Innenpolitik

Auf ihrer NATO-Konferenz entpuppten sich die Grünen als Freunde militärischer „Sicherheitskonzepte“

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Von THOMAS WAGNER, 25. Oktober 2010 –

Wie stehen die Grünen heute eigentlich zur NATO? Nähere Auskunft zu dieser Frage versprach eine Konferenz zu geben, die am vergangenen Freitag in Berlin stattfand. Unter dem Titel „Wohin mit der NATO? Relikt des Kalten Krieges oder Instrument für den Frieden“ hatte die Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen in den Reichstag geladen. Im Verlauf der Veranstaltung wurde bald klar, dass von einer prinzipiellen NATO-Gegnerschaft, gar von einer pazifistischen Grundströmung zumindest bei den Funktionsträgern der Grünen heute keine Rede mehr sein kann.

Der für den erkrankten Fraktionsvorsitzenden Jürgen Trittin kurzfristig eingesprungene Frijthof Schmidt deutete in seiner Eröffnungsrede an, dass für eine Abschaffung der NATO oder einen Austritt Deutschlands aus  der NATO in der Fraktion wohl niemand mehr votiere. Auf der Tagesordnung der Grünen steht nicht die Auflösung des aggressiven Militärpaktes, sondern seine Ausdehnung nach Osten, das heißt die Einbindung Russlands. In Schmidts Worten: ein „echtes System kollektiver Sicherheit von Vancouver bis Wladiwostok mit Russland und den osteuropäischen Nachbarn.“

Schmidt zeigte sich gewiss: „Europas Sicherheit wird es nur mit, nicht ohne Russland geben.“ Daher plädierte er dafür, dass Russland in die NATO aufgenommen werden solle. Ungeachtet ihrer globalen Kriegseinsätze glaubt der grüne Fraktionsvize in dem hochgerüsteten Angriffsbündnis westlicher Staaten zumindest potenziell einen „Motor für Abrüstung, vor allem nuklearer Abrüstung“ sehen zu können.

Neben dem Verhältnis zu Russland waren mehr oder weniger fundierte Spekulationen über den genauen Inhalt des geheimgehaltenen neuen Strategiepapiers der NATO ein weiterer zentraler Gegenstand der von bis zu 400 Gästen besuchten Veranstaltung. Laut Ruprecht Pohlenz (CDU) beinhaltet das von einer Kommission unter Leitung der ehemaligen US-Außenministerin  Madeleine Albright vorbereitete neue Konzept drei Bedrohungsszenarien, mit denen die NATO ihre zukünftige Existenz begründe: Angriffe durch ballistische Raketen, Terrorismus und Cyberangriffe.

Für den mit freundlichem Beifall begrüßten NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, über dessen bloßes Erscheinen die grünen Parlamentarier ganz aus dem Häuschen waren, ist die NATO „ein Instrument für Frieden in der Welt“. Im kalten Krieg habe das Bündnis den Frieden und die Freiheit bewahrt, in Ex-Jugoslawien den Frieden gesichert. Und heute mache die NATO das gleiche in Afghanistan. Die Opfer in Afghanistan seien nicht umsonst, führte Rasmussen seine Ausführungen fort, denn die Taliban stünden dort unter Druck, Mädchen gingen zur Schule und tausende Flüchtlinge seien in ihr Land zurückgekehrt. „Wir müssen mehr tun, um auf diese Erfolge aufzubauen“, sagte Rasmussen.

Rasmussen betonte, dass es in der Bekämpfung von Drogenhandel, Piraterie und in der Stabilisierung gemeinsame Interessen der NATO mit Russland gebe und begrüßte, dass der russische Präsident Medwedew seine Teilnahme am NATO-Gipfel in Lissabon zugesagt habe.

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Für seine militaristische Propagandarede erhielt Rasmussen viel Beifall. Eine einzige Basisaktivistin fiel durch gelegentliche Zwischenrufe auf, wurde danach aber jedes Mal von einem Ordner an ihrem Platz aufgesucht. Über ökonomische Interessen hinter den NATO-Einsätzen, das Thema hatte ein Fragesteller aus dem Publikum eingebracht, wollte eine Expertenrunde aus Dr. Ulrike Guérot (European Council on Foreign Relations), Prof. Dr. Johannes Varwick und dem grünen Parlamentarier Hans-Christian Ströbele nicht diskutieren.

Überhaupt scheint Ströbele mittlerweile seine pazifistische Feigenblattfunktion für die Grünen aufgeben zu wollen. Er merkte zwar an, dass die Existenzberechtigung der NATO für ihn immer noch eine offene Frage sei, konnte sich aber mit einem Vorschlag des ehemaligen Kommandeurs des Allied Joint Force Command anfreunden, die aus Europa stammenden NATO-Truppen militärisch zu effektivieren. Falls man die Kommandostrukturen vereinheitliche, könnte man auf eine Millionen der heute zwei Millionen Soldaten verzichten und das eingesparte Geld in die Verbesserung der Einsatzkapazitäten investieren. Diese Idee fand Ströbele anscheinend ganz prima. Dass es bei diesem „Abrüstungsvorschlag“ vorrangig um eine Verbesserung der Einsatzfähigkeit der Truppen in internationalen Kampfeinsätzen geht, schien Ströbele an dieser Stelle nicht besonders zu interessieren.

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