Medien

Venezuela im Kampf um die Pressefreiheit

Hinweis: Die Bilder sind aus den archivierten Hintergrund-Texten vor 2022 automatisch entfernt worden.

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von Elke Groß und Ekkehard Sieker – Sonntag, 15.07.2007: 

Am 16. Juli 2007 nimmt der regierungskritische, venezolanische Privatfernsehsender „Radio Caracas Televisión“ (RCTV) seinen Sendebetrieb wieder auf. Künftig kann er sein Programm nur noch über Kabel, Satellit und Internet verbreiten und erreicht so noch etwa ein Drittel der fernsehschauenden Bevölkerung, bisher waren es 98 Prozent.
Nachdem die Ende Mai diesen Jahres abgelaufene terrestrische Sendelizenz von RCTV seitens der venezolanischen Telekommunikationsbehörde nicht verlängert worden ist, hat dieser Privatsender auf die Ausstrahlung eines regulären Programms vorläufig verzichtet. Die Entscheidung der Regierungsbehörde war mit einer aktiven politischen Rolle begründet worden, die der Sender besonders während des Putschversuchs im April 2002 gegen den gewählten Präsidenten Hugo Chávez gespielt hat. Damals hatten RCTV – und andere private Sender – rechte Militärs und Unternehmer bei ihrem blutigen Umsturzversuch gegen die Regierung Chávez unterstützt. So sendete RCTV manipulierte Bilder und behauptete, Anhänger der Chávez-Regierung hätten auf „unbewaffnete oppositionelle Demonstranten“ geschossen, eine Lüge, wie sich später herausstellte, die aber gezielt zur Rechtfertigung des Staatsstreichs aufgestellt worden war.

Nach dem Putsch setzten RCTV und andere Privatsender ihre regierungsfeindliche Politik fort. So unterstützten sie die rechtsextreme Opposition erneut Ende 2002 beim Aufruf zu einem „unbefristeten“ Generalstreik, bei dem der staatliche Erdölkonzern PDVSA durch leitende Angestellte sabotiert wurde mit dem Ziel, durch eine erhebliche Beeinträchtigung der Energieversorgung des Landes die Chávez-Regierung zum Rücktritt zu zwingen. Während dieser Zeit stellten die Sender die Ausstrahlung kommerzieller Werbung ein und brachten statt dessen nur noch regierungsfeindliche Spots.

Nachdem mit Unterstützung Kubas auch der zweite Umsturzversuch gescheitert war, schlugen die anderen quotenstarken Privatsender einen moderateren Kurs gegenüber der linken sozialreformerischen Politik von Hugo Chávez ein. Der Sender RCTV hingegen blieb über Jahre hinweg stramm auf einem aggressiven Oppositionskurs – bis Venezuelas Präsident Ende Dezember 2006 ankündigte, die auslaufende Lizenz des Privatsenders nicht mehr zu verlängern. Statt dessen wurde die freiwerdende terrestrische Frequenz an einen neuen Fernsehkanal „Televisora Venezolana Social“ (TVes) übertragen, wobei der Oberste Gerichtshof Venezuelas entschieden hat, daß RCTV seine Sendeanlagen dem neuen Sender überlassen muß. TVes soll unabhängige Produktionen fördern und ein öffentliches Fernsehen nach dem Vorbild europäischer öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten entwickeln, um ein Gegengewicht zu den Privatsendern zu schaffen. Denn RCTV und drei andere große Fernsehsender kontrollieren – zusammen mit einem weiteren privaten TV-Kanal mit begrenzter Reichweite – 90 Prozent des TV-Marktes. Die Privatsender befinden sich in den Händen weniger Familienunternehmen, die zur Finanz- und Landbesitzer-Oligarchie Venezuelas gehören. Dieser Geldadel Venezuelas konnte und kann mit Hilfe seiner Sender auf direkte Weise erheblichen Einfluß auf die politische Meinungsbildung im Land nehmen.

Obwohl die Entscheidung der Nichtverlängerung der Sendelizenz keineswegs das Aus für RCTV bedeutet, fühlen sich die Kreise der Oligarchie in ihrer bislang ausgeprägten politischen Einflußnahme gestört; daher nutzen sie auch die Gunst der Stunde, um Präsident Chávez und seine Regierung zu diskreditieren. So sieht der Eigentümer des Privatsenders RCTV – der Medienmogul Marcel Granier, der auch mehrere Radiosender, Schallplattenunternehmen und Werbeagenturen kontrolliert – die „Meinungsfreiheit“ in Venezuela verletzt. Er ist aber nicht der einzige, der Venezuelas Pressefreiheit in Gefahr sieht: Vor allem ein Teil der Studierenden teilen seine Ansicht und sind deshalb in den ersten Juni-Wochen auf die Straße gegangen, um für „Meinungs- und Pressefreiheit“ zu demonstrieren. Die Opposition – und mit ihr die Medienkonzerne im Land – sprechen fälschlicherweise von einer „Schließung“ des Senders.
Diese Version wird von der internationalen Presse weitgehend unkritisch übernommen – oder sogar noch weiter zugespitzt. In einigen deutschsprachigen Medien ist sogar von „TV-Zensur“, „Verbot des Senders“ und „Gleichschaltung der Medien“ die Rede. Die Regierung Chávez verteidigt dagegen ihre Entscheidung als Schritt hin zu einer weiteren „Demokratisierung der Medienlandschaft“. „Wir haben durch Taten bewiesen“, so der venezolanische Informationsminister Willian Lara, „daß die Meinungsfreiheit in Venezuela nun ein Recht aller ist und daß dieses Recht nicht mehr von einer kleinen wirtschaftlichen Elite mißbraucht wird“ (vgl.:http://www.dieanderezeitung.at vom 14.Juli 2007). So hat die Regierung in den vergangenen Jahren Hunderte von Lizenzen für kleine offene Bürgerfunk- und Fernsehprogramme vergeben. Auch die Sendezeiten des neuen Fernsehkanals TVes sollen, laut der venezolanischen Botschaft in Deutschland, „offen und transparent unter unabhängigen Produzenten aus den Gemeinden und der Gesellschaft ausgeschrieben werden“.

Abseits der westlichen Regierungen und der Mainstream-Medien ihrer Länder trifft die Nichtverlängerung der Sendelizenz und die Kritik an den Privatmedien durch die Chávez-Regierung durchaus auf Verständnis, etwa bei zahlreichen Intellektuellen, Schriftstellern, Künstlern oder in linksliberalen politischen Kreisen – auch in Deutschland. Davon zeugen verschiedene Aufrufe und Stellungnahmen, in denen darauf hingewiesen wird, daß die Pressefreiheit nicht mit der Freiheit von Medienkonzernen verwechselt werden darf.

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Bei all der wohl teilweise von Unkenntnis der Hintergründe geprägten Sympathie, die dem um seinen Einfluß beschnittenen venezolanischen Privatsender RCTV auch in deutschen Medien entgegengebracht wird, sollten sich die sympathisierenden Journalisten hierzulande wenigstens folgende Frage stellen:

Was würde wohl in Deutschland geschehen, wenn ein Privatsender die Entführung und Ermordung der Bundeskanzlerin organisatorisch und medial unterstützen würde? Antwort: Nach dem vereitelten Staatsstreich würde dieser Sender sicher sofort geschlossen!

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