich weitere Belege dafür. Inwiefern Lauterbach zu Recht berufen worden ist, steht damit insgesamt infrage.
II. Die Rangordnung wissenschaftlicher Journale
Die Messung der Bedeutung einer wissenschaftlichen Leistung ist keine einfache Angelegenheit. Die sog. Szientometrie (science metrics) hat sich als Teilgebiet der Metawissenschaften (meta science) ausdifferenziert und versucht seit Mitte des 20. Jahrhunderts genau diese Probleme zu reflektieren – mit unterschiedlichem Erfolg, aber mit einem spitzfindigen methodischen Arsenal.
Die Fragen, um die es geht, betreffen Kerntätigkeiten wie auch das Selbstverständnis des Wissenschaftssystems an sich. Es geht um Grundfragen, beispielsweise: Welche Parameter können überhaupt plausibel gemessen werden? Es geht aber auch um diffizile Einzelfragen, beispielsweise: Wie viel Wert in der wissenschaftlichen Biografie eines Einzelnen darf man einer Arbeit mit vielen Autoren beimessen? Die Fragen betreffen auch und gerade die Einzeldisziplinen und ihr Verhältnis zueinander.
Im Falle Lauterbachs standen die jeweiligen Berufungskommissionen zusätzlich vor der nicht gerade einfachen Aufgabe, die Bewerbungsangaben mit dem Anforderungsprofil für eine Forschungsdisziplin abzugleichen, die es in Deutschland noch nicht sehr lange gegeben hatte. Ob man es nun Gesundheitsökonomie, Gesundheitssystemforschung oder Public Health nennt: Wir bewegen uns an einer Schnittstelle zwischen Medizin und Ökonomie, so dass man den Berufungskommissionen einen gewissen Interpretationsspielraum zugestehen kann und vielleicht auch muss.
Das Problem bei Lauterbach ist nun: Auch der gröbste szientometrische Detektor schlägt Alarm, wie an der folgenden Auflistung nachvollziehbar gemacht werden soll:
• Es lagen bei der Bewerbung nur eine verschwindend geringe Anzahl an Publikationen vor. Die Zeitschriften, in denen er diese veröffentlicht hat, spielen allesamt nicht in der 1. Liga; es handelt sich teilweise noch nicht einmal um Fachzeitschriften.
• Keine einzige der Publikationen ist einem Peer-Review unterzogen worden.
• Das Gros der Veröffentlichungen besteht bei Lauterbach aus Buchbeiträgen und publizierten Vorträgen von Kongressen. Diese gehören zwar zum Alltag eines Wissenschaftlers, spielen aber für die Bewertung der wissenschaftlichen Leistung im Vergleich zu den Originalarbeiten in den Top-Journals nur eine untergeordnete Rolle.
III. Eine höchst irreführende Selbstdarstellung
Die Unterlagen von Lauterbach an die Universität Tübingen1 zur Bewerbung auf eine Professur erfassen einen Fixpunkt seines Lebenslaufes so wie ein Bernstein ein Insekt: Unfreiwillig und gleichzeitig unbeweglich geben die Unterlagen einen Einblick, der am Lebendobjekt so nicht möglich wäre. Gleichzeitig liegt es in der Natur einer Bewerbung: Genau so wollte Lauterbach gesehen werden.
Um bei der Lektüre der nachfolgenden Absätze nicht aufs Glatteis zu geraten, ist es wichtig, diese Entstehungsbedingungen der Dokumente in Erinnerung zu behalten und auch die Sichtweise einer Berufungskommission einzunehmen, die einen jüngeren Lauterbach vor sich hatte, der nur etwas mehr als halb so alt war wie der heutige: Das Datum seiner Bewerbung nach Tübingen ist der 10. Dezember 1995.
Es geht im Folgenden zunächst darum, den Inhalt seiner Unterlagen darzustellen, und dann in der Rückschau einen Abgleich mit der Realität zu machen. Konkret geht es in der Hauptsache um Angaben zu zwei Themen: Seine Publikationen und seine Angaben zu eingeworbenen Drittmitteln.
a. Die Publikationen in drei Listen
Bei der Betrachtung seiner Publikationen ist es wichtig, dass im Berufungszeitraum drei unterschiedliche Quellen existierten, die Publikationen von Lauterbach verzeichnen. Urheber ist in allen drei Fällen Lauterbach selbst. Es sind im Einzelnen:
1. Das Literaturverzeichnis aus Lauterbachs 1. Doktorarbeit aus dem Jahre 1990, die 1991 publiziert worden ist,
2. dann eine Publikationsliste, die er seiner Bewerbung nach Tübingen vom 10. Dezember 1995 anfügte.
3. Die Universitätsakten verzeichneten ferner eine weitere Liste, die irgendwann, aber nicht taggenau feststellbar, um eine im Jahre 1997 aktualisierte Liste ergänzt worden ist.
„Aktualisiert“ heißt in Bezug auf Punkt 3: Sie ist sowohl erweitert als auch gekürzt worden. Letzteres mag überraschend klingen. Wie kann ein einmal publizierter Text verschwinden? Wir werden jedoch sehen, dass Lauterbach das Depublizieren zu einem Zeitpunkt betrieben hat, bevor der öffentlich-rechtliche Rundfunk dieses Wort geprägt und mit einem anderen Sinn versehen hat.2
Die im Anhang von Teil 2 dieser Serie veröffentlichte Publikationsliste ist um die entsprechenden Titel aktualisiert worden. Um den Rechercheverlauf nachzuvollziehen, sind die entsprechenden Ergänzungen dort auch kenntlich gemacht.3
Tatsächlich hat der Verfasser einige Texte übersehen. Allerdings sei daran erinnert, dass die Prüfung gerade und nur deshalb erforderlich gewesen ist, weil Lauterbach und seine Pressestellen sich beharrlich weigern, irgendwelche konkreten Details zu veröffentlichen.
Der Abgleich mit einem beliebigen Hochschullehrer aus der 2. Liga – um eine von Lauterbachs eigenen Metaphern4 zu gebrauchen – zeigt, dass die Bereitstellung einer solchen Liste eigentlich unproblematisch ist.
Wer den bibliografischen Irrwald betritt, den Lauterbach vor fast dreißig Jahren angelegt hat, trifft allerdings auf höchst ungewöhnliche Gewächse; zugleich sind die Pfade darin zugewachsen. Die mühsame und kleinteilige Wanderung durch den Irrwald ist gleichzeitig unvermeidlich. Wer hier nach Abkürzungen sucht, begeht denselben Fehler wie die hochdekorierten Berufungskommissionen: Diese kennen den Irrwald nämlich nur von der Landkarte, die Lauterbach ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Diese Karte ist aber, wie sich herausstellen wird, höchst unzuverlässig. Ob der Autor dieser Zeilen eine bessere Karte gezeichnet hat und sich als besserer Reiseführer erweist, kann erst von denjenigen beurteilt werden, die einmal in den Irrwald hineingegangen sind und wieder herausgefunden haben.
1. Die vier Titel aus seiner 1. Doktorarbeit
Übersehen wurde im 2. Teil dieser Serie, dass Lauterbach vier eigene Arbeiten in seiner ersten Doktorarbeit aus dem Jahre 1990/91 zitiert und im Literaturverzeichnis aufgelistet hatte. Dem Leser präsentieren sich die Angaben in seiner 1. Dissertation wie folgt:
Fünf Jahre später listet Lauterbach nuklearmedizinische Texte in seiner Tübinger Bewerbung unter „WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE“ unter „A)“. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als handele es sich jeweils um vollwertige wissenschaftliche Arbeiten. Die Einzelprüfung der Beiträge und auch der Abgleich der beiden Listen ergibt Folgendes:
Nr. 59 wurde im European Journal of Nuclear Medicine als Kongress-Abstract publiziert.5 Aus diesem Abstract ist jedoch kein ausgearbeiteter eigenständiger Artikel entstanden. Das im Literaturverzeichnis seiner Doktorarbeit angegebene „In Press“ stimmt nicht, weil der Text bereits im August 1988 publiziert wurde. Lauterbach gibt diesen Artikel im Jahre 1995 in seiner Bewerbung nach Tübingen korrekt an, allerdings ohne die Journalangabe im Hinblick auf die Seitenzahl und den Band genauer zu gestalten: „Eur J Nucl Med 1988“. Eine halbe Irreführung, denn ein Abstract ist kein vollwertiger Aufsatz. Wollte Lauterbach, dass die Gutachter und die Kommission hier Letzteres vermuten?
Nr. 60 ist nach allen Erkenntnissen, die der Verfasser einholen konnte, nie erschienen. Folgen wir Lauterbachs Angabe im Literaturverzeichnis seiner 1. Dissertation, wird man auf einen komplett anderen Artikel geführt.6 Er hat sich nicht um den Jahrgang des Volume oder eine Seitenzahl vertan, denn das Journal „Nuklearmedizin“ weist Lauterbach erst 1997 als Autor aus. Schenken wir den Angaben aus der Dissertation Glauben, besteht jedoch kein Zweifel, dass es sich um das Journal Nuklearmedizin handelt, denn weiter oben im Literaturverzeichnis auf derselben Seite wird ein Artikel aufgeführt, der mit den entsprechenden Angaben in genau jenem Journal auch gefunden werden kann:
Fünf Jahre später gibt Lauterbach in seiner 1. Publikationsliste denselben Artikel an, modifiziert aber Journal und Seitenzahl wie folgt: „J Nucl Med 1987;26:295“. Problem gelöst? Wohl kaum, denn Volume 26 dieser anderen Zeitschrift, das Journal of Nuclear Medicine, erschien 1985. Lauterbachs nuklearmedizinischer Forschungsaufenthalt in Tucson/Arizona fiel jedoch ins Jahr 1987, wie er es in seinem Lebenslauf angegeben hatte. Prüfen wir wohlwollend, ob es vielleicht Volume 28 war, was zum Jahr 1987 gepasst hätte. Wieder eine Sackgasse, denn der dort verzeichnete Artikel ist ein anderer.7 Die Autoren-Indizes der Zeitschrift für die Jahrgänge 1985 bis 1987 verzeichnen Lauterbach nicht.8 Könnte es sich vielleicht doch um das Journal Nuklearmedizin handeln? Nein, denn Volume 26 endet auf Seite 267.9
Nr. 61 ist ein ähnlicher Fall wie Nr. 59. Dieser Text wurde im Supplementband der Zeitschrift als Abstract publiziert. Ein vollwertiger Artikel ist daraus nie entstanden. Auch hier kann der Autorenindex weiterhelfen, der Lauterbach als Autor dieses Abstracts sowie eines weiteren ausweist.10 Beide Forschungen sind nicht in Artikellänge publiziert worden.
Es gilt dasselbe wie für Nr. 59: Ohne einen ausformulierten Methodenteil und Rohdaten ist die Studie nicht replizierbar, und eine wissenschaftliche Reflexion setzt eine Diskussion sowie auch eine Mitteilung der Limitationen voraus. Für die Wissenschaftsgemeinschaft ist der Ertrag einer solchen Arbeit begrenzt.
Nr. 62 ist vermutlich nie erschienen. Es sieht so aus, als wäre hier eine große Publikation geplant gewesen, die mit Hollmann und Feinendegen auch zwei klingende Namen hat. Wenn die Publikation 1991 „in press“ war, wo war sie dann im Jahre 1995? Und heute?
Wir können auf der Suche nach Gegenevidenz verschiedene Befunde prüfen: Möglicherweise sind die Artikel nicht korrekt im Index notiert worden und doch anderswo erschienen? Hierzu genügt die Prüfung der Co-Autoren, von denen der bekannteste vermutlich Ludwig E. Feinendegen ist – übrigens Lauterbachs 1. Doktorvater. Der muss immerhin für drei der vier obigen Publikationen als Letztautor herhalten. Sein Verzeichnis bei PubMed sowie die Einzelprüfung in den jeweiligen Zeitschriften weist für die fraglichen Nummern 60 und 62 keine Anhaltspunkte dafür aus, dass es sich hier um publizierte Texte handelt.11 Weiter ist fragwürdig: In der „aktualisiert“ überschriebenen 2. Publikationsliste fehlen alle nuklearmedizinischen Beiträge mit Ausnahme von Lauterbachs 1. Doktorarbeit. Und: Um Alleinautorschaften handelt es sich ebenfalls nicht.
In seiner 1. Publikationsliste ist noch ein weiterer Text enthalten, der nicht lokalisiert werden konnte, aber nicht in der Dissertation im Literaturverzeichnis gelistet wurde:
Lauterbach KW, Becker V, Feinendegen LE. Determination of the ejection fraction of the left ventricule from single cardiac cycles with the Parametric Gammascope. IME Ergebnisbericht, 1986, KFA Jülich.
Zwischenfazit zu den nuklearmedizinischen Texten: Von den sechs nuklearmedizinischen Texten waren drei nicht lokalisierbar. Es darf daran gezweifelt werden, ob sie überhaupt erschienen sind. Zwei Publikationen bestehen aus Abstracts, aus denen kein Folgeartikel entstanden ist. Nehmen wir den Zufallsfund bei der Suche hinzu, kommen wir auf drei Abstracts, die nebeneinandergestellt noch nicht einmal eine einzige Seite in jenen Journals füllen würden. Wenn wir von der (tatsächlich existierenden) 1. Dissertation absehen: Die bibliografische Notation dieser Texte fällt in der Bewerbung beinahe länger aus als die Texte selbst. Nimmt man die Angaben aus dem Literaturverzeichnis seiner Bewerbung hinzu, liegen bei den auffindbaren Abstracts mehrere grobe Irreführungen vor. Dies ist keine Kleinigkeit, denn die Berufungskommission in Tübingen hat auf Grundlage dieser Publikationen geurteilt und Lauterbach eine einschlägige Expertise in medizinischen Fragestellungen unter anderem deshalb zuerkannt.
2. Die Bücher
In der 1. Publikationsliste seiner Bewerbung tauchen unter dem Wort „Veröffentlichungen“ vier Titel auf, die Lauterbach unter die Kategorie „Bücher“ eingereiht hat.
Der erste Titel lautet „Ethical and Policy Problems in the Practice of Public Health“. Der Zusatz in Klammern: „(abgeschlossenes Manuskript, geplante Publikation 1996, Oxford University Press, 200 Seiten)“. Co-Autor ist Lauterbachs zweiter Doktorvater Marc J. Roberts. Dieser Titel erhält in der 2. Publikationsliste den folgenden Zusatz: „Lehrbuch für Ethik und Public Health an der Harvard School of Public Health, 1996. Curriculum Center Harvard School of Public Health, #ID 250, 200 Seiten.“ Eine Nachfrage an der T.H. Chan School of Public Health zu Existenz und Verbleib dieses Titels blieb ohne Ergebnis, ebenso die Anfrage an die Oxford University Press, die unbeantwortet blieb. Ob dieser Text im Nachlass von Marc J. Roberts vergilbt? Gut möglich. Eine zugängliche Quelle ist es jedenfalls nicht.
Der zweite Titel lautet „Justice and the Functions of Health Care“. Aufmerksamen Lesern dieser Serie wird sofort auffallen, dass der Titel identisch mit dem seiner Harvard-Dissertation ist. Der Zusatz in Klammern: „(abgeschlossenes Manuskript, eingereicht bei Princeton University Press, 135 Seiten)“. Die erhöhte Seitenzahl gegenüber der Doktorarbeit suggeriert, dass Lauterbach seine Harvard-Dissertation überarbeitet eingereicht hat. Eine mehrfache Nachfrage bei Princeton University Press, ob dieses Manuskript tatsächlich eingereicht wurde, blieb unbeantwortet. Der Titel taucht so in der zweiten Publikationsliste nicht mehr auf.
Der dritte Titel lautet „Ethik und Ökonomie im Gesundheitssystem“. Der Zusatz in Klammern: „(Manuskript in Vorbereitung, erscheint in der Reihe Gesundheitsökonomie der Robert-Bosch-Stiftung e.V.; gepl. 200 Seiten, 1996)“. Lauterbachs Autorschaft wird in der 2. Publikationsliste zur Herausgeberschaft heruntergestuft. Mitherausgeber ist nun der Volkswirt Eberhard Wille. Dasselbe Buch soll 1997 im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung publiziert werden. Und übrigens: Die Robert Bosch Stiftung ist kein e. V. – wie bei Lauterbach angegeben, sondern ihrer Rechtsform nach eine GmbH.
Problem 1: Das Buch ist nie erschienen. Problem 2: Lauterbach gab in seiner 2. Publikationsliste an, dass ein eigener Beitrag mit dem Titel „Ethische Theorie und Ressourcenverteilung in der Medizin“ in einem Sammelband enthalten war, der ganz ähnlich lautet: „Ökonomie und Ethik in der Medizin“ (statt „… im Gesundheitssystem“). Mit demselben Co-Herausgeber Eberhard Wille im selben Verlag. Aber auch dieser Band ist nicht erschienen. Bei einem nie erschienenen Sammelband ist der damalige Zusatz „im Druck“ jedoch in der Rückschau erklärungsbedürftig. Dieses Problem 2 müssen wir in Erinnerung behalten, weil es bei den Drittmitteln eine Rolle spielt.
Der vierte Titel lautet „Managed Care: Grundlagen, Chancen und Risiken (Manuskript in Vorbereitung, erscheint bei FK Schattauer Verlagsgesellschaft mbH.; gepl. 600 Seiten, 1996)“. Co-Herausgeber sind Michael Arnold und Klaus Jürgen Preuß. Dieser Text hat die Schwelle zur Publikation überschritten, in der 2. Publikationsliste schrumpft die Seitenzahl allerdings von 600 auf 350. Dieser Titel wird erst im Laufe des Jahres 1997 erscheinen.12
Zwischenfazit zu den Büchern: Die 1. Publikationsliste enthält zum Zeitpunkt der Abfassung im Dezember 1995 vier Veröffentlichungen, die nicht veröffentlicht waren. Nur eines der vier überschritt die Publikationsschwelle.
3. Gesundheitssystemforschung
Unter der Überschrift „B) GESUNDHEITSSYSTEMFORSCHUNG“ listet Lauterbach elf weitere Titel auf, unter anderem seine 2. Doktorarbeit aus Harvard aus dem Jahre 1995. Ein weiterer Titel ist zunächst unproblematisch: Er taucht als Teil eines Sammelbandes auf und trug den Titel:
Managed Care in Deutschland: Möglichkeiten für Kostenkontrolle und Qualitätsmanagement (im Druck)
Dieser Titel wird dann in der 2. Publikationsliste wie folgt abgeändert:
Managed Care in Deutschland: Die Abhängigkeit von Kostenkontrolle, Qualitätsmanagement und ärztlicher Ethik.
Dieser Titel erscheint im einzigen Buch, das Lauterbach bis 1997 herausgegeben hatte („Managed Care“), tatsächlich auf den Seiten 317–324.
Der Umstand, dass Lauterbach seinem Artikel in seiner 2. Publikationsliste eine Seite hinzufügt hatte (Angabe: „317–325“), mag zunächst als Flüchtigkeitsfehler durchgehen. Wir wollen vielleicht mal nicht so kleinlich sein: Was ist schon eine Seite, wenn der Bewerber einen Briefkopf aus Harvard verwendet, Manuskripte in Oxford und Princeton einreicht und in Cambridge/Mass. wohnt?
AIDS als Herausforderung
Ein Artikel wird unter dem folgenden Titel notiert:
„Lauterbach KW. AIDS als Herausforderung für das Solidarprinzip in der Gemeinschaft. Österreichische Krankenhauszeitung, AIDS-Sonderausgabe Herbst 1992“
Es ist indes ein Titel, der in dieser Form nicht auffindbar ist. Das Zentrum für Public Health an der Medizinischen Universität Wien listet in seiner Publikationsliste hingegen den folgenden Artikel:13
607. BAUER, H., G. HAIDINGER, H. HARTL, E. HAUKE, C. KÖCK, M. KUNZE, K. LAUTERBACH: Ökonomisch-organisatorische Untersuchungen zum erworbenen Immundefektsyndrom (AIDS) in Österreich. Donaueuropäisches Krankenhaus-Journal 1, Österreichische Krankenhaus-Zeitung 33(1992)5
Die Mitwirkung an dieser Sammelarbeit beschränkt sich vermutlich auf das nicht namentlich ausgezeichnete, aber ähnliche Unterkapitel 4 mit dem Titel „AIDS als Herausforderung der Solidargemeinschaft: die ethische Dimension“. Er macht eine Mitautorschaft zu einer Alleinautorschaft. Nun gut, das Kapitelchen enthält immerhin 6,5 Seiten. Warum hat Lauterbach auch diesen Artikel in der 2. Publikationsliste gestrichen? Anstelle den Impact-Factor des Donaueuropäischen Krankenhausjournals zu berechnen, sei lediglich darauf hingewiesen, dass es nach zwei Ausgaben im Jahre 1992 eingestellt wurde.14
Das Krankenhaus, Krankenhaus-Report und RPG
Die folgenden vier Artikel sind tatsächlich vom Verfasser übersehen worden. Zwei Artikel wurden von Lauterbach im Sammelband Krankenhaus-Report der Jahre 1995 und 1996 veröffentlicht. Ein weiterer im Journal Das Krankenhaus und ein weiterer im Journal Recht und Politik im Gesundheitswesen RPG:
Lauterbach, KW: Soziale Gerechtigkeit und Prioritäten in der Gesundheitsfürsorge: Eine Ethische Analyse, Recht und Politik im Gesundheitswesen 1995:1, S. 27–32.
Lauterbach KW, Arnold M.: Managed Care: Eine Lösung der Probleme im Gesundheitswesen Deutschlands? Das Krankenhaus 1995:6, S. 254–59.
Lauterbach KW, Arnold M.: Über die Vor- und Nachteile einer leistungsbezogenen Vergütung der stationären Versorgung: Lehren aus den USA für das deutsche Krankenhaus. In: Arnold M, Paffrath D (Hrsg.): Krankenhausreport 1995, S. 167–75.
Lauterbach KW, Methoden der Effizienzsteigerung bei der integrierten Versorgung in den USA. In: Arnold M, Paffrath D (Hrsg.): Krankenhaus-Report 1996, S. 53–62.
Wohlgemerkt: Die Besprechung der publizierten Substanz der 1. Publikationsliste beschränkt sich auf drei dieser vier Artikel und ist nun abgeschlossen. Denn alle anderen Artikel, um die es nun geht, waren zum Zeitpunkt der Einreichung der Bewerbung lediglich „im Druck“ oder „eingereicht“.
„Solidarische Hilfe und ihre Grenzen“
Ein weiterer Text trägt den Titel der Zwischenüberschrift und wird als „im Druck“ befindlich aufgeführt. In der 2. Liste erhält dieser Eintrag den Zusatz „(Gesundheitsökonomie. N. Frickhofen (Hrsg.), Bleicher-Verlag Stuttgart 1996.)“. Diesen Band gibt es allerdings nicht, sondern lediglich diesen:
Frickhofen, Norbert (Hrsg.): Die Ausbildung zum Arzt: Rahmenbedingungen, Ziele, Elemente. Bericht über ein Symposium aus Anlaß der Emeritierung von Professor Dr. Hermann Heimpel am 17. und 18. November 1995 in Ulm, Schattauer: Stuttgart 1998.
Lauterbachs Text („Die Grenzen des Solidaritätsprinzips“) erschien dort auf den Seiten 17–22. Wo der von Lauterbach verzeichnete Band aus dem Jahre 1996 geblieben ist? Das weiß niemand. Weder der Herausgeber, der sich an einen solchen Band nicht erinnern kann, aber sehr wohl an den aus dem Jahre 1998. Noch der Bleicher-Verlag, der auf die Anfrage bisher nicht reagiert hat. Und auch nicht die Datenbank der Deutschen Nationalbibliothek, die zwei Pflichtexemplare verzeichnen müsste.
„Die ethischen Grundlagen der gesundheitsökonomischen Theorie“
Ein weiterer Beitrag trägt den Titel der Überschrift. In der 2. Liste wird dieser Artikel wie folgt angegeben:
Die ethischen Grundlagen der gesundheitsökonomischen Theorie, Bergdolt K., Guthoff R. (Hrsg.): Ethik in der Augenheilkunde. Zülpich 1997: 11–23
Problematisch ist hier, dass es sich um eine bibliografische Fehlangabe handelt. Der Titel des Bandes lautet „Ethik, Ökonomie, Augenheilkunde“. Das Gespräch mit einem der beiden Herausgeber ergab ferner: Lauterbach hat seinen Vortrag beim Symposium, das den Anlass zur Publikation dieses Bandes gab, nie gehalten. Und: Auch hier stibitzt Lauterbach dem Folgebeitrag eine Seite: Sein eigener Beitrag geht in Wirklichkeit nur von S. 11–22. Was zunächst verkraftbar klingt, wird im Berufungsbericht der Universität Greifswald (s. u.) eine Rolle spielen.
Tumor-Forschungen
Lauterbach nennt insgesamt vier Veröffentlichungen mit Bezug zu einer krebsepidemiologischen Feldstudie. In seiner 1. Publikationsliste taucht dieser Beitrag auf:
Lauterbach KW. Screening and Treatment for Breast Cancer in Germany: A Preliminary Report. Proceedings of the New Jersey Breast Cancer Summit May 1995, American Cancer Society (im Druck)
Die Angabe „im Druck“ verschwindet sodann in der 2. Liste, wo er diesen Beitrag unter „Publizierte Vorträge“ einreiht. Den Tagungsband gibt es, und Lauterbachs Beitrag darin ist echt.15 Es handelt sich um ein editiertes Vortragsmanuskript. Der Text hat drei Seiten und füllt insgesamt zwei DIN-A4-Seiten komplett aus; es werden kurz Forschungsergebnisse referiert, aber keine exakten Fundstellen angegeben – so, wie es dem Genre eines editierten Vortrags durchaus angemessen sein kann. Die Angabe in der 2. Publikationsliste erweist sich als korrekt! Problematisch ist: Lauterbach hat diesen Text als „wissenschaftlichen Beitrag“ in seiner 1. Publikationsliste aufgeführt, was eine Irreführung ist.
Lauterbach KW., A. Spelsberg, C. Bartel [sic], U. Petzold, B. Rackl, C. Goecke, Ch. Mittermayer: Epidemiologie und Versorgungsqualität des Mammakarzinoms: Eine Prospektive Feldstudie. (im Druck)
Diese „im Druck“ befindliche Publikation konnte nicht lokalisiert werden, hat aber große Ähnlichkeit mit der nächsten:
Lauterbach KW., A. Spelsberg, C.Barthel, U.Petzold, B. Rackl, C. Goecke, Ch. Mittermayer. Eine prospektive Studie zur Epidemiologie und Qualitätssicherung in der Prävention und Therapie des Mammakarzinoms: Zielsetzung und Methode. (eingereicht.)
In der 2. Publikationsliste wird er wie folgt ergänzt: „(Abstrakt in: Abstraktband des 22. Deutschen Krebskongresses, Havemann K., Wolf M.; Artikel in Tumordokumentation, Dudeck (Hrsg.), Gießen).“ Der „Abstraktband“ konnte noch nicht eingesehen werden, aber der zugehörige Sammelband ist unter dem genannten Titel „Grundlagen qualitätssichernder Tumordokumentation“ 1997 mit jenem Beitrag auf den Seiten 47–62 erschienen. Die dazugehörige Tagung fand vom 20.–21. Februar 1996 in Berlin statt.16 Bis zum „Druck“ verging indes noch über ein Jahr.
Lauterbach KW., A. Spelsberg, Rakl U. [sic!], Goecke C., Mittermayer Ch. Qualitätssicherung bei Vorsorge und Therapie des Mammakarzinoms (In: Symposiumsband zur Jahrestagung der nordrhein-westfälischen Pathologen 1996. Mittermayer, Ch., Füsezi [sic!], L. (Hrsg.). Aachen)
Auch dieser Band ist nicht lokalisierbar, was aber nicht heißt, dass es ihn nicht gibt. Die beiden Herausgeber antworteten dem Verfasser bisher nicht.
Zwischenfazit zur Tumor-Forschung: Zwei von drei Texten in der 1. Publikationsliste konnten identifiziert werden: Ein editiertes Vortragsmanuskript aus dem Jahre 1995 und ein Beitrag zu einer Tagung aus dem Februar 1996 mit einem Umfang von 16 Seiten, der in einem Tagungsband im Jahre 1997 publiziert wurde. Diese beiden Titel tauchen auch in der 2. Publikationsliste auf. Pro Publikationsliste gibt es je einen Titel, der nicht lokalisierbar ist. Die Angaben zu diesen Texten müssen wir im Hinterkopf behalten, wenn es weiter unten um die Drittmittel geht.
4. Die aktualisierte 2. Publikationsliste
Wir können nun auf die Titel in der 2. Publikationsliste eingehen. Zunächst einmal ist für das berufungsrelevante Jahr 1996 unter der Überschrift „Originalarbeiten“ lediglich ein weiterer Text hinzuzufügen:
Lauterbach KW: Wer hat den Durchblick – Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen. Praxiserfolg 1996:11, S. 34–36.
Eine Reihe von Titeln werden unter der Überschrift „Publizierte Vorträge“ gelistet, von denen drei ebenfalls im Jahre 1996 erschienen sind.17
Lauterbach KW, Erfahrungen mit Disease Management in USA – Entwicklung von Instrumenten für die Installierung von Disease Management in Deutschland. In: Braun, W./Schaltenbrand, R.: Qualitätssicherung, Pharmaökonomie und Disease Management. Berichtband zu 3. Symposium, Witten-Herdecke 1996: 183–191.
Zur Situation der Gesundheitsversorgung: Aporien und Konfliktlagen. (In: Unbezahlbare Gesundheit? Die Zukunft der Gesundheitsversorgung. Hörner, V. (Hrsg.): Speyrer Texte der evangelischen Akademie der Pfalz, Landau 1996, S. 3–12.
Lauterbach KW, Methoden und Stand der Qualitätssicherung in den USA. In: Klotz T., Engelmann U. und Neubauer, S. (Hrsg.): Perspektiven: Gesundheitsmanagement und Krankenhausorganisation im Wandel, Berlin: Acron Verlag, 1996, S. 195–206.
Die meisten anderen Titel aus dem Jahr 1997 wurden bereits in der Publikationsliste am Ende des 2. Teils dieser Serie aufgeführt. Die Diskrepanzen wurden in der überarbeiteten Publikationsliste festgehalten.18 Es gibt eine weitere Ansammlung von Merkwürdigkeiten:
• Ein Titel war nicht lokalisierbar.19
• Ein weiterer Titel wurde von Lauterbach in das Jahr 1996 verlegt, erschien aber tatsächlich erst 1998.20
• Unter der Überschrift „Originalarbeiten“ werden etliche Kurzbeiträge, Kommentare und populäre Darstellungen aufgeführt, die sich weder durch das Publikationsorgan, noch durch den Gehalt als „Originalarbeit“ auszeichnen.21
Die Praxis, seinen eigenen Artikeln Seiten hinzuzufügen, lässt sich nun beziffern: Insgesamt tat er das sechsmal, wohingegen er nur in zwei Fällen je eine Seite zu wenig zählte. Saldieren wir das auf, so ergeben sich 14 extra-Seiten bis 1997.
5. Ein Streifzug durch den Inhalt
Es wäre nötig, Lauterbachs Texte Zeile für Zeile durchzugehen und auf Unregelmäßigkeiten zu prüfen. Dies ist in einem Beitrag wie diesem hier nicht zu leisten. Es soll aber dennoch an zwei Beispielen dessen wissenschaftliche Praxis erhellt werden. Die Beispiele stammen beide aus Texten, die er alleine zu verantworten hat. So viel vorneweg: Der Twitterer aus der Gegenwart ist wiederzuerkennen.
Glattes Zahlenmaterial
Das Verhältnis Lauterbachs zu korrekten Zahlen ist bereits umfangreich beschrieben worden.22 Wir fügen ein weiteres Beispiel aus dem Jahr 1997 hinzu. Im Artikel „Managed Care Modelle der zweiten Generation“ ist die nachfolgende Grafik enthalten:
Die Seriösität dieser aalglatt aussehenden „Geschätzten Kostenentwicklung“, die von einer schnörkellosen Steigerung der Kosten von 100 Mrd. $ bzw. 100 Prozent in genau sieben Jahren, dann genau 50 Mrd. $ /25 Prozent in weiteren fünf Jahren ausgeht, darf angezweifelt werden.
Anstelle eines Quellenverzeichnisses bietet die Zeitschrift „Der Hausarzt“ in sehr kleiner Schriftgröße unten links an, man könne die Literatur beim Autor anfragen:
Bisherige Anfragen zu anderen Themen deuten allerdings nicht darauf hin, dass man mit einer Anfrage Erfolg haben könnte.
Saubere Quellenarbeit
Die dargebotene Quellenarbeit ist in den Texten Lauterbachs, die der Verfasser gelesen hat, miserabel. Wenn überhaupt Nachweise erfolgen, dann zitiert Lauterbach regelmäßig nur der Form halber, sozusagen um den Eindruck zu erwecken, er habe eine wissenschaftliche Quelle bemüht. Prüft man diese nach, überkommt einen nach einiger Zeit regelmäßig die Erkenntnis, dass die Quellen gar nicht das hergeben, was Lauterbach belegen will.
So schreibt Lauterbach im Buchbeitrag „Die Abhängigkeit von Kostenkontrolle, Qualitätssicherung und ärztlicher Ethik“ aus dem Jahre 1997:
„Das Capitation-System hat wahrscheinlich keine negativen Auswirkungen auf die durchschnittliche Behandlungsqualität“
Dieser Aussage folgt die Referenz des Artikels „Changes in Quality of Care for Five Diseases Measured by Implicit Review, 1981 to 1986“.23 Im ersten Satz dieses Artikels steht:
„We measured quality of care before and after implementation of the prospective payment system.“ (Hervorhebung durch den Verfasser)
Im Glossar desselben Bandes, in dem Lauterbachs Beitrag erscheint, lernt der Leser, dass es sich bei Capitation um Kopfpauschalen handelt, und beim Prospective-Payment-System um ein Vergütungssystem nach Fallpauschalen. Der zitierte Artikel belegt schlicht und ergreifend nicht das, was Lauterbach gesagt hat.
6. Ein Fazit zu den Veröffentlichungen
Den Empfängern der Bewerbung vom 10. Dezember 1995 präsentiert sich eine Publikationsliste mit 21 Titeln. Von den vier Büchern war kein einziges zum Zeitpunkt der Bewerbung erschienen. Die Veröffentlichungsschwelle überschritt bis zur 2. Publikationsliste indes nur eines der vier. Von den fünf verzeichneten nuklearmedizinischen Beiträgen konnten neben der Doktorarbeit nur zwei Abstracts mit hinreichender Sicherheit lokalisiert werden, während die Gesamtzahl der veröffentlichten Abstracts drei beträgt. In der Liste der „wissenschaftlichen Beiträge“ zur „Gesundheitssystemforschung“ steht neben seiner fragwürdigen Harvard-Dissertation ein fehlerhaft bibliografierter Eintrag, der eine Alleinautorschaft vortäuscht, fünf Titel „im Druck“ und ein Titel „eingereicht“. Die zum Zeitpunkt der 1. Publikationsliste greifbare Seitenmenge beträgt unter 30 Seiten aus vier Artikeln und drei Abstracts. Das war offenbar eine Einladung zum Probevortrag wert!
Am Ende von Teil 2 dieser Serie schrieb ich: „Vor 1997 gibt es mit Ausnahme der beiden Dissertationen im Hinblick auf die Publikationen nichts, was in irgendeiner Form Lauterbachs wissenschaftliche Einzelleistung begründen könnte. “
13 Titel, die aus diversen Publikationslisten bis zur Veröffentlichung 1996 insgesamt rekonstruiert wurden, können diese Einschätzung nicht wesentlich abändern. Im Gegenteil belegt die Darreichung der Titel eine Reihe von weiteren Inkonsistenzen. Die weiteren Angaben in der „Aktualisiert“ überschriebenen, tatsächlich aber auch gekürzten 2. Publikationsliste sind nämlich nicht besser. Diese Liste enthält fünf „Bücher und längere Manuskripte“, 29 „Originalarbeiten“ sowie zwölf „Publizierte Vorträge“. Die beiden Dissertationen wurden dabei in die 1. Kategorie verfrachtet, so dass es nach mehr aussieht, aber tatsächlich weniger ist.
Die gewählten Mittel in steigender Intensität: Lauterbach fügte Artikeln Seiten hinzu, verschob Erscheinungstermine und erfand ganze Texte und Bände. Die Angaben sind ferner so ungenau, dass es nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist, die Titel überhaupt zu lokalisieren. Wer es gleichwohl mit größten Wohlwollen probiert, scheitert trotzdem. Wer die Titel finden kann, stutzt über die Tatsache, dass mal das Erscheinungsjahr, mal der Herausgeber, mal der Titel vollkommen anders ist als angegeben.
Es wurde dann anhand von zwei Beispielen angedeutet, was passiert, wenn man sich inhaltlich mit den Texten beschäftigt. Freundlich ausgedrückt: Die Handhabung des wissenschaftlichen Handwerks erweist sich nicht als meisterhaft. Was käme wohl dabei heraus, wenn man alle Texte lesen würde?
b. Drittmittel
Lauterbach präsentierte unter der Überschrift „Laufende Forschungsprojekte“ in seiner Bewerbung drei Drittmittelgeber, die auch fast dreißig Jahre später identifizierbar sind. Einmal ist es das Bundesgesundheitsministerium, einmal die Robert Wood Johnson Foundation in Princeton/New Jersey, einmal die Robert-Bosch-Stiftung.
1. Zwanzigtausend Mark
Die Robert-Bosch-Stiftung sicherte gemäß Lauterbach 20.000 DM für das Buchprojekt mit dem folgenden Titel zu: „Ethik und Ökonomie im Gesundheitswesen“. Wir erinnern uns: Dies ist das Buch, das Lauterbach zunächst als Autor, dann als Herausgeber publizieren wollte, das aber bis heute nie erschienen ist. Der Verbleib der Förderung ist unklar. Mehrfache Nachfragen bei der Pressestelle der Robert-Bosch-Stiftung blieben ohne Ergebnis:
„Als Robert Bosch Stiftung prüfen wir Projekte, die von uns gefördert werden, von der Antragsstellung und Bewilligung bis zur Abrechnung sehr sorgfältig. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir darüber hinaus keine weiteren Auskünfte zu Details unserer Förderung geben.“
Hier gibt es also nichts zu sehen. Die Stiftung konnte von der Welt am Sonntag hingegen zu einer Aussage bewegt werden, die Klarheit bringt:
„Auf Anfrage teilte die Stiftung WELT AM SONNTAG mit, man habe Lauterbach die Förderung zwar zugesagt, das Geld sei aber am Ende doch nicht geflossen. Der Grund: Das Buch wurde nicht fertiggestellt.“
Erinnern wir uns an Problem 2: Lauterbach schrieb in seiner 2. Publikationsliste, einer seiner Texte sei im Sammelband „Ökonomie und Ethik in der Medizin“ (statt „… im Gesundheitssystem“) erschienen. Die Möglichkeit eins ist, dass er sich hier lediglich verschrieben hat. Möglichkeit zwei ist, dass er hier einen weiteren Sammelband erfunden hat. Das Verschreiben als Möglichkeit eins erklärt immer noch nicht, wie sein eigener Text „im Druck“ gewesen sein soll. Möglichkeit zwei ist noch problematischer, weil er damit zwei Bände erfunden hätte, von denen der eine „im Erscheinen“, der andere „im Druck“ gewesen sein sollte.
2. Hunderttausend Dollar
Weiter soll Lauterbach für die „Studienmitleitung“ am Projekt „Cost-Containment and Diffusion of new Technology in Health Care“ von der Robert Wood Johnson Foundation in Princeton gefördert worden sein. Die Frage ist, wo dieses Projekt in der seit 1972 geführten Datenbank zu finden ist. Weder Lauterbachs Name noch die exakte Betitelung des Projektes sind darin aufgeführt.24 Eine Nachfrage an die Stiftung zur Existenz der Förderung blieb unbeantwortet.
Die Welt am Sonntag hat mit Alan B. Cohen den Studienleiter ausgemacht, der einschlägig Auskunft geben konnte. Die Grants können nun mithilfe dieser Angaben eindeutig identifiziert werden.
Der erste Grant trug den Titel „Analysis of cost containment strategies’ impact on medical technology“, hatte die Fördernummer 21335 und umfasste 189.666 Dollar.
Dieser wurde dann später umgewandelt in einen Grant mit dem Titel „Analysis of cost containment strategies involving medical technology“, war also ein „transfer grant“, der durch den Ortswechsel von Cohen nötig wurde. Die Fördernummer war 26077, die Förderhöhe betrug 67.809 Dollar. Cohen hatte gegenüber der Welt am Sonntag präzisiert, was vor sich ging, wie Benjamin Stibi auf Twitter ergänzte:
„As I mentioned, he was not involved in obtaining the grant. I received the grant in 1992 when I was faculty member at Brandeis University. When I left Brandeis in 1994 to join Boston University, the remaining balance (approximately $100,000) was transferred by the Foundation to a new grant at BU [Boston University]. I was principal investigator throughout both periods.“
(Deutsch: „Wie ich bereits erwähnt habe, war er an der Beschaffung des Zuschusses nicht beteiligt. Ich erhielt den Zuschuss 1992, als ich Fakultätsmitglied an der Brandeis University war. Als ich 1994 die Brandeis University verließ, um an die Boston University zu wechseln, wurde der verbleibende Restbetrag (etwa 100.000 $) von der Stiftung auf ein neues Stipendium an der BU [Boston University] übertragen. Ich war in beiden Zeiträumen der Hauptforscher.“)
Mir gegenüber hat er es jedenfalls so dargestellt:
„Regarding the two RWJF grants that you cite, the 1992 grant for $189,666 was awarded to me as ‚project director‘ when I left my position at RWJF to join the faculty of Brandeis University in Waltham, MA. Two years later, in 1994, when I left Brandeis to join the faculty of the Boston University School of Management (now the Questrom School of Business), the Foundation canceled the grant to Brandeis and transferred the remaining unexpended funds in the amount of $67,809 to Boston University to enable me to complete the project. At no time did I have a co-director, and there were no other grants associated with this research project.“
(Deutsch: „Was die beiden von Ihnen zitierten RWJF-Zuschüsse betrifft, so wurde mir der Zuschuss von 1992 in Höhe von 189.666 $ als “Projektleiter” gewährt, als ich meine Position bei der RWJF verließ, um der Fakultät der Brandeis University in Waltham, MA, beizutreten. Zwei Jahre später, 1994, als ich die Brandeis University verließ, um an der Boston University School of Management (heute Questrom School of Business) zu lehren, strich die Stiftung den Zuschuss für die Brandeis University und überwies die verbleibenden Mittel in Höhe von 67.809 Dollar an die Boston University, um mir die Fertigstellung des Projekts zu ermöglichen. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich einen Co-Direktor, und es gab keine weiteren Zuschüsse im Zusammenhang mit diesem Forschungsprojekt.“)
Ob die eine Angabe („approximately $100,000“) oder die andere („remaining unexpended funds in the amount of $67,809“) korrekt ist, bedarf immer noch einer Klärung, ist aber im Hinblick auf den Gesamtzusammenhang ein Detail von vielen; denn: Die fehlerhaften Angaben in der Bewerbung Lauterbachs bleiben bestehen. Lauterbach hatte keine „Studienmitleitung“, und die Drittmittel hatte er nicht selbst beschafft, sondern Cohen.
Die Transferierbarkeit dieser Mittel bleibt ebenfalls fragwürdig.
Es stellt sich auch die Frage, ob sich die in der Berufungsakte festgehaltene Zusage, Drittmittel im Falle einer Berufung problemlos übertragen zu können, sich auch auf dieses Projekt erstreckte: Die Stiftung hat in ihrer Geschichte bei einer fünfstelligen Zahl an geförderten Projekten im gesamten Zeitraum der 1990er-Jahre nur drei Projekte im Ausland gefördert, allerdings lediglich im benachbarten Kanada.25
Hier gibt es ebenfalls nichts zu sehen.
Was ist schlimmer: Bei der Gesamtsumme gelogen zu haben, bei der Studienleitung oder bei der Transferierbarkeit?
Der Beitrag der Welt am Sonntag hatte eine Entgegung Lauterbachs provoziert. Das Ippen-Netzwerk multiplizierte die Meldung, er könne „[d]en konkreten Fall […] nicht mehr rekonstruieren“. Diesem Umstand hätte Lauterbach durch den Blick in den eigenen Bücherschrank abhelfen können. Der Sammelband „Managed Care. Ursachen, Prinzipien, Formen und Effekte“, der von Lauterbach im Jahre 1997 zusammen mit Michael Arnold und Klaus-Jürgen-Preuß herausgegeben wurde, führt einen Beitrag Cohens mit dem Titel „Managed Care und die Einführung und Verbreitung medizinischer Technologien“ auf. Die Danksagung auf Seite 167:
„Dieser Beitrag wurde ermöglichst durch die Unterstützung der Robert Wood Johnson Foundation (Nr. 26077). Der Autor bedankt sich bei Nathan Andrews für die Hilfe bei der Literatursuche und bei Lisa Bazis für die Hilfe bei der Erstellung der Abbildung. Ebenso dankt der Autor Ezekiel Emanuel und Karl Lauterbach für die Ermutigung und Kommentierung einer früheren Version dieses Beitrags.“
Die Publikationsliste von Cohen führt Lauterbach indes nur auf, um den Beitrag in jenen Sammelband zu zitieren.
Falls Lauterbach trotz dieser aufgeführten Belege doch aus irgendeinem Grund „Studienmitleitung“ gewesen ist, dann war es eine Studienmitleitung ohne Autorschaft. Das Fazit: Lauterbach war irgendwie dabei, aber nicht einschlägig genug, um eine stichfeste Angabe in einer Bewerbung zu rechtfertigen.
3. Zwei Millionen Mark
Die größte Förderung vergab das Ministerium, dem Lauterbach heute vorsteht. Zwei Mio. DM soll er eingeworben haben für die „Studienleitung“ des Projekts „Qualitätssicherung in der Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms durch das Tumorzentrum Aachen e.V.“ Das Tumorzentrum Aachen beantwortete Anfrage hierzu wie folgt:
„Im Archiv des Tumorzentrums Aachen e.V. gibt es keine Unterlagen zur Förderhöhe oder der Projektleitung über das Drittmittelprojekt des BMG in den 90er Jahren. Es war laut Publikation im European Journal of Cancer Care Vol. 11, März 2002 https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/j.1365-2354.2002.00282.x am Institut für Pathologie der RWTH Aachen angesiedelt.“
Die verlinkte Publikation bedankt sich beim Bundesgesundheitsministerium als Geldgeber. Studienleiter ist Lauterbach allerdings nicht. Und auch kein Autor. Die Nachfrage an die Korrespondenz-Autorin des Artikels ergab: Die Studienleitung hatte Prof. Dr. Christian Mittermayer für die gesamte Zeit des Förderzeitraumes inne.
Wir haben oben zwei Texte aufgeführt, die Lauterbachs Beteiligung an der Feldstudie belegen. Allerdings darf diese Beteiligung nicht mit der Studienleitung verwechselt werden. Die Analyse der bisher vorliegenden Evidenz kann dies verdeutlichen. Das erste Zeugnis ist ein Vortrag beim Breast Cancer Summit am 12. Mai 1995. Das editierte Vortragsmanuskript enthält diese Information:
„Finally, the German Ministry of Health has just commissioned a study at the University Hospitals of Aachen, Munich, Marburg, and Jena to look at various treatment outcomes, using detailed data from cancer registries. At the University of Aachen I am involved in a part of this study, looking at the quality of breast cancer screening. The goal is to show that women who are diagnosed with breast cancer through routine screening enjoy a survival benefit, and to establish whether this is the case for all age groups. Apart from survival, the study also examines quality of life as an outcome. […] The study under way enrolls all new breast cancer cases in a population of 500,000 women for five years, starting August 1995.“
Deutsch: „Schließlich hat das deutsche Gesundheitsministerium gerade eine Studie an den Universitätskliniken Aachen, München, Marburg und Jena in Auftrag gegeben, in der verschiedene Behandlungsergebnisse anhand detaillierter Daten aus Krebsregistern untersucht werden. An der Universität Aachen bin ich an einem Teil dieser Studie beteiligt, der sich mit der Qualität der Brustkrebsvorsorge befasst. Ziel ist es zu zeigen, dass Frauen, bei denen im Rahmen der Routineuntersuchung Brustkrebs diagnostiziert wird, einen Überlebensvorteil haben, und festzustellen, ob dies für alle Altersgruppen zutrifft. Neben dem Überleben wird in der Studie auch die Lebensqualität als Ergebnis untersucht. […] Die laufende Studie erfasst alle neuen Brustkrebsfälle in einer Population von 500.000 Frauen für fünf Jahre, beginnend im August 1995.“
Der genannte Startzeitpunkt („starting August 1995“), der Studienort („Aachen“, „University of Aachen“) wie auch der Studienzeitraum („for five years“) und das Studienziel weisen darauf, dass es sich um dieselbe Feldstudie handelt. „I am involved in a part of this study“ ist aber nicht „Ich bin Studienleiter“ und heißt auch nicht „Ich habe zwei Mio. DM eingeworben“.
Mit dem 16-seitigen Beitrag im Tagungsband „Grundsätze qualitätssichernder Tumordokumentation“ liegt ein längerer Text vor, an dem Lauterbach beteiligt war und dessen Forschungsgegenstand explizit vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert wurde. Lauterbach ist Erstautor bei diesem Text. Allerdings: Korrespondenzautor ist wiederum Christian Mittermayer, der als langjähriger 1. Vorsitzender des Tumorzentrums in Aachen und als Leiter der Pathologie die Kontinuität als verantwortlicher Studienleiter gewährleisten konnte. Ein Blick auf die weiteren Publikationen kann dies bestätigen.
Das „Jahrbuch der wissenschaftlichen Sitzungen der medizinischen Gesellschaft Aachen“ nennt vier von Lauterbachs „Co-Autoren“ des Beitrags im Tagungsband auf Seite 35. Angela Spelsberg ist nicht mehr Teil der Gruppe, aber auf den S. 36–37 mit einem anderen Projekt vertreten. Karl Lauterbach ist jedoch gar nicht mehr dabei. Diese Kurzvorstellung der Projekte aus dem November 1997 markiert möglicherweise den Punkt, ab dem Karl Lauterbach wahrscheinlich nicht mehr mit der Feldstudie assoziiert war.26
Eine Publikation mit dem Titel „Die Brustkrebsinzidenz der Aachener Region im europäischen Vergleich“ aus dem Jahre 2002 enthält eine leicht veränderte und anders sortierte Autorengruppe, aber dasselbe Thema. 27 Lauterbach ist auch hier namentlich nicht beteiligt.
Eine Monografie aus dem Jahre 2005 mit dem Titel „Qualitätssicherung bei Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms: Brustkrebs-Studie 2000 – Region Aachen, Deutscher-Ärzte-Verlag 2005“ weist Christian Mittermayer, Claus Goecke, Elisabeth Breuer und Gisela Kroll als Autoren aus. Es ist sozusagen der Abschlussbericht der Feldstudie – ohne Lauterbach.
Die Förderung durch das Bundesgesundheitsministerium ist in allen Publikationen festgehalten, so dass hier kein Zweifel besteht.
Die größte Förderung in Höhe von zwei Mio. DM wurde von der Welt am Sonntag am umfangreichsten thematisiert. Die Zeitung referiert zwei Quellen; eine bleibt nicht näher bestimmt, aber es handelt sich möglicherweise um eine der beiden, die auch hier zitiert wurde (sechs Autoren, Lauterbach ist nicht dabei). Die zweite Publikation ist die bereits oben aufgeführte Monografie aus dem Jahre 2005.
Die Autoren der Welt am Sonntag kommen zum selben Schluss wie ich: „Lauterbach taucht nicht als Autor auf.“ Weiter gebührt der Welt am Sonntag das Verdienst, Christian Mittermayer zum Reden gebracht zu haben. Oder zum Schweigen: Dieser habe heute dazu nichts mehr zu sagen, weder zu den zwei Millionen, noch zur Bewerbung in Tübingen. Die Aussage „Ich war damals in Aachen berühmt dafür, der King of Drittmittel zu sein“ ist jedenfalls kein Beleg für die Studienleitung Lauterbachs.
Inzwischen ist weitere Evidenz aufgetaucht, die die Korrektheit und den zeitlichen Rahmen der Förderung einigermaßen eingrenzen kann, aber zugleich Gegenevidenz für Lauterbachs Rolle als Studienleiter darstellt. In der Monografie „Modellprogramm zur besseren Versorgung von Krebspatienten im Rahmen des Gesamtprogramms zur Krebsbekämpfung im Zeitraum von 1981-1998“ aus dem Jahre 1998 wird die Förderung umfangreich beschrieben. Auf Seite 29 ist zu lesen:
„Für die Förderung der Feldstudien werden vom Bund insgesamt 16,5 Mio. DM bereitgestellt (1995 – 2001).“
Auf Seite 28 lesen wir:
„Während in 7 Feldstudien die gesamte onkologische Versorgung von der Diagnostik, über Primärtherapie bis zur Nachsorge untersucht werden soll, hat die Feldstudie Stuttgart die Qualitätssicherung in der Nachsorge zum Ziel.“
Standorte der Feldstudien sind: Aachen, Berlin, Essen, Halle, Marburg, München, Jena und eben Stuttgart. Die Förderungen sind in der Dokumentation trotz eines sechsseitigen Anhangs (S. 258–263) nicht im einzelnen für die Standorte aufgeschlüsselt. 16,5 Mio. DM geteilt durch die acht Standorte ergibt pro Standort aber rund 2 Mio. DM, womit wir in etwa bei der fraglichen Fördersumme sind.
Der Bericht von Christian Mittermayer für die Feldstudie in Aachen auf den Seiten 93–100 nennt Lauterbach nicht. Wir lesen darin (S. 93), dass die Feldstudie seit dem 1. August 1995 anlief, also kurz vor Lauterbachs Bewerbung in Tübingen. Lauterbach selbst taucht in dem Bericht nicht auf. Der Berichtsname deckt sich fast wörtlich mit Lauterbachs Bewerbungsangabe: „Feldstudie zur Qualitätssicherung bei Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms durch das Tumorzentrum Aachen e.V.“ Lediglich das Wort „Prävention“ fehlt.
Diese Angaben dürften einschlägig sein, denn der Herausgeber dieses Bandes ist: Das Bundesgesundheitsministerium selbst.
Mit diesen Informationen ist auch eine weitere Einordnung der Antworten aus der Presseabteilung aus dem BMG an die Welt am Sonntag möglich. Dort erfahren wir zunächst am Anfang, „ein Projekt mit diesem Namen sei nicht bekannt. Auch im Bundesarchiv gibt es keine Dokumentation dazu.“ Später wird die Antwort des Pressesprechers Hanno Kautz zitiert:
„Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass nach mehr als einem viertel Jahrhundert die Details zu den von Ihnen erwähnten Studien nicht rekonstruiert werden können.“
Bei einer derartigen Pressekommunikation hält sich das Verständnis allerdings in Grenzen.
Zwischenfazit: Alle drei Drittmittelangaben sind fragwürdig. Die im Berufungsbericht festgehaltene und gutachterlich legitimierte Begeisterung der Berufungskommission in Anbetracht dieser Befunde ist es ebenfalls.
Eine Teilerklärung dafür, dass vielleicht nicht ganz so genau hingeschaut wurde, ist vielleicht, dass Lauterbach der Drittmittel-Liste das bedeutsame Wort „Auswahl“ hinzusetzte. Von welchen Drittmitteln hat Lauterbach der Berufungskommission in der mündlichen Präsentation wohl noch erzählt?
c. Weitere Diskrepanzen bei den Abschlüssen
Die Diskussion um die Namen der korrekten Abschlüsse, die Lauterbach an der Harvard-School of Public Health erlangt hat, ist immer noch nicht zu Ende. Es gibt nun insgesamt drei Versionen davon, die hier unkommentiert nebeneinander platziert werden sollen. Zunächst Lauterbach im Jahre 1995:
1990–1991 Master of Science (M.Sc.) in Health Policy and Management – Harvard School of Public Health
1989–1990 Master of Public Health (M.P.H.) in Epidemiology – Harvard School of Public Health
Dann Lauterbachs aktueller Lebenslauf aus dem Bundesgesundheitsministerium:28
1989-1990 Master of Public Health (MPH) an der Harvard School of Public Health mit Schwerpunkten Epidemiologie und Health Policy and Management
1990-1992 Master of Science in Health Policy and Management an der Harvard School of Public Health
Dann der Registrar der T.H. Chan School of Public Health, gemäß AFP-Faktencheck:
„Am 7. September 2022 sagte Sprecherin Nicole Rura gegenüber AFP: ‚Der Registrar der Harvard T.H. Chan School of Public Health bestätigte Dr. Lauterbach folgende Abschlüsse: Master of Public Health (1990 erhalten), Master Science mit Schwerpunkt Health Policy und Management (1991) und einen Doktortitel (1995).‘“29
Welche Jahre und vor allem welche Schwerpunkte sind nun korrekt?
d. Die Berufung nach Greifswald
Durch eine Anfrage nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (LIFG-MV) konnten auch durch die Universität Greifswald einige Gesichtspunkte erhellt werden. Zunächst: Die Bewerbungsunterlagen konnten nicht eingesehen werden, weil die Universität diese einige Zeit nach Abschluss des Berufungsverfahrens an die Bewerber zurückschickte.
Die Beantwortung dieses Antrags und die nachfolgende Kommunikation mit den heute Verantwortlichen der Universität konnte aber immerhin die Eckpunkte der Berufung rekonstruieren. Zunächst ist relevant, dass Lauterbach an die Fakultät für Betriebswirtschaftslehre berufen wurde, wie die Ausschreibung belegt:
Die Universität nahm die bürokratischen Hürden zügig: Nachdem insgesamt 22 Bewerbungen eingegangen waren, tagte die Kommission am 3. April 1997, um eine Vorauswahl zu treffen, und weiter am 28. April 1997 zur Abstimmung des Listenvorschlags, bei der sechs Personen zur Auswahl standen. Lauterbach überzeugte die Kommission, die ihn nahezu einstimmig auf Platz 1 gesetzt hatte.
Die Universität Greifswald stellte ferner eine Seite aus dem Berufungsbericht zur Verfügung, die aber wiederum neue Fragen aufwirft. Zunächst wiederholt der Vorsitzende der Berufungskommission Lauterbachs Bewerbungsangaben. Diese glichen offenbar denen an die Universität Tübingen:
„Im Anschluß an diese zweite Promotion lehrte und forschte er an der Harvard School of Public Health, an der Harvard Medical School und zuletzt an der School of Management der Boston University.“
Wie im letzten Teil deutlich geworden ist, stellt sich weiterhin die Frage: Wo sind die Lehrveranstaltungen abgeblieben?
Exkurs: Die Tankstelle an der Commonwealth Avenue
Lauterbach vermerkte in seiner Bewerbung die Adresse Boston School of Management wie folgt:
„850 Commonwealth Avenue
Boston, MA 02148“
An der von Lauterbach angegebenen Straße und Nummer residiert heute eine Tankstelle mit KFZ-Werkstatt und Minimart, die laut Firmenangaben seit 1986 in Betrieb ist.30 Die Postleitzahl in Lauterbachs Angabe verweist allerdings auf das einige Kilometer nördlich liegende Malden. Die Umzugshistorie der heute Questrom School of Business genannten Universität gibt nicht her, dass die Angabe mal korrekt gewesen sein könnte.31 Dort kann sich auch niemand an Lauterbach erinnern. Bei solchen Befunden stellt sich die Frage: Welche Merkwürdigkeiten kommen wohl noch zum Vorschein, wenn man weitere Steine umdreht?
Der kommissionsvorsitzende Sechstgutachter
Zurück nach Greifswald. Die Auseinandersetzung mit Lauterbachs Publikationen sah dort so aus:
„Da in den eingeholten Gutachten zumeist (Ausnahme Prof. Dr. [Angabe geschwärzt][)] zu einzelnen gesundheitsökonomischen Arbeiten von Prof. Dr. Lauterbach nicht detailliert Stellung genommen wird, will ich dies als Kommissionsvorsitzender in Form einer eigenen gutachterlichen Stellungnahme hier vornehmen.“
Im Mailverkehr präzisierte die heutige Rektorin der Universität Greifswald die damalige Stellungnahme wie folgt:
„Im Verfahren wurden zudem 5 (im Ergebnis zustimmende) Gutachten zu der Frage eingeholt, ob die wissenschaftlichen Veröffentlichungen Herrn Lauterbachs als habilitationsgleiche Leistungen angesehen werden könnten.“
Fraglich ist, wieso aus fünf Gutachten lediglich aus einem einzigen nähere Kenntnis der gesundheitsökonomischen Arbeiten von Lauterbach extrahiert werden konnte. Und welche Arbeiten hat Lauterbach wohl hier vorgezeigt?
Der Kommissionsvorsitzende sah sich vielleicht eben deshalb genötigt, als Sechstgutachter tätig zu werden. Hatte der geschwärzte „Prof. Dr.“, der im Berufungsbericht immerhin festgehalten wurde, etwa die Chuzpe, eine andere Meinung zu vertreten? Wir werden es zunächst nicht erfahren, denn die Seite 8 des Berufungsberichtes hält nicht fest, was er genau gesagt hat, sondern fährt mit der sechstgutachterlichen Stellungnahme fort:
„[Lauterbach] zeigt, dass die Zielkonflikte bei der medizinischen Versorgung im mikroökonomischen Bereich durchaus mit denen im makroökonomischen Bereich identisch sind. Denn ein solcher Konflikt findet sich auch wieder in den einzelnen Medizinbetrieben bis herunter auf die Ebene einzelner Behandlungseinrichtungen und Stationen. Lauterbach geht der Frage nach, ob zwischen diesen beiden Zielkonflikten auf der Grundlage einer universal gültigen Ethik der gerechten Allokation von knappen Ressourcen vermittelt werden kann.“
Dies klingt zunächst vielversprechend, doch es geht so weiter:
„Dabei bezieht er sowohl Theorien von Ökonomen (wie Amartya Sen, der die Arbeit mitbetreut hat, John Harsanyi, Milton Weinstein und John Roemer) als auch von Ethikern (wie John Rawls, Norman Daniels, Ronald Dworkin und Richard Hare) ein.“
Der Absatz deutet eine ausführliche Besprechung der Quellen in der Dissertation an. Wer die Drohung ausführt, die Arbeit auch wirklich zu lesen, wird feststellen, dass John Harsanyi und Richard Hare überhaupt gar nicht zitiert werden, und Weinstein an einer einzigen unbedeutenden Stelle. Sie alle werden im Literaturverzeichnis genannt, teilweise mit mehr als einem Aufsatz. Bei einem Titel sieht das beispielsweise so aus:
Möglicherweise hat der Sechstgutachter daraus geschlossen, dass Lauterbach diesen Aufsatz auch zweimal gelesen hat? Wir wissen es nicht. Der Sechstgutachter:
„[Die Arbeit] demonstriert ein umfassendes Verständnis der zur Zeit vorliegenden Ansätze, mit Zielkonflikten in der Gesundheitsversorgung umzugehen.“
Ein Zitat sucht man aber vergebens. Dafür allerdings:
„Die Arbeit ist, wie bei amerikanischen Dissertionen üblich – knapp gefaßt und auf die eigene kreative wissenschaftliche Leistung ausgerichtet. Sie ist daher ohne Redundanz geschrieben und sehr originell.“
Fügen wir der Vollständigkeit halber hinzu, dass inzwischen auch einige Kritik am Inhalt laut geworden ist.32 „Sehr originell“ ist, dass Lauterbach bereits im Jahre 1995 Zahlen bei Bedarf aus dem Hut zaubern konnte. Die Frage, ob der Sechstgutachter bei dieser Art der Beschäftigung eine gedruckte Fassung der Arbeit zu sehen bekam, lässt sich nicht sicher rekonstruieren.
Dann wird auf zwei Beiträge eingegangen, die die Fortentwicklung der Gedanken belegen sollten. Der erste der beiden wird wie folgt referenziert:
„Die Argumente aus der Dissertation sind in weitere Beiträge eingeflossen und ergänzt worden. Erwähnt werden soll hier der Beitrag ‚Die ethischen Grundlagen der gesundheitsökonomischen Theorie‘, in: K. Bergdolt, R. Guthoff (Hrsg.): Ethik in der Augenheilkunde, Zülpich 1997, S. 11-23.“
Wie wir weiter oben gesehen haben, ist dies aber eine bibliografische Fehlangabe, die der Sechstgutachter höchstwahrscheinlich 1:1 aus Lauterbachs Bewerbungsunterlagen übernommen hatte: Mit falschem Titel, Erscheinungsjahr und Seitenzahl erscheint das Büchlein so in seiner Tübinger Bewerbung (wie auch in der archivierten Liste aus dem Institut für klinische Epidemiologie und Gesundheitsökonomie.)33
Eine intensive Lektüre, die zu einem seriösen Gutachten befähigt, sieht jedenfalls anders aus.
e. Die Chronologie seiner Bewerbungen
Die Bewerbung nach Tübingen ist nicht unverbunden mit seinen Aktivitäten in Köln und seiner Bewerbung nach Greifswald. Einige belegbare Fixpunkte aus der Chronologie der Jahre 1995–1998 mögen erhellen, wie die Berufungen zusammenhängen.
Am 1. Dezember 1995 tritt Lauterbach seinen Dienst als Geschäftsführer beim Institut für Gesundheitsökonomie, Medizin und Gesellschaft (IGMG) an. Gleichzeitig endet die Bewerbungsfrist für die neu zu schaffende Professur in Tübingen. Der 10. Dezember 1995 ziert den Briefkopf von Lauterbachs Bewerbung nach Tübingen. Lauterbach wurde gemäß eigener Angabe in seinem Bewerbungsschreiben aufgefordert, sich trotz der verstrichenen Frist zu bewerben. Die Bewerbung wird noch angenommen. Am 5. Juli 1996 veröffentlicht die Deutsche Universitätszeitung eine Ausschreibung für eine „Professur für Gesundheitssystemforschung“ an der Universität Köln, auf die sich Lauterbach bewirbt. Er erhält dort den Ruf im Laufe des Jahres 1997. Vom 26. Februar 1997 datiert die Aktennotiz einer Ausschreibung für die Professur in Greifswald, auf die sich Lauterbach ebenfalls erfolgreich bewirbt. Die Bewerbungsfrist endet am 1. März 1997. Lauterbach wird dort im Sommer 1997 berufen, lehnt aber ab und erhält den zweiten Ruf in Köln im Jahre 1998. Er tritt die Leitung des Instituts für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie an.
Die Tatsache, dass Lauterbach weniger als zehn Tage nach Amtsantritt in Köln später seine Fühler nach Tübingen ausgestreckt hatte, darf als Normalzustand für die Nomadenexistenz des akademischen Mittelbaus gewertet werden. Merkwürdig ist lediglich, dass die Universität Tübingen Lauterbachs Bewerbung nach der offiziellen Bewerbungsfrist noch akzeptiert hatte. Sie suchte offenbar händeringend nach einem geeigneten Bewerber für die Professur und sah in Lauterbach den geeigneten Kandidaten. Die Rufe nach Tübingen und Greifswald gaben Lauterbach eine starke Verhandlungsposition für Bleibeverhandlungen mit der Universität Köln, die ihn im Jahre 1998 dann auch in einem zweiten Verfahren auf eine C4-Stelle berufen hatte.
IV. Schluss
Die fünfte Folge bildet den Abschluss dieser Serie. Zunächst erfolgt ein vorläufiges Fazit aus den Ergebnissen dieser Einzelfolge; darauf folgt, anstelle eines Gesamtfazits, eine Auflistung all jener Fragen, die offen geblieben sind.
a. Fazit aus dieser Folge
Es stellt sich sowohl im Hinblick auf die Publikationen selbst wie auch auf die eingeworbenen Drittmittel schlicht und ergreifend die Frage, ob Lauterbach sich auf reale Begebenheiten bezieht, oder eine Parallelwelt referenziert. Die Frage, zu welchem Zeitpunkt Druckerschwärze auf Papier trifft, und welches Datum ein Poststempel trägt, der einen Briefumschlag an einen Verlag ziert, mag etwas pedantisch erscheinen. Im Falle Lauterbachs muss man sich diese Fragen aber stellen, denn es ist in einigen Fällen fraglich gewesen, ob überhaupt etwas gedruckt oder abgesendet wurde. Jede Seite der Bewerbung von Lauterbach bot Anlass zur kritischen Prüfung.
b. Die offenen Fragen
Anstelle einer wütenden Zusammenfassung, die den Verantwortlichen vorwirft, im Falle Lauterbachs über alle Instanzen hinweg spektakulär und zugleich kläglich gescheitert zu sein, lediglich ein Fragenkatalog:
1. Was hat Lauterbach genau im St. Josefs-Hospital in Jülich getan?
2. Inwiefern war es gerechtfertigt, Lauterbach wegen Unabkömmlichkeit vom Wehr- und Zivildienst freizustellen?
3. Hat Karl Lauterbach in San Antonio ärztliche Behandlungen durchgeführt, obwohl er es nicht durfte?
4. Warum sind bei seinem Forschungsaufenthalt in Tucson/Arizona keine wesentlichen wissenschaftlichen Publikationen entstanden?
5. Welche Lehrveranstaltungen hat er, sowohl in Deutschland als auch in den USA, tatsächlich abgehalten? Und welche Institutionen können seine Lehrtätigkeiten heute zweifelsfrei bestätigen? Und in den Fällen, in denen es klar belegt werden kann, dass er abwesend war: Warum haben die Verantwortlichen nicht interveniert?
6. Ist die Publikationsliste nun endlich vollständig? Und warum gab es keine vorher? Wie ist die wissenschaftliche Redlichkeit eines Wissenschaftlers zu bewerten, der so vorgegangen ist wie Lauterbach? Und warum ist das niemandem aufgefallen? Und wie groß ist sein eigener Anteil an den Texten, die nachweislich erschienen sind?
7. Gab es in seinen Abschlüssen an der Harvard School of Public Health je einen „Schwerpunkt Epidemiologie“?
8. Welche der anglo-amerikanischen Verlage haben tatsächlich ein buchlanges Manuskript erhalten? Gab es hier bereits Verträge, die geplatzt sind, oder hat Lauterbach die Manuskripte eingereicht, um Eindruck zu machen? Oder hat er überhaupt nichts eingereicht?
9. Welche Drittmittel hat Lauterbach vollverantwortlich und tatsächlich eingeworben, und welche hat er überall angegeben? Welche wurden ausbezahlt, und welche Projekte sind dadurch realisiert worden? Und welche nicht? Was hat er den Kommissionen erzählt?
10. Wer hat jeweils in den insgesamt vier Berufungskommissionen für Lauterbach gestimmt, und wer hat vor der Abstimmung seine Bewerbungsunterlagen genauer gesichtet? Wer war der geschwärzte „Prof. Dr.“, der im Greifswalder Berufungsbericht erwähnt wurde, und wer hat sonst Kritik angemeldet?
11. Welche Mitbewerber waren es, die Lauterbach in den zahlreichen Verfahren überflügelt hatte? Hätte sich möglicherweise ein Mitbewerber durchgesetzt, wenn Lauterbach korrektere Angaben gemacht hätte?
12. Wer hat seine Harvard-Dissertation je zu Gesicht bekommen, bevor er sie im Jahre 2015 auf seine Homepage geladen hat? Und befindet sie sich außerhalb der Countway Library irgendwo anders in gedruckter Form?
13. Welche Drittmittelgeber hatten ein Interesse, das An-Institut an der Universität Köln zu gründen, und Lauterbach, ohne wesentliche einschlägige Publikationen, zum Geschäftsführer zu ernennen? Und um wie viel Geld ging es genau?
14. Warum wiederholten Medienhäuser aus allen Lagern bis auf ganz wenige Ausnahmen unkritisch Lauterbachs Lebenslauf, ohne ihn selbst überprüft zu haben?
15. Warum schweigen ehemalige Weggefährten, Co-Autoren und Studenten, vor allem jene Mentoren, die ihm gutwillig den Weg geebnet haben? Wer hat jeweils was zu verlieren?
16. Warum schweigen die zahlreichen wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Ärzteverbände?
17. Hat diese Serie hinreichende Belege dafür geliefert, dass man von wissenschaftlichem Fehlverhalten sprechen kann? Und werden Universitätskommissionen und Ärztekammern tätig werden, um die Titel und Qualifikationen von Karl Lauterbach vorurteilsfrei zu überprüfen? Und sie im Zweifel auch aberkennen?
Die Fragen haben unterschiedlich starken, aber relevanten Gegenwartsbezug. Sie provozieren zwei weitere Fragen: Besteht mit einem Menschen, der selbst die fleischgewordene Verschleierung symbolisiert, an der Spitze des Bundesgesundheitsministeriums Chance zur Aufarbeitung? Oder ist die notwendige (längst nicht hinreichende) Bedingung dafür der Rauswurf des Karlatans aus dem Amt?
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Lesen Sie auch:
Wie schätzt Prof. Dr. med. Matthias Schrappe die Ergebnisse der Recherchen von Thomas Kubo ein?
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Kompilierte Publikationsliste Version 3 – mit Anmerkungen versehen von Thomas Kubo, Stand 22. März 2023
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Anmerkung Redaktion: Die Rechercheergebnisse des Autors sowie dieser und die vorausgegangenen Artikel wurden von unabhängigen Experten, darunter Hochschullehrer und promovierte Mediziner, überprüft. Die Namen sind der Redaktion bekannt. Sämtliche Stufen der Karriereleiter wurden minutiös mit Quellen belegt. Allerdings hält der Bundesminister sich selbst bedeckt. Das erst machte die vorliegende Arbeit nötig. Sollte es dennoch zu Ungenauigkeiten oder sogar Fehlern in der Berufsbiografie gekommen sein, bitten wir um eine Nachricht an redaktion@hintergrund.de
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Quellen
1 Im Folgenden wird direkt aus der Akte (Az. UAT 386/459) zitiert, die am 19. Dezember 2022 in Tübingen gesichtet werden konnte.
2 Vgl. hierzu den Eintrag in Norbert Härings Liste: https://norberthaering.de/liste-manipulationen/#depublizieren
3 Die Liste wird in den Fußnoten im Folgenden des Öfteren referenziert.
4 Vgl. hierzu etwa: https://www.merkur.de/welt/karl-lauterbach-spd-bundesgesundheitsminister-corona-virus-vergleich-kollege-stoehr-twitter-91443585.html
5https://link.springer.com/journal/259/volumes-and-issues/14-5, S. 242. Eine PDF ist hier verfügbar: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/BF00291123.pdf.
6 Vgl. hierzu die Angabe beim Thieme-Verlag: https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/issue/10.1055/s-008-37925.
7 Vgl. hierzu das Inhaltsverzeichnis: https://jnm.snmjournals.org/content/28/3
8 Kein Eintrag unter dem Buchstaben „L“ bei den Autorenindizes, der auch Abstracts verzeichnet. Index 1985 (S. 1510): https://jnm.snmjournals.org/content/jnumed/26/12/local/back-matter.pdf; Index 1986 (S. 1952): https://jnm.snmjournals.org/content/jnumed/27/12/local/back-matter.pdf; Index 1987 (S. 1938): https://jnm.snmjournals.org/content/jnumed/28/12/local/back-matter.pdf.
10https://jnm.snmjournals.org/content/jnumed/29/12/local/back-matter.pdf. Abstracts: S. 742 und 832; Index: S. 2039
12 Er hat in der aktualisierten Liste die Nr. 3 bei den Büchern.
14 Die Ausgabe war auch nicht bei der AIDS-Hilfe Voralberg vorhanden. Und auch nicht in Graz. Und auch nicht in Wien. Und auch nicht in Linz. Und auch nicht in Salzburg. Und auch nicht in der Steiermark.
15 Die Publikation lagert in der New Jersey State Library und konnte mithilfe des Bibliothekars Bernd-Christoph Kämper lokalisiert werden: https://nj.ipac.sirsidynix.net/ipac20/ipac.jsp?profile=njl&index=BIB&term=2881. Die Konferenz fand am 12. Mai 1995 statt, wie eine Anhörung des US-Bundesstaates New Jersey belegt: https://dspace.njstatelib.org/xmlui/bitstream/handle/10929/21929/H4341996g.pdf.
16 Vgl. hierzu den Eintrag bei der Deutschen Nationalbibliothek: https://d-nb.info/954400798.
17 Vgl. Nr. 11, 12 und 14 unter III. der kompilierten Publikationsliste.
18 Vgl. hierzu die Angaben in der kompilierten Publikationsliste.
19 Vgl. Nr. 6 unter I. der kompilierten Publikationsliste
20 Vgl. Nr. 37 unter III. der kompilierten Publikationsliste.
21 Vgl. besonders die Kurzbeiträge in der kompilierten Publikationsliste, so etwa Nr. 13, 18, 23–25 und viele weitere.
22 Ein paar deutliche Beispiele sind versammelt in Thomas Kubo: ApoKarlypse. Kernschmelze im Panik-Reaktor, mit einem Beitrag von Werner Rügemer. Münster 2022. Die Lektüre der Kommentare von Fachleuten, die auf Karl Lauterbachs Twitter-Account reagieren, bieten hierzu ebenfalls eine unerschöpfliche Fundgrube.
24 Die Datenbank liefert mit den Filtern „Cost Containment“ 70 Projekte: https://www.rwjf.org/en/grants/awarded-grants.html?k=Cost+Containment&resultsPerPage=72. Hierdurch kann das Projekt von Alan B. Cohen gefunden werden.
25 Vgl. https://www.rwjf.org/en/grants/awarded-grants.html?location=International&end=2000&start=1990
28 Vgl. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/leitung-des-hauses/bundesminister.html
29 Zitat aus Jan Russezki: Karl Lauterbach hat an der Universität Harvard studiert, AFP-Faktencheck (15. September 2022). Online: https://faktencheck.afp.com/doc.afp.com.32JC9CR
30 Vgl. https://commavemobil.com/: „We at Comm. ave Mobil have been providing our services to Boston and the greater area since 1986.“
31 Gegenwärtig residiert die Universität an der Commonwealth Avenue 595, aber erst seit 1996. Für die Zeit vorher wird das Charles Hayden Memorial an der Commonwealth Avenue 685 angegeben. Vgl. hierzu: https://www.bu.edu/articles/2015/birth-of-a-college/
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32 Vgl. hierzu zuletzt den Beitrag von Thomas Michael Seibert: https://norberthaering.de/new/lauterbach-dissertation/, dort auch mit weiteren Hinweisen.
33 Vgl. https://web.archive.org/web/19991108232400/http://www.medizin.uni-koeln.de/kai/igmg/publi.html