Bürokratieabbau – eine Blendgranate
Die Bundesregierung hat ein Bürokratieentlastungsgesetz vorgelegt. Federführend bei dem Vorhaben ist der Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Bürokratieabbau erlebt zur Zeit einen richtiggehenden Hype.
Die deutschen Landwirtschaftsminister versprechen den Bauern Bürokratieabbau. Die EU-Kommission will den Landwirten mehr Freiheiten bei der Bewirtschaftung von Brachflächen zugestehen. Begründung: Entlastung von Bürokratie. Das wurde auch bei der Abschwächung des Lieferkettengesetzes der EU ins Feld geführt. Die Bundesregierung hat auf Anstiftung der FDP-Minister sogar die nach langen Diskussionen schon abgeschwächte Lieferkettenrichtlinie abgelehnt. „Wir hätten uns eine bürokratieärmere und praxistaugliche Lieferkettenrichtlinie gewünscht“, so der FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner.[1] Wer möchte nicht weniger Bürokratie? Aber ist der Bürokratieabbau nicht eine Blendgranate?
Bei der Lieferkettenrichtlinie wird schnell klar, was damit eigentlich angestrebt wird. Mit der geschmälerten Variante soll nur noch eine kleine Minderheit an Unternehmen auf Nachhaltigkeit und Menschenrechte kontrolliert werden, und die Digital-, Mikroelektronik- und Autokonzerne mit ihren Tausenden ausgelagerten Zulieferern, insbesondere in Asien, sind ganz ausgenommen. Dass nicht nur die Landwirte, sondern auch die Unternehmerverbände seit langem Bürokratieabbau fordern, muss hellhörig machen. Der Entwurf des neuen Gesetzes geht Ihnen zu wenig weit. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie, Wolfgang Große Entrup, ist noch nicht damit zufrieden. „Deutschland hat den Keller voll mit unnötigen Gesetzen“ (dpa v. 14.03.24).
Die Frage ist aber, inwieweit und wo sich Bürokratie überhaupt rückgängig machen lässt. Das wirft die Frage nach ihren gesellschaftlichen Ursachen auf. So einfach, wie Buschmann es sieht, ist es nicht. Er meinte: „Das ist so ein bisschen, wie wenn man sich über Jahre so einen Bauch an Bauchspeck anfrisst“ (dpa v. 14.03.24). Auch das bekannte Parkinsonsche Gesetz,[2] nach dem jeder bürokratische Apparat in sich das Bestreben hat, sich auszudehnen, liefert keine ausreichende Erklärung. Vor Jahren ging der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber nach Brüssel mit dem Auftrag, die bürokratischen Auswüchse in der EU-Verwaltung zu beschneiden. Man hat nie mehr etwas davon gehört.
Was Bürokratie genannt wird, ist ambivalent
Auf der einen Seite ist sie eine Belastung oder zumindest eine Belästigung für die Bürger, die Seiten lange Anträge stellen und unverständliche Formulare ausfüllen müssen. Auch Dokumente über einen vorgeschriebenen Zeitraum aufbewahren zu müssen, kann lästig sein. Außerdem stellt Bürokratie eine staatliche Kontrollmöglichkeit dar. Und man kann den Unmut von Landwirten verstehen, wenn man liest, wie heute ihre Betriebsführung kontrolliert wird. Der Einsatz von Medikamenten in der Viehzucht, von Pestiziden und Düngemitteln ist genau zu registrieren und zu dokumentieren. Satelliten erkunden zum Beispiel für das Bayerische Landwirtschaftsministerium, was auf den Äckern wächst. Weicht der Anbau auf den Feldern eines Bauern von der von ihm deklarierten Bepflanzung ab, geht eine Meldung bei der Agrarbehörde ein, die dann unter Umständen Kontrollen vor Ort auslöst. Aber auf der anderen Seite ist das ein Beispiel dafür, wie damit im Interesse der Allgemeinheit der Schutz der Umwelt verbessert werden kann, oder auch der Schutz unserer Gesundheit. Ein Bauer beklagt sich im Gespräch heftig über die Berichtspflicht bei der Düngung seiner Felder und Wiesen. Wenn man aber an die hohe Nitratbelastung unserer Gewässer und auch des Grundwassers denkt, so wird einem ein Problem deutlich: der Widerspruch zwischen der vom Gesprächspartner gewünschten unternehmerischen Freiheit und dem Wohl der Allgemeinheit. Denn die Nitratbelastung gefährdet unsere Gesundheit.
Mindestens so bedrohlich, wenn nicht bedrohlicher, sind industrielle Abwässer. In mehr als eintausend Orten in Deutschland ist das Trinkwasser bedenklich durch per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) belastet, die als gesundheitsschädlich gelten. Sie werden oder wurden über Jahrzehnte bei der Herstellung von Kunststoffen verwendet. Im bayerischen Landkreis Altötting zum Beispiel, Sitz eines „Chemieparks“ mit mehreren einschlägigen Unternehmen, ist die Verunreinigung des Trinkwassers mit diesem Stoff, der nur langfristig abbaubar ist, so stark, dass dort keine Blutspenden mehr vorgenommen werden dürfen. Trotz einiger Indizien dafür, dass die Substanz krebserregend ist, hat man Jahre lang mit einem Verbot gezögert. Inzwischen ist Ende 2022 im Landkreis Altötting eine weitere Chemikalie (HFPO-DA) im Trinkwasser entdeckt worden. Die Behörden wiegeln ab. Der Vertreter einer lokalen Bürgerinitiative beklagt mangelnde Transparenz. Verständlich, dass das Landratsamt die Arbeitgeber im nahen Chemiepark möglichst wenig beeinträchtigen möchte. „Auf EU-Ebene wird derzeit ein PFAS-Verbot geprüft“, hieß es am 16. 03. 23 in der Sendung Panorama.[3]
Ob manche Bauern da ihre Vergleiche ziehen? Das Problem ist, dass kleine Unternehmen, landwirtschaftliche Betriebe eingeschlossen, viel stärker durch staatliche Kontrollen belastet sind als Großunternehmen, die dafür Fachpersonal haben oder die Aufgaben auslagern können. Aber nicht nur deshalb könnten kritische Zeitgenossen meinen, dass man die Kontrolle der Produzenten, die dem Umwelt- und Gesundheitsschutz dienen soll, als Klassenfrage diskutieren müsste. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung müssen zwar alle industriellen Projekte und größeren Bauvorhaben durchlaufen.[4] Die Frage ist aber, wie der laufende Produktionsbetrieb überwacht wird. Die kritischen Berichte über gefälschte Abgaswerte in der Autoindustrie oder nicht deklarierte Zusatzstoffe in der Lebensmittelindustrie lassen da Zweifel aufkommen.
Wir können also feststellen: Die teilweise bedrohliche Umweltverschmutzung durch Industrie, industrielle Landwirtschaft und Verkehr – das Militär nicht zu vergessen – hat zu einem exorbitant erhöhten Regelungs- und Kontrollbedarf geführt. Chemie, Biochemie und Gentechnik haben das Problem verschärft und machen besonders bei der Produktion von Lebensmitteln Transparenz erforderlich. Die Industrialisierung ist so weit fortgeschritten, dass unser ganzes Ökosystem belastet ist und Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge nur schwer zu erfassen sind. Der große Regelungs- und Kontrollbedarf schlägt sich in Bürokratisierung nieder, lässt sich aber im Interesse des Gemeinwohls nicht mehr rückgängig machen.
Das bekannte Parkinsonsche Gesetz,[5] nach dem jeder bürokratische Apparat in sich das Bestreben hat, sich auszudehnen, weil er dazu neigt, sich neue Aufgaben zu suchen, um seine Existenzberechtigung nachzuweisen, und weil Verwaltungsprozeduren keinem „natürlichen“ Zeitlimit unterliegen, reicht nicht aus, um Bürokratisierung zu erklären. Historisch hat die Entwicklung etwas mit dem Ende der traditionellen, überschaubaren Welt zu tun: mit moderner Staatlichkeit, dem Klassenstaat und mit der Wettbewerbsgesellschaft.
Ursprünge der Bürokratisierung
In der traditionellen Welt bzw. in den gesellschaftlichen Bereichen, die bis in das 20. Jahrhundert hinein noch nicht vom Kapitalismus durchdrungen waren, erübrigten sich, von Ausnahmen abgesehen, Kontrollen der bäuerlichen und handwerklichen Produktion. Die Bauern züchteten und hielten ihr Vieh, bauten ihr Getreide oder den Wein über viele Generationen auf die überlieferte Art an. Niemand kam auf den Gedanken, irgendwelche Nachweise oder Proben zu verlangen. Ebenso wurde im Handwerk nach überlieferten Methoden gearbeitet, soweit nicht schon Aufträge von Großunternehmen oder vom Staat Neuerungen erforderten. Handwerkliche Routine, Handwerkerehre und die räumliche Nähe schufen Vertrauen im regionalen Wirtschaftsleben. So wird zum Beispiel aus einer Region berichtet, dass bis vor einhundert Jahren Seifensieder an vier Orten Kernseife herstellten. Keine Behörde sah sich veranlasst, die Rezeptur zu prüfen, was heute bei solchen Produkten undenkbar ist. Lediglich für zwei Lebensmittel, nämlich für Bier und Brot, erließen die Regierenden schon historisch früh Reinheitsgebote oder Vorgaben fürs Gewicht, die vermutlich auf Beschwerden hin überprüft und bei Verfehlung geahndet wurden. Der Verwaltungsaufwand war gleich Null und die Produzenten und Konsumenten merkten noch nichts von Bürokratie.
Das war auch noch so im Übergang zum modernen Staat, mit dem sich dann die Bürokratie entwickelte. Um einen Überblick über ihren volkswirtschaftlichen Reichtum zu gewinnen, veranlassten aufgeklärte Fürsten eine Zählung bäuerlicher Betriebe, des Viehbestands, der durchschnittlichen Ernteerträge etc. – die Anfänge der beschreibenden Statistik und der Dokumentation wirtschaftlicher Verhältnisse. Mit Einführung der Wehrpflicht wurde im 19. Jahrhundert auch die Erfassung der wehrfähigen Männer notwendig. Und in dem Maß, in dem die Wirtschaft unternehmerisches Handeln erforderte, verlangten die Bürger berechenbare Verwaltungsentscheidungen. Die Kriegswirtschaft erzwang im Ersten Weltkrieg die Ausschöpfung aller verfügbaren Ressourcen zur Ernährung der Bevölkerung und der Truppe. Die planmäßige Versorgung brachte bürokratischen Aufwand aufseiten des Staates mit sich. Daher Abgabepflichten für die Landwirte und die Rationierung von Lebensmitteln für die Haushalte. Zumindest auf der unteren Verwaltungsebene musste man wissen, was die bäuerlichen Betriebe aufbringen konnten und auch, wie viele Lebensmittelmarken jedem Haushalt zustanden. Das alles machte sich für die Bürger und Bürgerinnen als lästige Kontrolle bemerkbar. Aber sie wurden noch nicht zur Kooperation bei der Erfassung von Daten genötigt, und ihr wirtschaftliches Handeln wurde noch nicht von teils minutiösen Vorgaben gesteuert. Besonders sah sich dann der Staat in der Zwischenkriegszeit durch die Arbeitslosigkeit und die neu eingeführten Ansprüche auf Arbeitslosengeld herausgefordert. In der autobiografischen Notiz eines Arbeiters las ich, dass er während seiner Erwerbslosigkeit in den 1920er Jahren dreimal die Woche beim Amt erscheinen musste, um zehn Mark zu bekommen. Heute ist der bürgerliche Staat nach wie vor bei sozialen Transferleistungen für Erwerbslose, Geringverdiener und andere soziale Schwache angestrengt um Kontrolle bemüht, was einen nicht geringen Verwaltungsaufwand erfordert.
Zwei Motive für staatliche Kontrolle
Wir haben zwei Motive für staatliche Kontrolle ausgemacht. Da ist zum einen das Bemühen, die staatlichen Ausgaben auf berechtigte Ansprüche zu beschränken, um die Verschwendung von Steuergeldern zu vermeiden. Dem Anspruch auf Sozialleistungen in schwierigen Lebenslagen stehen die Ansprüche auf Subventionen für Unternehmen gegenüber, darüber hinaus auf Fördergelder vielfältiger Art für die Bürgerinnen und Bürger, aktuell zum Beispiel für den Einbau neuer Heizungen zur Energiewende. Dabei sind die Unterschiede im staatlichen Umgang mit den Ansprüchen nicht zu übersehen. Während Förderrichtlinien relativ interpretationsoffen sind, sind die Verwaltungsvorschriften nach dem Sozialgesetzbuch eng definiert. Die Bezieher von Bürgergeld, früher Hartz IV, werden in umfangreicher Bürokratie erstickt. Wer beispielsweise Wohngeld beantragt, bekommt das zu spüren. Ein anderes Beispiel: Die Antragsformulare für das sog. „Bildungs- und Teilhabepaket“, mit dem Kinder und Jugendliche Zuschüsse für die Mitgliedschaft in einem Sportverein, für Musikunterricht, für einen Schulausflug oder für das Mittagessen in der Schule erhalten können, sind mehrere Seiten lang und die Bearbeitung dauert Monate. Noch komplizierter wird es, wenn bei den Eltern ein zwischenzeitlicher Minijob und die Änderung der Miete und der Nebenkosten verrechnet werden müssen. Dabei gibt es nur 15 Euro pro Monat, auch wenn der Musikunterricht beispielsweise das Doppelte kostet. Im Sozialbereich ist Bürokratie total, weil das Kontrollbedürfnis besonders ausgeprägt ist.
Das zweite Motiv, historisch jüngeren Datums, ist der Schutz der Umwelt und der Gesundheit im Interesse des Gemeinwohls. Wenn wir uns klar machen, dass die Gefährdung der Umwelt, inzwischen auch des Klimas, in den letzten hundert Jahren aufgrund der technischen Entwicklung massiv zugenommen hat, dann wird der gesteigerte Bedarf an Kontrolle verständlich, seien es die Verwendung von Pestiziden oder von Antibiotika in der Landwirtschaft oder die Verwendung von Zusatzstoffen in der Lebensmittelproduktion oder die Treibhausgasemissionen in der Industrie. Dabei leben wir in einer Gesellschaft, in der das je individuelle Interesse anerkanntermaßen handlungsleitend ist, in einer Wettbewerbsgesellschaft, in der die oder der Einzelne ausdrücklich ermuntert wird, alles zu nutzen, was jeweils für sie oder ihn von Vorteil ist oder zu sein scheint. Rücksichtnahme auf andere oder das große Ganze wird zwar moralisch gewürdigt. Aber außerhalb der Familie ist sie im Daseinskampf nicht maßgebend. Auch im sozialen Umfeld macht kaum jemand sein Urteil davon abhängig. Das heißt: Misstrauen ist in unserer Gesellschaft angebracht, und auch der Staat hat einen Grund, seinen Bürgern zu misstrauen. Wenn er nur nicht so unterschiedlich dabei verfahren würde. „Anständige“, steuerpflichtige – nicht unbedingte Steuer zahlende – Bürger genießen mehr Vertrauen des Staates.
Einen etwas anderen Aspekt der modernen Gesellschaft hat der Soziologe Niklas Luhmann bei der Begründung bürokratischer Rationalität im Auge. – Dass es eine kapitalistische Gesellschaft ist, interessiert ihn nicht. Im Fokus seiner Theorie steht die Komplexität dieses Gesellschaftssystems, was einen Mechanismus zur Absorption von Unsicherheit und zur Bewältigung von Kontingenz erforderlich mache. Tatsächlich kennzeichnen Unsicherheit und Unüberschaubarkeit der sozialen Beziehungen und auch der gesellschaftlichen Konjunkturen ebenfalls die heutige Gesellschaft. Als eine Gesellschaft von vertragsschließenden Subjekten, die in Geschäftsbeziehungen miteinander stehen, ist die bürgerliche Gesellschaft auf die Berechenbarkeit staatlichen Handelns angewiesen. Das ist der Grundgedanke in Max Webers Begründung der Bürokratie, die für ihn ein Element der Moderne ist.
Und in der Konsumgesellschaft sollen die Konsumenten Wahlmöglichkeiten haben, auch die Klienten von Dienstleistungen. Das verlangt die Transparenz der Angebote, die zur Wahl stehen. So soll das jetzt vom Bundesgesundheitsminister geplante Krankenhaustransparenzregister den Patienten Informationen über die jeweilige Ausstattung der Krankenhäuser bieten. Aber das belastet die Krankenhäuser nach Einschätzung von Klaus Emmerich, Mitbegründer des „Bündnisses Klinikrettung“, „mit immenser Bürokratie“.[6] Denn um die Informationen abrufen zu können, müssen sie vorher eingegeben werden. Dass wir eine Migrationsgesellschaft geworden sind, das bringt auch ein wenig mehr Bürokratie mit sich. Migrantinnen und Migranten können davon ein Lied singen. Wenn sie einen Qualifikationsnachweis aus dem Herkunftsland anerkannt haben oder Familienmitglieder nachholen wollen, müssen sie stapelweise Dokumente beibringen.
Die Idee, die transnationalen Lieferketten der heimischen Produktion zu kontrollieren, verweist darauf, dass die Welt geschrumpft ist. Die Abholzung von tropischen Wäldern bekommen klimatisch auch wir zu spüren und das Lohndumping in einem fernen Land bleibt nicht ohne Folge für die Wirtschaft hierzulande. Denn es begünstigt die Auslagerung von Betrieben oder Betriebsteilen und beeinflusst das globale Lohnniveau. Doch klafft zwischen dem Bewusstsein solcher Abhängigkeiten und den politischen Konsequenzen wegen des Lobbyismus des Kapitals noch eine unübersehbare Lücke. In diesem Zusammenhang ist auch zu vermerken, dass die großen „Schattenbanken“ wie BlackRock, Vanguard, State Street & Co. überhaupt nicht mit staatlicher Bürokratie belästigt werden. Sie werden nach Beschluss der G7-Staaten nicht reguliert. Sie gelten als schwer regulierbar, weil das Kapital von Multimillionären und Multimilliardären, das sie sammeln, weltweit in Briefkastenfirmen versteckt ist. Dabei sind diese Finanzierungsgesellschaften heute die führenden Investoren transnationaler Konzerne, vor allem in den USA und den wichtigsten EU-Staaten. In Deutschland bilden sie die führenden Aktionärsgruppen in den DAX-Unternehmen und vielen weiteren Unternehmen.[7]
Bei dem Bürokratieentlastungsgesetz setzt die Bundesregierung erklärtermaßen unter anderem auf Digitalisierung. Die Digitalisierung mag manches vereinfachen: mit der Verwendung von Textbausteinen, mit der Übertragung von Daten, mit der Speicherung von Dokumenten usw. Aber die Informationstechnologie schafft neue Kontrollmöglichkeiten, wie das Beispiel der Erfassung bäuerlicher Betriebe mit Methoden der Geoinformation zeigt. Und Kontrollen bringen neue Auskunftspflichten mit sich.
Was ist von der Forderung nach Bürokratieabbau zu halten?
In der Bilanz können wir festhalten: Wenn man sich all diese gesellschaftlichen Struktureigenheiten klar macht, muss man zu der Einschätzung kommen, dass die Möglichkeiten des Bürokratieabbaus gering sind. Das staatliche Interesse an Kontrolle und Steuerung gesellschaftlicher Prozesse ist zwar von Klasseninteressen beeinflusst, aber generell unabweisbar. Die Erwartung auf einen einschneidenden Wandel, gar einen epochalen Bürokratieabbau ist illusionär. Die Klagen über Bürokratismus vonseiten der Unternehmer aber auch der Landwirte dienen teils der Problemverschiebung und überdecken andere wirtschaftliche Probleme wie Absatzschwierigkeiten oder Folgen des Klimawandels. Vor allem aber zielt die Forderung nach Bürokratieabbau vielfach auf den Abbau von Kontrollen zugunsten der unternehmerischen Freiheit auf Kosten des Gemeinwohls. Keiner denkt bei Bürokratieabbau an weniger Schriftverkehr, weniger Auflagen und weniger behördliche Kontrolle für Empfänger von Sozialleistungen.
Quellen
[1] https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/eu-staaten-stimmen-f%C3%BCr-lieferkettengesetz-deutschland-enth%C3%A4lt-sich/ar-BB1jX1Ki?OCID=ansmsnnews11 abgerufen am 18.03.24
[2] Parkinson, Cyril Northcote Parkinson (1957/2005): Parkinsons Gesetz und andere Studien über die Verwaltung. Düsseldorf: Verlagsanstalt Handwerk.
[3] https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/wasser-pfas-belastung-chemiepark-altoetting-100.html abgerufen am 18.03.24
[4] https://www.uvp-verbund.de/startseite abgerufen am 18.03.24
[5] Parkinson, Cyril Northcote Parkinson (1957/2005): Parkinsons Gesetz und andere Studien über die Verwaltung. Düsseldorf: Verlagsanstalt Handwerk.
[6] Gespräch mit Klaus Emmerich „Schließungen schaffen kein neues Personal“, in: junge Welt v. 14.03.2024, S.2
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[7] Werner Rügemer: BlackRock & Co. enteignen! Auf den Spuren einer unbekannten Weltmacht. Frankfurt/Main 2023, S.26ff. u. S.47ff.